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K&R 2021, I
Günther 

Das digitale Zeitalter bricht an – die aktive Nutzungspflicht des beA kommt

Abbildung 1

RA Tim Günther

Die Digitalisierung des Rechtsverkehrs im deutschen Rechtssystem schreitet weiter voran und das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist ein wesentlicher Kernbestandteil davon. Nachdem das beA im Jahre 2016 noch einen eher unrühmlichen Start hinlegte, zeitweise sogar gänzlich offline genommen werden musste, und auch in der Folgezeit nicht durch Sicherheit und Stabilität glänzte, hat der BGH (K&R 2021, 413) erst kürzlich die “Sicherheit der Kommunikation über das beA” bestätigt.

Eine passive Nutzungspflicht gilt bereits seit dem 1. 1. 2018, d. h. der Rechtsanwalt muss an ihn gerichtete Nachrichten abrufen und ggfs. ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) abgeben. Einzelne Gerichtszweige (bspw. die Arbeitsgerichtsbarkeit in Schleswig- Holstein seit gut zwei Jahren oder die Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichte in Bremen seit Januar 2021) haben bereits zuvor via Landesverordnung eine aktive Nutzungspflicht des beA eingeführt. Zum 1. 1. 2022 kommt diese aktive Nutzungspflicht nunmehr für alle Gerichtsbarkeiten (mit Ausnahme des BVerfG).

Damit befindet sich das beA in guter Gesellschaft zum besonderen elektronischen Notarpostfach (beN) und dem – zum 1. 1. 2023 kommenden – besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt). Auch die neu geschaffene Berufsausübungsgesellschaft bekommt zum 1. 8. 2022 ein eigenes – optionales – beA (das sog. “Gesellschaftspostfach”), sofern die Berufsausübungsgesellschaft zugelassen und damit in das Gesamtverzeichnis der BRAK eingetragen wurde; § 31b BRAO n. F.

Es bleibt spannend, ob technisch tatsächlich alles klappt und wie mit den zu erwartenden Problemen umgegangen wird. Fest steht, dass im Rahmen der Kanzleiorganisation (Stichwort: Fristenkontrolle) an den Versand mit beA dieselben Anforderungen zu stellen sind, wie bei der Nutzung des Faxgeräts. Auch beim beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht erteilt wurde (BGH, K&R 2021, 530).

Nachdem der BGH dem beA eine hohe Störanfälligkeit und der Anwaltschaft eine fehlende Zumutbarkeit der beA-Nutzung bei Faxstörungen attestiert hatte (dazu Günther/Grupe K&R 2021, 226), hat der Gesetzgeber aus diesen Erfahrungen nunmehr kurz vorm Start noch Konsequenzen gezogen und einen neuen § 130d ZPO eingeführt. Grundsätzlich statuiert § 130d S. 1 ZPO n. F., dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Neu geschaffen wurde nunmehr Satz 2: Ist danach eine Einreichung via beA aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften – also via Fax oder Brief – zulässig. Dabei ist zu beachten, dass die Übermittlung via beA eine gewisse Zeitspanne versucht werden muss und auch die üblichen Fehlerquellen (Softwareupdate, Neustart Rechner, Überprüfung der Internetverbindung und ggf. Störungsmeldungen der BRAK) überprüft und ausgeschlossen werden müssen. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach sodann – vornehmlich durch Screenshots und eidesstattliche Versicherungen – glaubhaft zu machen; auf Anforderung des Gerichtes ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Auch wurde die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) nochmals angepasst; nunmehr muss – nach dem neuen § 2 ERVV – nicht mehr zwingend ein “druckbares, kopierbares und durchsuchbares Dokument” eingereicht werden, es muss lediglich ein (idealerweise druckbares) “pdf”-Format sein. Auch werden keine großen Anforderungen mehr an die Dateinamen und Anlagenbezeichnungen gestellt, allerdings sollten diese aus eigenem Kontrollinteresse und zur Haftungsprävention sinnvoll vergeben werden.

Bleibt zu hoffen, dass das LG Mannheim, welches noch Anfang 2020 ausführte, dass der einzelne Rechtsanwalt möglicherweise gar nicht in der Lage ist, das beA zu bedienen (Az. 1 S 71/19), nicht Recht behält und auch die bislang eher zurückhaltenden Berufsträger schnell in die Funktionsweise des beA hineinfinden und die Kanzleiabläufe auf die neue Versandart umstellen. Spannend wird es auch, wie bspw. Originalunterlagen (Vollmachten, Urkunden oder eidesstattliche Versicherungen) “über das beA” zu Gericht gelangen sollen. Hier wird sich wohl eine Einreichung mit eingescannter Unterschrift durchsetzen; bei Zweifeln über die Echtheit ist eine Ein- bzw. Nachreichung auf dem Postweg möglich.

RA Tim Günther

 
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