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BB 2019, I
Ball 

Entwarnung beim Quellensteuerabzug auf Onlinewerbeentgelte – Digitale Geschäftsmodelle bleiben in der Steuerdiskussion

Abbildung 1

Selten haben Feststellungen von Betriebsprüfungen derart Aufsehen erregt wie jüngst die der Bayerischen Finanzverwaltung: Unternehmen, die Onlinemarketingleistungen aus dem Ausland beziehen, hätten demnach einen Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG auf die geleisteten Vergütungen vorzunehmen. Auf den ersten Blick schien es, als habe die Finanzverwaltung einen Weg gefunden, Google, Facebook & Co mit ihren Onlinewerbeumsätzen im Inland zu erfassen. Gewählt wurde dabei der Umweg über den inländischen Werbekunden, der von der ihm geschuldeten Vergütung 15 % Quellensteuer an die Finanzverwaltung abführen sollte. Diese solle er sich dann von dem Plattformbetreiber rückerstatten lassen.

Diese “geniale” Idee der Finanzverwaltung hat von den “Heute”-Nachrichten bis zur Fachliteratur eine kritische Resonanz erfahren. Dies war zum einen der Tatsache geschuldet, dass für die inländischen Unternehmen ein erhebliches Risiko bestand, dass sie und nicht der Plattformbetreiber als eigentlicher, intendierter Steuerschuldner die Quellensteuer final zu tragen haben. Zum anderen beruhte die Annahme einer Quellensteuerpflicht auf einer überzogenen Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des §§ 49, 50a EStG. Die Erbringung von Onlinewerbung durch die Betreiber von Suchmaschinen und Internetdiensten stellt eine Dienstleistung dar und führt weder zur zeitlich begrenzten Überlassung von Rechten noch zur Nutzung von “Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten” i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG durch den Werbekunden. Der Bayerische Finanzminister hat denn auch wenig später die Aussetzung der Betriebsprüfungspraxis angeordnet, noch bevor das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 3.4.2019 klargestellt hat, dass eine Verpflichtung zur Abführung von Quellensteuern nicht besteht.

Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, das Thema “Besteuerung von Online Werbung” damit im Ganzen als erledigt anzusehen. Der Quellensteuerabzug auf Onlineentgelte ist nur eine Facette der globalen Debatte um die Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle. Getrieben von dem Gedanken, dass die vermeintliche Nichtbesteuerung der Überlassung von Nutzerdaten das “zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft” darstellt (Angela Merkel, 28.8.2018 Global Solutions Summit), haben Regierungen und supranationale Organisationen wie EU und OECD Initiativen gestartet, um digitale Geschäftsmodelle zu besteuern. Zahlreiche europäische Staaten haben Digitalsteuergesetze in Vorbereitung. Am weitesten gediehen sind die Vorhaben in Frankreich, Spanien und Italien, sie sollen noch in diesem Jahr in Kraft treten. Die nationalen Initiativen haben deutlich an Fahrt aufgenommen, seit der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 21.3.2018 zur Einführung einer europaweiten Digitalsteuer keine Mehrheit gefunden hat. Und anders als es die öffentliche Diskussion, die vorwiegend auf US-amerikanische Digitalkonzerne fokussiert ist, erwarten lässt, werden auch deutsche Unternehmen von Digitalsteuern betroffen sein. Ein Beispiel: Im Rahmen ihres digitalen Transformationsprozesses bauen viele Industrieunternehmen – u. a. die Automobilhersteller – Plattformen auf, die Wertschöpfung aus Vermittlungen, Datenanalysen und Werbeleistungen generieren sollen. Die Entgelte daraus würden zusätzlich zu einer Ertragsteuer einer Digitalsteuer unterliegen.

In der Diskussion wird gerne übersehen, dass diese neuen Geschäftsmodelle schon de lege lata mit steuerlichen Herausforderungen verbunden sind. Unternehmen, die ihre digitalen Leistungen global anbieten, machen regelmäßig die Erfahrung, dass o. g. Quellensteuerthesen nicht nur in Bayern, sondern auch international diskutiert werden, Vertreterbetriebsstätten aufgrund einer lokalen Vertriebsunterstützung “konstruiert” werden und digitale Leistungen die zollrechtliche Bemessungsgrundlage von Warenlieferungen erhöhen.

Rechtspolitisch weitergehend sind die Vorschläge, die die OECD in ihrem öffentlichen Konsultationspapier vom 13.2.2019 veröffentlicht hat. Diese beziehen sich zwar z. T. ausdrücklich auf digitale Geschäftsmodelle, wenn von der Besteuerung des Gewinnpotentials aus der “user participation” sowie der “significant economic presence” als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung die Rede ist. Andere Vorschläge lösen sich von dem Ausgangspunkt der Debatte, der Besteuerung von digitalen Leistungen. Der deutsch-französische Ansatz einer globalen Mindestbesteuerung sowie der US-amerikanische Ansatz der “marketing intangibles”, der eine Stärkung der Besteuerung im Marktstaat vorsieht, würden branchenübergreifend zu einer Änderung des internationalen Steuerrechts führen. Welcher bzw. welche Ansätze das Rennen machen, bleibt dabei offen. Aus den Kreisen der OECD ist aber ein Satz immer häufiger zu hören: “Failure is no option.” Vor diesem Hintergrund dürfte schon in naher Zukunft mit weiteren Initiativen zur Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen und darüber hinaus zu rechnen sein.

Dr. Andreas Ball, RA/StB, ist Partner im Bereich International Tax bei KPMG am Standort in Bielefeld. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der umfassenden steuerlichen Beratung von Konzernen bei ihren grenzüberschreitenden Aktivitäten. Im Rahmen dessen berät er zunehmend auch digitale Geschäftsmodelle, deren steuerliche Beurteilung in den Absatzmärkten und die damit zusammenhängenden Compliance-Pflichten.

 
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