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K&R 2021, I
Schmittmann 

BGH, BFH und BMF in seltener Eintracht bei umsatzsteuerlicher Behandlung von Abmahnungen

Abbildung 1

Professor Dr. Jens M. Schmittmann

Als der BFH (21. 12. 2016 – V R 27/14, WRP 2017, 712 ff.) entschied, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz auf Grund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, umsatzsteuerlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern – und nicht als nichtsteuerbare Schadensersatzzahlungen – zu qualifizieren seien, war die Verwunderung in der Szene der Wettbewerbsrechtler groß, während die Steuerrechtler sich fragten, warum die Finanzverwaltung nicht schon länger auf diese Idee gekommen war.

Der Umsatzsteuer unterliegen im Wesentlichen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die durch eine Verletzungshandlung veranlasste Abmahnung im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien diene, da sie das Streitverhältnis auf einfache und kostengünstige Weise beende und einen Rechtsstreit vermeide (vgl. BGH, 15. 10. 1969 – I ZR 3/68, BGHZ 52, 393 ff.; BGH, 7. 10. 2009 – I ZR 216/07, K&R 2010, 192). Nichts anderes gilt auch bei Urheberrechtsverletzungen (so BFH, 13. 2. 2019 – XI R 1/17, WRP 2019, 894 ff.; vgl. Schmittmann/Sinnig, K&R 2020, 183, 188).

In einem bislang wenig beachteten Hinweisbeschluss hat der BGH (21. 1. 2021 – I ZR 87/20, EWiR 2021, 604 f. [Stelzer]) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des BFH Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz auf Grund von urheber- oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren seien, was auch im gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes gelte. Man darf also davon ausgehen, dass dies nun in Stein gemeißelt ist, was keinen Bedenken unterliegt, da die Umsatzsteuer in dieser Konstellation tatsächlich neutral ist. Der Rechteinhaber muss die in der Rechnung an den Abgemahnten ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen und kann die in der Rechnung seines Bevollmächtigten enthaltene Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen. Damit ist dem Gebot der Neutralität aus der MwSt-SystRL Genüge getan.

Nachdem sich nun BFH und BGH einig sind, hat das Bundesministerium der Finanzen (Schreiben vom 1. 10. 2021 – III C 2 – S 7100/19/10001:006 [DOK 2021/0998752]) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen Stellung genommen und die Grundsätze des BFH in eine Änderung des UStAE gegossen. Danach sind gem. Abschnitt 1.3 Abs. 16a UStAE Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz auf Grund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, und Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz auf Grund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren. Zudem regelt Abschnitt 13.1 Abs. 7 UStAE nunmehr, dass eine Abmahnleistung mit dem Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten als ausgeführt gilt. Aus Vereinfachungsgründen wird nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in dem Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 1. 10. 2021 sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wobei allerdings nicht beanstandet wird, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem 1. 11. 2021 durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d. h. auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nichtsteuerpflichtigen Entgelt ausgehen.

Zu Recht wird im UStAE eine Regelung zum unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG getroffen. Nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet den ausgewiesenen Betrag, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist. Nach Auffassung des BMF liegt ein unberechtigter Steuerausweis vor, wenn die Zusendung einer Abmahnung an einen potentiellen Rechtsverletzer nicht auf Grund eines berechtigten Anspruchs (“unberechtigte Abmahnung”) erfolgt und gleichwohl der Abmahnende eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilt. Das BMF beantwortet die Frage, wie festgestellt werden soll, ob eine unberechtigte Abmahnung vorliegt, leider nicht. Klar sind lediglich die Fälle, in denen der Abgemahnte die Rechnung zahlt. Damit dürfte hinreichend dokumentiert sein, dass er sich für zu Recht abgemahnt hält. Was ist aber in den Fällen, in denen der Abgemahnte die Abmahnung ignoriert und der Abmahnende die Sache auf sich beruhen lässt?

In diesen Fällen ist dem Abmahnenden zu raten, von der Möglichkeit des § 14c Abs. 2 S. 3 UStG Gebrauch zu machen und den geschuldeten Steuerbetrag dadurch zu berichtigen, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist gem. § 14c Abs. 2 S. 4 UStG beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Diese Voraussetzungen zu beweisen ist Sache des Rechnungsausstellers. Die praktische Umsetzung ist schwierig, da der zu Unrecht Abgemahnte oder der die Abmahnung schlichtweg ignorierende Abgemahnte schwerlich gezwungen werden kann, die Rechnung wieder herauszugeben. Gerade in Fällen der massenhaften Abmahnung, bei der unklar ist, ob sie Erfolg hat und bei der auch nicht beabsichtigt ist, die vermeintlichen Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend zu machen, ist die Beifügung einer Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer mit erheblichen steuerlichen Risiken behaftet und sollte daher sorgfältig überdacht werden.

Professor Dr. Jens M. Schmittmann

 
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