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BBM 2021, 8
Kamppeter 

Homeoffice – vom Krisen- zum Zukunftsmodell

Im Zuge der COVID-19-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice einen enormen Aufwärtstrend erfahren. Viele wünschen sich eine Kombinationslösung aus Arbeit vor Ort und von zu Hause für die Zukunft. Auch für Arbeitgeber kann ein solches Modell einige, unter anderem finanzielle Vorteile mit sich bringen.

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Die Mehrheit der Mitarbeiter möchte auch nach der Pandemie im Homeoffice arbeiten. Zu diesem Ergebnis kommen im Prinzip alle insofern eingeholten Studien und betriebsinterne Umfragen. Allerdings wird Homeoffice nicht nur positiv gesehen. So wird vielfach zum Beispiel beklagt, dass eine klare Trennung von Arbeits- und Privatleben nur schwer möglich ist und dass soziale Kontakte, unter anderem zu Kollegen, verloren gehen. Zudem wird die Mitarbeiterführung, die Integration von neuen Kollegen und das Teambuilding insgesamt durch die räumliche Distanz erschwert. Präferiert wird für die Zukunft mehrheitlich daher eine Hybridlösung, das heißt eine Kombination aus Arbeit im Betrieb und im Homeoffice. Auch aus Arbeitgebersicht sind solche Lösungen durchaus vorteilhaft, zumal durch die parallele Einführung von zum Beispiel Desk-Sharing-Modellen auch die Anzahl der Arbeitsplätze vor Ort reduziert und dadurch im Ergebnis sowohl Miet- als auch Ausstattungskosten eingespart werden können.

Es bedarf allerdings eines ganzheitlichen Konzepts, um unter Vermeidung insbesondere der vorgenannten Nachteile eine gute und effektive Zusammenarbeit der Mitarbeiter in einem Hybridmodell zu erreichen. Zu klärende Kernfrage ist hierbei zunächst, in welchem Umfang welche Mitarbeiter unter welchen Bedingungen außerhalb des Betriebs arbeiten dürfen.

HOMEOFFICE VS. MOBILE ARBEIT

Um dies festzulegen, ist zunächst Klarheit hinsichtlich der Begrifflichkeiten zu gewinnen. Der Begriff Homeoffice ist gesetzlich nicht definiert. Zumeist wird hierunter die Arbeit beim Arbeitnehmer zu Hause in Abgrenzung zur Arbeit im Betrieb beziehungsweise zur mobilen Arbeit an einem nicht festen Ort außerhalb des Betriebs verstanden. In der Gesetzgebung zeichnet sich allerdings ab, dass zukünftig der Begriff mobile Arbeit als Oberbegriff im Zentrum stehen wird, von dem Homeoffice oder zum Beispiel auch Telearbeit im Sinne der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) besondere Unterfälle sein werden. So sieht der aktuelle Referentenentwurf des geplanten Mobile-Arbeit-Gesetzes (MAG) die Einführung eines neuen § 111 Gewerbeordnung (GewO) vor, nach dem mobile Arbeit vorliegt, wenn der Arbeitnehmer „die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologie außerhalb der Betriebsstätte 1. von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder 2. von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt“. Diese

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Definition zeigt, dass es auch zukünftig maßgeblich darauf ankommen wird, welche Vereinbarung konkret zwischen den Arbeitsvertragsparteien zum Arbeitsort getroffen wird. Es wird kein gesetzliches Leitbild etabliert.

KEIN ANSPRUCH UND KEINE PFLICHT AUF HOMEOFFICE

Dementsprechend soll es nach dem aktuellen Gesetzesentwurf auch zukünftig keinen generellen gesetzlichen Anspruch eines Mitarbeiters auf Homeoffice beziehungsweise mobile Arbeit geben. Das MAG sieht stattdessen eine gesetzliche Erörterungspflicht des Arbeitgebers vor. Arbeitgeber und Mitarbeiter sollen – ähnlich der Regelungen im Teilzeitrecht – die Möglichkeiten der mobilen Arbeit erörtern und im Idealfall eine entsprechende Vereinbarung erzielen. Die Entscheidung, ob für einen Mitarbeiter Arbeiten mobil beziehungsweise im Homeoffice möglich ist, bleibt letztendlich aber beim Arbeitgeber. Auf der anderen Seite kann ein Arbeitgeber nach dem MAG allerdings auch zukünftig generell kein Homeoffice einseitig anordnen und ist seinerseits auf das Einverständnis des Arbeitnehmers angewiesen.

GESTALTUNGSFREIHEITEN BEIM HYBRIDMODELL

Bei der Ausgestaltung der Arbeit im Hybridmodell besteht ein erheblicher Gestaltungsfreiraum, wobei natürlich zwingende Vorschriften, wie das Arbeitszeitgesetz oder zum Beispiel die Vorschriften zum Arbeits- und Datenschutz, gewahrt werden müssen. Generell sollten bei der Ausgestaltung des Hybridmodells insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt und gegebenenfalls geregelt werden:

  • Festlegung der Mitarbeiter, die außerhalb des Betriebs arbeiten dürfen (gegebenenfalls unter welchen weiteren Bedingungen wie zum Beispiel Zustimmung des Vorgesetzten);

  • gegebenenfalls situative Begrenzung, wann Mitarbeiter außerhalb des Betriebs arbeiten dürfen;

  • Festlegung der Orte, von denen außerhalb des Betriebs – gegebenenfalls nach gesonderter Absprache mit dem Vorgesetzten – gearbeitet werden darf (gegebenenfalls Vorliegen einer Dienstreise sowie bei Tätigkeit aus dem Ausland steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte beachten);

  • Festlegung des zulässigen Umfangs der Arbeit außerhalb des Betriebs und ob dauerhaft, für bestimmte zuvor festgelegte Wochentage oder zum Beispiel flexibel nach Wunsch des Mitarbeiters außerhalb des Betriebs gearbeitet werden darf;

  • gegebenenfalls Regelung zu festen Zeiten vor Ort für Teamabstimmungen et cetera;

  • gegebenenfalls Vorbehalt für Änderung beziehungsweise Ausübung des Direktionsrechts im Einzelfall (zum Beispiel für Teammeetings, dringend vor Ort zu erledigende Aufgaben, für Zeiten technischer Schwierigkeiten);

  • gegebenenfalls Regelung zu Ausstattung eines Arbeitsplatzes außerhalb des Betriebs beziehungsweise zu Erstattung etwaiger Aufwendungen und Mehrkosten;

  • Regelung zu Laufzeit und Beendigung der Arbeit außerhalb des Betriebs, unter anderem zum Beispiel durch eine transparente Widerrufs- oder Befristungsbestimmung.

Weiter hat sich während der Pandemie gezeigt, dass feste Regelungen zu Abstimmungs-beziehungsweise Erreichbarkeitszeiten zur Förderung der Zusammenarbeit sowie zur Integration und Motivation der Mitarbeiter außerhalb des Betriebs essenziell sind. Auch insofern sollte daher ein entsprechendes Konzept erarbeitet werden. Nach einer Forsa-Umfrage fühlt sich zudem jeder vierte Beschäftigte im Homeoffice durch den Arbeitgeber nicht ausreichend wahrgenommen. Vorgesetzte sollten daher besonders geschult und angehalten werden, regelmäßig und unabhängig von der Arbeitsqualität Gespräche mit den Mitarbeitern über die Arbeitssituation und -belastung zu führen.

NEUE ORGANISATION DER BÜROARBEIT

Machen viele Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch, mobil zu arbeiten, kann ein Arbeitgeber bei entsprechend umsichtiger Gestaltung der mobilen Arbeit Büro- und Arbeitsmittel vor Ort einsparen, indem er zugleich zum Beispiel ein Desk-Sharing-Modell einführt. Enthalten arbeitsvertragliche Vereinbarungen – wie in der Regel – keine Regelung zur Lage und Ausstattung des konkreten Arbeitsplatzes, können Arbeitgeber das Desk-Sharing gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer auch einseitig nach § 106 GewO anordnen. Es besteht in der Regel kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder eine bestimmte eigene Ausstattung.

MITBESTIMMUNGSRECHTE DES BETRIEBSRATS

Zu beachten ist insgesamt aber, dass bei der Einführung von mobiler Arbeit beziehungsweise von Hybridmodellen bereits heute diverse Beteiligungsrechte und insbesondere auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG bestehen können. Unter Umständen kann in einer umfangreichen Einführung von mobiler Arbeit beziehungsweise Shared-Desk-Modellen auch eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG liegen. Zukünftig sollen die bereits bestehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zur Förderung mobiler Arbeit und zur Verwirklichung von Arbeitnehmerschutz auch noch weiter abgesichert werden. Insofern sieht das Betriebsrätemodernisierungsgesetz eine Ergänzung des bestehenden Mitbestimmungskatalogs des § 87 BetrVG um ein ausdrückliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit vor. Die Frage, ob ein Unternehmen mobile Arbeit einführt, ist und bleibt aber auch zukünftig eine mitbestimmungsfreie unternehmerische Entscheidung.

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Autorin

Christina Kamppeter

Rechtsanwältin, LL.M., Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin, BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft, München

 
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