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Steuerrecht
22.09.2022
Steuerrecht
EuGH: Ort des Entstehens der Steuerschuld – Recht auf Vorsteuerabzug – Verkauf eines Grundstücks zwischen Steuerpflichtigen

EuGH, Urteil vom 15.9.2022 – C-227/21; UAB „HA.EN.“ gegen Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos

ECLI:EU:C:2022:687

Volltext BB-Online BBL2022-2198-2

Tenor

Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Praxis entgegensteht, nach der dem Käufer im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks zwischen Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb versagt wird, weil er wusste oder hätte wissen müssen, dass sich der Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten befand oder gar zahlungsunfähig war und dass dieser Umstand möglicherweise zur Folge hat, dass der Verkäufer die Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus zahlen würde oder nicht würde zahlen können.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der UAB „HA.EN.“ und der Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (Staatliche Steuerinspektion beim Finanzministerium der Republik Litauen, im Folgenden: Steuerbehörde) wegen der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug aufgrund eines von HA.EN. angeblich begangenen Rechtsmissbrauchs.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Die Erwägungsgründe 7 und 42 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:

„(7)       Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollte, selbst wenn die Sätze und Befreiungen nicht völlig harmonisiert werden, eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb des Gebiets der einzelnen Mitgliedstaaten ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden.

(42)      Die Mitgliedstaaten sollten in die Lage versetzt werden, in bestimmten Fällen den Erwerber von Gegenständen oder den Dienstleistungsempfänger als Steuerschuldner zu bestimmen. Dies würde es den Mitgliedstaaten erlauben, die Vorschriften zu vereinfachen und die Steuerhinterziehung und ‑umgehung in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von Umsätzen zu bekämpfen.“

4          Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)         die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…“

5          Art. 193 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt, außer in den Fällen, in denen die Steuer gemäß den Artikeln 194 bis 199 sowie 202 von einer anderen Person geschuldet wird.“

6          In Art. 199 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden:

g)         Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden.“

7          Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.

…“

Litauisches Recht

8          Art. 58 Abs. 1 des Lietuvos Respublikos pridėtinės vertės mokesčio įstatymas (Mehrwertsteuergesetz der Republik Litauen) in der Fassung des Gesetzes Nr. IX-751 vom 5. März 2020 sieht vor:

„Ein Mehrwertsteuerpflichtiger ist zum Abzug der Vorsteuer und/oder Einfuhrumsatzsteuer für erworbene und/oder eingeführte Gegenstände und/oder Dienstleistungen berechtigt, wenn diese Gegenstände und/oder Dienstleistungen zur Verwendung für folgende Tätigkeiten dieses Mehrwertsteuerpflichtigen bestimmt sind: … Lieferungen von Gegenständen und/oder Dienstleistungen, auf die Mehrwertsteuer erhoben wird;

…“

9          Art. 719 Abs. 1 der Lietuvos Respublikos civilinio proceso kodeksas (Zivilprozessordnung der Republik Litauen) in der Fassung des Gesetzes Nr. XII-889 vom 15. Mai 2014 bestimmt:

„Wird eine Versteigerung mangels Bieters für nichtig erklärt …, wird der Vermögensgegenstand der die Zwangsvollstreckung betreibenden Person zum ursprünglichen Preis für den Verkauf der Immobilie in der Versteigerung übertragen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10        Durch Vertrag vom 21. September 2007 gewährte die UAB „Medicinos Bankas“ (im Folgenden: Bank) der UAB „Sostinės būstai“ (im Folgenden: Verkäuferin) ein Darlehen für die Durchführung von Aktivitäten im Bereich der Immobilienentwicklung. Zum Zweck der Besicherung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung bestellte die Verkäuferin der Bank ein vertragliches Grundpfandrecht an einem Grundstück in der Stadt Vilnius (Litauen), auf dem sich ein im Bau befindliches Gebäude befand.

11        Durch einen Forderungsabtretungsvertrag vom 27. November 2015 übernahm HA.EN. von der darlehensgebenden Bank gegen Entgelt sämtliche Geldforderungen aus dem Darlehensvertrag, den die Bank mit der Verkäuferin geschlossen hatte, zusammen mit sämtlichen zur Besicherung der Verpflichtungserfüllung bestellten Rechten, einschließlich des vertraglichen Grundpfandrechts. Bei Abschluss dieses Vertrags bestätigte HA.EN. u. a., dass ihr die Wirtschafts- und Finanzlage sowie der rechtliche Status der Verkäuferin bekannt geworden seien und sie sich bewusst sei, dass die Verkäuferin insolvent sei und dass beim Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius, Litauen) ein Sanierungsverfahren in Bezug auf die Verkäuferin anhängig sei. Mit Vertrag vom 18. Dezember 2015 übertrug die Bank das an dem Grundstück der Verkäuferin bestellte Grundpfandrecht auf HA.EN.

12        Durch Anordnung des Gerichtsvollziehers vom 23. Mai 2016 wurde die Versteigerung eines Teils des Grundstücks der Verkäuferin (im Folgenden: in Rede stehendes Grundstück) angekündigt, doch es gab keine daran interessierten Käufer. Nachdem die Versteigerung gescheitert war, wurde HA.EN. im Rahmen des Versteigerungsverfahrens das Angebot gemacht, das in Rede stehende Grundstück der Verkäuferin zum ursprünglichen Preis für den Verkauf in der Versteigerung zu übernehmen, womit ein Teil ihrer Forderungen abgegolten würde. HA.EN. übte das Recht aus und übernahm das in Rede stehende Grundstück.

13        Zu diesem Zweck errichtete am 21. Juli 2016 ein Gerichtsvollzieher eine Urkunde, mit der die Übertragung des Eigentums an dem in Rede stehenden Grundstück auf HA.EN. festgestellt wurde.

14        Am 5. August 2016 stellte die Verkäuferin eine Rechnung aus, in der für die Übertragung des in Rede stehenden Grundstück auf HA.EN. ein Gesamtbetrag von 5 468 000 Euro, d. h. 4 519 008,26 Euro zuzüglich 948 991,74 Euro Mehrwertsteuer, ausgewiesen waren. HA.EN. verbuchte diese Rechnung in ihren Rechnungsbüchern und zog die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer in ihrer Mehrwertsteuererklärung für November 2016 ab. Auch die Verkäuferin verbuchte die Rechnung in ihren Rechnungsbüchern und gab die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer als Mehrwertsteuerschuld in der Mehrwertsteuererklärung für August 2016 an, ohne diese jedoch an den Fiskus abzuführen.

15        Am 1. Oktober 2016 wurde die Verkäuferin für insolvent erklärt.

16        Am 20. Dezember 2016 beantragte HA.EN. bei der Steuerbehörde die Erstattung des sich aus dem Vorsteuerabzug ergebenden Betrags der Mehrwertsteuerüberzahlung in Höhe von 948 991,74 Euro. Nachdem die Steuerbehörde bei HA.EN. eine Steuerprüfung durchgeführt hatte, stellte sie fest, HA.EN. habe – indem sie die Rechtsgeschäfte über den Erwerb des in Rede stehenden Grundstücks eingegangen sei, als sie gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass die Verkäuferin die auf das Rechtsgeschäft entfallende Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus zahlen werde – unredlich und rechtsmissbräuchlich gehandelt. Mit dieser Begründung verweigerte die Steuerbehörde HA.EN. mit Bescheid vom 12. Juli 2017 das Recht auf Abzug dieser Vorsteuer und erlegte ihr Zinsen in Höhe von 38 148,46 Euro wegen Zahlungsverzugs mit der Mehrwertsteuer sowie eine Geldbuße in Höhe von 284 694 Euro auf.

17        Gegen diesen Bescheid legte HA.EN. Einspruch bei der Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos Vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen) ein, die durch Entscheidung vom 22. Januar 2018 den Bescheid der Steuerbehörde hinsichtlich der Verzugszinsen und der Geldbuße aufhob, jedoch mit der Feststellung, dass HA.EN. rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, den Bescheid bestätigte, soweit HA.EN. damit das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wurde.

18        Gegen diese Entscheidung der Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen erhob HA.EN. Klage beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen), der mit Urteil vom 14. November 2018 den Standpunkt der Steuerbehörde bestätigte und die Klage als unbegründet abwies.

19        Am 12. Dezember 2018 legte HA.EN. ein Rechtsmittel zum vorlegenden Gericht, dem Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens), ein, der diesem mit Beschluss vom 13. Mai 2020 teilweise stattgab, das Urteil des Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) aufhob und die Rechtssache an dieses Gericht zurückverwies, wobei u. a. ausgeführt wurde, dass es zu prüfen habe, unter welchen Voraussetzungen Rechtsmissbrauch vorliege und ob es im vorliegenden Fall Anzeichen dafür gebe.

20        Nach erneuter Befassung mit der Steuerstreitigkeit befand der Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) mit Urteil vom 3. September 2020 erneut, dass HA.EN. rechtsmissbräuchlich gehandelt habe und die Steuerbehörde deshalb berechtigt gewesen sei, ihr das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern. Dagegen legte HA.EN. wiederum Rechtsmittel zum vorlegenden Gericht ein.

21        Das vorlegende Gericht führt aus, HA.EN. habe die Mehrwertsteuer tatsächlich getragen, da auf der Rechnung im Zusammenhang mit dem Umsatz der Zwangsversteigerung ein Nettobetrag von 4 519 008,26 Euro sowie ein Mehrwertsteuerbetrag in Höhe von 948 991,74 Euro ausgewiesen sei. Auf dieser Grundlage könne die Steuerbehörde nicht von vornherein darauf schließen, dass die materiellen und formellen Voraussetzungen der Mehrwertsteuerrichtlinie für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch HA.EN nicht erfüllt seien.

22        Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob sich die Steuerbehörde, um HA.EN. das Recht auf Abzug der auf den Erwerb des in Rede stehenden Grundstücks angefallenen Mehrwertsteuer zu versagen, darauf berufen durfte, dass HA.EN. gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass die Verkäuferin aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten und ihrer potenziellen Zahlungsunfähigkeit keine Mehrwertsteuer an den Fiskus abführen werde oder nicht werde abführen können.

23        Unter diesen Umständen hat der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen, dass sie einer Praxis nationaler Behörden entgegensteht, nach der einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, wenn dieser beim Grundvermögenserwerb wusste (oder hätte wissen müssen), dass der Lieferer wegen seiner Insolvenz die geschuldete Mehrwertsteuer nicht in den Staatshaushalt zahlen würde (oder nicht würde zahlen können)?

Zur Vorlagefrage

24        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, nach der dem Käufer im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks zwischen Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb versagt wird, weil er wusste oder hätte wissen müssen, dass sich der Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten befand oder gar zahlungsunfähig war und dass dieser Umstand möglicherweise zur Folge hat, dass der Verkäufer die Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus zahlen würde oder nicht würde zahlen können.

25        Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die von ihnen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde, ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist. Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug, zu der Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie gehört, soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet auf diese Weise die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Senatex, C‑518/14, EU:C:2016:691, Rn. 26 und 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist das in den Art. 167 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (Urteil vom 16. Oktober 2019, Glencore Agriculture Hungary, C‑189/18, EU:C:2019:861, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26        Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Frage, ob die für diese Verkaufsumsätze geschuldete Mehrwertsteuer vom Lieferer der Gegenstände an den Fiskus entrichtet wurde, für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung ist (Urteil vom 22. Oktober 2015, PPUH Stehcemp, C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dem Steuerpflichtigen würde, wenn das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer davon abhängig gemacht würde, dass diese Steuer vom Lieferer der Gegenstände zuvor tatsächlich gezahlt wurde, eine von ihm nicht zu tragende wirtschaftliche Belastung auferlegt, die durch das Abzugssystem gerade vermieden werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2012, Véleclair, C‑414/10, EU:C:2012:183, Rn. 30).

27        Gleichzeitig ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel, das von der Mehrwertsteuerrichtlinie anerkannt und gefördert wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt. Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (Urteil vom 10. Juli 2019, Kuršu zeme, C‑273/18, EU:C:2019:588, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28        Da jedoch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts eine Ausnahme vom Grundprinzip ist, das dieses Recht darstellt, obliegt es den Steuerbehörden, die objektiven Umstände rechtlich hinreichend nachzuweisen, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige einen Betrug begangen oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hat oder wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in einen Betrug einbezogen war. Es ist sodann Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob die betreffenden Steuerbehörden diese objektiven Umstände nachgewiesen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2021, Ferimet, C‑281/20, EU:C:2021:910, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Anhand dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die nationalen Steuerbehörden im Fall des Verkaufs eines Grundstücks durch eine Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten dem Erwerber dieses Grundstücks das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung verweigern dürfen, dass er aufgrund seiner Kenntnis dieser finanziellen Schwierigkeit und der etwaigen Folgen eben dieser für die Zahlung der Mehrwertsteuer an den Fiskus wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einem Umsatz beteiligt war, der in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen war, oder rechtsmissbräuchlich handelte.

30        Was als Erstes die etwaige Beteiligung des Erwerbers des Grundstücks an einem in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogenen Umsatz betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Interessen der Union u. a. die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer umfassen (Urteil vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31        Ferner umfasst der Begriff „Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften“, der in Art. 1 des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, das am 26. Juli 1995 in Brüssel unterzeichnet und dem Rechtsakt des Rates vom 26. Juli 1995 (ABl. 1995, C 316, S. 48) als Anhang beigefügt worden ist, definiert ist, u. a. „… jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung betreffend … die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften oder aus den Haushalten, die von den Europäischen Gemeinschaften oder in deren Auftrag verwaltet werden, rechtswidrig vermindert werden“. Wie sich aus der vorstehenden Randnummer ergibt, fällt unter diesen Begriff daher jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung, die sich nachteilig auf die Einnahmen auswirkt, die sich aus der Anwendung eines einheitlichen Satzes auf die nach den Unionsvorschriften bestimmte einheitliche Mehrwertsteuer-Eigenmittelbemessungsgrundlage ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2015, Taricco u. a., C‑105/14, EU:C:2015:555, Rn. 41).

32        Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass, soweit der Steuerpflichtige seinen Erklärungspflichten auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, die Nichtabführung der ordnungsgemäß erklärten Mehrwertsteuer allein keinen Mehrwertsteuerbetrug darstellen kann, unabhängig davon, ob diese Unterlassung vorsätzlich erfolgt oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 38 bis 41).

33        Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Steuerpflichtiger, der Schuldner einer vollstreckbaren Forderung ist, sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet und im Rahmen eines gesetzlich geregelten Zwangsversteigerungsverfahrens einen seiner Gegenstände verkauft, um seine Schulden zu begleichen, dann eine Erklärung über die insoweit geschuldete Mehrwertsteuer abgibt, in der Folge aber aufgrund dieser Schwierigkeiten die Mehrwertsteuer ganz oder teilweise nicht entrichten kann, sich allein aus diesem Grund eines Mehrwertsteuerbetrugs schuldig macht. Dementsprechend kann unter solchen Umständen erst recht nicht dem Erwerber dieses Gegenstands vorgeworfen werden, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass er durch den Erwerb des Gegenstands an einem Umsatz beteiligt war, der in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen war.

34        Als Zweites ist hinsichtlich des Vorliegens eines etwaigen Rechtsmissbrauchs des Erwerbers des in Rede stehenden Grundstücks darauf hinzuweisen, dass die unionsrechtlichen Regelungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer dem Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug entgegenstehen, wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen, eine missbräuchliche Praxis darstellen (Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 85). Dieses Recht kann sich nämlich nicht auf missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern erstrecken, d. h. solche Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss der in diesem Recht vorgesehenen Vorteile zu gelangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Weald Leasing, C‑103/09, EU:C:2010:804, Rn. 26).

35        Auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erfordert die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müssen die betreffenden Umsätze trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe. Zum anderen muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass sich der wesentliche Zweck der betreffenden Umsätze auf die Erlangung eines Steuervorteils beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 74 und 75, sowie vom 11. November 2021, Ferimet, C‑281/20, EU:C:2021:910, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllt sind. Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er auf Vorlage entscheidet, gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 76 und 77).

36        Zur ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass selbst unter der Annahme, dass der vom Erwerber eines Grundstücks angestrebte Abzug der Vorsteuer, die er bei der Übernahme dieses Grundstücks entrichtet hat, als Steuervorteil eingestuft werden könnte, dieser nicht als den mit der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgten Zielen zuwiderlaufend angesehen werden könnte. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 40 bis 44 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ermöglicht es Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie den Mitgliedstaaten, im Fall der Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden, auf eine Steuerschuldverlagerung zurückzugreifen und die Mehrwertsteuerlast auf den Steuerpflichtigen, an den der mehrwertsteuerpflichtige Umsatz bewirkt wird, zu übertragen. Zwar hat sich die Republik Litauen dafür entschieden, von diesem Mechanismus keinen Gebrauch zu machen, doch zeugt das Bestehen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit davon, dass der Unionsgesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass der Abzug der Mehrwertsteuer, die der Erwerber eines Grundstücks im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens entrichtet hat, mit den Zielen der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar ist.

37        Gewiss hat der Gerichtshof in den Rn. 42 bis 45 des Urteils vom 20. Mai 2021, ALTI (C‑4/20, EU:C:2021:397), im Wesentlichen entschieden, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der Vertragspartner eines Mehrwertsteuerschuldners, der nachweislich wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Schuldner die Steuer nicht abführen wird, und dennoch von seinem Recht auf Vorsteuerabzug Gebrauch macht, als Gesamtschuldner der nicht entrichteten Mehrwertsteuer und ihrer Erhöhungen angesehen wird.

38        Aus den von der Generalanwältin in den Nrn. 46 und 47 ihrer Schlussanträge dargelegten Gründen ist jedoch festzustellen, dass die Situation eines Steuerpflichtigen, der nach Abschluss eines gesetzlich geregelten Zwangsversteigerungsverfahrens unter behördlicher Aufsicht ein Grundstück erwirbt, nicht mit der des Vertragspartners des Hauptschuldners der Mehrwertsteuer vergleichbar ist, um die es in der Rechtssache ging, in der jenes Urteil ergangen ist. Allein aus den finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich ein Schuldner befindet, dessen Gegenstand im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert wird, kann nämlich seine rechtswidrige Absicht, die Mehrwertsteuer nicht zu entrichten, nicht abgeleitet werden. Daher kann nicht allein auf dieser Grundlage davon ausgegangen werden, dass der Erwerber dieses Gegenstands dadurch, dass er mit dem Schuldner ein Handelsgeschäft tätigt, rechtsmissbräuchlich handelt.

39        Nach der zweiten Voraussetzung des Rechtsmissbrauchs muss sich aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ergeben, dass der wesentliche Zweck des betreffenden Umsatzes auf die Erlangung eines Steuervorteils beschränkt ist. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, dass HA.EN. im Ausgangsverfahren Gläubigerin der Verkäuferin war und über ein Grundpfandrecht an dem in Rede stehenden Grundstück verfügte, das Gegenstand einer Zwangsversteigerung war. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Übernahme eines Grundstücks durch einen Gläubiger im Anschluss an eine gescheiterte Versteigerung, für das er über eine solche Sicherheit verfügte, im Wesentlichen nicht mit der Erlangung eines beliebigen Steuervorteils begründet werden kann, sondern mit seinem Willen, seine Forderung ganz oder teilweise von einem sich im gerichtlichen Insolvenzverfahren befindlichen Schuldner mit den ihm zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mitteln, wie einem Zwangsversteigerungsverfahren, beizutreiben.

40        In Anbetracht dessen, dass dieser Umsatz im Rahmen eines gesetzlich geregelten Verfahrens stattfindet, das zwar in einem außergewöhnlichen Kontext, nämlich dem der Zahlungsunfähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, zur Anwendung kommt, aber gleichwohl dem Wirtschaftsleben innewohnt, und angesichts des mit ihm verfolgten a priori legitimen Ziels kann ein solcher Umsatz nicht einer rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Gestaltung, die allein zu dem Zweck erfolgt, einen Steuervorteil zu erlangen, und die nach dem Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken verboten ist, gleichgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Mai 2021, ALTI, C‑4/20, EU:C:2021:397, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41        Insoweit scheint die Kenntnis des Erwerbers von den finanziellen Schwierigkeiten des Verkäufers, von seiner potenziellen Zahlungsunfähigkeit oder – wie im vorliegenden Fall – von der Eröffnung eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens sowie von etwaigen Auswirkungen dieser Umstände auf die Zahlung der Mehrwertsteuer auf den Umsatz an den Fiskus einen Umstand darzustellen, der einem Zwangsversteigerungsverfahren innewohnt und kann für sich genommen nicht ausreichen, um die Missbräuchlichkeit des betreffenden Umsatzes nachzuweisen und damit die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu rechtfertigen.

42        Nach alledem können die Steuerbehörden eines Mitgliedstaats aus unionsrechtlicher Sicht nicht davon ausgehen, dass im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks zwischen Steuerpflichtigen nach einem gesetzlich geregelten Zwangsversteigerungsverfahren der bloße Umstand, dass der Erwerber wusste oder hätte wissen müssen, dass sich der Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten befand und dass dies zur Folge haben konnte, dass dieser die Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus abführen würde, impliziert, dass der Erwerber rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, und ihm daher das Recht auf Vorsteuerabzug versagen.

43        Eine solche nationale Praxis würde auch gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, da sie bedeuten würde, dass Erwerber von Grundstücken nicht zum Abzug der im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens entrichteten Vorsteuer berechtigt sind, was darauf hinausliefe, ihnen die Last dieser Steuer aufzuerlegen, während der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gerade darauf abzielt, den Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer zu entlasten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2014, Malburg, C‑204/13, EU:C:2014:147, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44        Diese Praxis führt dazu, dass den Erwerbern das Risiko aufgebürdet wird, das eine Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers für die tatsächliche Zahlung der Mehrwertsteuer an den Fiskus mit sich bringt; die Tragung dieses Risikos ist jedoch grundsätzlich Sache des Fiskus.

45        Diese Schlussfolgerung ist umso mehr geboten, als sich die Republik Litauen dafür entschieden hat, von der durch Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit, unter genau diesen Umständen das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einzuführen, nicht Gebrauch zu machen, dessen Ziel gerade darin besteht, der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Mehrwertsteuerschuldners zu begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2013, Promociones y Construcciones BJ 200, C‑125/12, EU:C:2013:392, Rn. 28).

46        Wie die Generalanwältin in den Nrn. 47, 51 und 52 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, könnte diese Praxis auch dazu beitragen, den Kreis der potenziellen Erwerber einzuschränken, da sie dazu führt, Steuerpflichtigen, die ein Grundstück im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens erworben haben, das Recht auf Vorsteuerabzug zu nehmen. Mithin läuft sie dem mit dieser Art von Verfahren verfolgten Ziel zuwider, nämlich das Vermögen des Schuldners optimal zu verwerten, um seine Gläubiger bestmöglich zu befriedigen. Sie zielt außerdem darauf ab, die Wirtschaftsteilnehmer in finanziellen Schwierigkeiten zu isolieren und ihre Möglichkeiten zum Bewirken von Umsätzen in einer Weise zu beschränken, die mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht vereinbar ist; denn dieser Grundsatz steht einer Unterscheidung der Steuerpflichtigen je nach ihrer finanziellen Situation entgegen.

47        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, nach der dem Käufer im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks zwischen Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb versagt wird, weil er wusste oder hätte wissen müssen, dass sich der Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten befand oder gar zahlungsunfähig war und dass dieser Umstand möglicherweise zur Folge hat, dass der Verkäufer die Mehrwertsteuer nicht an den Fiskus zahlen würde oder nicht würde zahlen können.

Kosten

48        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

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