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BB 2024, I
Wünnemann 

RefE CSRD-UmsG – Kraftakt und Chance

Abbildung 1

Entscheidend ist, dass eine praxistaugliche Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland erfolgt und der Bürokratieaufwand für die Unternehmen begrenzt wird.

Am 22.3.2024 ist der Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Umsetzung (UmsG) der europäischen Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht worden (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2024_
CSRD_
UmsG.html, Abruf: 23.3.2024). Bis Juli 2024 muss die Corporate Social Responsibility Directive (CSRD, RL (EU) 2022/2464, ABlEU vom 16.12.2022, L 322, 15) in nationales Recht umgesetzt werden. Der deutsche Referentenentwurf sieht im Wesentlichen eine “Eins-zu-Eins”-Umsetzung der EU-Vorschriften vor. Damit erwartet viele deutsche Unternehmen eine neue Herausforderung: Künftig muss mit dem Jahresabschluss ein umfangreicher Nachhaltigkeitsbericht in den Bereichen Umwelt, Soziales und Government erstellt werden. Dies gilt für rund 15 000 Kapitalgesellschaften in Deutschland – nicht nur für große, sondern auch für mittelständische Unternehmen. Die neuen Berichtspflichten werden schrittweise eingeführt:

  • für Geschäftsjahre seit dem 1.1.2024 für Unternehmen, die bereits der CSR-Richtlinie (RL (EU)2014/95, ABlEU vom 15.11.2014, L 330, 1) unterliegen (große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern),

  • für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2025 für große Kapitalgesellschaften, die eine Bilanzsumme von mindestens 25 Mio. Euro, Umsatzerlöse von mindestens 50 Mio. Euro oder mindestens 250 Mitarbeiter haben,

  • für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2026 für börsennotierte KMU, die eine Bilanzsumme von mindestens 450 000 Euro, Umsatzerlöse von mindestens 900 000 Euro oder mindestens zehn Mitarbeiter haben (bis 2028 eine Ausnahme möglich, opt-out).

  • Für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2028: Unternehmen aus Drittstaaten (Nicht-EU-Unternehmen) mit einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. Euro und einer EU-Niederlassung oder einem EU-Tochterunternehmen (groß oder börsennotiert).

Der Lagebericht muss nach dem 181 Seiten umfassenden Entwurf von allen betroffenen Unternehmen durch einen Nachhaltigkeitsbericht nach detaillierten Vorgaben hinsichtlich des Inhalts und des Formats ergänzt werden. Vorgeschrieben ist ein einheitliches elektronisches Berichtsformat; die detaillierten inhaltlichen Berichtsanforderungen finden sich in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

Als Teil des (Konzern-)Lageberichts soll der Nachhaltigkeitsbericht zukünftig Gegenstand einer inhaltlichen Prüfung werden. Diese wird zweigeteilt in die Prüfung des Abschlusses und die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Hierbei wird im Referentenentwurf das Wahlrecht der EU-Mitgliedstaaten, neben dem Wirtschaftsprüfer auch sog. unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zuzulassen, nicht genutzt. Die Prüfung muss somit stets durch einen Wirtschaftsprüfer erfolgen, wobei dies auch der Abschlussprüfer sein kann. Mit einem Wahlrecht – das z. B. in Frankreich, Italien oder Spanien ermöglicht wird – hätten die Unternehmen mehr Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Prüfers, und potenzielle Kapazitätsengpässe könnten vermieden werden.

Neu geregelt werden im Entwurf auch die Kontrolle und Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch das zuständige Organ in den Unternehmen mittels entsprechender Änderungen des Aktiengesetzes (AktG). Demnach ist der Nachhaltigkeitsbericht dann künftig Gegenstand der Prüfung durch den Aufsichtsrat, und der Prüfungsausschuss ist im Rahmen der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses auch für die Überwachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zuständig.

Von besonderer Bedeutung ist auch das Zusammenspiel mit den Berichtspflichten nach dem EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD), dem der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments JURI am 19.3.2024 nach langem Ringen zugestimmt hat (BB 2024, 745). Doppelte Berichtspflichten der Unternehmen sollen vermieden werden. Unternehmen, die bereits einen Nachhaltigkeitsbericht nach der CSRD veröffentlichen, sollen nunmehr nicht verpflichtet sein, zusätzliche Angaben nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu veröffentlichen.

Im Ergebnis bedeutet die nun anstehende Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland einen großen Kraftakt für die Wirtschaft. Der einmalige Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft bei Einführung wird im Referentenentwurf auf rund 750 Mio. Euro und der jährliche Erfüllungsaufwand auf rund 1,4 Mrd. Euro geschätzt. Bereits jetzt ist absehbar, dass durch das umfangreiche Regelwerk eine enorme Zusatzbelastung der Unternehmen entsteht, und es werden erhebliche Ressourcen zur Erfüllung der detaillierten Berichtspflichten gebunden. Daher sollten weitere Vereinfachung erfolgen, z. B. durch eine Wesentlichkeitsschwelle für bestimmte Gesellschaften. Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft aber auch die Chance einer höheren Transparenz über die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft. Entscheidend ist, dass eine praxistaugliche Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland erfolgt und der Bürokratieaufwand für die Unternehmen begrenzt wird.

Dr. Monika Wünnemann ist seit 2018 Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Davor hat sie die Steuerabteilung des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA) geleitet. Neben langjähriger Erfahrung als Dozentin ist sie Autorin zahlreicher Fachpublikationen.

 
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