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BBM 2021, 6
Blumers 

Die immer aktuelle Frage nach dem richtigen Standort

Auch wenn die Bundestagswahl die befürchtete Tendenzwende in der deutschen Steuerpolitik nicht gebracht hat, sollten Unternehmer (zumal bei Auslandsaktivitäten) für die einzelnen Unternehmensaufgaben die Standortfrage stellen. Das hat gegebenenfalls wesentliche strategische wie steuerliche Vorteile.

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Ein Unternehmen ist regelmäßig dort mit seinem Schwerpunkt aktiv, wo es gegründet und zur Marktreife aufgebaut worden ist. Deutsche Unternehmen haben hier den Vorteil, in einer wirtschaftlich und technisch hochentwickelten Wirtschaftsregion in zentraler europäischer Lage angesiedelt zu sein. Aufgrund der gut entwickelten Auslandsbeziehungen mittels multinationaler Regeln und DBA könnten auch die Auslandsaktivitäten schnell erfolgreich optimiert werden. Die bisherige Handhabung führt allerdings vielfach dazu, dass diese Unternehmen weiterhin ungeprüft ihre Geschäfte von hier aus abwickeln und hier die Ertragsteuern bezahlen, ohne die Sinnhaftigkeit für die einzelnen Unternehmensaktivitäten zu hinterfragen.

Andererseits muss jeder Unternehmer in einer sich schnell entwickelnden internationalen Wirtschaftswelt zumindest dann die Standortfrage stellen, wenn er nicht unwesentlich grenzüberschreitend tätig wird. Und das ist zunehmend auch bei Familienunternehmen der Fall, sei es aufgrund der Unternehmensgröße und Ausbreitung, sei es aufgrund der Spezialität von Produkt oder Leistung. Und in all diesen Fällen stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Standort. Dabei geht es dann nicht um den Standort des Unternehmens selbst, sondern einzelner Unternehmensaktivitäten. Diese aktivitätsspezifische Standortfrage ist nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu beantworten. Danach ist der Auslandsstandort gegebenenfalls dort zu wählen, wo die Auslandsaktivität ihren Schwerpunkt hat. Die sich gegen diesen Schritt wehrende deutsche Finanzverwaltung muss sich hier entgegenhalten lassen, dass die OECD im BEPS-Kontext die Versteuerung der Wertschöpfung dort empfiehlt, wo diese anfällt.

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Der befürchtete steuerpolitische Paradigmenwechsel in Deutschland durch die Bundestagswahl 2021 ist nicht eingetreten. Aber die Frage der optimalen Ansiedlung einzelner Unternehmensaufgaben auch im Ausland stellt sich umso mehr. Es handelt sich um eine immer aktuelle Frage, die je nach der allgemeinwirtschaftlichen Entwicklung und den Schwerpunkten der Unternehmenstätigkeit laufend zu stellen ist. Nachdem Deutschland mit die höchsten Unternehmenssteuern ausweist und vor allem Waren und Know-how in weniger entwickelte Regionen mit niedrigeren Steuern liefert, kann dies auch steuerlich vorteilhaft sein.

STANDORTENTSCHEIDUNG IM EU – BINNENMARKT

Die Tatsache, dass Deutschland Mitgliedstaat des Gemeinsamen Europäischen Marktes ist, spielt wegen der vielen Vorteile, die vor allem Deutschland als Exportland nutzt, hier eine wichtige Rolle. Nach der Verfassung des Binnenmarktes geht es um die durch diesen geschaffenen Grundfreiheiten, die den Markt garantieren. Im Rahmen dieser Freiheiten spielt gerade die Dispositionsfreiheit des Unternehmers eine große Rolle, hier in Form der Niederlassungsfreiheit, aber auch der Kapitalverkehrsfreiheit.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Niederlassungsfreiheit, die den offenen Markt erst garantiert, sogar dem Interesse der Finanzverwaltungen an fremdvergleichskonformen Verrechnungspreisen vorgeht. Die Quintessenz dieser Rechtsprechung, die 2010 mit dem Urteil SGI (Société des Gestion Industrielle SA, Belgien) begann und mit dem deutschen Fall Hornbach-Baumarkt 2018 fortgesetzt wurde, hat in dem Urteil Impresa Pizzarotti 2020 noch eine weitere Bestätigung gefunden. Der EuGH akzeptiert zwischen verbundenen Unternehmen Konzern-Verrechnungspreise, solange sie der wirtschaftlichen Vernunft entsprechen und nicht der Steuermanipulation dienen. So können verbundene Unternehmen zu Grenzkosten liefern und Funktionen dürfen zum Teilwert übertragen werden (und nicht zum Wert des Transferpakets, das den möglichen Ertrag des Begünstigten mitbewertet).

Diese Konsequenz für die Verrechnungspreise scheint bis heute weder von der Wirtschaft noch von der Betriebsprüfung ausreichend erkannt und praktiziert zu werden. Denn die EuGH-Entscheidung Hornbach-Baumarkt wurde sowohl vom I. Senat des BFH wie von der Finanzverwaltung und von ihr angehörigen Autoren in einer Weise interpretiert, die Gestaltungsspielräume für verbundene Unternehmer gerade nicht zuließ. Diese Auffassung von Verwaltung und BFH sollte aber spätestens nach der EuGH-Entscheidung Impresa Pizzarotti und dem Beschluss des BVerfG v. 3.4.2021 überwunden sein, der die Rechtsprechung des I. Senats des BFH gekippt hat, weil der BFH seine abweichende Auslegung der EuGH-Rechtsprechung nicht erneut dem EuGH vorgelegt hat.

STANDORTENTSCHEIDUNG IM WELTMARKT

Geht es um die Ansiedlung in Drittstaaten, kann sich der Unternehmer zum einen auf die Kapitalverkehrsfreiheit des EU-Binnenmarkts berufen. Oder er kann Modelle praktizieren, die die Besteuerung der so generierten Gewinne im Drittstaat auslösen bei entsprechender Steuerfreistellung im Inland. Das gilt auch, wenn Zollgrenzen (wie der Brexit) den freien Warenverkehr behindern und in der Zielregion produziert werden soll.

Setzt das Unternehmen im Ausland also eine Kapitalgesellschaft ein, dann wird diese Rechtsfolge international durch das DBA-Schachtelprivileg oder entsprechende nationale Steuervorschriften und zusätzlich in Deutschland durch § 8 b Abs. 1 und 2 KStG ausgelöst, wenn das Unternehmen selbst Kapitalgesellschaft ist. Wird es über eine ausländische Betriebstätte oder die Betriebstätten-Besteuerung auslösende Personengesellschaft tätig, da selbst Personengesellschaft, dann folgt dies gegebenenfalls durch das dabei zu praktizierende Mittelstands- oder Organschaftsmodell. Dieses Modell ist zwar bei der Bayerischen Finanzverwaltung etwas in Verruf geraten, weil dortige Unternehmen aus Steuergründen Aktivitäten über die Grenze nach Österreich verlagert haben. Aber bei Nutzung dieses Modells aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen wird es von der Finanzverwaltung (zu Recht) nach wie vor akzeptiert. Eine deutsche Kapitalgesellschaft wird als Inhaber der ausländischen Betriebstätte oder als Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft tätig. Mit der Mutter-Personengesellschaft begründet die Kapitalgesellschaft per EAV eine Organschaft. Dann führt dies bei Existenz eines DBA nach OECD-Modell zur Besteuerung der Gewinne der Betriebstätte (oder der Personengesellschaft) im Drittstaat und zwar zu Lasten der deutschen Kapitalgesellschaft als Gesellschafterin, die diese Gewinne an die Muttergesellschaft steuerfrei abführt.

Diese Gestaltung durch Einsatz der inländischen Tochterkapitalgesellschaft ist schon deshalb zu empfehlen, weil Personengesellschaften bei grenzüberschreitender Tätigkeit durch den Fiskus, der dem Steuergesetzgeber insoweit die Hand führt, mit so vielen Problemen belastet sind, dass deren unmittelbarer Einsatz als Gesellschafter der ausländischen Betriebstätte oder Personengesellschaft nicht empfohlen werden kann. Andererseits ist dieses Modell natürlich auch dann besonders interessant, wenn die Betriebstätte oder Personengesellschaft in der Region der Auslandstätigkeit steuerlich begünstigt wird, weil dort die Steuersätze niedrig sind, während sie in Deutschland hoch sind und gegebenenfalls weiter ansteigen. Das internationale Steuergefälle kann hier also vorteilhaft genutzt werden, soweit es nicht durch die neuen Mindestbesteuerungsregeln eingeschränkt wird.

Abbildung 6

Autor

Prof. Dr. Wolfgang Blumers

Seniorpartner der Sozietät Blumers & Partner, Rechtsanwälte, Steuerberater, Stuttgart

BBM 2021 S. 6 (9)

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