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K&R 2020, I
Eisenreich 

Warum es einer umfassenden Modernisierung des Beleidigungsstrafrechts bedarf

Abbildung 1

Staatsminister Georg Eisenreich, MdL, München

Hass und Hetze im Internet haben inzwischen ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Im Internet hat sich etwas zusammengebraut, das eine Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Die Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht. Sie findet eine Grenze dort, wo das Strafrecht und die Rechte anderer beginnen. Hass im Netz unterdrückt die Meinungsfreiheit anderer und vergiftet das gesellschaftliche Klima. Zudem können aus Worten Gewalttaten werden. Unser Rechtsstaat muss sich hiergegen mit aller Entschlossenheit zur Wehr setzen. Das Internet ist kein rechtsfreier und auch kein rechtsverfolgungsfreier Raum.

Für eine konsequente Verfolgung von strafbarer Hassrede sind die bayerischen Staatsanwaltschaften gut aufgestellt: Wir haben bei allen 22 Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate-Speech eingerichtet und zudem bei der Generalstaatsanwaltschaft München zentral für ganz Bayern einen eigenen Hate-Speech-Beauftragten bestellt. Damit unsere Ermittler erfolgreich sein können, ist es aber wichtig, dass die Betreiber sozialer Netzwerke ihrer Verantwortung stärker gerecht werden und u. a. Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden ohne Wenn und Aber beantworten. Nachbesserungsbedarf gibt es auch beim Beleidigungsstrafrecht. Die zentralen Straftatbestände wurden in den letzten 150 Jahren nicht wesentlich verändert. Sie hinken in manchen Bereichen der Realität hinterher.

Bayern hat deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem das Beleidigungsstrafrecht nicht nur punktuell geändert, sondern umfassend modernisiert werden soll (abrufbar unter: www.jus tiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/). Unser Kernanliegen ist, einen Qualifikationstatbestand für vier besonders schwerwiegende Fälle der Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung zu schaffen:

  • Beleidigungstaten, die über das Internet verbreitet werden,

  • Hassrede,

  • Beleidigungstaten gegenüber Personen des politischen Lebens und

  • das sog. Cybermobbing.

In allen diesen Fällen könnten nach unserem Vorschlag für eine Beleidigung bis zu zwei, für eine üble Nachrede bis zu drei und für eine Verleumdung bis zu fünf Jahre Höchststrafe verhängt werden. Bei der Verleumdung bedeutet dies etwa: Wird die Äußerung über das Internet verbreitet, bleibt es bei der bereits jetzt möglichen Höchststrafe von fünf Jahren. Diese soll jedoch künftig auch in den drei weiteren genannten Fallgruppen gelten.

Im Einzelnen:

Ehrverletzende Äußerungen, die öffentlich im Internet begangen werden, sind gegenwärtig nur dann mit erhöhten Strafen bedroht, wenn es sich um eine Verleumdung oder üble Nachrede handelt. Für den praktisch wichtigsten Fall, die Beleidigung, gibt es hingegen keine Qualifikation. Dies ist nicht sachgerecht. Beleidigungen sind in der Anonymität des Internets oft enthemmter, erreichen mehr Menschen und sind praktisch nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Damit diese Taten angemessen geahndet werden können, fordern wir eine Heraufsetzung der Höchststrafe von einem auf zwei Jahre.

Hassrede müssen wir entschlossen entgegentreten und damit an diejenigen ein klares Signal senden, die mit rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonst menschenverachtenden Äußerungen Hass transportieren. Deutschland ist stolz darauf, ein freies und offenes Land zu sein. Bei einer gezielten Ausgrenzung einzelner Personen bzw. ganzer Gruppen und einer Vergiftung des Klimas in unserer Gesellschaft durch strafbare Hassreden müssen wir unseren Gerichten schärfere Sanktionen ermöglichen.

Wichtig ist zudem, Beleidigungstaten gegenüber Personen des politischen Lebens effektiv zu bekämpfen. Gegenwärtig trägt das Strafrecht mit einer kaum wirksamen Sondervorschrift den bestehenden Gefahren nur unzureichend Rechnung. Die Anwendbarkeit dieser Strafschärfung bei Taten gegen Kommunalpolitiker ist nicht geklärt und für “einfache” Beleidigungen gilt sie nicht. Unsere Demokratie lebt davon, dass sich Menschen für unser Gemeinwohl einsetzen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Bürgerinnen und Bürger aus Angst vor Hass und Hetze nicht oder nicht mehr für öffentliche Ämter zur Verfügung stellen.

Schließlich wird auch das Phänomen des Cybermobbings vom Strafgesetzbuch gegenwärtig nicht ausreichend erfasst. Cybermobbing ist durch eine fortgesetzte und systematische Belästigung gekennzeichnet. Für eine angemessene strafrechtliche Ahndung reicht es nicht aus, nur eine einzelne Beleidigungshandlung herauszugreifen. Um Cybermobbing wirkungsvoll entgegenzutreten, braucht es einen eigenen Qualifikationstatbestand, der für diese Fälle höhere Strafen ermöglicht.

Unser Vorschlag für ein zeitgemäßes Strafrecht ist ein Beitrag zur aktuellen rechtspolitischen Diskussion. Hass und Hetze hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Eine Demokratie lebt auch davon, dass eine lebendige und offene Diskussion möglich ist und jeder Einzelne vor Bedrohung, Anfeindung und Gewalt geschützt wird.

Staatsminister Georg Eisenreich, MdL, München

 
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