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BB 2020, I
Quick 

Geplante strengere Regeln für die Abschlussprüfung nach dem Wirecard-Skandal – welche Maßnahmen sind zielführend?

Abbildung 1

Bilanzfälschungen beim Zahlungsdienstleister Wirecard ließen Zweifel an der Funktionsfähigkeit der existierenden Überwachungssysteme aufkommen. Die Presse (so z. B. Willmroth, Süddeutsche Zeitung vom 24.7.2020, abrufbar unter https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirecard-bafin-finanzministerium-1.4977632, Abruf: 6.8.2020) berichtet über den Entwurf eines Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung von Bilanzbetrug, der vom BMF stammt und u. a. auch Änderungen im Bereich der Abschlussprüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses anregt.

Abschlussprüfern kommt die Aufgabe zu, das Vertrauen in die Finanzberichterstattung zu erhöhen. Zu deren Erfüllung müssen die tatsächliche und die wahrgenommene Prüfungsqualität hinreichend hoch sein. Prüfungsqualität hängt von der Fähigkeit des Abschlussprüfers, wesentliche Falschdarstellungen zu erkennen (Kompetenz), und seiner Bereitschaft, über aufgedeckte Falschdarstellungen zu berichten (Unabhängigkeit), ab.

Mit Verweis auf Interessenkonflikte bei gleichzeitiger Verrichtung von Prüfungs- und Beratungstätigkeiten sieht der Entwurf eine Trennung von Prüfung und Beratung vor. Ein Prüfer, der gleichzeitig das zu prüfende Unternehmens berät, ist in seiner Unabhängigkeit gefährdet: Einerseits besteht die Gefahr, dass der Prüfer Ergebnisse seiner eigenen Beratungstätigkeit kontrolliert und deshalb Fehler nicht aufdecken kann oder will. Andererseits erhöht sich das mit einem Mandanten generierte Umsatzvolumen, und es steigt die Gefahr wirtschaftlicher Abhängigkeit. Allerdings kann die Verknüpfung von Prüfung und Beratung auch positive Effekte auf die Prüfungsqualität haben, denn der Abschlussprüfer erhält aus seinen Beratungstätigkeiten zusätzliche Kenntnisse über den Mandanten, die einer effektiveren Prüfung zugutekommen können. Der Nettoeffekt aus Prüfung und Beratung bleibt unklar. Die empirische Forschung hat aufgezeigt, dass gleichzeitige Prüfung und Beratung eher nicht zu einer Verschlechterung der tatsächlichen Prüfungsqualität führen, aber dass Stakeholder eine geringere Prüfungsqualität wahrnehmen (zu einem Überblick über diese Forschungsbefunde vgl. z. B. Quick, Accounting in Europe 2012, 17 ff.; Ratzinger-Sakel/Schönberger, Accounting in Europe 2015, 61 ff.). In diesem Zusammenhang hat sich gezeigt, dass nicht alle Beratungsleistungen zu negativen Unabhängigkeitswahrnehmungen führen. Insbesondere bei Steuerberatungsleistungen dürfte dies nicht der Fall sein. Ein generelles Beratungsverbot ist vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht geboten. Zahlreiche Beratungsleistungen sind nach HGB bzw. EU-Verordnung bereits heute untersagt. Diese Verbotslisten sollten regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden.

Auch die externe Pflichtrotation ist durch gegenläufige Wirkungsmechanismen gekennzeichnet. Der Prüfer sollte seinem Mandanten mit einer skeptischen Grundhaltung begegnen. Eine lange Beziehung zwischen Mandanten und Abschlussprüfer geht aber mit der Gefahr persönlicher Vertrautheit einher und gefährdet dessen Unabhängigkeit. Vor diesem Hintergrund ist für die Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses die Höchstlaufzeit eines Prüfungsmandats schon jetzt auf zehn Jahre beschränkt. Sie kann aber durch öffentliche Ausschreibung nach diesen zehn Jahren auf 20 Jahre verlängert werden. Diese Verlängerungsmöglichkeit soll jetzt abgeschafft werden. Durch den Prüferwechsel gehen jedoch mandantenspezifische Informationen verloren, so dass sich die Fähigkeit des Prüfers zur Aufdeckung wesentlicher Falschdarstellungen verschlechtert. Die wissenschaftlichen Befunde sind nicht eindeutig. Oft deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Prüfungsqualität zunächst mit zunehmender Länge der Prüfer-Mandanten-Beziehung steigt, diese sich aber mitunter nach ca. zwölf Jahren wieder verschlechtert (zu einem Literaturüberblick vgl. Quick/Wiemann, ZCG 2013, 77 ff.; Velte/Freidank, European Journal of Law and Economics 2015, 225 ff.). Insofern könnte eine Beschränkung auf zehn Jahre hilfreich sein, während kürzere Rotationszyklen von z. B. fünf Jahren vermutlich kontraproduktiv sind.

Abschlussprüfer genießen ein einzigartiges Haftungsprivileg. Sie haften gegenüber ihren Auftraggebern bei fahrlässigen Pflichtverletzungen maximal bis zu vier Mio. Euro. Dritte, z. B. Aktionäre oder Kreditgeber, haben bei Fahrlässigkeit nur in Sonderfällen die Möglichkeit, einen Abschlussprüfer erfolgreich auf Schadenersatz zu verklagen. Auch dann greift vermutlich die angesprochene Haftungsgrenze. Insofern überrascht es nicht, dass eine Überprüfung der zivilrechtlichen Haftung der Abschlussprüfer angedacht wird. Zwar haftet der Abschlussprüfer bereits mit seiner Reputation, dennoch ist davon auszugehen, dass ein höheres Haftungsrisiko sein Verhalten steuern und damit zu einer höheren Prüfungsqualität beitragen kann. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass eine weitergehende Haftung des Abschlussprüfers zu höheren Versicherungsprämien führen muss, was wiederum die Prüfungshonorare in die Höhe treibt. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Prüfungspraxen keine gesetzlichen Abschlussprüfungen mehr anbieten, weil das Haftungsrisiko zu hoch bzw. die Versicherung zu teuer ist. Damit würde aber eine andere Zielsetzung der Normengeber, die Reduktion der Konzentration auf Prüfungsmärkten, konterkariert.

Nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen sind zielführend. Zu empfehlen sind hingegen eine stärkere Ausrichtung der Abschlussprüfung auf Bilanzbetrug und der Einsatz forensischer Prüfungshandlungen beim Vorliegen entsprechender Verdachtsmomente sowie eine explizite Aussage des Abschlussprüfers zur Unternehmensfortführung.

Prof. Dr. Reiner Quick leitet das Fachgebiet für Rechnungswesen, Controlling und Wirtschaftsprüfung an der Technischen Universität Darmstadt. Er ist ein Leiter des Arbeitskreises Digital Finance der Schmalenbach-Gesellschaft, Mitglied der Prüfungskommission für das Wirtschaftsprüfungsexamen und in den Editorial Boards von “International Journal of Auditing”, “Accounting in Europe” und “Journal of International Accounting, Auditing and Taxation” tätig.

 
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