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RdZ-News
23.06.2022
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VG Frankfurt a. M.: Rücktauschanspruch kein Tatbestandsmerkmal von E-Geld

VG Frankfurt a. M., Urteil vom 4.11.2021 – 7 K 1262/20.F

ECLI:DE:VGFFM:2021:1104.7K1262.20.F.00

Volltext des Urteils: RdZL2022-135-1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin unerlaubt das E-Geld-Geschäft betreibt.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in E-Land und gehört zu einem Verbund international tätiger Unternehmen, bestehend unter anderem aus der H. mit Sitz in T. und der I. mit Sitz in J., die im Wesentlichen Gold und Goldprodukte zum Kauf sowie als Anlage- und Zahlungsmittel anbieten. Geschäftsführer des Unternehmens H. und „Gründungsmitglied“ der Klägerin sowie weiterer Unternehmen der I.-Gruppe ist K..

Ende 2017 beauftragte K. L. mit der Generierung einer neuen Kryptowährung für die I.-Gruppe, den sog. „I. Coins/X, sowie mit der Erstellung hierfür geeigneter Verkaufsplattformen und aller erforderlichen Unterlagen. Die I. Coins wurden mithilfe eines speziellen Computerprogramms (sog. Smart Contract) auf einem dezentral organisierten Buchungssystem (sog. Ethereum-Blockchain) für die zu diesem Zweck gegründete Klägerin aufgesetzt und ihre Emission auf 12 Milliarden Einheiten begrenzt. Die I.-Gruppe warb auf den Webseiten mehrerer deutscher Wirtschaftszeitschriften, Nachrichtenportale sowie auf der Webseite von K. damit, dass die I. Coins als alternative Kryptowährung speziell dafür entwickelt worden seien, als „allgemein akzeptiertes elektronisches Zahlungsmittel für all diejenigen zu dienen, die Gold als traditionelles Medium betrachteten“ (vgl. Bl. 3ff der Behördenakte, AZ: xxxxxxxxxxxxx). Ausweislich eines von der Klägerin online veröffentlichten Dokuments zur Beschreibung ihres Geschäftsmodells („I. Whitepaper“) soll der I. Coin in Form von sog. C.Gold an physisch hinterlegtes Gold gekoppelt sein. Eine bestimmte Anzahl von I. Coins könne jederzeit in die entsprechende Menge CashGold umgetauscht werden (vgl. S. 7-8 des Whitepapers, Bl. 165ff. der Behördenakte, AZ: xxxxxxxxxxxx). Bei CashGold handelt es sich um banknotenähnliche Scheine, in die 0.1 bis 0.6 Gramm Gold in dünnen Fäden eingewebt sind und die von der H. vertrieben werden. Die I. Coins wurden Anfang 2018 im Rahmen einer Kampagne zur Kapitalaufnahme (sog. Initial Coin Offering, ICO) zunächst den Vertriebskunden der I.-Gruppe zu einem vergünstigten Preis zum Kauf angeboten; anschließend konnten alle interessierten Kunden die Kryptowährung zum Preis von ca. 1 Cent pro Coin über die Webseiten der Klägerin und der H. erwerben. Insgesamt vereinnahmte die I. Gruppe auf diese Weise bis Mitte 2018 ca. XX Millionen Dollar (vgl. Bl. 145 der Behördenakte, AZ: ………, Beiakte).

Nachdem sich mehrere Kunden der Klägerin darüber beschwerten, trotz Zahlung keine I. Coins erhalten zu haben, erstattete die H.im XX.XXXX beim Polizeipräsidium Mainz eine Strafanzeige gegen L. wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs. Im Rahmen des daraufhin durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden mehrere Zeugen, darunter auch K., zur konkreten Abwicklung des Geschäftsbetriebs der Klägerin befragt. Wegen des genauen Inhalts der Aussagen wird auf die von der Beklagten beigezogenen Ermittlungsakten Bezug genommen (vgl. Beiakte zu den Behördenakten der Beklagten, AZ: xxxxxxxxxxxx).

Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom XX.XX.2019 an die Klägerin und äußerte darin den bestehenden Verdacht des unerlaubt betriebenen E-Geld-Geschäfts. Eine Reaktion der Klägerin erfolgte hierauf nicht.

Mit Bescheid vom XX.XX.2019, öffentlich bekanntgegeben am XX.XX.2019, gab die Beklagte der Klägerin unter Ziffer 1a) des Tenors des Bescheides auf, das von ihr unerlaubt betriebene E-Geld-Geschäft sowie die Werbung hierfür (sofort) einzustellen. Unter Ziffer 1b) des Tenors des Bescheides ordnete die Beklagte an, das unerlaubt betriebene E-Geld-Geschäft unverzüglich abzuwickeln, indem die Klägerin den Inhabern von I. Coins die angenommenen und in I. Coins umgetauschten Gelder, die noch nicht für Zahlungszwecke eingesetzt wurden, zurückzahlt. Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die Anordnungen unter Ziffer 1a) und b) des Tenors des Bescheides drohte die Beklagte unter Ziffer 2 jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250.000 EUR an. Unter Ziffer 3 setzte die Beklagte eine Gebühr in Höhe von 2.110 EUR fest. Unter Ziffer 4 ersuchte die Beklagte die Klägerin, ihr Auskünfte zu erteilen und Geschäftsunterlagen vorzulegen. Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen diese Anordnungen drohte die Beklagte unter Ziffer 5 jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 EuR an.

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an, dass die Klägerin durch Ausgabe der I. Coins unerlaubt das E-Geld-Geschäft betreibe. Ausgehend von den Ausführungen der Klägerin in ihren auf der Webseite www.xxxxyyyyy.com abrufbaren Geschäftsunterlagen („Whitepaper“ und „Terms and Conditions“) sowie ihrer Werbeanzeigen sei die Kryptowährung als elektronisches Geld i.S.d. Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) zu qualifizieren. Über eine Erlaubnis zum Betrieb des Geschäftsmodells verfüge die Klägerin nicht.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am XX.XX.2019 mit der Begründung Widerspruch ein, dass sie zwar Emittentin der I. Coins sei, es sich hierbei jedoch nicht um E-Geld i.S.d. ZAG handele. Die Inhalte der Webseite www.xxxxxyyyyy.com einschließlich der hierüber abrufbaren Dokumente seien ihr nicht zuzurechnen, da sie die Seite weder erstellt noch betrieben habe. Die Klägerin legte ein Dokument zur Beschreibung ihres Geschäftsmodells („I. Whitepaper“) vor, welches inhaltlich mit dem auf der soeben genannten Webseite abrufbaren Dokument übereinstimmt.

Mit Widerspruchsbescheid vom XX.XX.2020, der Klägerin zugestellt am XX.XX.2020, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung legte sie dar, aus welchen Gründen sie die einzelnen Tatbestandsmerkmale der im ZAG enthaltenen Legaldefinition von E-Geld als erfüllt ansehe: Die I. Coins verfügten über einen monetären Wert, da sie als Tausch- und Zahlungsmittel konzipiert und hierdurch zumindest als geldähnlich anzusehen seien. Das Tatbestandsmerkmal „Forderung an den Emittenten“ sei erfüllt, denn die Kunden hätten jedenfalls einen Anspruch gegen die Klägerin auf Umtausch der I. Coins in Cash Gold. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass die Coins gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt worden seien. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen M., N., O., K. und P. in dem Strafverfahren gegen L.. Ausgehend von den Aussagen der Klägerin in ihrem Whitepaper und den Werbeanzeigen sei auch davon auszugehen, dass die I. Coins dazu geeignet und bestimmt seien, Zahlungsvorgänge durchzuführen. Sie würden zudem auch von Dritten als Zahlungsmittel akzeptiert. Die Klägerin habe öffentlich damit geworben, mit diversen Akzeptanzstellen für die Coins in konkreten Verhandlungen zu stehen. In einem Werbevideo auf der Facebook-Seite von K. werde zudem gezeigt, wie die I. Coins bereits jetzt schon als Zahlungsmittel in dem Hotel „Q.“ in R. genutzt würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Bescheid Bezug genommen (Bl. 62ff. der Gerichtsakte).

Die Klägerin hat am XX.XX.2020 Klage erhoben und ihre Ansicht bekräftigt, wonach die I. Coins nicht unter die Definition von E-Geld im ZAG fielen. Zwar würden die Einheiten elektronisch gespeichert, darüber hinaus seien die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der Definition von E-Geld jedoch nicht erfüllt: Die Coins verfügten aufgrund stark schwankender Börsenpreise nicht über einen monetären Wert. Den Kunden stünde auch keine Forderung an die Klägerin in Form eines Anspruchs auf den Rücktausch von I. Coins in gesetzlich anerkannte Zahlungsmittel (Anmerkung des Gerichts: von der Klägerin als „Fiat-Geld“ bezeichnet) zu. Die Coins könnten allenfalls auf Online-Tauschbörsen – die nicht von der Klägerin betrieben würden – gegen andere Kryptowährungen oder Fiat-Geld im Modus „p2p“ (Person zu Person) gehandelt werden. Die I. Coins seien entgegen der Behauptung der Beklagten auch nicht gegen Zahlung eines Geldbetrages ausgegeben worden, sondern hätten ausschließlich über die Domain www.xxxyyy.io gegen Hingabe von Bitcoin oder Ethereum erworben werden können. Den von der Beklagten zur Behauptung des Gegenteils herangezogenen, in dem Strafverfahren gegen L. getätigten Zeugenaussagen sei nicht zu folgen. Die N., M. und P. seien weder Angestellte der Klägerin noch in sonstiger Art mit ihren geschäftlichen Abläufen vertraut gewesen. Die I. Coins würden schließlich auch noch nicht von Dritten als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die diesbezüglichen Aussagen in ihrem „Whitepaper“ seien lediglich zukunftsbezogen; bei dem von der Beklagten angeführten Video, welches K. beim Bezahlen mit I. Coins in einem Hotel in R. zeige, handele es sich um ein reines Werbevideo. Das Hotel nehme die I. Coins weder als Zahlungsmittel an noch sei der im Video dargestellte Zahlungsvorgang bisher entwickelt oder implementiert worden. Die I. Coins könnten schlichtweg noch nicht zu Bezahlzwecken für Waren oder Dienstleistungen eingesetzt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom XX.XX.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom XX.XX.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom XX.XX.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom XX.XX.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 28 Abs. 1 VwVfG ordnungsgemäß angehört und der Bescheid vom XX.XX.2019 rechtmäßig bekannt gegeben worden, § 41 VwVfG. Es wird insofern auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom XX.XX.2020 (dort S. 37 bis 40) Bezug genommen, in denen sie sich mit dem klägerischen Vorbringen auseinandersetzt, und insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen, § 117 Abs. 5 VwGO.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Die Anordnungen unter Ziffer 1a) und b) des Tenors des Bescheides vom XX.XX.2019 sind rechtmäßig.

Nach § 7 Abs. 1 ZAG kann die Bundesanstalt die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen sowie gegenüber seinen Gesellschaftern und den Mitgliedern seiner Organe anordnen, wenn ohne die nach § 10 Abs. 1 ZAG erforderliche Erlaubnis oder die nach § 34 Abs. 1 erforderliche Registrierung Zahlungsdienste erbracht (unerlaubte Zahlungsdienste) oder ohne die nach § 11 Abs. 1 erforderliche Erlaubnis das E-Geld-Geschäft betrieben wird (unerlaubtes E-Geld-Geschäft). Voraussetzung für Maßnahmen nach § 7 Abs. 1 ZAG sind Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass unerlaubt die bezeichneten Geschäfte betrieben werden. Für das Betreiben der Geschäfte reicht es dabei aus, dass bereits Vorbereitungen für die Erbringung getroffen worden sind; der Beginn der Geschäftstätigkeit braucht nicht vor Ergreifung der Maßnahmen nach § 7 Abs. 1 ZAG abgewartet werden (Schwennicke/Auerbach/Schwennicke, 4. Aufl. 2021, ZAG § 7 Rn. 5). Der Begriff des Betreibens erstreckt sich über das rechtsgeschäftliche Handeln hinaus auch auf sonstige unternehmerisch-werbende Tätigkeiten, um eine effiziente Aufsicht der Beklagten zu gewährleisten (vgl. BVerwG Urt. v. 22.4.2009 – 8 C 2.09, BeckRS 2009, 35960 Rn. 26, beck-online, zu dem vergleichbaren Tatbestand des § 37 Abs. 1 KWG).

Die Voraussetzungen für das Einschreiten der Beklagten liegen vor. Sie ist aufgrund der Äußerungen der Klägerin in ihrem Whitepaper und ihren Werbeauftritten sowie auf Grundlage der Zeugenaussagen in dem Strafverfahren gegen L. zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin das E-Geld-Geschäft betreibt, ohne hierzu über die erforderliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 S. 1 ZAG zu verfügen. Bei dem „I. Whitepaper“ der Klägerin handelt es sich um ein von ihr öffentlich bekannt gemachtes Dokument, das eine umfassende Beschreibung ihrer Geschäftstätigkeit enthält und interessierte Kunden über die I. Coins informieren soll. An den dort getätigten Aussagen sowie an ihren Äußerungen in den Werbeanzeigen muss die Klägerin sich zur rechtlichen Beurteilung ihres Geschäftsmodells festhalten lassen, da sie nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt hat, dass von einer hiervon abweichenden Tatsachengrundlage auszugehen ist.

Die Geschäftstätigkeit der Klägerin ist erlaubnispflichtig, da sie durch die Emission der I. Coins das E-Geld-Geschäft i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 2, 3 ZAG betreibt. Nach diesen Vorschriften ist das E-Geld-Geschäft die Ausgabe von E-Geld. E-Geld ist jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Abs. 4 S. 1 BGB durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird. Die Beklagte hat fehlerfrei das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale in den angefochtenen Bescheiden festgestellt. Die Kammer folgt den zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom XX.XX.2020 (dort S. 41 bis 59) und macht sie sich zu eigen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend wird ausgeführt:

Die I. Coins verfügen über einen monetären Wert i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG. Ein monetärer Wert liegt vor, wenn die Recheneinheiten als Zahlungs- und Tauschmittel fungieren sollen (Langenbucher/Bliesener/Spindler, 11. Kap. Virtuelle Währungen Rn. 49, beck-online). Dies ist ausgehend von den Ausführungen der Klägerin in ihrem Whitepaper bei den I. Coins – was gerade auch ihre Bezeichnung als Coins (Münzen) nahelegt – der Fall. Darin führt sie unter anderem sinngemäß aus, dass mit den I. Coins und dem „I. Ecosystem“ jeder überall und jederzeit Waren und Dienstleistungen bezahlen könnte sowie dass die globale Anerkennung von Gold als sicherem Wertgegenstand die I. Coins und CashGold zu einem der führenden Zahlungsmittel weltweit machen werde (vgl. S. 16 dritter Absatz und S. 17 zweiter Absatz des Whitepapers).

Es überzeugt nicht, wenn die Klägerin meint, die I. Coins könnten nicht unter die Legaldefinition von E-Geld subsumiert werden, da sie aufgrund schwankender Börsenpreise nicht zugleich die für den Tatbestand erforderliche Funktion als Wertaufbewahrungsmittel erfüllen könnten. Eine dahingehende Auslegung des Tatbestandsmerkmals „monetärer Wert“ findet keine Stütze im Gesetz. In Abs. 13 der Erwägungsgründe zur Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (nachfolgend: „Zweite E-Geld-Richtlinie“), auf dessen Art. 2 Nr. 2 die Legaldefinition von E-Geld in § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG basiert, heißt es ausdrücklich: „Angesichts der spezifischen Eigenschaften von E-Geld als elektronischer Ersatz für Münzen und Banknoten, der für Zahlungen — gewöhnlich kleinerer Beträge — und nicht zu Sparzwecken verwendet wird, [Hervorhebung durch das Gericht] stellt die Ausgabe von E-Geld als solche keine Entgegennahme von Einlagen im Sinne der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute dar.“ Diese Formulierung verdeutlicht, dass eine Kryptowährung nicht zwingend (auch) wertstabil sein muss, um als elektronisches Geld qualifiziert zu werden. Sofern die Klägerin überdies meint, dass die I. Coins bereits deshalb nicht dem Regelungsregime des ZAG unterfallen würden, weil der europäische Gesetzgeber auf Blockchain-Basis ausgegebene Kryptowerte wie die vorliegenden durch die Verordnung der EU-Kommission über Märkte für Kryptowerte und von September 2020 (2020/0265 COD, sog. MiCA) erstmalig habe regulieren wollen, so ist dem entgegenzuhalten, dass die MiCA sich noch in der Erörterungsphase befindet und der finale Wortlaut des Textes nicht feststeht. Vor diesem Hintergrund ist eine abschließende Beurteilung der Reichweite der geplanten Verordnung und ihres Verhältnisses zum ZAG noch nicht möglich.

Das Tatbestandsmerkmal „Forderung an den Emittenten“ ist ebenfalls erfüllt.

Zunächst ist insoweit festzustellen, dass die I. Coins der Klägerin als Emittentin eindeutig zugeordnet werden können, wodurch sich die streitige Kryptowährung erheblich von anderen, dezentral organisierten Blockchain-Bezahlsystemen wie etwa Bitcoin unterscheidet. Die I. Coins wurden unter Verwendung eines Smart Contracts generiert. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um ein Programm, das manipulationssicher gespeichert ist und bei Eintritt bestimmter Bedingungen vorher festgelegte Maßnahmen, wie etwa die Erschaffung eigenständiger Einheiten, garantiert ausführt. Die erstellten Einheiten können dabei – wie vorliegend geschehen – in einer Blockchain gespeichert werden (Lutz Auffenberg, E-Geld auf Blockchain –Basis, BKR 2019, 341-345, S. 3; juris). Die Klägerin hat die Anzahl der verfügbaren Werteinheiten von vornherein auf 12 Milliarden Token festgelegt; die Erschaffung neuer I. Coins durch Dritte durch Aufwendung von Rechenleistung (sog. Mining) ist nicht möglich.

Den Kunden steht auch eine „Forderung“ i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG gegen die Klägerin zu, da sie sich ihnen gegenüber bei Vertragsschluss zur Erfüllung konkreter Rechtsansprüche verpflichtet. Dies umfasst zunächst den Anspruch darauf, dass die Klägerin die I. Coins nach Vorauszahlung in eine Art elektronische Geldbörse (sog. E-Wallet) des Kunden überträgt (vgl. S. 20 unter 5.7 erster Absatz des Whitepapers). Daneben verspricht die Klägerin, dass die I. Coins jederzeit in CashGold umgetauscht werden können (vgl. z.B. S. 25 unter 7.3 erster Absatz des Whitepapers). Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihre Behauptung, dass die I. Coins bislang noch nicht in gesetzliche Zahlungsmittel zurückgetauscht werden konnten, der Qualifizierung der streitigen Kryptowerte als elektronisches Geld nicht entgegen. Die Verpflichtung des E-Geld-Emittenten, E-Geld auf Verlangen des Inhabers jederzeit zum Nennwert in gesetzliche Zahlungsmittel zurückzutauschen, wird in § 33 Abs. 1 S. 2 ZAG geregelt. Hiermit wird allerdings keine Tatbestandsvoraussetzung von § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG, sondern vielmehr eine Rechtsfolge des Vorliegens von elektronischem Geld beschrieben (so auch Schwennicke/Auerbach/Schwennicke, 4. Aufl. 2021, ZAG § 1 Rn. 121). Dies wird bereits dadurch deutlich, dass in § 33 Abs. 1 S. 2 ZAG ausdrücklich von E-Geld die Rede ist. Elektronisches Geld muss demnach bereits existieren, damit es zurückgetauscht werden kann, wodurch die Verpflichtung zum Rücktausch nicht zugleich auch Voraussetzung für die Qualifikation als E-Geld sein kann. Auch die systematische Stellung der Norm im 6. Abschnitt für Sondervorschriften steht der Annahme der Klägerin entgegen, § 33 Abs. 1 ZAG als Konkretisierung des in § 1 Abs. 2 ZAG normierten E-Geld-Tatbestandes zu begreifen. Schließlich widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 33 ZAG, das Tatbestandsmerkmal „Forderung“ auf den Rücktauschanspruch des Kunden zu reduzieren. Entsprechend Abs. 18 der Erwägungsgründe zur Zweiten E-Geld-Richtlinie soll die Rücktauschverpflichtung dem Zweck dienen, das Vertrauen der E-Geld-Inhaber zu erhalten. Nach Abs. 7 und 8 der Erwägungsgründe zur Zweiten E-Geld-Richtlinie soll der E-Geld-Tatbestand möglichst viele Konstellationen abdecken und die Definition weit genug sein, um auch künftige Entwicklungen zu erfassen. Dieser Intention würde widersprochen, sollte die Rücktauschverpflichtung zur Verengung des E-Geld-Begriffs führen.

Das Tatbestandsmerkmal „gegen Zahlung eines Geldbetrages ausgestellt“ ist ebenfalls erfüllt.

Die Behauptung der Klägerin, die streitigen Coins seien ausschließlich gegen andere Kryptowährungen und nicht – wie es der Tatbestand fordert – im Austausch gegen gesetzliche Zahlungsmittel (vgl. RegBegr. Zweite E-Geld-Richtlinie, BT-Drs 17/3012, S. 40) herausgegeben worden, ist als Schutzbehauptung zu werten. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin ihren Kunden ermöglicht hat, die I. Coins auch per Kreditkarte oder Überweisung über die Webseiten der I. Gruppe zu erwerben. Zum einen beschreibt die Klägerin selbst in ihrem Whitepaper „FIAT payments“, also die Zahlung mit gesetzlichen Zahlungsmitteln, als mögliche Zahlungsoption (vgl. S. 11 erster Abschnitt des Whitepapers). Zum anderen belegen die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen M., N., O., K.und Frau P. in dem Ermittlungsverfahren gegen L., dass die Klägerin gesetzliche Zahlungsmittel im Austausch gegen die Coins tatsächlich angenommen hat (vgl. Bl. 34, 48, 81, 94 der Behördenakte, xxxxxxxx, Beiakte). Auch wenn nicht alle der bezeichneten Personen direkte Angestellte der Klägerin gewesen sein mögen, so waren sie jedoch zumindest vorübergehend in die Geschäftstätigkeiten der I. Gruppe involviert. Unstreitig war jedenfalls K. mit den Geschäftsabläufen der Klägerin hinreichend vertraut. Er gab bei seiner Vernehmung am XX.XX.2019 auf die Frage, wie der Zahlungsverkehr bei Erwerb der „X Coins“ auf der Plattform lief, ausdrücklich an, dass auch mit Kreditkarte bezahlt werden konnte. Das Geld sei dann auf die Geschäftskonten der I. gelangt und dies sei auch so beabsichtigt und „in Ordnung“ gewesen (vgl. Bl. 65 der Behördenakte, ibid.). Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was Zweifel an dieser unmissverständlichen Aussage begründen könnte.

Die I. Coins sind auch ausgestellt worden, „um damit Zahlungsvorgänge i.S.v. § 657f Abs. 4 S 1 BGB durchzuführen“. Zahlungsvorgang i.S.v. § 657f Abs. 4 S. 1 BGB ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Aufhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrundeliegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Die Formulierung „um damit…“ in § 1 Abs. 2 S. 3 ZAG verdeutlicht, dass die Werteinheiten vor allem dazu bestimmt sein müssen, Zahlungsvorgänge durchzuführen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin die streitige Kryptowährung auf den Markt gebracht hat, damit sie als Zahlungsmittel eingesetzt werden kann. Es wird insoweit auf die Ausführungen auf S. 8 und die bereits beispielhaft zitierten Passagen in dem Whitepaper der Klägerin Bezug genommen. Wie die Zahlungsvorgänge mit E-Geld in der Praxis letztlich konkret abgewickelt werden sollen, ist für die Frage, ob E-Geld vorliegt, nicht entscheidend. Der Einwand der Klägerin, es liege kein Zahlungsvorgang i.S.v. § 657f Abs. 4 S. 1 BGB vor, da die I. Coins auf Blockchain-Basis von Nutzer zu Nutzer übertragen würden und sie als „Zahlungsdienstleister“ auf die Übertragung der Coins keinerlei Einfluss nehmen könne, überzeugt nicht. Die Notwendigkeit einer derartigen Einbindung der Klägerin in den jeweiligen Zahlungsvorgang lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, welches ausdrücklich zwischen Zahlungsdienstleistern i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 ZAG einerseits und E-Geld-Emittenten i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 ZAG andererseits differenziert.

Zurecht hat die Beklagte schließlich das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „Annahme durch Dritte“ bejaht.

Ob zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bereits tatsächlich I. Coins von Dritten als Zahlungsmittel akzeptiert und entgegengenommen worden sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Die Beklagte war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gehalten, erst abzuwarten, bis Kunden Zahlungen mit den I. Coins tatsächlich durchführen. Ein solches Zuwarten würde dem Zweck der E-Geld-Aufsicht zuwiderlaufen, der darin besteht, die Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs in E-Geld-Systemen, deren Preisstabilität sowie den Schutz der Einlagen der Verbraucher zu gewährleisten und hierfür Gefahren für die Volkswirtschaft zu minimieren (RegBegr. Zweite E-Geld-Richtlinie, BT-Drs. 17/3023, 39). Hierbei sollen Betrug im E-Geld-Geschäft sowie andere Gefahren, die durch unerlaubte E-Geld-Geschäfte entstehen können, verhindert werden (Auerbach, Banken- u. Wertpapieraufsicht, Teil C. Einführung in die Aufsicht über Zahlungsdienstleister und E-Geld-Institute Rn. 8, beck-online). § 7 Abs. 1 ZAG ermöglicht aus diesen Gründen auch bereits das vorbeugende Einschreiten der Aufsichtsbehörde, da verbotene Geschäfte möglichst frühzeitig geahndet werden sollen (vgl. Schwennicke/Auerbach/Schwennicke, 4. Aufl. 2021, KWG § 37 Rn. 4 m.w.N.).

Die Klägerin hat durch ihre werbenden Aussagen in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass sie über ein breites Netzwerk von Kooperationspartnern verfügt, die I. Coins als Zahlungsmittel akzeptieren werden. Sie führt beispielsweise in ihrem Whitepaper sinngemäß aus, einer der künftigen Vorteile der I. Coins liege in der steigenden beträchtlichen Anzahl von Akzeptanzstellen (vgl. S. 18 Punkt 5.2.1 siebter Spiegelstrich des Whitepapers). Die Klägerin verfüge aufgrund der Geschäftstätigkeiten der H. über ein breites Netzwerk von potenziellen künftigen Annahmestellen für I. Coins. Durch eine bestimmte, von der Klägerin entwickelten Strategie solle das Netzwerk ihrer Kooperationspartner, die die I. Coins annehmen, innerhalb der nächsten Jahre auf 120 Länder ausgeweitet werden (vgl. S. 21 letzter Absatz des Whitepapers). Die Klägerin habe ein robustes Netzwerk von Annahmestellen für die I. Coins entwickelt (vgl. S. 26 erster Absatz des Whitepapers). Überdies wird durch das Werbevideo von K. in einem Hotel in Brüssel suggeriert, dass Zahlungen mit I. Coins bereits möglich sind. Nach derart konkreten und umfassenden Zusicherungen der Klägerin dürfte sich in der Öffentlichkeit kaum noch die Frage gestellt haben, ob eine Zahlung mit den Coins bei Dritten möglich sein wird, sondern allenfalls ab welchem Zeitpunkt. Vor diesem Hintergrund war ein Eingreifen der Beklagten zum Schutz der Verbraucher und der Minimierung von Gefahren für die Volkswirtschaft geboten.

Das Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt.

Es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der übrigen Verfügungen des angefochtenen Bescheides. Insbesondere sind die unter Ziffer 2 des Tenors des Bescheides vom XX.XX.2019 angedrohten Zwangsgelder in Höhe von jeweils 250.000,- € in Anbetracht der hohen Summe der durch die Klägerin von Kunden eingesammelten Gelder angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 552.110,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Nr. 1.7.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Er berechnet sich vorliegend mangels weiterer Anhaltspunkte entsprechend der Rechtsprechung der Kammer anhand der angedrohten Zwangsgelder (250.000 € je Ziffer 1.a) und b) des Tenors des Bescheides; 25.000 € je Ziffer 3 a) und b) des Tenors des Bescheides). Hieraus ergibt sich ein Streitwert von 550.000,- €, der noch um die ausgesprochene Gebührenfestsetzung unter Ziffer in Höhe von 2.110,- € zu erhöhen ist.

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