Gerichtsentscheidungen in Sichtweite?
Philipp Quiel
Schriftleitung
Datenschutz-Berater
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
das neue Jahr ist bereits in vollem Gange, was sich im Alltag nicht zuletzt dadurch bemerkbar macht, dass niemand mehr ein gesundes neues Jahr wünscht. Die Tage werden wieder länger und vielleicht bricht im Datenschutzrecht langsam die von vielen ersehnte Zeit der Gerichtsentscheidungen an. In einigen Fragen wäre eine gerichtliche Klärung besonders wünschenswert. Hierzu zählt aus meiner Sicht unter anderem die Klärung der Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO, Fragen zur gemeinsamen Verantwortlichkeit und auch der Einsatz von Analyse-Tools.
Jüngst hat der LfDI Rheinland-Pfalz in seinem Newsletter vom 21.2.2020 davon berichtet, dass er gegen Webseiten-Betreiber vorgegangen ist, die Analyse-Tools auf ihrer Webseite verwenden. Gegenstand einer Reihe von Verfahren sei insbesondere die Nutzung der Dienste Google Analytics und Google Remarketing. Einige Webseiten-Betreiber sind (erfreulicherweise) gegen die behördlichen Maßnahmen gerichtlich vorgegangen. So berichtet der LfDI auch von einem Gerichtsverfahren vor dem VG Mainz, das die Anwendbarkeit von Art. 6 DSGVO auf die Verwendung von Analyse-Tools bestätigt habe und eine Interessenabwägung zu Gunsten der Webseiten-Besucher ausfallen lassen habe. Das Urteil ist bisher nicht veröffentlicht und weitere Verfahren zu diesem Thema seien anhängig. Es ist zu hoffen, dass es in naher Zukunft mehr gerichtliche Entscheidungen zum Einsatz von Analyse-Tools geben wird. Denn bislang ist nicht geklärt, welche Analyse-Tools durch Webseiten-Betreiber auch ohne eine Einwilligung verwendet werden dürfen. Die Verwendung von Cookie-Bannern zeigt bislang auch, dass die Anzahl der Webseiten-Besucher, welche eine aktive Einwilligung erteilen, im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Künftige Urteile zum Einsatz von Analyse-Tools werden von verschiedenen Industriezweigen zu Recht mit Spannung erwartet.
Ein weiteres Thema, das Rechtsanwender in nächster Zeit intensiv beschäftigen dürfte, ist die gemeinsame Verantwortlichkeit. Der EuGH hat ein weites Verständnis des Begriffs „Verantwortlicher“ in Bezug auf gemeinsam Verantwortliche dreifach bestätigt und mit dem durch dieses weite Verständnis einhergehenden umfassenden Schutz Betroffener begründet. Versuche danach, die Vielzahl von Konstellationen der gemeinsamen Verantwortlichkeit klein zu reden, scheinen angesichts dessen langfristig wenige Aussichten auf Erfolg zu haben. Es wird interessant zu beobachten sein, wann deutsche Gerichte die gemeinsame Verantwortlichkeit aus dem Schattendasein in das datenschutzrechtliche Rampenlicht heben werden. Gemeinsame Verantwortliche müssen eine Vereinbarung treffen und das Wesentliche dieser Betroffenen zur Verfügung stellen. Bislang haben nur wenige weit verbreitete Dienste sich dazu durchringen können, eine solche Vereinbarung mit den anderen gemeinsamen Verantwortlichen zu schließen. Die Vereinbarung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit wird wohl auch in gerichtlichen Verfahren künftig vermehrt eine Rolle spielen.
Eine Vorschrift der DSGVO, zu der es bereits mehrere gerichtliche Entscheidungen gibt, ist das Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Mich überzeugt ein weites Verständnis der Ansprüche in Art. 15 DSGVO, weil dieses Betroffenenrecht schließlich dazu dient, eine Datenverarbeitung nachvollziehen und auf Rechtmäßigkeit kontrollieren zu können. Höher instanzliche Gerichte haben auch bereits in diesem Tenor geurteilt und eine Einschränkung der Weite der Ansprüche vermehrt nur auf Ebene der Ausnahmen gesucht. Datenschutzrechtler können mit Spannung auf künftige Tendenzen in Urteilen blicken.
Es liegt mir noch ein anderes Thema am Herzen: Angesichts jüngerer Ereignisse möchte ich mich für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft aussprechen, in der Rassismus keinen Platz haben darf.
Ich wünsche Ihnen im Namen der Redaktion ein hoffentlich unterhaltsames und erkenntnisreiches Lesen dieses Hefts und sende Ihnen herzliche Grüße.
Ihr
Philipp Quiel