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K&R 2014, 1
Taeger, Jürgen 

Big Data & Co - Neue Herausforderungen für das Informationsrecht

Seit einiger Zeit macht das Stichwort von der 'Industrie 4.0' die Runde. Es soll die erheblichen Veränderungen der Produktionstechnik und der Arbeitsbedingungen durch 'smarte', intelligente und sich selbst steuernde Industrieanlagen kennzeichnen. Dieser Kunstbegriff von der 'Industrie 4.0' erinnert daran, dass Arthur Kaufmann schon 1972 in seiner Schrift 'Rechtsphilosophie im Wandel' vom bevorstehenden kybernetischen "Vierten Zeitalter" gesprochen hatte, und 1985 mit Blick auf den Computer von einer 'Zeitenwende'.

Kaufmann hätte sich im Traum nicht vorstellen können, wie sich die Dinge inzwischen entwickelt haben. Schon 1966 hatte Karl Steinbuch erkannt: "Es wird in wenigen Jahrzehnten kaum mehr Industrieprodukte geben, in welche die Computer nicht hineingewoben sind." Noch visionärer sind die Beiträge in dem von Arthur Brehmer 1910 herausgegebenen, schön illustrierten Band 'Die Welt in 100 Jahren'. Dort heißt es: "Überall ist man i. V. m. allem und jedem" und die Nachrichten aus aller Welt würden durch "ein weitangelegtes System drahtloser Telegraphie vermittelt, an welches jedes private Haus angeschlossen" ist. Es wurde vorhergesehen, dass "jedermann sein eigenes Taschentelephon haben (wird), durch welches er sich, mit wem er will, wird verbinden können, einerlei, wo er auch ist", so dass "die Bürger dieser Zeit ... überall mit ihren drahtlosen Empfängern herumgehen, der irgendwo, im Hut oder anderswo angebracht sein wird". Dadurch könnten nicht nur Monarchen, Beamte und Direktoren "ihre Geschäfte erledigen, wo immer sie sind". Dieses Zeitalter, indem wir uns ja inzwischen befinden, würde "zu einem großartigen, unglaublichen" werden.

Das "Internet der Dinge", wohl erstmals von Schoenberger in Forbes Magazin 2002 beschrieben und bei uns ab 2003 besonders von Friedemann Mattern unter dem Begriff des 'Ubiquitous Computing' bekannt gemacht, wird Realität. Einen Hut - wie noch 1910 - tragen wir heute zwar selten. Dafür setzen Lifelogger einen Helm mit Kamera auf, um ihr Leben digital zu archivieren und das soziale Netz daran teilhaben zu lassen. Wenn der Lifelogger seinen Lebensstil radikal ändert, wird er bei Google dank des Rechtsanspruches, vergessen zu werden, Spuren über die Vergangenheit verwischen wollen. Möglicherweise wird ihn eine hiddenfromgoogle-Seite dann erst Recht in das Licht der neugierigen Öffentlichkeit zerren. Man sieht, die neue Welt ist "unglaublich", aber nicht immer "großartig".

Die noch weitgehend unreguliert durch Flugsicherheits- und Persönlichkeitsrecht über uns schwebenden Quadrocopter mit ihren Videokameras bringen phantastische Landschafts- und Sportvideos ins Netz. Vielleicht verfolgen sie uns aber auch im Leitstrahl unserer 'connected cars', deren Fahrkomfort und -sicherheit uns begeistert. Beobachten werden uns demnächst auch die Nutzer von Datenbrillen. Wenn uns ein Google Glass-Träger, der uns im Zug gegenübersitzt, freundlich angrinst, dann wird er vielleicht seine Videoaufzeichnung mit einer Bilderkennungssoftware abgeglichen haben und mehr über uns wissen, als uns lieb ist. ÖPNV, Deutsche Bahn und Lufthansa werden sich deshalb rechtzeitig überlegen müssen, ob sie von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und - wie schon etliche Airlines und Kinos - die Datenbrille mit hübschen Piktogrammen verbieten oder placeavoider als technisches Gegenmittel einsetzen.

Heute erscheint es gewagter als 1910, vorherzusagen, wie "Die Welt in 100 Jahren" aussieht. Wer hätte sich vor wenigen Monaten vorstellen können, dass sich die US-Armee mit 3D-Druckern Gefechtsköpfe, menschliche Haut für Verwundete und Lebensmittel herstellt. Phantasie benötigt man auch, um sich Einsatzmöglichkeiten der iBeacon-Technologie auszumalen.

Die weitere IT-Entwicklung wird wie jede industrielle Revolution gewaltige gesellschaftliche Auswirkungen haben. Wieder sind die Juristinnen und Juristen gefordert, die mit gesellschaftlichen Umbrüchen einhergehenden Konflikte zu regulieren und zu entscheiden. Davon gibt es zahlreiche. Ein Blick in den Tagungsband der diesjährigen 15. DSRI-Herbstakademie beim Mainzer Medieninstitut zeigt das gewaltige Spektrum aktueller Rechtsfragen, die den neuen Technologien und Geschäftsmodellen folgen. Big Data, Drohnen, iBeacon, NFC, 3D-Drucker, Connected Cars, Smart TV, Smart Grid, Rechtsverletzung beim Streaming, offenes WLAN und die Erschöpfung beim Hörbuchvertrieb sind nur wenige Stichworte aus dem Inhaltsverzeichnis.

Wir stehen gerade erst am Anfang des 'Vierten Zeitalters'. Wohin es uns noch führend wird, ist angesichts der Dynamik der IT-Entwicklung kaum auszudenken.

Es bleibt spannend für die Informationsrechtler

Eine schöne neue Welt wünscht

Jürgen Taeger

Prof. Dr. Jürgen Taeger, Oldenburg
 
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