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BB 2018, I
Neufang 

Reformansatz für die Grundsteuer

Abbildung 1

Am 16.1.2018 war die mündliche Verhandlung in Sachen Grundsteuer beim Bundesverfassungsgericht. Wie Insider stets vermutet und prognostiziert haben, die Bemessungsgrundlage zur Grundsteuer wird wohl gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Darauf deuten die Nachfragen der Bundesrichter eindeutig hin. Schwerlich darstellbar ist doch, dass Werte auf der Wertbasis 1964 in den alten Bundesländern und auf der Wertbasis 1935 in den neuen Bundesländern der Besteuerung zu Grunde gelegt werden können. Die Entscheidungen zur Erbschaftsteuer des Bundesverfassungsgerichts in der Vergangenheit zeigten doch, die jahrelange Nichtberücksichtigung von Wertveränderungen überschreitet die Toleranzbreite eines Massenverfahrens. Völlig daneben ist deswegen die Bitte des Bundesfinanzministeriums um eine zehnjährige Übergangsregelung bei einer Verfassungswidrigkeit, denn bei der Bejahung der Verfassungswidrigkeit hat der Steuerzahler einen Anspruch auf alsbaldige Herstellung einer verfassungskonformen Steuererhebung. Dem kann nicht mit der Begründung entgegengetreten werden, dass eine Systemumstellung mit einer Neubewertung personell die Finanzverwaltung überfordern würde.

Vorschläge zur Änderung der Bemessungsgrundlage gibt es seit Jahren; zuletzt in der Bundesratsdrucksache 515/16 vom 4.11.2016. Dieser Reformvorschlag ist aber gescheitert, weil nicht alle Bundesländer zustimmten. Die Politik hat sich stets gescheut, dieses heiße Eisen vor dem Hintergrund der Breitenwirkung anzufassen. Aber auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu warten, die zum Handeln zwingt, ist eine steuerpolitische Fehlleistung, denn es ist Sache der Legislative, für ein verfassungskonformes und funktionierendes Steuergesetz zu sorgen, wenn Mängel erkannt werden. Deswegen ist zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht in der zu erwartenden Übergangsregelung den Gesetzgeber an seine Pflichten erinnert.

Erklärtes Ziel des Änderungsvorschlags im Bundesrat war eine aufkommensneutrale Umgestaltung der Grundsteuer. Trotz allen Beteuerungen dürfte dies schwerlich zu realisieren sein, weil bei einer Neubewertung die Werte sich teilweise beträchtlich erhöhen werden. Den Hebesatz legen aber die Gemeinden fest, die teilweise erhebliche Haushaltsprobleme haben. Dies teilweise deshalb, weil Bund und Land den Gemeinden immer mehr Aufgaben aufbürden, ohne die entsprechenden finanziellen Zuweisungen zu machen. Deswegen ist zu erwarten, dass die Kämmerer bei der Festlegung der Hebesätze “vorsichtig” rechnen werden.

Aufgrund der unterschiedlich hohen Wertsteigerungen seit der letzten Bewertung, stellt sich die Frage, wer wird Gewinner und wer Verlierer? Gewinner werden die Gemeinden in Regionen mit großen Wertsteigerungen, damit Verlierer die Grundstückseigentümer und Mieter sein. Dies sind im Regelfall die Ballungsgebiete mit den ohnehin schon höchsten Mieten. Damit rückt die Grundsteuer auch in den Fokus der Sozialpolitik, denn eine Neubewertung wird zu überproportionalen Mietsteigerungen führen.

Es stellt sich damit zwangsläufig die Frage, ob die Grundsteuer – obwohl mit ca. 14 Mrd. Euro – die zweitwichtigste Einnahmequelle der Gemeinden – nicht gänzlich abgeschafft werden sollte. Die Beibehaltung der Steuer führt nämlich dazu, dass in regelmäßigen Zeitabständen von der Finanzverwaltung ca. 35 Mio. Grundstücke mit erheblichem Personalaufwand neu bewertet werden müssen, damit die Gemeinden die Steuer erheben können. Somit wird die Finanzverwaltung in diesem Bereich zum Erfüllungsgehilfen der Gemeinden. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der Staat für den Einzug der Kirchensteuer von den Kirchen eine “Bearbeitungsgebühr” von 3 % erhält. Ehrlicher wäre, den Gemeinden die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer aufzuerlegen, dann würden die Bürger auch fragen, was macht ihr mit “meinen” Steuern. Für Zwecke der Erbschaftsteuer könnte es dann bei der stichtagsbezogenen Bewertung bleiben.

Im Übrigen ist die Grundsteuer zwischenzeitlich keine Steuer mehr für Grundstücke, denn sie wird von jedem bezahlt; gehört sie doch zu den umlagefähigen Kosten und kann bei der Bemessung der Miete berücksichtigt werden. Bei den gewerblichen Immobilien gilt es zu beachten, dass Unternehmen an die Gemeinden bereits Gewerbesteuer bezahlen. Sodann müsste zum Ausgleich des Wegfalls der Grundsteuer die Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG ersatzlos gestrichen werden. Im Rahmen dessen müsste dann auch darüber diskutiert werden, ob nicht alle Unternehmen gewerbesteuerpflichtig werden und der Katalog der Steuerfreiheit nach § 3 GewStG zu reduzieren ist. Zum Ausgleich der Mindereinnahmen sollten die Gemeinden durch einen weiteren Zuschlag am Steueraufkommen von Einkommensteuer nach Art. 106 Abs. 5 GG und ggf. zur Körperschaftsteuer beteiligt werden. Der einfachste und radikalste Lösungsansatz wäre die Einführung einer kommunalen Einkommensteuer, wie dies in anderen Ländern der Fall ist, verbunden mit der ersatzlosen Abschaffung der Gewerbe- und Grundsteuer oder eine Beschränkung der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer auf den Grund und Boden. Das würde im Übrigen auch dazu führen, dass die Kommunen Maßnahmen zur Attraktivität ihrer Gemeinde nicht aus den Augen verlieren können.

Prof. Bernd Neufang, StB, ist Vorsitzender des Beirats der Neufang Akademie, Calw.

 
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