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BB 2011, 1
Casper, Matthias 

Zu Risiken und Nebenwirkungen ...

Die Regulierung des Grauen Kapitalmarkts:

... lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihre Bank oder den Gesetzgeber. So könnte man mit Blick auf den geplanten § 13 des Gesetzes über Vermögensanlagen (VermAnlG) despektierlich formulieren.

Geschlossene Fonds werden derzeit gleich von zwei Seiten einer grundlegenden Reform unterzogen. Auf europäischer Ebene steht die Umsetzung der AIFM-Richtlinie ins Haus. Auch wenn diese in erster Linie auf die im InvG geregelten offenen Fonds zielt, werden auch die geschlossenen Fonds nicht vollständig ausgenommen. Allerdings wird sich der Änderungsbedarf für Anbieter am Grauen Kapitalmarkt aufgrund der relativ großzügigen Ausnahmeregelungen (keine Anwendung bei bis zu 500 Mio. Euro, sofern keine Hebelfinanzierung eingesetzt wird) und des Bestandschutzes für vor 2015 aufgelegte Fonds einstweilen in Grenzen halten.

Einen Paukenschlag bildet jedoch das VermAnlG, das nunmehr als Regierungsentwurf vorliegt und voraussichtlich noch in diesem Jahr oder zu Beginn des Jahres 2012 in Kraft treten wird. Es wirkt wie der "Weiße Riese", der den Grauen Kapitalmarkt weiß waschen soll. Die bisherige rudimentäre Regulierung im Verkaufsprospektgesetz wird durch eine umfänglichere Regelung im VermAnlG ersetzt. Die Prospektpflicht wird damit nicht nur in ein neues Gesetz verlagert, sondern zum Teil auch erweitert. Neu sind insbesondere die erweiterten Mindestangaben sowie die Kohärenzprüfung des Prospekts durch die BaFin. Diese muss also künftig prüfen, ob dem Prospekt die Fehlerhaftigkeit nicht geradezu wie ein Makel auf die Stirn geschrieben steht. Die Prospekthaftung bleibt - von der verlängerten Verjährungsfrist abgesehen - im Wesentlichen unverändert. Eine erhebliche Ausdehnung erfahren die Rechnungslegung und die Information der Anleger.

Einem Paradigmenwechsel gleich kommen zwei Neuerungen. Zum einen werden Vermögensanlagen künftig als Finanzinstrumente i. S. d. KWG bzw. des WpHG eingeordnet. Damit erledigt sich nicht nur die Streitfrage um die Reichweite des Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 MiFiD, vielmehr entfaltet diese Qualifikation weitreichende Auswirkungen auf den Vertrieb. Freie Vermittler werden im Wege einer Bereichsausnahme jedoch ausgenommen und unterliegen auch künftig nur den weniger strengen Vorgaben der Gewerbeordnung (§§ 34f, 34g GewO-E). Dies passt zu der Privilegierung, die der BGH jüngst für Kick-Backs an freie Vermittler anerkannt hat. Für alle anderen Anbieter gelten aber künftig die strengen Wohlverhaltensvorschriften der §§ 31 ff. WpHG. Dass somit das ganze WpHG einbezogen wird, schießt über das Ziel hinaus, eine Anwendung dessen 6. Abschnitts hätte genügt.

Die für den Anleger sichtbarste Änderung dürfte die Einführung sog. "Beipackzettel" betreffen, im Jargon des Gesetzes etwas sperrig als "Vermögensanlagen-Informationsblatt" bezeichnet. Damit greift der deutsche Gesetzgeber eine auch im Rahmen der novellierten Prospektrichtlinie zu beobachtende Figur auf (vgl. ferner § 31 Abs. 3a WpHG-E). Zugleich verwirft er so zu Recht die ebenfalls diskutierte Ampellösung, nach der Finanzprodukte von grün (sicher) über gelb (spekulativ) bis hin zu rot (hochriskant, reale Gefahr des Totalverlusts) gekennzeichnet werden sollten. Diese Vorgehensweise wäre sicherlich zu grobschlächtig gewesen. Die nun gewählte Lösung eines dreiseitigen, sicherlich eng bedruckten Informationsblattes mit einer Vielzahl von Informationen und voller Haftung kann hingegen ebenfalls nicht vollumfänglich überzeugen. Informationsblätter sind der Erkenntnis geschuldet, dass der durchschnittliche Anleger ausführliche, bis zu 300 Seiten starke Hochglanzprospekte nicht liest. Das WpPG hat darauf reagiert, in dem es den Prospektverfasser zwingt, dem Prospekt eine Zusammenfassung hinzuzufügen. Hierauf verzichtet das VermAnlG jedoch, sofern der Emittent nicht ausnahmsweise seinen Sitz im Ausland hat. Mit seiner Informationsfülle wirkt das Informationsblatt nach § 13 VermAnlG wie eine verkappte Zusammenfassung des Prospekts. Doch damit läuft der Gesetzgeber Gefahr, dass das Informationsblatt das Schicksal vieler Prospektzusammenfassungen oder Beipackzettel von Medikamenten teilen wird: Es droht ebenfalls ungelesen beiseitegelegt zu werden. Wie so oft wäre weniger mehr gewesen. In einer Zeit der Informationsüberflutung wäre ein einseitiges Informationsblatt mit wenigen gezielten Informationen über Renditeaussichten und Szenarien der Verlustwahrscheinlichkeit mehr gewesen. Dies würde auch den Vergleich mit anderen, vergleichbaren Produkten erleichtern. § 13 Abs. 2 aE VermAnlG wirkt derzeit eher wie ein Lippenbekenntnis. Um es bildlich auszudrücken: Was an der Ampellösung zu grobschlächtig wirkte, kompensiert das derzeitige Modell mit zu großer Detailverliebtheit.

In das Bild der verkappten Prospektzusammenfassung passt auch die Haftungsregelung in § 22 VermAnlG. Der Emittent haftet auf Naturalrestitution, sofern der Beipackzettel irreführende oder unrichtige Angaben enthält bzw. nicht mit dem Prospekt übereinstimmt. Das verdeutlicht den versteckten Anspruch, dass man das gesamte Produkt statt durch Lektüre des Prospektes auch durch das Studium des Informationsblattes evaluieren kann. Würde man hingegen dem hier vertretenen Verständnis folgen, dass der Beipackzettel lediglich auf besondere Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen hat, aber nicht die Aufgabe verfolgen kann, das gesamte Produkt und seine Funktionsweise zu beschreiben, hätte eine Haftung für offensichtliche Fehlbewertungen der Vermögensanlage genügt.

Trotz der hier aufgezeigten Detailkritik ist der Grundansatz des VermAnlG zu begrüßen, den Grauen Kapitalmarkt stärker und in einem Gesetz aus einem Guss zu regulieren. Sich von der liebgewonnenen Bezeichnung "Grauer Kapitalmarkt" zu verabschieden, dürfte dank des Berliner "Weißen Riesens" namens VermAnlG nicht schwerfallen.

Prof. Dr. Matthias Casper, seit 2003 Universitätsprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Direktor des Instituts für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, seit 2006 Mitherausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift für Bankrecht und Bankbetriebswirtschaft (ZBB), seit 2008 Mitorganisator des Funds Forum Frankfurt, seit 2009 Mitglied im Exzellenzcluster "Religion und Politik" mit einem Projekt zum Islamic Finance.
 
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