Abschnitt 1
Einführung

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A. Einleitung

1

Während das deutsche Gesellschaftsrecht in seiner Urform bereits mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 begründet wurde,1 blickt das chinesische Gesellschaftsrecht in seiner aktuellen Kodifizierung auf eine Geschichte von weniger als 40 Jahren zurück.2

2

Gleichzeitig mit der Erforderlichkeit wirtschaftlicher Reformen erkannte die chinesische Führung unter Deng Xiaoping ab 1978 auch die Notwendigkeit eines 4 funktionierenden Rechtssystems, um die Wirtschaftskraft Chinas nachhaltig stärken zu können.3 Nach Jahrzehnten des legislativen Stillstandes wurde eine Vielzahl neuer Gesetze in allen Rechtsbereichen erlassen, die in ihrer Grundkonzeption auf einem umfassenden Rechtsvergleich mit dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem und dem Common Law beruhen.4 Gleichwohl finden sich landesspezifische Adaptionen und Einschränkungen.

3

Im Bereich des Gesellschaftsrechts verfolgte die chinesische Regierung das Ziel, das dem Grunde nach kapitalistische Konzept der Kapitalgesellschaft mit dem sozialistischen Staatsentwurf der Volksrepublik China in Einklang zu bringen. Investitionen und Umstrukturierungen sollten ermöglicht und stimuliert werden, ohne dabei den Verlust staatlicher Kontrolle zu riskieren.

4

In diesem Zuge entschied sich die Staatsführung Anfang der 1980er Jahre zu einer an die Herkunft des Eigenkapitals anknüpfenden differenzierten Regelung und schuf einen sogenannten Rechtsdualismus. Für Unternehmen mit ausländischem Investitionskapital gelten seither andere Regelungen als für Unternehmen, die ausschließlich mit chinesischem Kapital betrieben werden.5 Grundgedanke war es, ausländische Investitionen gezielt in gewünschte Industriebranchen zu lenken, ohne den parallel durchgeführten Aufbau der inländischen Gesellschaftsformen zu beeinträchtigen. Hierdurch sollten auf der einen Seite chinesische Minderheitsgesellschafter vor der Marktmacht übermächtiger internationaler Unternehmen geschützt werden, während auf der anderen Seite bei rein chinesischen Unternehmen vor allem der Einfluss des chinesischen Mehrheitsgesellschafters, welcher zumeist der Staat war, manifestiert werden sollte.6 Obwohl das 1993 verabschiedete und 1994 in Kraft getretene Gesellschaftsgesetz (GesG)7 in gewissem Maße zu einem Abbau dieser dualistischen Struktur geführt hat,8 ist der Wunsch vieler ausländischer Investoren nach der Einführung eines einheitlichen chinesischen Gesellschaftsrechts, ohne dass nach der Herkunft des Einlagekapitals differenziert wird, weitgehend unerfüllt geblieben.9

5 5

Im Rahmen dieser Einführung werden im Folgenden zunächst die Besonderheiten und Funktionsweisen des chinesischen Gesellschaftsrechts erläutert und sodann ein Überblick über die zu beachtenden Rechtsgrundlagen und die jeweiligen Rechtsformoptionen gegeben. Der grundlegenden Differenzierung des Rechtsdualismus folgend widmet sich das zweite Kapitel den Unternehmen ohne ausländische Kapitalbeteiligung, während das dritte Kapitel die Besonderheiten für Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung behandelt. Um die für die Praxis besonders bedeutenden jeweiligen Vorschriften zu der Haftung von Gesellschaften und dem Kauf eines Unternehmens geht es schließlich in den Kapiteln vier und fünf.

B. Eigenarten und Mechanismen des chinesischen Gesellschaftsrechts

6

Mit Blick auf das Ziel, die Wirtschaftskraft Chinas zu erhalten und zu steigern, stellt sich vor allem im Bereich des Gesellschaftsrechts die Frage, inwieweit China bei dem Versuch, moderne, marktwirtschaftliche Strukturen innerhalb eines sozialistischen Systems zu etablieren, zwangsläufig auf Widersprüche stößt.10

7

Bei der Konzeptionierung des neuen Gesellschaftsrechts wurde und wird der Versuch unternommen, die Vorzüge der kapitalistischen Unternehmensstrukturen innerhalb eines sozialistischen Systems nutzen zu können.11 Dieser Entwurf, der in China unter dem Namen „Sozialismus mit chinesischen Charakteristika“ firmiert, verfolgt das Ziel, die Organisations- und Betriebsstrukturen der kapitalistischen Gesellschaftssysteme abstrahiert von der dahinterstehenden Ideologie zu übernehmen und dabei die Kontrolle und den Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) aufrechtzuhalten.12

8

Hierbei ist zum einen die besondere Rolle der Staatsunternehmen und die staatliche Involvierung im privaten Wirtschaftssektor zu beachten, die für sich genommen im Widerspruch zu den Regeln der freien Marktwirtschaft steht. Zum anderen übt der Staat über ein gesondertes Regelwerk mit erhöhten Genehmigungsanforderungen Kontrolle über ausländische Investitionen aus. Diese beiden Formen staatlicher Beeinflussung sind charakteristisch für die chinesische Wirtschaft und für die Einschätzung von Investitionsvorhaben von großer Bedeutung.

6 I. SOEs und staatlicher Einfluss auf den privaten Sektor

9

Obgleich der chinesische Markt mit der Reform- und Öffnungspolitik modernisiert und weitgehend für ausländische Investitionen geöffnet wurde, bleibt es das Grundprinzip der chinesischen Regierung, ein System der sozialistischen Marktwirtschaft aufrechtzuhalten, in dessen Zentrum das Staatseigentum steht.13 Die Deregulierungen und Liberalisierungen dienen der Stimulierung der Wirtschaft, sind jedoch stets so gestaltet, dass der Machterhalt der Partei gewährleistet ist und sich vor allem große Unternehmen nicht gänzlich der Kontrolle der Zentral- und der Lokalregierungen entziehen können.

10

Trotz der Privatisierung zahlreicher Unternehmen liegen daher bis heute große Teile der chinesischen Gesamtproduktion offiziell in den Händen von Staatsunternehmen.14 Genaue Zahlen über den Anteil der Staatsunternehmen sind insofern schwer zu erhalten, als dass in den chinesischen Statistiken immer nur solche Unternehmen als staatseigene Unternehmen (State-Owned Enterprises, SOE) ausgewiesen werden, bei denen der Staat vereinfacht ausgedrückt 100 % der Anteile hält.15 Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der Staat bei ca. 70 % der Unternehmen des produzierenden Gewerbes der größte Anteilseigner ist.16 Die größten dieser Unternehmen werden über eine Art Holding, die Aufsichtskommission des Staatsrates für staatseigenes Vermögen17 (State-Owned Assets Supervision and Administration Commission, SASAC), verwaltet.18 Aus dem Umstand, dass der Staat bei einzelnen Unternehmen nur vergleichsweise geringe Anteile hält, ist allerdings nicht zu schließen, dass diese Unternehmen nicht unter staatlicher Kontrolle stehen. Denn auch dann können Grundsatzentscheidungen staatlich gesteuert und Schlüsselpositionen in den Unternehmen parteipolitisch besetzt werden.19 Hinzu kommt eine erhebliche Zahl chinesischer Unternehmen, die nicht unmittelbar im Eigentum der Zentralregierung stehen, sondern den Lokalregierungen unterstehen.20 Insgesamt ist davon auszugehen, dass mehr als 40 % der chinesischen Wirtschaftskraft unmittelbar dem staatlichen Sektor entstammt.21 Besonders ausgeprägt ist die staatliche Präsenz in einigen Schlüsselindustrien der chinesischen Wirtschaft. In den Wirtschaftszweigen der Medien, des Verkehrssystems, des Versicherungswesens 7 und der Tabak-Industrie hat die Zentralregierung eine faktische Monopolstellung.22

11

In anderen Wirtschaftszweigen erfolgt die Einflussnahme vorrangig über Subventionen. In der Stahl-, Glas- und Papierindustrie hat China sich durch massive staatliche Fördermaßnahmen innerhalb weniger Jahre von einem Netto-Importeur zu dem größten Exporteur der Welt entwickelt.23 Grundsätzlich sind auch die privatisierten oder privatwirtschaftlich gegründeten Unternehmen und die zahlreichen Unternehmen, bei denen die Eigentumsverhältnisse als unklar gelten, in der Mehrzahl nach dem hierarchischen Vorbild der staatlichen Betriebe strukturiert und geführt.24 Vor allem die Schlüsselpositionen der großen Unternehmen sind von Parteiangehörigen und -funktionären besetzt, so dass die Grundausrichtung der Produktion faktisch unter einer gewissen staatlichen Kontrolle steht.25

12

Diese Besonderheiten sind bei der Bewertung der Entwicklung des chinesischen Gesellschaftsrechts zu beachten. Obgleich es mittlerweile Parallelen in der Systematik und teilweise auch in der Terminologie zwischen den westlichen Gesellschaftsrechtssystemen und dem der Volksrepublik gibt, bestehen weiterhin fundamentale Unterschiede hinsichtlich der Eigentumsbefugnisse und der abschließenden Souveränität in der Geschäftsführung.

13

Die Wurzeln dieser Unterschiede liegen vor allem in der uneingeschränkten staatlichen Kontrolle über zwei Schlüsselversorgungsstränge des produzierenden Gewerbes. Zum einen ist dies die staatliche Kontrollausübung über die natürlichen Ressourcen und das Bauland.26 Die KPCh bestimmt die Preise für Rohstoffe und Bauland und entscheidet, wer Zugriff darauf haben soll.27 Zum anderen liegt annähernd der komplette chinesische Finanzsektor – einschließlich der größten Banken – in staatlicher Hand.28 Nach Einschätzung ausländischer Beobachter sind diese Banken de facto dazu verpflichtet, den SOEs Kredite zu deutlich vergünstigten Konditionen zu gewähren, welche diesen Firmen in Sonderfällen auch erlassen werden können.29 Insbesondere müssen die SOEs keine marktüblichen Zinsen zahlen.30 Aufgrund des dadurch bestehenden potenziell uneingeschränkten 8 Zugriffs auf finanzielle Ressourcen gibt es für SOEs nach wie vor kein mit dem westlichen System vergleichbares Insolvenzverfahren.31

14

Weitere regelmäßige Formen der Begünstigung dieser SOEs sind regulatorische Abschirmungen gegen Wettbewerber, Steuervergünstigungen und der Vorrang bei der Vergabe von Bauland.32

15

Obgleich von chinesischer Seite argumentiert wird, diese seien rechtlich nicht bindend, hat es zudem zumindest eine Indizwirkung, dass die Zentralregierung die Wirtschaftspolitik nach wie vor in Fünf-Jahres-Plänen organisiert.

II. Der Rechtsdualismus

16

Neben diesen staatsorganisatorischen Besonderheiten, die für ausländische Investoren vor allem mit Blick auf die Einschätzung der zu erwartenden Wettbewerbssituation beachtet werden sollten, regelt das chinesische Recht auch das Verhältnis zwischen den chinesischen Unternehmern und Unternehmen und den ausländischen Investoren und Kapitalströmen über den bereits erwähnten im chinesischen Gesellschaftsrecht geltenden Rechtsdualismus. Im Gegensatz zu den kontinentaleuropäischen und angelsächsischen Regelwerken wird im chinesischen Gesellschaftsrecht grundlegend zwischen Unternehmen mit ausschließlich chinesischem Kapital und solchen, die ganz oder zum Teil durch ausländisches Kapital finanziert sind (Foreign-Invested Enterprises, FIE), unterschieden.

17

Hierbei sind die zu beachtenden Regularien und Restriktionen für ausländisches Kapital nach wie vor deutlich höher als für inländisches Kapital. Insbesondere sind die zur Steuerung makroökonomischer Vorgänge umfangreichen staatlichen Genehmigungsvorbehalte für ausländisch-investierte Unternehmen deutlich weitreichender, als für Unternehmen, die ausschließlich in chinesischer Hand sind.33

18

Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem universell geltenden Gesellschaftsrecht und dem Gesellschaftsrecht für ausländisch-investierte Unternehmen ist zu beachten, dass es sich hierbei keinesfalls um zwei in sich geschlossene Systeme handelt. Das universelle Gesellschaftsrecht, mithin insbesondere das GesG, regelt vielmehr grundlegend die Rechtsformen der GmbH und AG, welche grundsätzlich auch als ausländisch investierte Unternehmen gegründet werden können.34 Für diese gelten jedoch – entsprechend der konkreten Ausgestaltung mit oder 9 ohne chinesischen Partner – Sonderregelungen für einzelne Bereiche.35 Das Verhältnis zwischen dem GesG und den jeweiligen Sonderregeln ist in § 217 GesG normiert. Hiernach findet das GesG „auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften mit ausländischer Kapitalbeteiligung Anwendung. Sofern die das Recht der Auslandsinvestitionen betreffenden Gesetze abweichende Bestimmungen enthalten, finden diese Bestimmungen Anwendung“. Die Struktur der zu den FIE erlassenen Gesetze spricht dafür, dass systematisch zunächst auf diese zurückgegriffen werden muss und erst in einem zweiten Schritt ergänzend auf das GesG.36 Der Vorrang der Spezialregelungen gilt jedoch nur für die hierzu erlassenen formellen Gesetze,37 untergesetzliche Normen und justizielle Auslegungen sind grundsätzlich nur anwendbar, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Regelungen des GesG stehen.38

19

Dem Rechtsdualismus liegt die Frage zugrunde, unter welchen Umständen ein Unternehmen als ausländisch-investiert zu qualifizieren ist. Nach der gängigen Definition gilt ein Unternehmen grundsätzlich dann als FIE, wenn mindestens ein Gesellschafter eine Person ausländischen Rechts darstellt und damit ein bestimmter Anteil des eingetragenen Kapitals der Gesellschaft einer natürlichen oder juristischen Person ausländischen Rechts zugeordnet werden kann.39

20

In der Regel spielt die Höhe der ausländischen Beteiligung dementsprechend für die Einordnung als FIE keine Rolle. Es gibt jedoch für die einzelnen Rechtsformen der FIEs zum Teil spezifische Sonderregelungen.40

21

Wenngleich die rechtliche Ausgangslage eine andere ist, lassen sich auch bei den Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung Tendenzen erkennen, die mit denen für Unternehmen ohne ausländische Kapitalbeteiligung zumindest in ihrer Ausrichtung vergleichbar sind. So sind beispielsweise die Vereinfachungen zur Unternehmensgründung im GesG auch in den Spezialgesetzen für FIEs aufgenommen worden.41 Mittelfristig ist geplant, die Sonderregelungen für ausländisches Kapital hinsichtlich des Marktzuganges in einem einheitlichen Investitionsgesetz 10 zusammenzuführen. Im Zuge dessen soll dann auch der Regelungsgehalt des GesG in Gänze auf die FIE erstreckt werden und somit zumindest eine teilweise Auflösung des Rechtsdualismus für Fragen der Gesellschaftsführung und -organisation erreicht werden.42

C. Aktuelle normative Grundlagen (Überblick)

22

Wie im gesamten chinesischen Rechtssystem spielen auch im Rahmen des heutigen Gesellschaftsrechts Rechtsquellen unterschiedlicher Staatsorgane auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen eine Rolle.43 Neben den durch den Nationalen Volkskongress bzw. dessen Ständigen Ausschuss erlassenen einfachen Gesetzen kommt den Verwaltungsrechtsnormen des Staatsrats und den Regeln der Abteilungen des Staatsrats zentrale Bedeutung zu.44 Für die konkrete Rechtsanwendung sind zudem die justiziellen Auslegungen des Obersten Volksgerichts (OVG) zu beachten.45

23

Zur Verdeutlichung dieses komplexen und fragmentierten Regelungssystems werden im Folgenden zunächst die relevantesten Regelungen des allgemeinen Gesellschaftsrechts in dieser Reihenfolge überblickshaft dargestellt.46 Es folgt eine Übersicht über die Sondergesetze zu den Formen ausländischer Investitionen.47 Gesondert eingegangen wird im Anschluss auf die Regelungen zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und auf lokale Rechtsgrundlagen, die nur in bestimmten Sonderkonstellationen von Bedeutung sind.

I. Allgemeines Gesellschaftsrecht

24

Das nach wie vor zentrale zivilrechtliche Regelwerk im allgemeinen Gesellschaftsrecht ist das GesG von 1993, welches zuletzt 2013 revidiert wurde. Der Regelungsgehalt des GesG umfasst (mit Ausnahme des Arbeits- und Steuerrechts) sämtliche Aspekte der Unternehmensgründung und -führung für die GmbH, die Einmann-GmbH und die AG. Geregelt werden die Voraussetzungen für die Errichtungen, die Befugnisse und Verpflichtungen der einzelnen Organe und die Geschäftsführung. Zudem werden Gesellschaftsfusionen und -spaltungen sowie die Auflösung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft normiert.

11 25

Gesonderte Gesetze bestehen für Personengesellschaften, die nach chinesischer Terminologie nicht unter den Begriff „Gesellschaft“,48 sondern nur unter den Oberbegriff „Unternehmen“49 fallen.50

26

Zentral ist hier das Partnerschaftsunternehmensgesetz (PAUG).51 Durch eine Änderung dieses Gesetzes im Jahre 2007 wurden zumindest für kleine und mittelständische Unternehmen die chinesischen Pendants zur deutschen Offenen Handelsgesellschaft (OHG)52 und Kommanditgesellschaft (KG)53 eingeführt, die allerdings in der Praxis im Verhältnis zu den Kapitalgesellschaften bislang eine untergeordnete Rolle spielen.54 Zudem sieht das Einzelpartnerschaftsunternehmensgesetz (EPUG)55 die Möglichkeit der Gründung eines Partnerschaftsunternehmens durch eine natürliche Person vor.

27

Von den im Gesellschaftsrecht relevanten Verwaltungsrechtsnormen des Staatsrats kommt es bei Unternehmensgründungen im Rahmen der Unternehmensregistrierung zunächst auf die 1994 erlassene Verordnung zum Verfahren der Eintragung von Gesellschaften (VO-Eintragung)56 an, die zuletzt 2014 novelliert wurde. Sie regelt u.a. die Zuständigkeiten der Registerbehörde, den jeweiligen Eintragungsinhalt, das Verfahren der Gründungs-,57 Änderungs-58 und Auflösungseintragung59 und die Aufbewahrung von Gewerbescheinen60 sowie die Haftung bei fehlenden oder unvollständigen Eintragungen.

28

Hinsichtlich der Eintragung der Firma des Unternehmens ist die Verordnung zum Verfahren der Firmeneintragung eines Unternehmens (VO-Firmeneintragung)61

von 1991 in der Fassung von 2012 maßgebend. Neben den konkreten Anforderungen an die Firma einer chinesischen Gesellschaft62 ist in dieser Verordnung auch ein der eigentlichen Genehmigung vorgeschaltetes Vorgenehmigungsverfahren für die gewünschte Firma geregelt, welches in der Praxis den ersten Schritt 12 bei jeder Firmeneintragung darstellt.63 Zudem sind in der VO-Firmeneintragung eine Reihe von verwaltungsrechtlichen Haftungstatbeständen normiert, die die Gesellschafter im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs beachten müssen. So ist bei Firmendelikten neben der zivilrechtlichen Haftung auch die Verhängung von Bußgeldern bis zu RMB 50.000 Yuan möglich (§ 27 VO-Firmeneintragung).64

29

Die Informationspflichten eines Unternehmens richten sich nach der 2014 erlassenen vorläufigen Verordnung zur Offenlegung von Unternehmensinformationen (VO-Informationsoffenlegung).65 Hierin wird explizit geregelt, welche Information von den zuständigen Behörden (§§ 6, 7 VO-Informationsoffenlegung) und welche von den jeweiligen Gesellschaften (§ 10 VO-Informationsoffenlegung) offenzulegen sind.

30

Mit der Einführung dieses sog. Offenlegungssystems wird die regelmäßige Einreichung eines Jahresberichts zur Obliegenheit der Gesellschaften.66

31

Von den Regeln der Abteilung des Staatsrats67 sind im Gesellschaftsrecht vor allem die 2014 erlassenen Verwaltungsregeln zur Registrierung gesellschaftlichen Stammkapitals (Kapitalregeln)68 des Staatlichen Hauptverwaltungsamtes für Industrie und Handel (State Administration for Industry and Commerce, SAIC) von Bedeutung. Diese konkretisieren die Vorgaben des § 27 GesG. Insbesondere wird normiert, welche Gegenstände nicht als Einlage in die Gesellschaft eingebracht werden dürfen. Des Weiteren stellen die Kapitalregeln konkrete Bedingungen für die Umwandlung von schuldrechtlichen Forderungen in Gesellschaftsanteile auf (§ 7 Kapitalregeln).

32

In den Erläuterungen des OVG zu einigen Fragen hinsichtlich der Anwendung des Gesellschaftsgesetzes III (OVG-Interpretation zu GesG III)69 werden Rechtsanwendungsfragen wegen Streitigkeiten bei der Errichtung einer Gesellschaft, insbesondere den Einzahlungspflichten und der Feststellung der Qualifikation von Gesellschaftern, geregelt. Es wird im Besonderen festgelegt, wie mit Einlagen zu verfahren ist, bei denen sich nach der Einzahlung herausstellt, dass es sich 13 um illegale Mittel handelt. Ferner wird die Haftung der Gesellschafter bei Verletzung der Kapitaleinzahlungspflicht oder der unberechtigten Zurücknahme bereits eingezahlten Kapitals geregelt.

33

Ebenfalls von praktischer Bedeutung sind die 2008 ergangenen OVG-Ansichten zur Firmeneintragung.70 Hierin wird unter anderem geklärt, in welchen Fällen das Volksgericht die Regelungen des Markengesetzes bzw. die des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb anwenden soll.71

II. Regelungen für ausländisches Kapital

34

Für die drei häufigsten Investitionsmodelle für ausländisches Kapital in China, das Equity Joint Venture (EJV),72 das Contractual Joint Venture (CJV)73 und das Wholly Foreign-Owned Enterprise (WFOE),74 gibt es jeweils ein Spezialgesetz, welches die Grundparameter einer solchen Gesellschaft regelt, und hierzu entsprechend Ausführungsbestimmungen des Staatsrats, in denen diese Parameter spezifiziert sind.75 Für die EJV ist dies das Gesetz über chinesisch-ausländische Equity Joint Ventures (EJVG)76 und ergänzend hier die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über chinesisch-ausländische Equity Joint Ventures (EJVG-AB).77 CJVs sind im Gesetz über chinesisch-ausländische Contractual Joint Ventures (CJVG)78 normiert, welches wiederum in den Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über chinesisch-ausländische Contractual Joint Ventures (CJVG-AB)79 präzisiert wird. Für WFOEs ist dieser Systematik folgend das Gesetz 14 über Wholly Foreign-Owned Enterprises (WFOEG)80 einschlägig, wiederum mit seinen Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über Wholly Foreign-Owned Enterprises (WFOEG-AB).81

35

Diese drei Investitionsmodelle werden jeweils in der Rechtsform der GmbH gegründet. Entsprechend der Kollisionsnorm § 217 GesG wird ergänzend zu den Sondervorschriften auf die Regelungen des GesG zurückgegriffen.82 Dasselbe gilt entsprechend für die ausländisch investierte Aktiengesellschaft (AIAG), die der ebenfalls im GesG geregelten Rechtsform der AG zuzuordnen ist. Für diese Form der AG sind die Sonderregelungen für ausländisches Kapital in den Vorläufigen Bestimmungen des Ministeriums für Außenhandel und wirtschaftliche Kooperation zu einigen Fragen zur Gründung ausländisch investierter Aktiengesellschaften (AIAG-Bestimmungen)83 niedergelegt.

36

Mehrere Ausgestaltungsmöglichkeiten gibt es für die Gründung eines ausländisch investierten Partnerschaftsunternehmens (AIPU). Unabhängig davon, ob das Unternehmen als generelles AIPU, beschränktes AIPU oder generelles AIPU besonderer Art gegründet wird,84 findet sich die Rechtsgrundlage in der Verwaltungsmethode für die Errichtung von Partnerschaftsunternehmen im chinesischen Gebiet durch ausländische Unternehmen oder Einzelpersonen (AIPU-Methode).85 Da es sich bei Partnerschaftsunternehmen nicht um Gesellschaften im Sinne des GesG handelt, kann für ihre rechtliche Behandlung nicht ergänzend auf das GesG zurückgegriffen werden. Vielmehr verweist § 3 AIPU-Methode auf die ergänzende Einschlägigkeit des PAUG. Zudem sind die Bestimmungen zur Verwaltung der Registrierung von ausländisch investierten Partnerschaftsunternehmen (AI-PU-RegistBest)86 zu beachten.87

15 III. Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen

37

Eine zentrale und an Bedeutung gewinnende Rolle in der chinesischen Wirtschaft spielen kleine und mittlere Unternehmen.

38

Aktuell sind KMUs für 60 %88 der chinesischen Wirtschaftskraft verantwortlich und beschäftigen insgesamt ca. 150 Mio. Arbeitskräfte.89 Trotz dieser wirtschaftlichen Bedeutung ergeben sich für KMUs nach wie vor Schwierigkeiten, insbesondere bei der Finanzierung. Wegen fehlender Sicherheiten können sie entweder kein Darlehen von Banken bekommen oder zu relativ schlechten Konditionen.90

39

Um diesen Wirtschaftszweig dennoch international wettbewerbsfähig zu halten und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern, wurden für diese Unternehmen 2002 spezielle, umfangreiche Förderungsmaßnahmen ergriffen. Teil des Maßnahmenkataloges war der Erlass eines speziellen Förderungsgesetzes, des Gesetzes zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU-Gesetz).91 Neben beträchtlichen Steuerreduzierungen und Subventionierungen durch die Regionalregierungen sind auch Beratungsleistungen durch Staatsorgane vorgesehen, die KMUs bei ihrer Gründung und ihrem Betrieb unterstützen und vor allem die Fähigkeit zur Innovation stärken sollen. Hintergrund dieser Förderung ist der Versuch Chinas, das Geschäftsmodell der kopierten, günstigen Massenproduktion zu verlassen und selbst neue Produkte zu entwickeln und zu vertreiben.

40

Welche Unternehmen als KMU klassifiziert werden und somit in den Genuss der Förderung gelangen, wird in den Vorläufigen Regeln über die Standards für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU-Regeln) geregelt.92 Gem. Ziffer 2 der KMU-Regeln gliedern sich KMUs abhängig von ihrem Geschäftszweig nach Mitarbeiterzahl, Jahresumsatz und Stammkapital in mittlere Unternehmen, kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen.93

16 41

Diese Einstufung bedingt wiederum den Grad der gewährten Förderung bzw. Vergünstigung.94 Im Zusammenhang mit der Förderung von KMU und dem generellen Bestreben nach mehr originärer Innovation haben zudem verschiedene Ressorts des Staatsrates95 zusammen mit der Chinesischen Zentralbank 2005 die Vorläufigen Regelungen für die Verwaltung von Venture Capital-Unternehmen (VC-Regeln)96 erlassen. In diesem Regelwerk wird normiert, unter welchen Bedingungen in China Venture Capital-Unternehmen errichtet und geführt werden dürfen. Für die Errichtung dieser Sonderform ist beispielsweise ein Mindestkapital i.H.v. RMB 30 Millionen Yuan vorgesehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VC-Regeln). Die Summe der Investitionen in ein konkretes Start-Up darf zudem 20 % des Gesamtvermögens der Venture Capital-Unternehmen nicht überschreiten (§ 16 VC-Regeln).

IV. Lokale Rechtsgrundlagen

42

Lokalen Rechtsgrundlagen kommt im Rahmen der Regelungen zum Gesellschaftsrecht nur in Einzelbereichen und Sonderkonstellationen Bedeutung zu.

43

Grundsätzlich werden die zentralen Regelungsbereiche des chinesischen Gesellschaftsrechts, wie die Auswahl einer Rechtsform, die Errichtung und Beendigung einer Gesellschaft, die Vorgaben zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) und die Rechte und Pflichten der Gesellschafter, wie beschrieben, abschließend durch zentralstaatliche Gesetze, Verwaltungsrechtsnormen und justizielle Interpretationen des OVG einheitlich geregelt. Hier besteht somit kein Raum für die Anwendung lokaler Regelungen der jeweiligen Provinzen oder Städte.

44

Eine wichtige Ausnahme sind die sogenannten Sonderwirtschaftszonen (SWZ).97 Aufgrund von Ermächtigungen durch den Nationalen Volkskongress oder dessen 17 Ständigen Ausschuss dürfen diese SWZs von den zentralstaatlichen Gesetzen und Verwaltungsrechtsnormen abweichende Sonderregelungen erlassen und innerhalb ihres abgegrenzten Gebiets durchsetzen (§ 90 Abs. 2 Gesetzgebungsgesetz98). Somit dient deren lokale Gesetzgebung häufig dazu, neue Gesetzesinitiativen in einem vergleichsweise überschaubaren Rahmen zu erproben, bevor sie als zentralstaatliche Gesetze für ganz China erlassen werden. So hatte die SWZ Shenzhen99 bereits zum 1.3.2013 die Anforderung für eingezahltes Kapital bei der Errichtung einer Gesellschaft abgeschafft, bevor die entsprechenden Regelungen im GesG geändert wurden.100

45

Zudem gelten in den SWZ eine Reihe spezieller Förderungsregelungen. Je nach Kategorie einer Gesellschaft können dort unter bestimmten Umständen Subventionsmaßnahmen in Form von Steuerreduzierungen, direkten finanziellen Unterstützungen oder günstigen Landnutzungslizenzen bewilligt werden, die so im übrigen Staatsgebiet unzulässig wären.101

46

Lokalem Gesellschaftsrecht kommt darüber hinaus in den Regionen der Freihandelszonen große Bedeutung zu, deren Sonderregelungen vor allem auf Unternehmen mit ausländischem Kapital Bezug nehmen.102

D. Rechtsformübergreifende Grundregeln

47

Unabhängig von der jeweils gewählten Rechtsform und der Herkunft des investierten Kapitals lassen sich einige gesellschaftsrechtliche Grundregeln umreißen, 18 die auch für die tatsächliche Gründung oder Führung einer Kapitalgesellschaft in China von Bedeutung sind.103

I. Juristische Person

48

Alle Kapitalgesellschaften sind juristische Personen, vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 GesG.

Gemäß § 36 Allgemeine Grundsätze des Zivilrechts (AGZ)104 sind juristische Personen eigenständige Träger von Rechten und Pflichten und folglich rechtsfähige Organisationen. Im Außenverhältnis trifft die unmittelbare Haftung allein die juristische Person.105

49

Hierin liegt der wesentliche Unterschied zum Partnerschaftsunternehmen, das keine juristische Person ist und das nur vorrangig vor den Partnern haftet. Reicht das Vermögen der Partnergesellschaft nicht aus, haftet jeder Partner unbegrenzt als Gesamtschuldner.106

50

Schließlich ist zu beachten, dass das Vorliegen einer juristischen Person kein Erfordernis für die Prozessfähigkeit eines Unternehmens ist. Entscheidend hierfür ist – wie im deutschen Recht – lediglich die Rechtsfähigkeit. Gemäß § 48 Abs. 2 Zivilprozessgesetz (ZPG)107 können neben natürlichen und juristischen Personen auch andere Organisationen Parteien eines Zivilprozesses sein. Nach § 52 der Interpretation des OVG zur Anwendung des ZPG108 sind z.B. Einzelpersonenunternehmen, Partnerschaftsunternehmen oder Zweigniederlassungen einer juristischen Person unter „anderen Organisationen“ i. S. v. § 48 Abs. 1 ZPG zu verstehen.

II. Kapital

51

§ 26 Abs. 1 GesG definiert den bei der Gesellschaftsregisterbehörde eingetragenen Betrag der in die Gesellschaft eingebrachten Einlagen als das registrierte Kapital der GmbH. Nicht mehr festgelegt ist, in welcher Höhe die Gesellschafter das Mindestkapital tatsächlich einzahlen müssen.

19 52

Wie und wann das Kapital einzuzahlen ist, können die Gesellschafter ebenfalls grundsätzlich frei entscheiden und durch die Satzung regeln,109 sofern nicht Gesetze, Verordnungen oder Beschlüsse des Staatsrats spezielle Anforderungen an das eingezahlte Kapital oder Mindestkapital stellen (§ 26 Abs. 2 GesG). Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 Geschäftsbankengesetz110 wird beispielsweise das Mindestkapital für eine landesweit tätige Geschäftsbank auf RMB 1 Mrd. Yuan festgelegt.

Gemäß § 27 Abs. 1 GesG können die Gesellschafter neben Geld auch sonstige materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter als Einlage verwenden, soweit nicht wiederum Gesetze oder Verwaltungsnormen etwas anderes bestimmen.111

53

In § 14 VO-Eintragung werden die Möglichkeiten zur Einlageerbringung hinsichtlich der Art und Weise und des Vermögensgegenstandes eingeschränkt. Eine Einlage darf demnach nicht in Form von Arbeitsleistungen oder als Darlehen erbracht werden und nicht mit Werten, an denen Dritte Sicherheiten halten. Zu den „übertragbaren und in Geld bewertbaren Vermögensgegenständen“ gehören insbesondere schuldrechtliche Forderungen, gesellschaftsspezifisches Know-how und Beteiligungen an anderen Gesellschaften.112

54

Gemäß § 17 OVG-Interpretation zu GesG III können die Gesellschafterrechte eines Gesellschafters, wie z.B. Dividendenrechte oder Bezugsrechte durch Satzung oder Beschluss der Gesellschafterversammlung beschränkt werden, wenn er seine Einzahlungspflicht nicht geleistet oder die bereits eingezahlte Einlage auf irgendeine Weise zurückgenommen hat.113

55

Nach h. M. in der Literatur können lediglich Vermögensrechte, Stimmrechte und Vorzugsrechte beschränkt werden. Sonstige Rechte, insbesondere das Einsichtsrecht, dürfen nicht beschränkt werden.114

III. Firma

56

Die Firma ist der Name der Gesellschaft, mit dem sie bei der Registerbehörde eingetragen ist und im Geschäftsverkehr auftritt.115 Sie setzt sich in der Regel aus vier Bestandteilen zusammen. Die Firma besteht aus dem konkreten Eigennamen, der Tätigkeit, der Rechtsform und dem Sitz der Gesellschaft (§ 7 Abs. 1 und 2 VO-Firmeneintragung), z.B. Beijing Baidu Internet- und Telekommunikationstechnologie GmbH.116 Statt des genauen Sitzes können nationale Gesellschaften 20 auch die Bezeichnung „China“, „Sino“ oder „International“ beantragen, sofern es sich um eine große Im- oder Exportgesellschaft oder einen Konzern handelt und der Staatsrat oder eine entsprechend bevollmächtigte Behörde dies genehmigt (§ 13 Firmeneintragungs-VO), z.B. China Automobile Industrie Im- oder Exportgesellschaft mit beschränkter Haftung.117 Schließlich können gem. § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 3 der Firmeneintragungs-VO prominente Gesellschaften mit langer Geschichte und berühmtem Namen ( z.B. die Phoenix AG)118 mit Genehmigung der SAIC von der Verpflichtung zur Festlegung und Angabe des Sitzes befreit werden.

57

Die Firma, die eine Gesellschaft im Rechtsverkehr verwendet, darf grundsätzlich nicht bereits von einer anderen Gesellschaft in gleicher oder ähnlicher Form verwendet werden. Diese Ausschlusswirkung ist jedoch in China insoweit begrenzt, als dass sie nur für Gesellschaften innerhalb derselben Region und des jeweiligen Wirtschaftszweiges gilt (§ 6 Abs. 1 VO-Firmeneintragung).119

IV. Sitz

58

Gemäß § 10 GesG ist Sitz der Gesellschaft der Ort ihres Hauptgeschäftsorgans. Unter dem Hauptgeschäftsorgan ist das Organ zu verstehen, das über die Geschäfte der Gesellschaft entscheidet. Der Sitz einer Gesellschaft richtet sich somit stets nach dem Ort ihrer Geschäftsleitung. Mit dem Sitz wird zuerst der allgemeine Gerichtsstand der Gesellschaft festgelegt. So ist gemäß § 21 Abs. 2 ZPG für Klagen gegen juristische Personen oder andere Organisationen das Volksgericht des Sitzes des Beklagten zuständig.120 Darüber hinaus ist das Volksgericht des Sitzes der Gesellschaft auch für Klagen zuständig, die wegen Streitigkeiten aus der Errichtung einer Gesellschaft, Feststellung der Qualifikation von Gesellschaftern, Dividendenausschüttung oder Auflösung einer Gesellschaft erhoben werden (§ 26 ZPG).

59

Bedeutung hat die Bestimmung des Sitzes zudem für die Zustellung gerichtlicher Schriftsätze.121 Wenn der Zustellungsempfänger die Annahme einer Prozessurkunde verweigert, kann der Zusteller die Urkunde an dem Sitz des Zustellungsempfängers hinterlassen und dies zum Nachweis durch Videoaufnahmen belegen. Auch ohne tatsächliche Übergabe wird die Zustellung in diesem Fall fingiert (§ 86 ZPG).

21 60

Im materiellen Recht ist gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 3 AGZ bei Unklarheiten über den Erfüllungsort bei Geldschulden grundsätzlich am Sitz des Leistungsempfängers zu erfüllen, während sich der Leistungsort bei anderen Vertragsgegenständen nach dem Sitz des Schuldners richtet. Wenn es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handelt, wird der Sitz der Gesellschaft somit regelmäßig auch der designierte Erfüllungsort sein.122

61

Der Sitz der Gesellschaft muss sich in dem Verwaltungsbezirk der zuständigen Registerbehörde befinden (§ 12 VO-Eintragung).123

V. Unternehmensgegenstand

62

Der Unternehmensgegenstand beschreibt den Bereich und die Art der Geschäftstätigkeit und ist bei der Registerbehörde einzutragen (§ 12 Abs. 1 S. 1 GesG). Eine Änderung des Unternehmensgegenstandes kann lediglich durch eine Änderung der Satzung erfolgen und muss entsprechend eingetragen werden (§ 12 Abs. 1 S. 2 GesG). Für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, z.B. Bankgeschäften, ist vor Errichtung der Gesellschaft eine Genehmigung zu beantragen (§ 12 Abs. 2 GesG).

63

Die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes verfolgt vorrangig das Ziel, den Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft nach außen erkennbar zu machen. Überschreitet sie bei Vertragsschlüssen den Unternehmensgegenstand, führt dies nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Vertrages. Diese Folge tritt nur dann ein, wenn zugleich ein Verstoß gegen staatliche Betriebsbeschränkungen, Gesetze oder Verordnungen vorliegt oder besondere Betriebsvorschriften verletzt werden ( vgl. § 10 S. 2 Erläuterungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen des Vertragsgesetzes I (OVG-Interpretation zu VG I)).124

VI. Gesetzliche Repräsentanten

64

Gemäß § 38 AGZ ist gesetzlicher Repräsentant der juristischen Person derjenige, der aufgrund des Gesetzes und der Organisationssatzung im Geschäftsleben für diese auftreten darf. Je nach Unternehmensform ist dies der Vorstandsvorsitzende, der geschäftsführende Vorsteher oder der Geschäftsführer. Der Repräsentant 22 ist bei der Registerbehörde eingetragen (§ 13 S. 1 GesG). Auch ein Wechsel des gesetzlichen Repräsentanten ist im Register einzutragen (§ 13 S. 2 GesG).

65

Das Recht zur Repräsentanz beginnt mit der Ernennung und endet mit der Abberufung.

66

Sofern ein noch nicht aus dem Register gelöschter, im Innenverhältnis jedoch nicht mehr dazu berechtigter Repräsentant für die Gesellschaft auftritt, wird diese Handlung der Gesellschaft weiterhin zugerechnet.125

67

Die Repräsentantenhandlung gilt nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht gemäß § 50 VG als wirksam, wenn nicht die andere Vertragspartei die Überschreitung der Befugnisse kennt oder hätte kennen müssen.126

E. Überblick über relevante Rechtsformen

68

Als Gesellschaften bezeichnet das GesG in § 2 lediglich die im chinesischen Inland errichteten Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaften (AG).

69

Neben den zwei klassischen Rechtsformen der Gesellschaft gibt es zudem noch folgende spezielle Rechtsformen: Die Einmanngesellschaft mit beschränkter Haftung (Einmann-GmbH) und die Gesellschaft mit ausschließlich staatlichem Kapital sind Unterfälle der GmbH; die börsennotierte Gesellschaft ist ein Unterfall der AG.

70

Auf die in der Praxis weniger bedeutenden Rechtsformen der chinesischen OHG und KG, die ihre Rechtsgrundlage im PAUG haben, wird im Folgenden kurz eingegangen.

71

Vervollständigt wird der Überblick über die Rechtsformen durch die Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung, vor allem WFOE, EJV und CJV, die sich jeweils den Rechtsformen des allgemeinen Gesellschaftsrechts zuordnen lassen, wobei zusätzlich noch eine Reihe von speziellen Gesetzen, Verordnungen usw. auf sie anwendbar sind.127

23 I. Rechtsformen nach dem GesG

72

Die zentrale Rechtsform des GesG ist die GmbH. Sie ist eine mit den Einlagen von höchstens 50 Gesellschaftern (§ 24 GesG) errichtete, bei der zuständigen Gesellschaftsregisterbehörde eingetragene (§ 6 Abs. 1 S. 1 GesG) und mit den Worten „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder „beschränkte Gesellschaft“ gekennzeichnete (§ 8 Abs. 1 GesG) juristische Person (§ 3 Abs. 1 S. 1 GesG). Die GmbH haftet mit ihrem gesamten Vermögen (§ 3 Abs. 1 S. 2 GesG), während die Haftung ihrer Gesellschafter gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 GesG auf den Betrag der von ihnen übernommenen Einlagen beschränkt ist.

73

Nach § 24 GesG ist die GmbH mit den Einlagen von höchstens 50 Gesellschaftern zu errichten. Umstritten ist die Frage, ob eine GmbH bei Überschreitung der Obergrenze der Gesellschafterzahl in eine AG umgewandelt werden muss. Bisher existiert hierfür keine gesetzliche Regelung, woraus sich im Einzelfall Rechtsunsicherheiten ergeben können.128

74

Eine GmbH hat immer mindestens zwei Gesellschafter. Alle Gesellschafter bilden gemeinsam die Gesellschafterversammlung (§ 37 GesG), die als Entscheidungsorgan die Gesellschaft leitet und die in § 38 GesG geregelten Amtsbefugnisse ausübt. Ein Geschäftsführer ist optional. Je nach Größe der Gesellschaft kann es auch einen Vorstand und einen Aufsichtsrat geben, dies sind jedoch keine Pflichtorgane. Nach §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 2 GesG können zumindest kleinere GmbHs mit wenigen Gesellschaftern statt eines Vorstands einen geschäftsführenden Vorsteher und statt eines Aufsichtsrats ein oder zwei Aufseher bestellen. Zu beachten ist, dass sich die Rolle und Funktion des Aufsichtsrats i.S.d. GesG vom deutschen Recht unterscheidet. Während der deutsche Aufsichtsrat das Recht hat, die Vorstandsmitglieder zu bestellen oder abzuberufen, liegt ein solches Recht nach dem GesG nur bei der Gesellschafterversammlung. In der Praxis geht daher die Aufsichtsfunktion des Aufsichtsrats in der chinesischen Gesellschaft oft ins Leere.129

24 75

Als Einmann-GmbH bezeichnet das GesG Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafter nur eine natürliche oder juristische Person ist (§ 57 Abs. 2 GesG). Eine natürliche Person darf jeweils nur eine Einmann-GmbH unterhalten (§ 58 GesG); für eine juristische Person besteht keine Beschränkung. Zu der Frage, ob eine natürliche Person durch nachträgliche Übertragung gleichzeitig Gesellschafter von zwei Einmann-GmbHs werden darf, gibt es jedoch keine gesetzliche Regelung. In der Literatur wird vorgeschlagen, dem Gesellschafter einen bestimmten Zeitraum einzuräumen, um die Anteile von einer der beiden Gesellschaften an Dritte weiter zu veräußern.130

76

Gemäß § 62 GesG muss eine Einmann-GmbH zum Abschluss jedes Rechnungsjahres einen Finanzbuchführungsbericht erstellen und sich einer Rechnungsprüfung durch ein Buchprüfungsbüro unterziehen (§ 62 GesG). Außerdem gelten strengere Regelungen zur Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft.131

77

Als Gesellschaften mit ausschließlich staatlichem Kapital (staatseigene Alleinkapitalgesellschaften) bezeichnet das GesG Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in die allein der Staat investiert hat und bei denen der Staatsrat oder eine regionale Volksregierung ein Aufsichts- und Managementorgan (Aufsichtsorgan) für das Staatsvermögen ermächtigt hat, die Obliegenheiten des Investors auszuüben (§ 64 Abs. 2 GesG). Aufsichtsorgan ist die SASAC, wobei auf regionaler Ebene entsprechende regionale Aufsichtsorgane bestehen.

78

Die staatseigene Alleinkapitalgesellschaft ist eine spezielle Unterform der Einmann-GmbH132 und dient der Reform der Staatsunternehmen bzw. der Transformation von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft in China.133 Diese wurde erstmalig vom GesG 1993 eingeführt.

79

Gem. § 66 Abs. 1 S. 1 GesG hat die staatseigene Alleinkapitalgesellschaft keine Gesellschafterversammlung. Das Aufsichtsorgan übt die Amtsbefugnisse der Gesellschafterversammlung aus und kann den Vorstand der staatseigenen Alleinkapitalgesellschaft ermächtigen, einen Teil dieser Amtsbefugnisse auszuüben und über grundlegende Angelegenheiten der Gesellschafterversammlung zu beschließen (§ 66 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GesG). Über Fragen der Vereinigung, Aufteilung und Auflösung der Gesellschaft, der Erhöhung oder Senkung des registrierten Kapitals und der Ausgabe von Gesellschaftsschuldverschreibungen muss das zuständige Aufsichtsorgan zwingend selbst entscheiden (§ 66 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GesG).

80

Die neben der GmbH im Mittelpunkt des GesG stehende Rechtsform ist die AG. Eine AG ist eine mit den Einlagen ihrer Gründer errichtete, bei der zuständigen Gesellschaftsregisterbehörde eingetragene (§ 6 Abs. 1 S. 1 GesG) und mit den 25 Worten „nach Aktien beschränkte Gesellschaft“ oder „Aktiengesellschaft“ gekennzeichnete (§ 8 Abs. 2 GesG) juristische Person (§ 3 Abs. 1 S. 1 GesG). Die AG haftet wie die GmbH mit ihrem gesamten Vermögen (§ 3 Abs. 1 S. 2 GesG), während die Haftung ihrer Gesellschafter nur auf den Betrag der von ihnen übernommenen Anteile beschränkt ist (§ 3 Abs. 2 S. 2 GesG).

81

Gemäß § 78 GesG ist eine AG mit 2 bis 200 Gründern zu errichten, von denen mindestens die Hälfte ihren Wohnsitz im chinesischen Staatsgebiet haben muss. Unterschieden wird hierbei zwischen „Gründern“ und „Gesellschaftern“ i. S. v. § 3 Abs. 1 S. 2 GesG. Die Gründer sind die für die Gründungsvorbereitungen der Gesellschaft zuständigen Gesellschafter der AG (§ 79 Abs. 1 GesG), zwischen denen eine Gründervereinbarung zu unterzeichnen ist, die klarstellt, welche Rechte und Pflichten der Einzelne im Verlauf der Gesellschaftserrichtung hat (§ 79 Abs. 2 GesG).

82

Für die AG ist im Gegensatz zur GmbH keine Obergrenze der Gesellschafter vorgesehen.134 Die Aktien der AG sind grundsätzlich frei handelbar (§ 137 GesG). Gemeinsam mit der unbeschränkten Zahl der Gesellschafter führt dies zu variablen Finanzierungsmöglichkeiten für die AG und begünstigt die rapide Entwicklung des Kapitalmarktes.135

83

Gemäß § 98 wird die Hauptversammlung von den gesamten Aktionären gebildet und fungiert als Entscheidungsorgan der AG. Neben der Hauptversammlung hat eine AG einen Vorstand, der sich aus 5 bis 19 Vorstandsmitgliedern zusammensetzt (§ 108 Abs. 1 GesG). Der Vorstand spielt eine zentrale Rolle in der Geschäftsführung der AG und trägt die Verantwortung für die strategische Ausrichtung der AG.136 Im GesG wird die Überwachungsfunktion dem Aufsichtsrat zugewiesen, der aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 117 Abs. 1 GesG).

84

Das Kapital der AG wird in Anteile gleicher Höhe unterteilt (§ 125 Abs. 1 GesG) und als Aktien an die Anteilsinhaber ausgegeben. Die Aktie fungiert hierbei als von der Gesellschaft unterzeichneter Nachweis der Anteilsinhaberschaft (§ 125 Abs. 2 GesG). Die Aktien können als Namens- oder Inhaberaktien ausgegeben werden (§ 129 Abs. 1 GesG).137 Diese Unterscheidung hat jedoch in der Praxis an Bedeutung verloren, da der Aktienhandel heutzutage nicht mehr in Papierform, sondern digital stattfindet und die Übertragung in der Regel durch Eintragung im Gesellschafterverzeichnis erfolgt.138

85

Als börsennotierte Gesellschaft bezeichnet das GesG Aktiengesellschaften, deren Aktien an einer Wertpapierbörse gehandelt werden (§ 120 GesG).139 Die Voraussetzungen 26 und das Verfahren für die Börsenzulassung von Aktien sind hauptsächlich im Wertpapiergesetz (WpG)140 geregelt. Gemäß § 50 WpG gelten für eine AG, welche die Börsenzulassung von Aktien beantragt, bestimmte Voraussetzungen, die im 1. Abschnitt des 2. Kapitels genauer dargelegt werden.

86

Gemäß § 122 GesG haben börsennotierte Aktiengesellschaften unabhängige Vorstandsmitglieder zu bestellen. Konkrete Bestimmungen dazu trifft der Staatsrat. Die Chinesische Wertpapieraufsichtskommission (China Securities Regulatory Commission, CSRC) hat eine Anleitung zur Errichtung des Systems für unabhängige Vorstandsmitglieder in börsennotierten Gesellschaften (UV-Anleitungsansicht)141 erlassen. Vorstand, Aufsichtsrat und Gesellschafter, die mehr als 1 % der Aktien halten, können Kandidaten als unabhängige Vorstandsmitglieder vorschlagen. In der Hauptversammlung wird die Bestellung der unabhängigen Vorstandsmitglieder beschlossen (4. Abschnitt, Ziff. 4 UV-Anleitungsansicht). Danach können die unabhängigen Vorstandsmitglieder neben dem Aufsichtsrat verschiedene Aufsichtsbefugnisse ausüben.142

II. Personengesellschaften

87

Eine Personengesellschaft, also eine Personenvereinigung, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte und Pflichten zu erwerben, ohne selbst juristische Person zu sein,143 kann im chinesischen Recht auf unterschiedliche Weise errichtet werden.

88

Die Gründung eines Einzelpersonenunternehmens nach dem EPUG kann nur durch chinesische Staatsbürger erfolgen.144

89

Das gewöhnliche Partnerschaftsunternehmen nach dem PAUG entspricht in seinem Aufbau und der grundsätzlich unbeschränkten Haftung der deutschen Rechtsform der OHG. Mit der letzten Reform des PAUG neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, ein beschränktes AIPU entsprechend der AIPU-Methode zu gründen. Diese Rechtsform erlaubt eine Haftungsbeschränkung für einen Teil der 27 Gesellschafter auf deren jeweilige Einlage. Die Rechtsform entspricht der deutschen KG beziehungsweise der englischen Limited Partnership.145

90

An die Angehörigen freier Berufe richtet sich abschließend die Rechtsformmöglichkeit der gewöhnlichen Partnerschaft besonderer Art. Diese unterscheidet sich von der gewöhnlichen Partnerschaft dahingehend, dass die Haftung für berufsspezifische Regressansprüche auf den Partner beschränkt werden kann, dem die zugrunde liegende Pflichtverletzung anzulasten ist.146

III. Rechtsformoptionen für FIE

91

Die unterschiedlichen Investitionsmodelle für ausländisches Kapital und ausländische Unternehmen bringen für den Investor jeweils Vor- und Nachteile mit sich. Um im Einzelfall eine informierte Entscheidung über die Auswahl der Unternehmensform treffen zu können, ist es hilfreich, sich zunächst einen Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen.

92

Aufgrund ihrer steuerlichen und vor allem haftungsrechtlichen Vorteile wählt die große Mehrzahl der ausländischen Investoren eine Kapitalgesellschaft als Rechtsform für ihre Investition.147 Die mit Abstand gebräuchlichste Rechtsform ist hierbei die chinesische GmbH.

93

Im Zuge der Lockerung der Genehmigungsvorschriften und bürokratischen Hürden hat sich mittlerweile die WFOE an die Spitze der Rangliste der am häufigsten gewählten Investitionsformen gestellt.148 Wie der Name bereits zu erkennen gibt, handelt es sich hierbei um eine Sonderform der GmbH, deren Einlagen vollständig aus ausländischem Kapital bestehen und die ausschließlich durch Personen ausländischen Rechts errichtet wird.

94

Die am zweithäufigsten genutzte Rechtsform ist die GmbH-Variante des chinesisch-ausländischen EJV.149 Hierbei handelt es sich um eine Gesellschaft, die gemeinsam von mindestens einer Person des chinesischen und einer Person des ausländischen Rechts zu gründen ist. Die Zusammenarbeit mit einem chinesischen Partner verringert im Einzelfall die Genehmigungshürden und vermittelt idealerweise inländische Kontakte und china-spezifisches Know-how.150

95

Ebenfalls ein chinesisch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen in der Rechtsform der GmbH, aber dennoch rechtlich von der EJV abzugrenzen, ist die 28 deutlich seltener genutzte Investitionsform des chinesisch-ausländischen CJV.151 Im Verhältnis zum EJV sind die Regelungen zu den vorgeschriebenen vertraglichen Beziehungen zwischen den chinesischen und den ausländischen Gesellschaftern bei der Rechtsform des CJV flexibler.152 Das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Regelwerken für chinesisch-ausländische Gemeinschaftsunternehmen in der Rechtsform der GmbH erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte des chinesischen Gesellschaftsrechts.153

96

Neben diesen GmbH-Alternativen finden sich in der Praxis auch ausländisch-investierte Gesellschaften in Form einer Aktiengesellschaft, der AIAG, bislang allerdings nur in der Form von chinesisch-ausländischen Gemeinschaftsunternehmen.154 Die Definition in § 2 AIAG-Bestimmungen, nach der eine AIAG eine juristische Person ist, bei der die Anteile in Aktien ausgegeben werden und die Gesellschafter beschränkt auf ihre Einlagen haften, während die AG mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, entspricht der Definition für die AG im 4. Kapitel des GesG.155

97

Weniger gebräuchlich sind bislang die Möglichkeiten der Gründung einer Personengesellschaft mit ausländischer Beteiligung.156 Während Einzelpersonengesellschaften nur von chinesischen Staatsbürgern gegründet werden dürfen, stehen die einzelnen Varianten der Partnerschaftsunternehmen grundsätzlich auch ausländischen natürlichen oder juristischen Personen offen.157 Da es bei diesen relativ neu geschaffenen Investitionsmöglichkeiten aufgrund teilweise unpräzise formulierter Normen und den bislang fehlenden praktischen Erfahrungswerten jedoch Unsicherheiten vor allem hinsichtlich der zu erwartenden Besteuerung gibt,158 spielen die Personengesellschaften im Bereich des ausländisch-investierten Gesellschaftsrechts im Verhältnis zu den Kapitalgesellschaften eine deutlich untergeordnete Rolle.159