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CB 2019, I
Behringer 
CB 2019, Heft 07, Umschlagteil S. I (I)

Markt statt Regeln – Mehr Markt für Hochschulen

„In dem heutigen deutschen System wird bei staatlichen und bei privaten Hochschulen mit unterschiedlichen Mitteln gekämpft.“

Abbildung 1

Hochschulen sind eine hochregulierte Branche. Der Staat muss die Aufnahme der Geschäftstätigkeit erlauben und kann-mittels eines Votums durch den Wissenschaftsrat-diese Erlaubnis auch wieder entziehen. Diese Macht übt der Staat allerdings im Wesentlichen nur bei privaten Hochschulen aus, staatliche Hochschulen bekommen von ihrer Mutterinstitution Staat automatisch das Vertrauen ausgesprochen. Im Gegensatz beispielsweise zu Banken macht der Staat bei privaten Hochschulen auch Gebrauch von seinem Recht auf Schließung. Die Compliance-Anforderungen an private Hochschulen sind daher besonders hoch-höher als in den meisten anderen Branchen.

Begründet wird diese exponierte Position mit der besonderen Vertrauensbasis, die man für das Angebot des Gutes „Bildung“ braucht und die damit verbundene schwache Stellung des Verbrauchers Student. Verlangt wird entweder für jeden Studiengang oder die Hochschule als Organisation eine Akkreditierung. Das lateinische Verb accredere bedeutet „Glauben schenken“. Mit einer Akkreditierung soll durch eine externe Institution sichergestellt werden, dass eine Sache oder Dienstleistung die vorgegebenen Eigenschaften tatsächlich besitzt. Ansonsten kann kein staatlich anerkannter Abschluss verliehen werden. Gegen dieses Regime ist erfolgreich geklagt worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für das Akkreditierungssystem fehlte. Verantwortlich für die Akkreditierung waren privatwirtschaftliche Akkreditierungsagenturen, die ihre Befugnisse aus einem nordrhein-westfälischen Landesgesetz bezogen. Um die fehlende Rechtsgrundlage in anderen Bundesländern zu ersetzen, wurde von den Bundesländern ein Staatsvertrag zur Akkreditierung geschlossen, der am 1. 1. 2018 in Kraft getreten ist. Wesentliche Änderung war, dass die Entscheidungen zur Akkreditierung nun nicht mehr von den privaten Akkreditierungsagenturen sondern von dem Akkreditierungsrat getroffen werden. Der Akkreditierungsrat wird von allen 16 Bundesländern getragen und hat die Aufgabe, das Akkreditierungswesen in Deutschland zu organisieren. Mit dem neuen Staatsvertrag haben in diesem Gremium Vertreter der Wissenschaft eine Mehrheit, um die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit zu gewährleisten.

Deutschland geht mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Akkreditierung einen anderen Weg als beispielsweise das Vereinigte Königreich. In Großbritannien handeln Hochschulen autonom. Sie müssen eine initiale staatliche Qualitätskontrolle durchlaufen, um das Recht zu erwerben, staatlich anerkannte Abschlüsse zu verleihen. Danach können sie sich privaten Akkreditierungen unterziehen oder nicht. Dies ist eine freie Entscheidung, die davon abhängt, ob sich eine Hochschule von einer Akkreditierung einen Erfolg am Markt für Studierende verspricht. Hochschulen, die kein adäquates Qualitätssicherungssystem haben, werden nicht in der Lage sein, genügend Studierende zu finden und verschwinden langfristig. In Deutschland wird bewusst ein staatliches System, dass die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber vermeintlich schutzbedürftigen Studierenden in den Mittelpunkt stellt, gewählt. Diese eher paternalistische Herangehensweise ist typisch für das deutsche Staatsverständnis wie es z. B. in der Metapher vom „Vater Staat“ zum Ausdruck kommt.

In dem heutigen deutschen System wird mit unterschiedlichen Mitteln gekämpft. So hat die staatliche Universität Hamburg erst einen Bruchteil ihrer Studiengänge akkreditiert. Für eine private Hochschule würde das bedeuten, dass die staatliche Anerkennung entzogen werden würde. Hier wird mit unterschiedlichem Maß bei der Compliance gemessen. Welche Rückwirkungen eine unterschiedliche Regelauslegung hat, weiß jeder Compliance-Manager. Man würde sich insgesamt mehr Markt wünschen, zumindest aber faire Compliance-Anforderungen.

Stefan Behringer ist Professor für Controlling und Corporate Governance an der NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn und Hamburg.

 
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