LG Bonn
Kein Schadensersatzanspruch gegen Bundesrepublik wegen Durchführung eines EG-Ausfuhrverbotes
LG Bonn, Entscheidung vom 26. Februar 1992 - 1 O 446/90;
LG Bonn
vom 26.02.1992
- 1 O 446/90
EWS
1993, 223
(Heft 7)
SachverhaltDie Klägerin, deren Geschäftsbetrieb die Herstellung und den Vertrieb von Fahrzeugaufbauten sowie von Sattelaufliegern umfaßt, verlangt von der beklagten Bundesrepublik Entschädigung bzw. Schadensersatz für die Nachteile, die ihr angeblich dadurch entstanden sind, daß sie sich nach Einfügung des § 69 a Außenwirtschaftsverordnung (AWV) daran gehindert sah, einen zuvor mit dem Irak abgeschlossenen Vertrag über die Lieferung von Tiefladesattelaufliegern voll zu erfüllen.Die Klägerin unterhielt seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen mit dem Irak und war im Besitz einer Negativbescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft in Eschborn vom 14. Januar 1985, wonach die Ausfuhr von Tiefladesattelaufliegern in den Irak keiner Genehmigung im Sinne der Außenwirtschaftsverordnung bedurfte. Sie schloß Mitte 1989 mit dem Irak einen Vertrag über die Lieferung von 100 zerlegten Tiefladesattelaufliegern mit einer Nutzlast von jeweils 50 t, die als Transportfahrzeuge auf den Ölfeldern des Irak zum Einsatz kommen sollten. Bei einem Stückpreis von 79 965,00 DM belief sich das Gesamtauftragsvolumen auf 7 996 500,00 DM. Im Januar/Februar 1990 führte die Klägerin vereinbarungsgemäß eine Teillieferung von 25 Fahrzeugen durch und erhielt hierfür den vereinbarten Kaufpreis von 1 870 270,00 DM. Die Auslieferung der restlichen 75 Fahrzeuge sollte im August/September 1990 erfolgen. Als Reaktion auf die Invasion Iraks in Kuwait erließ der Rat der Europäischen Gemeinschaften (EG) am 8. August 1990 die Verordnung 2340/90:»Artikel 1Ab 7. August 1990 sind verboten1. das Verbringen in das Gemeinschaftsgebiet aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak und Kuwait;2. die Ausfuhr in diese Länder aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus der Gemeinschaft;...Artikel 4Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.«Die Veröffentlichung der EWG-Verordnung erfolgte am 9. August 1990. Unter demselben Datum fügte die Bundesregierung mit der 10. Änderungsverordnung zur Außenwirtschaftsverordnung in diese die neue Vorschrift des § 69 a ein, in der es u. a. heißt:»Zur Gewährleistung der Straf- und Bußgeldbewehrung entsprechender Verbote der Europäischen Gemeinschaften sind verboten:1. die Einfuhr aller Erzeugnisse mit Ursprung in oder Herkunft aus Irak oder Kuwait,2. die Ausfuhr in diese Länder aller Erzeugnisse mit Ursprung oder Herkunft [aus] der Gemeinschaft....«Dieses Ausfuhrverbot, das nach Artikel 3 der Verordnung am 12. August 1990 in Kraft trat, veranlaßte die Klägerin, von der Lieferung der weiteren 75 Sattelauflieger in den Irak Abstand zu nehmen.Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von der Beklagten eine Entschädigung bzw. Schadensersatz in Höhe von 2 607 000,00 DM. Sie behauptet, auf Grund des in § 69 a AWV enthaltenen Ausfuhrverbotes der Bundesregierung habe sie einen wirtschaftlichen Schaden in der genannten Höhe erlitten. Ohne die gegen den Irak verhängten Embargomaßnahmen wäre die Restlieferung in den Irak in vollem Umfang zur Ausführung gelangt.Aus den Gründen»Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.Sie kann wegen der im Vertrauen auf die Durchführung des Vertrages mit dem Irak getätigten Aufwendungen und des ihr durch die Nichterfüllung des Vertrages entgangenen Gewinns weder Entschädigung aus enteignungsgleichem oder enteignendem Eingriff noch Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung von der Beklagten verlangen.Es scheidet sowohl eine Haftung der Beklagten wegen der Einfügung des § 69 a AWV durch die 10. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung aus, als auch eine solche wegen Übertragung der Hoheitsrechte auf die EG nach Art. 24 GG und die Mitwirkung bei Erlaß der EWG-Verordnung Nr. 2340/90.Ob im Hinblick auf das Ausfuhrverbot in § 69 a Abs. 1 Ziff. 2 AWV neben einem Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff wegen Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes auch aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung ein Anspruch wegen Verletzung der freien Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) in Betracht kommt, kann dahinstehen; denn einem Entschädigungsanspruch der Klägerin aus enteignungsgleichem Eingriff und/oder Aufopferung steht entgegen, daß das in § 69 a Abs. 1 Ziff. 2 AWV ausgesprochene Verbot, Waren nach Irak oder Kuwait zu liefern, keinen schadensursächlichen hoheitlichen Eingriff in ein durch das Grundgesetz geschütztes Rechtsgut der Klägerin darstellt.Einen etwaigen Schaden der Klägerin hat nicht die Beklagte, sondern vielmehr die EG verursacht; demzufolge ist die Beklagte für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche nicht passivlegitimiert.Bei Inkrafttreten der 10. Verordnung zur Änderung der AWV der Bundesregierung war bereits die EWG-VO 4340/90 in Kraft gesetzt, die die Ausfuhr der fraglichen Waren in den Irak mit Wirkung unmittelbar für jeden Bürger in der BRD gleichfalls verbot.Verordnungen der EG sind nach Art. 189 Abs. 2 EWGV unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht mit Vorrang vor dem staatlichen Recht, ohne daß sie einer Transformation durch Bundesgesetz in nationales Recht bedürfen (vgl. BVerfGE 73, 339 ff., 366 ff.; 22, 293, 296; 31, 145 ff., 173 f.; EuGH Rs. 43/70 Politi/Italien Slg. 1971, 1039, 1049; Grabitz Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 189 Randziffer 12, 50, 18, 19). Mit ihrem Inkrafttreten entfaltet die Verordnung nicht nur für die Mitgliedstaaten, sondern auch für jeden ihrer Marktbürger unmittelbare Bindungswirkung; einer vorherigen Bekanntgabe nach nationalem Recht bedarf es nicht. Die Mitgliedstaaten sind lediglich für die Vollziehung des Gemeinschaftsrechts zuständig (Art. 5 EWGV); sie sind im Rahmen des sogenannten indirekten Vollzuges dazu verpflichtet, die geeignetsten Maßnahmen zu ergreifen (vgl. Grabitz a. a. O. Art. 5 Randziff. 9). Als reine Vollzugsmaßnahme hat die Beklagte 'zur Gewährleistung der Straf- und Bußgeldbewehrung entsprechender Verbote der Europäischen Gemeinschaften' die neue Vorschrift des § 69 a AWV durch die 10. Verordnung zur Änderung der AWV eingefügt; nach dem eindeutigen Wortlaut sollte kein eigenständiges Ausfuhrverbot erlassen, sondern lediglich die Anwendbarkeit des § 70 AWV herbeigeführt werden. Der Sanktionsbewehrung kommt nur insoweit Bedeutung zu, als faktisch von ihr eine stärkere Lenkungswirkung ausgeht als von dem zuvor für jeden Bürger der Mitgliedstaaten rechtsverbindlich, aber mangels Kompetenz der EG ohne Sanktionsbewehrung erlassenen EG-Verbot.Ob die EWG-VO 2340/90 aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen rechtswidrig ist, kann dahinstehen; denn auch im Fall der Rechtswidrigkeit des EG-Verbotes würde § 69 a AWV keine eigenständige beeinträchtigende Wirkung zukommen. Eine EG-Verordnung entfaltet bis zur Feststellung ihrer Ungültigkeit Wirksamkeit und muß sowohl von den Bürgern der Mitgliedstaaten beachtet als auch von den innerstaatlichen Behörden angewandt werden, selbst dann, wenn gegen die Gültigkeit der Norm schwerwiegende Bedenken bestünden. Bis zu ihrer Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof (vgl. Art. 173, 177 EWGV) muß von der Gültigkeit der Norm ausgegangen werden (vgl. Grabitz-Wenig Art. 174 Randziff. 1; Groeben/Thiesing/Ehlermann EWG-Vertrag, 4. Auflage, Art. 215 Randziff. 83).Eine Ursächlichkeit des in § 69 a AWV enthaltenen Ausfuhrverbotes für den von der Klägerin vorliegend geltend gemachten Schaden kann deshalb nicht festgestellt werden. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Entscheidung, ob in dem Ausfuhrverbot der Bundesregierung ein sog. enteignender Eingriff zu sehen ist. Wegen des EG-Ausfuhrverbotes ist die Klägerin auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen die EG nach Art. 215 Abs. 2 EWG-Vertrag zu verweisen; die Haftung der Gemeinschaft auch für normatives Unrecht hat der EuGH grundsätzlich anerkannt (vgl. EuGH Slg. 1971, 975 ff., 983 f.).Aus der Mitwirkung der Organe und Bediensteten der Beklagten bei der Vorbereitung der EWG-Verordnung 2340/90 und der anschließenden Beschlußfassung kann eine Haftung der Beklagten nicht hergeleitet werden. Eine Amtspflichtverletzung im Sinne von § 839 BGB, Art. 34 GG scheitert daran, daß bei der Vorbereitung der Beschlüsse und bei der Beschlußfassung im Rat der EG die nationalen Oragane und Bediensteten nur die europäischen und nationalen, nicht aber die Interessen bestimmter Individuen zu beachten haben.Daß die Beklagte durch das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag Hoheitsrechte auf die EG übertragen hat, vermag eine Haftung der Beklagten ebenfalls nicht zu begründen. Eine mögliche Verletzung des Art. 24 Abs. 1 GG, die nach Auffassung der Klägerin für den Fall der Rechtmäßigkeit der EWG-VO darin zu sehen ist, daß der bei der Übertragung der Hoheitsrechte nach Art. 24 GG zu beachtende Rechtsstaatsgrundsatz des Grundgesetzes für den Fall der Einbeziehung bereits bestehender Verträge in ein Wirtschaftsembargo eine Entschädigungsregelung fordere, kann die Klägerin nicht geltend machen; denn durch den legislativen Akt der Zustimmung ist sie nicht unmittelbar selbst betroffen.«
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