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EWS 2021, I
Bartosch 

EU-Förderungen und ausländische Direktinvestitionen

Abbildung 1

Versuch einer Neuinszenierung von Franz Lehars Operette “Das Land des Lächelns”

Am 24. 7. dieses Jahres wäre der große italienische Startenor Giuseppe di Stefano 100 Jahre alt geworden. Anlässlich einer besonderen Radiosendung des Bayerischen Rundfunks, die ich an diesem Tag beim Autofahren hörte, erfuhr ich von einem Aspekt seines künstlerischen Wirkens, den ich zuvor nicht gekannt hatte, nämlich dass dieser beeindruckende Sänger, den ich vor allem als den Bühnenpartner der wohl noch berühmteren Maria Callas aus verschiedenen Puccini-Opern in Erinnerung hatte, in späteren Jahren aus kommerziellen Erwägungen auch Operettenrollen übernommen hatte. Eine dieser Rollen war diejenige des chinesischen Prinzen Sou-Chong aus Franz Lehárs Operette “Das Land des Lächelns”.

Nun wird sich der Leser an dieser Stelle womöglich kopfschüttelnd fragen, welche Bedeutung eine Lehár-Operette für das europäische Wirtschaftsrecht haben kann. Sehr viel, besieht man sich mit etwas erzählerischer Phantasie die praktischen Erfahrungen mit dem sog. Screening-Mechanismus, wie er in der Direktinvestitions-VO Nr. 2019/452 niedergelegt ist. Diese Verordnung ist am 11. 10. 2020 in Kraft getreten, so dass bereits erste Erkenntnisse im Umgang mit ihren Vorschriften vorliegen. Zentral ist für Zwecke dieser Neuinszenierung Art. 6 dieser Verordnung, der mit “Kooperationsmechanismus im Zusammenhang mit ausländischen Direktinvestitionen, die einer Überprüfung unterzogen werden” überschrieben ist. Danach kann die Kommission, wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass eine ausländische Direktinvestition zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung in mehr als einem Mitgliedstaat führt, dem Mitgliedstaat gegenüber, in dem die Direktinvestition nach nationalen Vorschriften geprüft wird – das ist in Deutschland die Außenwirtschaftsverordnung – eine Stellungnahme abgeben. Aus dem Verordnungstext ergibt sich indes nur, dass der Mitgliedstaat die Stellungnahme der Kommission – sowie ggf. diejenigen anderer Mitgliedstaaten, die ebenfalls eine Stellungnahme abgeben – angemessen berücksichtigt. Verhindern kann die Kommission die Investition indes nicht.

Überträgt man die praktischen Erfahrungen, die bisher im Umgang mit diesem Screening-Mechanismus bestehen, in die Welt von Franz Lehárs Operette, so könnte man folgende Geschichte erzählen:

Prinz Sou-Chong aus dem Land des Lächelns reist in Gestalt eines chinesischen Investors im Jahre 2021 nach Deutschland, wo er in die Konzernzentrale eines Hochtechnologie-Unternehmens eingeladen wird. Dort lernt er die Errungenschaften einer der Konzerntöchter kennen. Wie unschwer zu erkennen ist, nimmt die Konzernzentrale die Rolle des Grafen von Lichtenfels ein, der den chinesischen Prinzen zu einem rauschenden Fest in sein Palais einlädt, während die Konzerntochter die Tochter des Grafen, Lisa, spielt. Beide, die Konzerntochter und der chinesische Investor verlieben sich ineinander und beschließen, zu heiraten. Alsbald erfährt die Lisa der hier präsentierten Neuinszenierung indes, dass sie ihre technologischen Errungenschaften, auf die sie so stolz ist, mit weiteren Unternehmen ihres chinesischen Verlobten, die den Mandarin-Prinzessinnen aus der Operette entsprechen, teilen muss, was sie in ärgste Trübsal stößt. An dieser Stelle betritt nun der ehemalige Verehrer Lisas, Graf Gustl, in Gestalt der EU-Kommission die Bühne. Beide, Lisa und Gustl, beschließen, den Prinzen Sou-Chong zu verlassen. Dieser erwischt sie aber und stellt sich ihnen in den Weg.

Hier zückt die Kommission aber ihr Schwert des Kooperationsmechanismus. Den Prinzen weniger beeindruckt die Stellungnahme nach Art. 6 der Verordnung als vielmehr die konkrete Androhung, dass die Ehe der beiden drastische Auswirkungen auf vergangene und künftige EU-Direktförderungen hat, die die Konzerntochter alias Lisa erhalten hat bzw. noch erwartet. Sou-Chong erkennt nunmehr, dass er die Angebetete nicht für sich gewinnen kann und sie gehen lassen muss.

In der Tat ist das zuvor so Beschriebene eine Wirklichkeit, die sich seit dem Inkrafttreten der Direktinvestitionsverordnung immer wieder auf der Bühne des Kooperationsverfahrens abspielt. Die kulturellen Diskrepanzen, wie sie zu Lebzeiten Franz Lehárs zwischen einem Leben als Adlige aus der K. & K.-Monarchie und demjenigen am Hofe eines chinesischen Prinzen bestanden, existieren heute in ähnlichem Umfang zwischen der Unternehmenswelt in der EU und derjenigen im Reich der Mitte. Die Kommission, die allein auf der Grundlage des scheinbar stumpfen “Screening-Mechanismus” wenig auszurichten mag, zieht hier indes ihre Trumpfkarte – die Kürzung von Subventionen.

Was ich nicht bewerten kann, ist indes, ob der große Giuseppe di Stefano auch in einer solchen Neuinszenierung die Rolle des Prinzen übernommen hätte.

Dr. Andreas Bartosch, Rechtsanwalt, Brüssel

 
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