Von Professor Dr. iur. Matthias Pechstein und Wiss. Mitarbeiter Andreas Damm , Frankfurt (Oder)
Nach drei Jahren zäher Verhandlungen unter zweimaliger Anrufung des Vermittlungsausschusses ist am 1. 12. 1994 das »Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage« (EALG) 1 in Kraft getreten. Damit wird die gesetzliche Regelung offener Vermögensfragen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zum Abschluß gebracht. Nach den grundlegenden Vorgaben für die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in den neuen Ländern durch Einigungsvertrag und Vermögensgesetz war noch die Frage der Art und Höhe der Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen für solche Vermögenswerte zu regeln, bei denen eine Rückgabe aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in Betracht kam. Dies soll das EALG leisten.
Die rechtliche Bewertung dieses Regelungswerks wurde bisher allerdings ausschließlich aus verfassungsrechtlicher Sicht vorgenommen. Dabei konzentrierten sich die Erörterungen im wesentlichen auf die Frage, ob es mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, Restitutionsberechtigten mit der Rückgabe des Vermögenswertes den vollen Verkehrswert zukommen zu lassen, währenddessen die gesetzlich vorgesehenen Entschädigungs- oder Ausgleichsleistungen hinter diesem Wert erheblich zurückbleiben 2 . Das BVerfG hat allerdings einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen das EALG zurückgewiesen, mit der Entscheidung in der Hauptsache ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen 3 . Die verfassungsrechtliche Betrachtung - die hier nicht vertieft werden soll - erschöpft jedoch keineswegs den rechtlichen Problemgehalt dieser Regelungen. Übersehen wurde bislang vielmehr, daß das sogenannte Flächenerwerbsprogramm in § 3 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG), das für ortsansässige Betriebe einen begünstigten Erwerb gepachteter Flächen auch unabhängig von vormals enteignenden Maßnahmen vorsieht, die gemeinschaftsrechtliche Frage aufwirft, ob es sich dabei evtl. um eine verbotene, weil wettbewerbsverfälschende staatliche Beihilfe handelt. Damit steht das politisch hart errungene Kernstück des Gesetzes unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht.
Neben anderen Bereichen der Wiedergutmachung, etwa für NS-verfolgungsbedingte Vermögensverluste, stehen im Mittelpunkt des als Artikelgesetz formulierten EALG 4 die Art und Weise der Entschädigung für zu Nachkriegs- und DDR-Zeiten erfolgte und nicht rückgängig zu machende Enteignungen (Art. 1 EALG = Entschädigungsgesetz) sowie die Regelung der Ausgleichsleistungen für Sachwerte, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zwischen 1945 und 1949 den Alteigentümern entzogen worden sind (Art. 2 EALG = Ausgleichsleistungsgesetz). Diese Konfiskationen im Zuge der »Bodenreform« waren gemäß Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen beider deutschen Staaten 5 vom 15. 6. 1990 und deren rechtsverbindlicher Umsetzung durch Art. 41 Abs. 1 Einigungsvertrag als rechtsbeständig angesehen und von jeglichen Restitutionsansprüchen ausgenommen worden. Im »Bodenreformurteil« 6 hat das Bundesverfassungsgericht den Restitutionsausschluß für diese Vermögenswerte bestätigt und entsprechende Verfassungsbeschwerden betroffener Alteigentümer mit der Begründung zurückgewiesen 7 , die Bundesrepublik treffe keine Wiedergutmachungspflicht für
Unrecht fremder Staatsgewalt. Gleichwohl sei nach der Wertordnung des Grundgesetzes, insbesondere mit Blick auf das Rechts- und Sozialstaatsprinzip, ein Härteausgleich für Besatzungs- und Reparationsschäden geboten, bei deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber aber ein weitgehender Gestaltungsspielraum zukomme 8 . Eine derartige Kompensation für die Opfer der Bodenreform normiert nunmehr grundsätzlich § 1 Abs. 1 S. 1 AusglLeistG 9 .
Die zweite wesentliche Säule innerhalb des AusglLeistG bildet die von § 3 AusglLeistG geregelte Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen. Die Fassung dieser umfangreichen und komplizierten Vorschrift geriet während der Beratungen zum Kernproblem für das gesetzliche Gesamtpaket. Insbesondere die Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lehnten ursprünglich zugunsten der gegenwärtigen Pächter jedwede Rückkehrklausel für Alteigentümer ab 10 , sie konnten sich aber nicht durchsetzen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll vielmehr § 3 AusglLeistG einen Ausgleich zwischen dem Rückerwerbsinteresse der Bodenreformopfer und dem Interesse der derzeitigen Nutzer am Erwerb dieser Flächen schaffen 11 . Bei der Erfassung des § 3 AusglLeistG sind demzufolge zwei Regelungsmaterien streng zu unterscheiden: zum einen die nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 bis 4, 7 AusglLeistG den derzeitigen Pächtern eingeräumte Möglichkeit, landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen zu erwerben, zum anderen die den Alteigentümern gemäß § 3 Abs. 5 AusglLeistG zustehende Option, nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG bestehende Ausgleichsleistungsansprüche teilweise zum Kauf von Flächen zu verwenden.
§ 3 Abs. 1 bis 4, 7 AusglLeistG räumt Betrieben und Betriebsinhabern in den neuen Bundesländern, die ehemals volkseigene, nunmehr zu privatisierende landwirtschaftliche Flächen bewirtschaften, ein Recht des Primärerwerbs ein. Mit einem derartigen Vorkaufsrecht soll nach der verlautbarten Intention des Gesetzgebers die Schaffung wettbewerbsfähiger Strukturen begünstigt werden 12 . Im einzelnen ist die Möglichkeit des bevorzugten Erwerbs an folgende Bedingungen geknüpft: Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 AusglLeistG ist ein am Stichtag 1. 10. 1996 existentes langfristiges, d. h. auf mindestens sechs Jahre 13 abgeschlossenes Pachtverhältnis. Berechtigt sind nach § 3 Abs. 2 S. 1-3 AusglLeistG zunächst natürliche Personen, die ihren ursprünglichen Betrieb weiterführen und selbst bewirtschaften. Unter diese sogenannten Wiedereinrichter fallen sowohl die sog. Bodenreformopfer als auch solche Berechtigte, die ihren Betrieb im Zuge der sog. Sequesterenteignungen zwischen 1945 und 1949 und auch nach Gründung der DDR durch entschädigungslose Enteignung verloren haben 14 - vorausgesetzt, daß sie am 1. 10. 1996 wieder auf ihren ursprünglichen Flächen als pachtende Landwirte tätig sind, was bei den Bodenreformopfern faktisch eine Ausnahme ist. Gleichzeitig erweitert das Gesetz das Vorkaufsrecht auf die sog. Neueinrichter . Dabei handelt es sich um den Personenkreis, der einen Betrieb neu eingerichtet hat, am 3. 10. 1990 ortsansässig war und diesen Betrieb allein oder als unbeschränkt haftender Gesellschafter selbst bewirtschaftet. Hierunter sind insbesondere Mitglieder der ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu fassen, die nach deren Auflösung oder Umwandlung Teile der vormaligen LPG-Flächen 15 in eigener Verantwortung bewirtschaften. Die Möglichkeit des privilegierten und von den Bodenreformopfern nicht abwendbaren Erwerbs gilt darüber hinaus für als juristische Personen des Privatrechts geformte landwirtschaftliche Unternehmen - also die Nachfolger der LPG -, sofern die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 2 AusglLeistG vorliegen. Die Anteilswerte müssen danach zu 75% in der Hand von Personen sein, die bereits zum 3. 10. 1990 ortsansässig waren.
Den Umfang des Vorkaufsrechtes beschränkt § 3 Abs. 3 AusglLeistG für landwirtschaftliche Flächen auf 600 000 Ertragsmeßzahlen (6000 Bodenpunkte) oder 50 Prozent Eigentumsanteil; unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 AusglLeistG können nochmals 100 Hektar Waldfläche (Bauernwald) hinzukommen. Ausgehend von der Erwerbsobergrenze von 6000 Bodenpunkten und einer durchschnittlichen Qualität des landwirtschaftlichen Bodens in den neuen Ländern von 43 Bodenpunkten pro Hektar 16 besteht damit für maximal rund 140 Hektar das Recht des ersten Zugriffs, das in diesem Umfang allerdings nur juristische Personen annähernd ausschöpfen können. Bei natürlichen Personen beläuft sich das durchschnittliche Erwerbsvolumen auf maximal rund 50 Hektar 17 .
Bei der Höhe des Kaufpreises geht § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG grundsätzlich von einem fiktiven Wertansatz auf der Basis des dreifachen Einheitswertes von 1935 aus 18 . Die Orientierung am Einheitswert von 1935 bedeutet für die privilegierten Pächter nichts anderes als eine gesetzlich angeordnete teilweise Schenkungsoption. Der auf dieser Grundlage ermittelte Verkaufspreis 19 beträgt näm-
lich im Durchschnitt rund 3000 DM pro Hektar 20 , der aktuelle durchschnittliche Verkehrswert liegt dagegen bei etwa 7000 DM pro Hektar. Bei einem unter § 3 AusglLeistG fallenden Gesamtflächenvolumen von rund 850 000 Hektar 21 bedeutet dies für die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Treuhand-Nachfolgerin einen Einnahmeverlust von etwa 3,4 Milliarden DM .
Im Hinblick auf das primäre Ziel des EALG, die zumindest teilweise Wiedergutmachung erlittenen Unrechts, gerät die Einräumung eines privilegierten Zugriffs auf ehemals volkseigene, nunmehr zu privatisierende land- und forstwirtschaftlicher Flächen für Neueinrichter und LPG-Nachfolger zu einem systemwidrigen Fremdkörper. Entgegen der vorrangigen Entschädigungs- und Ausgleichsfunktion für die Bodenreformopfer und sonstigen Enteigneten knüpft nämlich die Gewährung einer vorrangigen Kaufoption für diese Gruppen von Begünstigten gerade nicht an das Vorliegen enteignender Maßnahmen an. Bei dem Flächenerwerbsprogramm handelt es sich insofern ausschließlich um eine personenbezogene Maßnahme der Agrarförderung ohne jegliche Kompensationsmomente 22 .
Eine die damaligen Enteignungen ausgleichende Bedeutung hat im Rahmen des § 3 AusglLeistG vor allem dessen Absatz 5, der nicht restitutionsberechtigten Alteigentümern, die keine Wiedereinrichter sind und mithin selbst nicht am 1. 10. 1996 als pachtende Landwirte vor Ort tätig sind, gleichfalls die Möglichkeit des Flächenerwerbs eröffnet. Ihnen wird eine Art Sachausgleich in natura eingeräumt, ohne daß dies einer Rückübertragung ihres vormaligen Vermögenswertes gleichzusetzen wäre 23 . Vielmehr rückt an die Stelle des nach Art. 41 Abs. 1 Einigungsvertrag und § 1 Abs. 8 lit. a) VermG ausgeschlossenen originären Restitutionsanspruches die Möglichkeit des privatrechtlichen Erwerbs von landwirtschaftlichen Flächen in einem Gesamtumfang von etwa 200 000 Hektar 24 .
Gegenüber den nach § 3 Abs. 2 AusglLeistG berechtigten LPG-Nachfolgern, Wieder- und Neueinrichtern billigt § 3 Abs. 5 AusglLeistG den betreffenden Alteigentümern jedoch lediglich eine nachrangige und zudem verkürzte Kaufoption zu. Ihr Erwerbsrecht soll gemäß § 3 Abs. 5 S. 1 AusglLeistG erst dann aufleben, wenn die anderen Begünstigten von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen. Zudem kann nach § 3 Abs. 5 S. 5 AusglLeistG der derzeit tätige Landwirt nach Anmeldung der Erwerbsabsichten für eine bewirtschaftete Fläche durch den Alteigentümer deren Übergang bis zu sechs Monaten vereiteln und stattdessen selbst privilegierten Zugriff nehmen. Gleichzeitig ist das Erwerbsvolumen bei landwirtschaftlichen Flächen auf die Hälfte der Ausgleichsleistung oder 300 000 Ertragsmeßzahlen beschränkt. Zur Verfügung stehen für einen entsprechenden Erwerb auch nur noch die Flächen, die nicht an die vorrangig Berechtigten veräußert wurden, weshalb auch kein Anspruch auf bestimmte Flächen besteht (§ 3 Abs. 5 Satz 1 a. E., 4, 5 AusglLeistG). § 3 Abs. 6 AusglLeistG sieht weiterhin bei einem Kauf durch Alteigentümer die Verpflichtung vor, bestehende Pachtverträge für maximal 18 Jahre zu verlängern 25 .
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat zunächst in einer bloßen, nicht als förmlichen Rechtsakt zu verstehenden Mitteilung vom 6. 3. 1995 das Vorliegen einer verbotenen staatlichen Beihilfe durch das AusglLeistG verneint 26 . Dabei ging die Kommission jedoch offenbar irrig davon aus, daß das Gesetz lediglich Vorschriften zur Wiedergutmachung erlittener Schäden enthalte und keinerlei Zuschüsse für Investitionen. Dies gilt jedoch ausschließlich für Wiedereinrichter und nicht selbst wirtschaftende Alteigentümer, nicht jedoch für Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe . Für letztere jedenfalls ist die Regelung beihilferechtlich verdächtig, da sie ihnen einen bevorzugten Zugriff auf aktuell bewirtschaftete Flächen zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Preis einräumt, ohne jedes Kompensationsmoment für eine Enteignung vormaligen Eigentums.
Gleichwohl hätte bis zu dem Skandal um die verschwundenen Beihilfen für den Vulkan-Werftenverbund die Frage nahegelegen, ob nicht die generell großzügige Haltung der Kommission gegenüber Beihilfen in den neuen Bundesländern eine Untersuchung dieser Frage überflüssig macht. Diese Praxis vermochte jedoch zum einen nie die primärrechtlichen Vorgaben des EG-Vertrags zu ändern, sondern war lediglich eine Konsequenz des allerdings weitgehenden Ermessens der Kommission in Beihilfeangelegenheiten, zum anderen hat die Kommission angekündigt, nunmehr alle Beihilfen in den neuen Bundesländern mit der üblichen Strenge zu untersuchen 27 . Auch aus der unveröffentlichten Entscheidung der Kommission vom 18. 9. 1991 bezüglich der Treuhandtätigkeiten, die ersichtlich auch auf die BvS angewendet wird, ergibt sich insofern nichts anderes 28 . Eine Untersuchung dieser Frage ist daher durchaus geboten, zumal im Januar 1996 eine Beschwerde in dieser Angelegenheit bei der Kommission erhoben wurde. Der »comfort letter« vom 6. 3. 1995 steht einer erneuten Befassung der Kommission mit dem EALG auch nicht entgegen.
Durch Art. 92 Abs. 1 EGV sind grundsätzlich alle staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, verboten, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Dem Mangel an begrifflicher Konturenschärfe dieser vertraglichen Vorgabe begegnen das Schrifttum 29 , die Praxis der Kommission sowie die Rechtsprechung des EuGH 30 mit der Heranziehung konstitutiver, beihilfebegründender Merkmale. Einigkeit besteht dabei darüber, daß das Vorliegen einer Beihilfe an ihrer begünstigenden Wirkung beim Zuwendungsempfänger zu messen ist und nicht an den Zielsetzungen und wirtschaftspolitischen Erwägungen der Mitgliedstaaten 31 . Von einer begünstigenden Wirkung ist dabei entsprechend dem Prinzip der »marktrelativen Günstigkeit« 32 auszugehen, wenn das Unternehmen die privilegierende Wirkung am Markt nicht oder nur zu ungleich schlechteren Bedingungen hätte erhalten können, also staatlicherseits eine Besserstellung gegenüber den Marktbedingungen erhält 33 . Dies läßt sich auch als »market-economy-test« bezeichnen.
Besondere Bedeutung gewinnen diese Vorgaben für den Fall, daß der Vorteilsgewährung eine Gegenleistung des Unternehmens - die man hier auf den ersten Blick in der Entrichtung des Grundstückskaufpreises sehen könnte - gegenübersteht. Der Normzweck des Art. 92 Abs. 1 EGV gebietet auch hier die Beachtung der Position des Zuwendungsempfängers innerhalb des bestehenden Marktgefüges. Leistungs- und Gegenleistungsgehalt sind daher anhand eines marktgerechten Maßstabs vergleichend gegenüberzustellen 34 .
Bei Vorliegen einer Gegenleistung ist somit dann von einer Begünstigung auszugehen, wenn die vom Unternehmen erbrachten Vermögensdispositionen nicht dem entsprechen, was regelmäßig auf dem Markt für die empfangene Zuwendung zu entrichten wäre, sondern hinter dem üblichen Marktpreis zurückbleiben. Unter marktökonomischen Gesichtspunkten wird dagegen eine adäquate, vorteilskompensierende Gegenleistung dann vorliegen, wenn das Unternehmen auch beim freien Spiel der Marktkräfte einen geldwerten Vorteil im gleichen Umfange erhalten hätte 35 . Bei der Bestimmung der Angemessenheit der Gegenleistung des Begünstigten dürfen somit staatliche Absichten eines Nachteilsausgleichs für bestimmte wirtschaftliche Problembereiche nicht gegenleistungserhöhend - und damit schon den Tatbestand der Beihilfe ausschließend - berücksichtigt werden. Diese Problematik kann erst auf der »Rechtfertigungsebene« des Art. 92 Abs. 3 EGV unter den dort vorgesehenen Bedingungen berücksichtigt werden.
Im Hinblick auf diese Vorgaben ist bei dem Vorzugserwerb nach § 3 AusglLeistG ohne weiteres - und zunächst für alle Berechtigten - von einer entsprechenden beihilfeindizierenden Begünstigung auszugehen. Dies ergibt sich evident aus der Wahrnehmung der gesetzlich eingeräumten Vorkaufsrechtsoption zu einem weit unter dem Marktwert bleibenden Kaufpreis 36 . Diese Begünstigung erfolgt auch ohne adäquate Gegenleistung derjenigen, denen diese vergünstigte Kaufoption unter Verletzung der Prinzipien des Marktes eingeräumt worden ist. Der zu entrichtende Kaufpreis wäre nämlich unter den Bedingungen des freien Marktes regelmäßig rund doppelt so hoch. Im Umfang des staatlichen Kaufpreisverzichts fehlt es daher an einer Gegenleistung. Staatliche Förderungsabsichten spielen insoweit keine Rolle.
Hinsichtlich der Neueinrichter und der LPG-Nachfolgebetriebe erfüllt § 3 AusglLeistG auch klar das Erfordernis einer freiwilligen hoheitlichen Zuwendung als ungeschriebenes Beihilfetatbestandsmerkmal 37 . Danach sollen nur solche Leistungen Beihilfen darstellen können, die ohne jegliche Rechtspflicht geleistet werden. Schadenersatzzahlungen oder vergleichbare Kompensationsmaßnahmen, die in Befolgung eines Rechtsanspruchs des Empfängers zugewendet werden, unterliegen nur hinsichtlich evtl. überschießender Elemente dem Anwendungsbereich des Beihilferegimes. Dies betrifft vorliegend zum einen die aus dem Bodenreformurteil des BVerfG folgende verfassungsrechtliche Ausgleichspflicht für Bodenreformopfer 38 sowie zum anderen die aus dem Einigungsvertrag (Art. 41 Abs. 1) folgende Rückgabeverpflichtung für Wiedereinrichter, die keine Bodenreformopfer sind. Bei den Neueinrichtern und den LPG-Nachfolgebetrieben fehlt es dagegen an einem derartigen legitimierenden Kompensationszweck. Die bloße Absicht, durch die vergünstigten Erwerbsmöglichkeiten die angeblich schwächere Kapitalausstattung dieser Betriebe zu verbessern, genügt hierfür nicht, da dies - unabhängig von den Gründen für diese Situation - eine rein wirtschaftslenkende Subventionsmaßnahme ohne anderweitig begründeten Rechtsanspruch der Begünstigten dar-
stellt. Ein die Freiwilligkeit der Zuwendung ausschließender, hier verfassungsrechtlich bzw. durch den Einigungsvertrag begründeter Kompensationsanspruch besteht vielmehr nur seitens der Wiedereinrichter und der Alteigentümer . Für diese stellt die vergünstigte Erwerbsoption daher schon tatbestandlich keine Beihilfe dar. Im Hinblick auf sie bedarf es daher auch keiner Erörterung evtl. rechtfertigender Tatbestände.
Rechtliche Bedeutsamkeit gewinnt die Begünstigung der Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe durch die eingeräumte Kaufoption aber nur dann, wenn sie staatlichen Stellen zurechenbar ist. Nach dem Wortlaut des Art. 92 Abs. 1 EGV muß es sich um eine » staatliche Beihilfe« bzw. um Maßnahmen »aus staatlichen Mitteln« handeln. Unproblematisch ist die staatliche Herkunft einer Beihilfe bei direkter Leistungsgewährung durch die unmittelbare Staatsverwaltung. Unerheblich ist darüber hinaus, ob der Staat selbst die Zuwendung vornimmt oder dies mittels von ihm zur Durchführung beauftragter öffentlicher oder privater Einrichtungen durchführt, sofern er auf diese einen bestimmenden Einfluß ausübt 39 . Im vorliegenden Fall entfällt mithin die hoheitliche Zurechnung nicht deshalb, weil die Privatisierung der BvS als Nachfolgerin der Treuhandanstalt obliegt. Bei dieser handelt es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung 40 .
Bedingung für die Erfüllung des Tatbestands des Art. 92 Abs. 1 EGV ist allerdings eine haushaltsrelevante Rückkopplung der Beihilfe 41 . Eine solche Finanzwirksamkeit ist nicht nur dann gegeben, wenn die Leistungsgewährung öffentliche Haushalte aktiv mindernd belastet, sondern auch dann, wenn der Staat von möglichen Einnahmen absieht . Der Verzicht auf eine Einnahme - hier in Höhe von immerhin 3,4 Milliarden DM - hat nämlich den gleichen, den finanziellen Spielraum des betreffenden Hoheitsträgers mindernden Effekt wie eine entsprechende Ausgabe. Anerkannt ist dies u. a. für eine staatliche Ermäßigung des Kaufpreises ohne bestehende Rechtspflicht 42 , wie sie bei dem Vorkaufsrecht für Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe zu weit vergünstigten Preisen vorliegt.
Eine notwendige kausale Verknüpfung zwischen Vorteilsvermittlung und staatlicher Einflußnahme scheitert auch nicht daran, daß der Flächenerwerb an eine staatlicherseits nicht erzwingbare Handlung Dritter - die Ausübung der Kaufoption durch die jeweils Berechtigten - gebunden ist. Mit der normativen Einräumung eines Vorkaufsrechts samt einer garantierten Bemessungsgrundlage hat der Gesetzgeber bereits verbindliche Dispositionen für die Abwicklung der beabsichtigten Privatisierungsvorgänge ehemals volkseigener Flächen getroffen. Eine vergleichbare beihilfebegründende Bindungswirkung, die einer anderweitigen, gegebenenfalls rentableren Verwertung von Vermögenswerten entgegensteht, hat die Kommission etwa für jede Form staatlicher Garantien 43 oder staatliche Bürgschaften anerkannt, wobei es nicht darauf ankommen soll, ob der Gläubiger die öffentliche Hand tatsächlich in Anspruch nimmt 44 .
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Beihilfe i. S. d. Art. 92 Abs. 1 EGV ist eine aktuelle oder zumindest drohende Wettbewerbsverfälschung . Danach genügt die bloße, allerdings nicht allzu entfernt liegende Möglichkeit der Einflußnahme auf den Selbststeuerungsprozeß des Wettbewerbsgeschehens 45 . Von einer wegen der beabsichtigten Sanktionierung jeglicher Verzerrung marktgerechter Strukturen weit zu verstehenden 46 Verfälschung des Wettbewerbs ist demnach grundsätzlich dann auszugehen, wenn durch die Gewährung der Begünstigung auf ein tatsächliches oder potentielles Wettbewerbsverhältnis eingewirkt wird 47 . Anzunehmen ist dies insbesondere dann, wenn die Stellung eines Unternehmens innerhalb eines einheitlichen Marktgeschehens gegenüber der Konkurrenz verbessert wird. Der von § 3 AusglLeistG eingeräumte verbilligte Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht es den Berechtigten, in den Grenzen des § 3 Abs. 3 AusglLeistG Betriebsvermögen und damit auch Haftungskapital zu günstigeren Konditionen zu bilden als konkurrierende Betriebe. Landwirte, auf die § 3 AusglLeistG keine Anwendung findet, sind dagegen bei der Schaffung vergleichbarer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf die Entrichtung des vollen Verkehrswertes angewiesen.
Fraglich ist allerdings, ob durch das Flächenerwerbsprogramm auch der Gemeinsame Handelsverkehr beeinträchtigt wird. Eine solche Einflußnahme liegt nach allgemeiner Auffassung dann vor, wenn Einfuhren erschwert oder Ausfuhren erleichtert werden, mithin bei einer fremdgesetzten Störung der marktimmanenten Steuerungskräfte 48 . Ebenso wie im Zusammenhang mit der Verfälschung des Wettbewerbs bedarf es keiner aktuellen Beeinträchtigung des Gemeinsamen Handels, es genügt vielmehr die abstrakte Eignung der betreffenden Maßnahme. Sofern jedoch - wie hier - eine Wettbewerbsverfälschung zu bejahen ist, steht die Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes dann zu vermuten, wenn der Zuwendungsempfänger im Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten steht. Nur wenn derart grenzüberschreitende Aktivitäten des begünstigten Unternehmens nicht feststellbar sind, ist der innergemeinschaftliche Handel nicht berührt 49 . In bezug auf den gesetzlich eingeräumten begünstigten Flächenerwerb wird eine auf andere Mitgliedstaaten ausstrahlende Wirkung wegen der Größe und des Erwerbsvolumens vor allem bei den LPG-Nachfolgeunternehmen vorliegen. Ausländische Unternehmen sind demgegenüber bei einem etwaigen und lediglich nachrangigen Ankauf landwirtschaftlicher Flä-
chen in den neuen Bundesländern zur Entrichtung des aktuellen Verkehrswerts verpflichtet und daher gegenüber Neueinrichtern und LPG-Nachfolgebetrieben benachteiligt. In Anbetracht des Werts der zu veräußernden Flächen kann auch nicht von einer Geringfügigkeit der Auswirkungen gesprochen werden (De-minimis-Regel).
Des weiteren erfordert der Begriff der Beihilfe i. S. d. Art. 92 Abs. 1 EGV die Begünstigung bestimmter Unternehmen bzw. Produktionszweige . Damit erlangen nur solche Begünstigungen beihilferechtliche Bedeutung, die auf die spezifische Förderung bestimmter Organisationseinheiten zielen, währenddessen gesamtwirtschaftliche, etwa konjunkturbelebende Maßnahmen unberücksichtigt bleiben 50 . Da der bestimmende Anknüpfungspunkt für den Unternehmensbegriff allein das Auftreten am Markt als Anbieter oder Nachfrager 51 ist, ist dieses Tatbestandsmerkmal bei den Erzeugern von landwirtschaftlichen Produkten ohne weiteres erfüllt.
Als Resümee läßt sich zunächst festhalten, daß der bevorzugte Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Flächen durch Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe nach § 3 AusglLeistG sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beihilfe nach Art. 92 Abs. 1 EGV erfüllt. Für Wiedereinrichter und selbst nicht wirtschaftende Alteigentümer fehlt es dagegen an dem Merkmal der Freiwilligkeit der Zuwendung, so daß im Hinblick auf sie schon tatbestandlich keine Beihilfe vorliegt. Die Vorgaben des AusglLeistG für die Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe können jedoch evtl. unter die rechtfertigenden Ausnahmebestimmungen des Art. 92 Abs. 2 und 3 EGV fallen. Hier erst ist Raum für die Berücksichtigung staatlicher Absichten eines Ausgleichs von wirtschaftlichen Nachteilen auf seiten bestimmter Wirtschaftssubjekte oder -regionen.
Auf der »Rechtfertigungsebene« des Absatzes 2 könnte insbesondere Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV von Bedeutung sein. Danach sind Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV 52 hat bei der rechtlichen Bewertung von Maßnahmen der Wirtschaftsbelebung in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eine neue und umstrittene Bedeutung gewonnen. Ursprünglich war die Vorschrift nur für die beihilferechtliche Legitimation der Zonenrand- und Berlinförderung sowie der Wiedereingliederungshilfen für das Saarland herangezogen worden. Ausgehend von der Art. 92 Abs. 2 EGV immanenten schadensbeseitigenden Funktion fanden damit Zuwendungen im Bemühen um Ausgleich für Standortnachteile insoweit eine gemeinschaftliche Rechtfertigung, als sie der Wiederherstellung der Wettbewerbslage dienten 53 . Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV galt als Instrument dafür, eine weitere Vertiefung der deutschen Teilung durch den EG-Vertrag zu verhindern 54 . Diese Wertung legte auch der EuGH seiner einschlägigen Judikatur zugrunde. Für die Genehmigung von Subventionstarifen zugunsten von Unternehmen im Zonenrandgebiet hat der Gerichtshof z. B. festgestellt, daß es sich »in diesen Fällen um Nachteile (handelt), die auf anderen als wirtschaftlichen Faktoren und insbesondere auf zeitbedingten politischen Umständen beruhen, durch welche diese Unternehmen von ihren natürlichen Absatzgebieten abgeschnitten wurden, so daß sie einer Unterstützung bedürfen« 55 .
Fraglich ist jedoch, ob Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV auch nach der deutschen Wiedervereinigung für die umfassende und flächendeckende Förderung der maroden ehemaligen DDR-Wirtschaft herangezogen werden kann. Zum Teil - vor allem auch seitens der Bundesregierung 56 - wird dies mit der Erwägung bejaht, Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV sei deshalb eine weiterhin anwendbare Ausnahme für Beihilfen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, weil die Teilung Deutschlands kausal gewesen sei für die besondere Situation der Wirtschaft in den neuen Bundesländern 57 . Demnach würden entsprechende Beihilfen ausnahmslos nicht dem Verdikt der Unvereinbarkeit mit Art. 92 EGV unterfallen, solange sie den Ausgleich fortwährender wirtschaftlicher Nachteile der Unternehmen in der ehemaligen DDR zum Gegenstand hätten 58 . Nach dieser Ansicht müßte auch der privilegierte Flächenerwerb von Neueinrichtern und LPG-Nachfolgebetrieben dem Anwendungsbereich des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV unterliegen. Diese sind gegenüber Konkurrenzunternehmen aus den Altbundesländern und den übrigen Mitgliedstaaten hinsichtlich der ökonomischen und rechtlichen Grundbedingungen oft insoweit benachteiligt, als sie aufgrund der sozialistischen Eigentumsordnung kein Betriebsvermögen bilden konnten und somit bei der Eigenkapitalbildung eingeschränkt sind.
Eine solche Wertung hält freilich einer genauen Analyse des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV nicht stand, und die Kommission hat die Heranziehung des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV für die neuen Bundesländer bislang auch stets abgelehnt bzw. vermieden 59 . Desgleichen wurde es schon kurz nach der Wiedervereinigung auch in der Literatur zum Teil abgelehnt, die flächendeckende Subventionstätigkeit für die Wirtschaft der DDR (»Gießkannenprinzip«) unter
die Ausnahme des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV zu fassen 60 . Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV habe nach seinem Wortlaut und Sinn lediglich die unmittelbaren Folgen der geographischen Teilung im Blick gehabt, nicht aber den umfassenden Ausgleich für die wirtschaftlich katastrophale Lage in den neuen Ländern. Zudem fehle es an der notwendigen Kausalität zwischen Teilung und wirtschaftlichen Nachteilen, da die Unternehmen der Ex-DDR nicht durch die Teilung, sondern vielmehr durch die Aufhebung der Teilung betroffen seien 61 . Ursächlich für ökonomische Defizite sei ausschließlich das praktizierte planwirtschaftliche System gewesen, nicht aber die Aufteilung Deutschlands.
Im besonderen Maße gilt dies für die hier in Rede stehende Rechtfertigung des Primärerwerbs nach § 3 AusglLeistG mit der beabsichtigten Kompensation bisher fehlenden Betriebsvermögens. Der Mangel an Betriebsvermögen und Haftungsmasse war originär in der sozialistischen Eigentumsstruktur der DDR begründet, nicht aber Folge der Teilung Deutschlands. Gestützt wird diese Betrachtung durch einen Vergleich mit den klassischen Anwendungsfällen des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV: Im Rahmen der Zonenrand- und Berlinförderung ging es um den teilungsbedingten Ausgleich für den Verlust von traditionellen Bezugs- und Absatzmöglichkeiten sowie um die Kompensation entstandener Verkehrs- und Transportprobleme. Ursächlich für diese Schwierigkeiten war die zwangsweise Abdrängung der Unternehmenseinheiten in eine geographische Randlage, die ungleich schlechtere Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilnahme am Wettbewerb bot. Demgegenüber begründete die politische Entscheidung, in der vormaligen DDR ein planwirtschaftliches System zu errichten - trotz des Protokolls über den innerdeutschen Handel -, gerade keine relevanten Wettbewerbsnachteile auf dem Gemeinsamen Markt . Derartige Nachteile auszugleichen war jedoch der alleinige Sinn des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV.
Die grundsätzliche Begrenzung des Regelungsanspruchs dieser Norm auf die Zeit bis zur Wiederherstellung der deutschen Einheit wird auch durch die von allen damaligen Vertragsparteien akzeptierte deutsche Protokollerklärung anläßlich der Verhandlungen der Römischen Verträge gestützt, wonach die Bundesregierung von der Möglichkeit ausging, daß im Falle der deutschen Wiedervereinigung eine Überprüfung auch des E(W)G-Vertrags stattfindet. Die Tatsache, daß es hierzu - im Sinne der Wahrnehmung einer Austrittsoption - nicht gekommen ist, vermag wegen des evident auf eine historische Sondersituation bezogenen Charakters des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV nicht seinen Anwendungsbereich auf alle Folgeprobleme der deutschen Wiedervereinigung auszuweiten. Daran ändert auch die fehlende Beseitigung dieser Norm durch den Maastrichter Vertrag - verstanden als evtl. absichtliche Erweiterung seines ursprünglichen Anwendungsbereichs - nichts 62 . Zum einen hat der Unionsvertrag auch ansonsten keine Bereinigung des EG-Vertrags hinsichtlich obsoleter Vorschriften vorgenommen, zum andern läßt sich die weitere Aufrechterhaltung dieser Bestimmung für das Auslaufen der Zonenrand- und Berlinförderung auch durchaus rechtfertigen. Im übrigen würde die vollständige Herausnahme der Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern aus der Beihilfenkontrolle der Kommission - und zwar für unabsehbare Zeit - sich auch wirtschaftspolitisch kaum rechtfertigen lassen, da von entsprechenden Beihilfen teilweise auch gutsituierte Unternehmen aus dem Westen beträchtlich profitieren. Der Streit um die Beihilfen für VW in Sachsen hat dies sehr deutlich gemacht. Die gerichtliche Klärung dieser Auseinandersetzung dürfte dem EuGH Gelegenheit geben, die Tragweite des Art. 92 Abs. 2 lit. c) EGV zu verdeutlichen 62a .
Möglicherweise läßt sich jedoch der subventionierte Flächenerwerb unter die Befreiungstatbestände des Art. 92 Abs. 3 EGV subsumieren. Für die Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern könnten allein Art. 92 Abs. 3 lit. a) und c) EGV einschlägig sein 63 . Im Gegensatz zu den Legalausnahmen des Art. 92 Abs. 2 EGV ist die Entscheidung nach Absatz 3 allerdings in das Ermessen der Kommission oder im Falle der sonstigen Beihilfen nach lit. e) in dasjenige des Rates gestellt. Beide Organe haben ihrer Entscheidung insbesondere die Zielvorgaben einer harmonischen, ausgewogenen und unverfälschten Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft nach Art. 2 und 3 lit. g) EGV zugrunde zu legen. Außerdem geht dieser Ermessensentscheidung eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus. Danach muß die Beihilfe einem der in den Ausnahmeregeln angesprochenen Ziele dienen, weiterhin muß sie notwendig und angemessen sein 64 .
Nach Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV können Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten genehmigungsfähig sein, in denen die Lebenshaltung im Vergleich zur gesamten Gemeinschaft 65 außergewöhnlich niedrig ist. Von einer außergewöhnlich niedrigen Lebenshaltung in einer Region ist dann auszugehen, wenn deren relativer Entwicklungsstand unter 75% des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt. Indikator für die soziale und wirtschaftliche Gesamtlage ist das Bruttoinlandprodukt pro Kopf der Bevölkerung als Ausdruck von Kaufkraftparametern innerhalb der Mitgliedstaaten 66 . Die neuen Bundesländer sind als derartige Gebiete anzusehen. Unabhängig davon, daß die Kommission den fünf neuen Ländern einschließlich Ost-Berlins den Status eines Ziel-1-Gebietes im Rahmen der gemeinschaftlichen Regionalförderung zuerkannt hat 67 , ergibt sich dies auch aus dem Bruttoinlandprodukt pro Kopf und der Arbeitslosigkeit gemessen am Gemeinschaftsdurchschnitt 68 .
Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV regelt ausschließlich Regionalbeihilfen . Die Tatsache, daß sich ein Unternehmen in einem Gebiet i. S. d. Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV befindet, begründet für sich allein jedoch noch nicht die beihilferechtliche Unbedenklichkeit 69 . Vielmehr ist die Erfüllung weiterer Voraussetzungen zur Rechtfertigung der fraglichen Beihilfe notwendig. Die Kommission verlangt regelmäßig, daß die fraglichen Beihilfemaßnahmen im Rahmen von umfassenden und zielgerichteten Programmen der Regionalpolitik bewilligt werden 70 . Soweit dies nicht gegeben ist, muß die entsprechende Förderung jedenfalls zu einer langfristigen Entwicklung des strukturschwachen Gebietes beitragen und damit der Zielverwirklichung des Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV dienen 71 . Voraussetzung dafür ist, daß die Beihilfe unmittelbar die Lebensfähigkeit der begünstigten Unternehmen nachhaltig sichert und damit ihre Rentabilität wiederherstellt, ohne sich nachhaltig auf die Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft auszuwirken.
Vor diesem Hintergrund fehlt es bei dem bevorzugten Flächenerwerb nach § 3 AusglLeistG zunächst an der regionalpolitischen Förderungs komponente. Gegenstand des § 3 AusglLeistG ist die Regelung künftiger Eigentumsverhältnisse ehemals volkseigener Flächen, nicht aber das primäre Streben nach einer Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Auch kann von der Einbindung in ein umfassendes Regionalprogramm für die Ex-DDR keine Rede sein, vielmehr handelt es sich um die Regelung einer eigentumsrechtlichen Einzelproblematik. Darüber hinaus wird die Einräumung eines Vorkaufsrechts auf der Basis des Einheitswertes 1935 völlig unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen gewährt. Anknüpfungspunkt ist allein die Eigenschaft als Neueinrichter bzw. LPG-Nachfolgebetrieb, nicht dagegen wird angeknüpft an die ökonomischen Rahmenbedingungen des begünstigten Unternehmens. Nach der gesetzlichen Regelung können demnach auch ertragsstarke Betriebe in den Genuß des Vorkaufsrechtes kommen, da das AusglLeistG auf einer unwiderleglichen Vermutung der wirtschaftlichen Schwäche der Vorkaufsberechtigten beruht. In diesem Falle fehlt es jedoch hinsichtlich der Rentabilität eines Unternehmens bereits an der Erforderlichkeit der Beihilfe 72 . Soweit die Kaufoption dagegen von Unternehmen wahrgenommen wird, die unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden, scheidet Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV deshalb aus, weil das Vorkaufsrecht nicht geeignet ist, langfristig die Lebensbedingungen des Betriebs zu gewährleisten. Die unternehmensinternen Strukturschwächen, die einer gefestigten Position des Betriebes im Wettbewerb entgegenstehen, werden durch den Flächenerwerb nämlich nicht berührt oder gar beseitigt.
Überdies ist der verbilligte Flächenerwerb durch Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe keine Maßnahme, die geeignet wäre, das Lebenshaltungsniveau oder die Arbeitsmarktsituation in den neuen Bundesländern zu verbessern. Eine entsprechende grundsätzliche Eignung der Beihilfe ist jedoch Rechtfertigungsvoraussetzung nach Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV 73 . Die insoweit evtl. auf den ersten Blick denkbare These, wegen der nicht marktgerechten Flächenerwerbskosten könnten u. U. auch die dort angebauten landwirtschaftlichen Produkte unter Marktpreis angeboten werden und so zu einer Verringerung der Lebenshaltungskosten beitragen, ist nämlich alles andere als überzeugend: Wenn die Vorkaufsberechtigten tatsächlich an der vom Gesetzgeber unterstellten Kapitalschwäche leiden, werden sie zur Finanzierung der zum Flächenerwerb erforderlichen Kredite - unabhängig von der Verkehrswerthalbierung - auf maximale Einnahmen bedacht sein. Ein verbilligtes Angebot an Lebensmitteln wird daher aus der Beihilfe nicht resultieren. Arbeitsmarktpolitische Effekte sind durch den Flächenerwerb schon gar nicht zu erwarten. Dem Ziel einer Ausnahme nach Art. 92 Abs. 3 lit. a) EGV, der Verbesserung der Lebenshaltungssituation in der betreffenden Region, vermag der vergünstigte Flächenerwerb durch Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe daher gar nicht zu dienen.
Gemäß Art. 92 Abs. 3 lit. c) EGV können staatliche Beihilfen zur Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete - sog. sektorale Beihilfen - genehmigt werden, die die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Es bedarf mithin einer Abwägung zwischen dem gemeinschaftlichen Interesse an einem von fremden Einflüssen unbeeinträchtigten Handel und den nationalen Wünschen nach der Förderung bestimmter Wirtschaftsgebiete oder -zweige. Dieser gebotene Interessenausgleich ist anhand des Prinzips der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen 74 . Erforderlich im Rahmen dieser Abwägung ist, daß die Marktkräfte allein nicht in der Lage sind, den durch die Beihilfe Begünstigten zu einem Verhalten zu bewegen, das zur Verwirklichung der wirtschaftlichen Ziele beiträgt 75 . Dies bedeutet, daß die Bestimmung des Art. 92 Abs. 3 lit. c) EGV lediglich dann Anwendung finden kann, wenn die jeweilige Beihilfe geeignet ist, strukturelle Schwächen von Wirtschaftszweigen oder Wirtschaftsgebieten zu beseitigen. Die Kommission hat hierfür eng begrenzte Voraussetzungen entwickelt 76 , denen zufolge Vorteilsgewährungen unter anderem nur dann gewährt werden dürfen, wenn es die Lage der betreffenden Wirtschaftszweige erfordert und gleichzeitig ihre Lebensfähigkeit langfristig wiederhergestellt wird.
An einer solchen Notwendigkeit fehlt es aber bei der Einräumung einer Kaufoption für derzeitige Pächter auf der Grundlage des dreifachen Einheitswertes von 1935 für landwirtschaftliche Flächen. Insbesondere hat der Gesetzgeber keinen Zusammenhang zwischen der Begünstigung und der Abhilfe struktureller existenzbedrohender Probleme für die betroffenen Unternehmen hergestellt. Die Erwerbsmöglichkeit des § 3 AusglLeistG für die in § 3
Abs. 2 S. 1 u. 2 AusglLeistG aufgeführten Berechtigten besteht vielmehr völlig unabhängig von ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage. Wäre es tatsächlich um die Beseitigung wirtschaftlicher Notlagen der betreffenden Landwirte gegangen, wäre eine derartige Verknüpfung jedoch zumindest gemeinschaftsrechtlich unerläßlich gewesen. Die Beihilfe muß nämlich angesichts der Situation eines Sektors notwendig und verhältnismäßig sein. Dies bedingt für die betreffenden Unternehmen einen soliden Umstrukturierungsplan, der geeignet ist, die langfristige Lebensfähigkeit des Betriebes wiederherzustellen 77 . Die entsprechende gesetzgeberische Unterlassung, die auf eine unzulässige unwiderlegliche Vermutung einer Notlage hinausläuft, und auch die fehlende Forderung nach einer Umstrukturierung der Betriebe läßt letztlich durchscheinen, daß der Gesetzgeber in Wirklichkeit vorrangig das fragwürdige Ziel verfolgte, den Rückerwerb durch die Alteigentümer aus politischen Motiven heraus soweit wie möglich zu vereiteln.
Weiterhin bestehen vor dem Hintergrund, daß auf dem landwirtschaftlichen Sektor bereits Überkapazitäten vorhanden sind, erhebliche Zweifel daran, daß die genannte Beihilfe mit dem gemeinsamen Interesse vereinbar ist 78 . Durch das Vorkaufsrecht auf der Grundlage des Einheitswertes 1935 besteht zumindest die Gefahr der zusätzlichen Produktion von landwirtschaftlichen Gütern auf einem ohnehin bereits übersättigten Markt.
Ein zusätzlicher Gesichtspunkt läßt endgültig die Anwendbarkeit des Art. 92 Abs. 3 lit. c) EGV entfallen. Die Einräumung einer entsprechenden Beihilfemöglichkeit setzt voraus, daß bestimmte Wirtschafts zweige oder Wirtschafts gebiete gefördert werden. Durch das AusglLeistG werden aber ausschließlich bestimmte Personen gruppen gefördert, die innerhalb eines bestimmten Wirtschaftsgebietes in einem Wirtschaftszweig tätig sind. Die Gewährung der entsprechenden Beihilfen müßte jedoch dem Verbot der Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit aus Art. 6 Abs. 1 EGV genügen, das für den gesamten Anwendungsbereich des EG-Vertrags gilt, also auch für Art. 92 Abs. 3 lit. c) EGV. Die Förderung von Wirtschaftszweigen oder Wirtschaftsgebieten ist nämlich auch dann möglich, wenn EG-Ausländer die entsprechenden Tätigkeiten ausüben. Die Vorschriften des AusglLeistG definieren die begünstigten Personengruppen - Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe - zwar nicht offen nach der deutschen Staatsangehörigkeit. Nach Art. 6 Abs. 1 EGV sind aber auch verdeckte Diskriminierungen unzulässig 79 . Das Erfordernis der Ortsansässigkeit der Neueinrichter bzw. von 75% der Anteilseigner der LPG-Nachfolgebetriebe zum Stichtag des 3. 10. 1990 stellt jedoch eindeutig eine derartige verdeckte Diskriminierung dar: Zu diesem Zeitpunkt - der Herstellung der deutschen Einheit - war es für EG-Ausländer zumindest praktisch ausgeschlossen, bereits ortsansässig zu sein. Darüber hinaus war ersichtlich auch rechtlich die Pacht landwirtschaftlicher Flächen durch Private bis zum Ende der DDR unzulässig 80 . Außerdem bestand die Absicht des Gesetzgebers gerade auch in dem möglichst weitgehenden Ausschluß »Fremder« vom Flächenerwerb, weil dies angeblich zur Wahrung des sozialen Friedens vor Ort erforderlich war. Schon wegen dieses diskriminierenden Charakters der Beihilfen scheidet ihre gemeinschaftsrechtliche Akzeptabilität aus.
Der mühsam gefundene Kompromiß des deutschen Gesetzgebers auf der Suche nach einer Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen der Kompensationspflicht vor allem für die Opfer der rein ideologisch motivierten sog. »Bodenreform« in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und inzwischen untergegangenen späteren DDR, den nicht restitutionsberechtigten Alteigentümern, und dem Bedürfnis, in den neuen Bundesländern keine politisch seitens interessierter Kreise verwertbare Unruhe dadurch zu schaffen, daß die bisherigen Nutzer unter den Bedingungen des freien Marktes wohl überwiegend beim Flächenerwerb das Nachsehen hätten, ist gemeinschaftsrechtlich nicht haltbar. Das eben genannte und bei der Regelung des § 3 AusglLeistG ersichtlich ausschlaggebende gesetzgeberische Motiv stellt jedoch ebensowenig einen Rechtfertigungsgrund für eine Beihilfe i. S. d. Art. 92 Abs. 1 EGV dar wie die förmliche Begründung des Nachteilsausgleichs für unzulängliche Kapitalausstattungen der derzeitigen Nutzer. Die für die Alteigentümer bittere Hintanstellung durch das AusglLeistG wird voraussichtlich nach einem beihilfeaufsichtsrechtlichen Verfahren durch die Kommission ihr Ende finden 81 , denn eine vorrangige Kaufoption zu Preisen unter Marktwert für die Neueinrichter und LPG-Nachfolgebetriebe ist gemeinschaftsrechtswidrig. Wegen der Kompensationspflicht gegenüber den Wiedereinrichtern und den nicht restitutionsberechtigten Alteigentümern ist lediglich ihnen gegenüber ein Verkauf unter Marktpreis gemeinschaftsrechtlich zulässig.