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INTER 2016, 117
Ostermann 

EU-Binnenmarktrecht Maschinen

Alles fair geregelt?

Abbildung 1

Mit der neu gefassten Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in 2006 war die EU angetreten, die in die Jahre gekommenen Binnenmarktvorschriften für Maschinen zu überarbeiten und klarer zu fassen. Jedoch zeigte die Praxis schnell, dass eher mehr Grauzonen und mehr Spielraum für Interpretationen geschaffen wurden. In den Diskussionen stehen sich regelmäßig die unterschiedlichen Interessenvertreter gegenüber, die ihren eigenen Vorteil durch die vermeintlichen Lücken durchsetzen wollen.

Jeder für sich hat gute Gründe den Rechtstext durch seine „Brille“ zu lesen. Häufig steht in der Industrie dahinter: Möglichst wenig Verantwortung allerdings ohne natürlich den erwarteten Gewinn zu schmälern. So manches Mal geht es um knallharte geschäftliche Interessen, weniger um einen fairen Wettbewerb. So verlangt der Käufer grundsätzlich „CE“ und der Verkäufer bietet wenn überhaupt eine Einbauerklärung, wenn er nicht sogar auf die Interpretation der EU in Bezug auf „Komponenten“ verweist. Häufig steckt allerdings auch Unwissenheit dahinter. Für Einkäufer und Verkäufer ist das Thema „CE“ regelmäßig ein Buch mit sieben Siegeln, das maximal etwas mit überflüssiger Bürokratie und zusätzlichen Kosten zu tun hat. Ergo, der Geschäftsabschluss funktioniert auch ohne. Wenn es dann Probleme bereitet, sind die Kaufleute schon lange nicht mehr im Boot.

Die Fachverbände mischen in der Diskussion kräftig mit. Alles, was bei der Erstellung der Richtlinie nicht in ihrem Sinne lief, wird im Rahmen der Interpretation z. B. durch aktive Unterstützung der Behörden bei der Erstellung von Leitfäden und anderer Interpretationspapiere versucht gerade zu rücken. So werden aus Möbeln schon mal Haushaltsgeräte, die damit den Bereich der Maschinenrichtlinie verlassen und in eine geliebtere Richtlinie wandern. Wenn sie dann auch noch in eine andere Hersteller-Verbandszuständigkeit wechseln, ist das ggf. auch nicht zu verachten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Auswechselbare Ausrüstungen werden zu Werkzeugen deklariert, weil diese ja von der Maschinenrichtlinie ausgenommen sind. Dabei wird vergessen, dass wir ja keinen rechtsfreien Raum haben und lediglich – ggf. unter Aufgabe des freien Warenverkehrs – in eine andere Vorschrift rutschen.

Auch in die Normung fließen die Industrieinteressen hinsichtlich einer geneigten Interpretation der Maschinenrichtlinie ein. So sollen Normen zwar grundsätzlich die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie mit Bezug auf den Stand der Technik spezifizieren, also sich im technischen Bereich „tummeln“. Das hält jedoch niemanden davon ab, über den Anwendungsbereich von Normen zu versuchen, den Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie zu „gestalten“. Auch lässt sich hier leicht altgewohntes unterbringen, was eigentlich nicht mehr dem geforderten Stand der Technik entspricht, aber trotzdem in der Industrie heiß geliebt, weil gewohnt ist. Dies zeigt das Beispiel der überalterten und schon lange zurückgezogenen Steuerungsnorm EN 954-1:1996, die über den Tropf der Referenzierung im Bereich der Drehmaschinennorm künstlich am Leben erhalten wird. Die Listung im EU-Amtsblatt und die damit verbundene Konformitätsvermutung geben dem Ganzen dann auch noch den offiziellen Segen.

InTeR 2016 S. 117 (118)

Auch für Juristen ist das Binnenmarktrecht nicht immer bekanntes Terrain. So hat das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 21.5.2015 jüngst zwar zutreffen entschieden, dass ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Maschinenrichtlinie zur Betriebsanleitung ein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß ist, hat dabei aber die in Rede stehende unvollständige Maschine erkennbar falsch als vollständige Maschine eingestuft. Ergo, es hätte vom Hersteller gar keiner Betriebsanleitung auf Basis der Maschinenrichtlinie bedurft. Die Rechtsgrundlage hierfür wäre die europäische Produktsicherheitsrichtlinie gewesen.

Fazit, der Gesetzgeber ist angetreten, eine rechtssichere Maschinenrichtlinie zu formulieren. Dies ist, folgt man dem Geist der Richtlinie, in weiten Teilen gelungen. Diesen Geist gilt es in einem fairen Wettbewerb zu leben. Das Gegeneinander verschiedener Interessen kostet viel Kraft und bringt letztendlich keinen Zugewinn. Ein Wechsel von Richtlinie A nach B bringt zumindest heute keine erkennbaren Vorteile mehr, da die EU-Regelungen über das NLF-Verfahren inzwischen stark angeglichen sind. Dies zeigt nicht nur die inzwischen überall geforderte Risikobeurteilung. Hier muss das richtige Maß von den Beteiligten noch gefunden werden. Ansonsten bleibt die Idee des fairen Wettbewerbs in einem einheitlich geregelten EU-Binnenmarkt für Maschinen auf der Strecke.

Dipl.-Ing. Hans-J. Ostermann*

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Mehr über den Autor erfahren Sie auf Seite III.

 
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