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CNL 2020, 12
Nagel 

In der (Corona-)Krise zählt Integrität

In schwierigen Zeiten kommt es in Unternehmen mehr als ohnehin schon auf die Integrität von Führungskräften und ihren Mitarbeitern an. Wer entsprechend dem Wertekodex des eigenen Unternehmens handelt, wer Verantwortung und Integrität über die betriebswirtschaftlichen Ziele hinaus zeigt, um dessen Rechtschaffenheit wird es gut bestellt sein.

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Theodore Roosevelt sprach vor mehr als 100 Jahren aus, was heute brandaktuell ist: Integrität.

In Krisensituationen wie Corona wird Integrität für Unternehmen zunehmend ein kritischer Erfolgsfaktor – aber auch ein Risikofaktor. Wie sieht vor diesem Hintergrund gutes Integritätsmanagement aus? Gutes Integritätsmanagement verstanden als die bewusste und geplante Weiterentwicklung von Integrität im Unternehmen bedeutet, folgende zehn Hebel in Bewegung zu setzen:

1. Integrität verstehen – Integrität sollte als Haltung und Verhalten für die Organisation definiert werden. Damit die Menschen verstehen, worum es geht. Integrität ist ein schwieriges Konstrukt, das Menschen unterschiedlich interpretieren. Daher braucht es im Unternehmen eine Perspektivenangleichung.

2. Integrität institutionalisieren – Auf Top-Management-Ebene sollte eine Position eingerichtet werden, die Integrität und Compliance verantwortet. Etwa als Vorstandsressort, damit es eine oberste Instanz im Unternehmen gibt, die dem Thema Bedeutung verleiht.

3. Integrität definieren – Sinnvoll ist es, Prinzipien auf oberster Ebene eines Unternehmens zu formulieren, die ethische Normen des gesamten Unternehmens sind. Damit es eine Orientierungshilfe nach innen gibt: Welches Verhalten ist integer? Welche Entscheidungen sind integer?

4. Integrität kommunizieren – Diese Prinzipien müssen nach außen kommuniziert, nach innen in die Organisation ausgerollt und das Unternehmen gesamthaft damit vertraut gemacht werden. So kann es die Organisation auch verstehen und danach handeln.

5. Integrität messen und verbessern – Unternehmen sollten mit einer Anfangsmessung beginnen, um den Status Quo in puncto Integrität beurteilen zu können. Damit das Unternehmen weiß, wo es steht und über wiederholte Messungen und systematische Verbesserungen in der Zwischenzeit auch für einen kontinuierlichen Optimierungsprozess sorgen kann.

6. Integrität strukturieren – Parallel müssen Prozesse und Strukturen überprüft und überarbeitet werden, um Integrität auch strukturell zu unterstützen. Damit eine starke Integritätskultur flankiert wird von effizienten Prozessen und Strukturen, die hilfreich sind.

7. Integrität zum Thema machen – Die fortwährende Auseinandersetzung mit Integrität ist Voraussetzung, um integres Verhalten und eine starke Integritätskultur zu fördern – mit Formaten, die das auch ermöglichen. Beispielsweise mit Integrity Perception Workshops, bei denen Mitarbeiter nach ihrer Wahrnehmung gefragt werden, also wie sie Integrität im Unternehmen wahrnehmen und Verbesserungen diskutieren. Damit eine Verinnerlichung der Grundhaltung „Integrität“ und ein Transfer in den Arbeitsalltag stattfinden kann.

8. Integrität trainieren – Es bedeutet aber auch, für Integrität als Verhalten, in Entscheidungen zu sensibilisieren: ethische Entscheidungsfindung zu unterstützen mit Dialog, Tools, Trainings. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen lernen, damit umzugehen, auch in schwierigen Situationen.

9. Integrität belohnen – Entsprechende HR-Systeme wie Mitarbeitergespräche, aber auch „Reward & Recognition“ sollten Integrität im Blick haben – damit belohnt werden kann, was an Verhalten richtig ist.

10. Integrität einstellen – Bei Bewerbungen und Beförderungen sollte es auch um Integrität als Kriterium gehen, damit das Unternehmen immer eine kritische Masse an Überzeugungstätern hat.

Bei ethikbewusster Führung kommt es zum einen darauf an, Integrität selbst vorzuleben, aber auch transparent zu machen für andere, warum man in einer bestimmten Situation so entschieden hat und nach welchen Kriterien.

Dazu kommt aber auch, dass eine Führungskraft selbst Dilemmata auflösen und offen ansprechen muss, anstatt Integrität zu beugen. Oft ist das eigentliche Problem nämlich ein Zielkonflikt oder ein Loyalitätskonflikt. Nehmen wir das Beispiel „Incentivierung“ der handelnden Personen. Wenn das variable Einkommen von Managern etwa an dem Aktienkurs hängt, dann braucht man sich über kursstützende Maßnahmen der Unternehmen nicht wundern.

Oder wenn das variable Einkommen von Vertriebsbeauftragten am Auftragseingang oder Umsatz hängt, die Ziele jedes Jahr höhergeschraubt werden und völlig unrealistische Größenordnungen erreichen. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn diese auf grenzwertige oder gar kriminelle Ideen zurückgreifen.

Oder die Zielerreichung pro Quartal: Dem Quartalsergebnisdenken der Finanzmärkte muss man widerstehen können, denn sonst sind die Folgen GuV-, Cash-Flow- und Bilanzmanipulationen. Insofern sind Manager gefragt, integres Verhalten schon an der Quelle sicherzustellen – nämlich an der intelligenteren Entlohnung der vermeintlichen Verursacher von nicht-integrem Verhalten und an der Vermeidung von strukturellen Zielkonflikten. Am Einzelnen allein lässt sich organisationale Integrität nicht festmachen.

Auch ein Vorstandsressort ist wichtig, damit es eine oberste Instanz im Unternehmen gibt, die nicht nur dem Thema Bedeutung verleiht, sondern auch Verantwortung trägt und den gesamten Prozess eines guten Integritätsmanagements orchestriert, aber auch nach außen repräsentiert. Ein deutlicheres Signal eines Unternehmens kann es dazu kaum geben.

Dr. Katja Nagel

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Dr. Katja Nagel ist Geschäftsführerin und Leiterin des Global Organizational Integrity Institutes (GOII). Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Unternehmen und Top-Management-Beratung, insbesondere in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Strategie, Marketing und Kommunikation.

 
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