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K&R 2019, II
Süme 

Zeitgemäße Regulierung? Fehlanzeige!

Neuer Medienstaatsvertrag könnte zum Handicap für innovative Geschäftsmodelle werden

Abbildung 1

RA Oliver J. Süme, Hamburg

Am 9. 8. 2019 endete das Konsultationsverfahren für einen neuen Medienstaatsvertrag, der neben einer Anpassung des Rundfunkbegriffs auch Vorgaben zur Plattformregulierung und zur Ausgestaltung von Benutzeroberflächen enthält. Außerdem werden Medienintermediäre wie Suchmaschinen in den Geltungsbereich des Staatsvertrags einbezogen, womit der Staatsvertrag seinen Regulierungsanspruch über Gebühr ausweitet. Nutzerautonomie, Level-Playing-Field, Interessenausgleich und Entwicklungsspielräume für innovative Angebote – das alles sind Aspekte, die der aktuelle Entwurf des Medienstaatsvertrages allerdings weiterhin vermissen lässt.

Das zentrale Ziel des Medienstaatsvertrags ist die Anpassung der Plattformregulierung an die Herausforderungen der konvergenten Medienwelt. Leider entfernt man sich mit dem neuen Entwurf immer weiter von diesem Ziel. Seit vielen Jahren diskutiert nun die deutsche Medienpolitik schon, ob und wie man den Rechtsrahmen anpassen sollte, um die Chancen der Konvergenz der Medien zu nutzen und gleichzeitig den damit verbundenen Herausforderungen angemessen zu begegnen. Notwendig wäre eine Medienordnung, die unter veränderten Rahmenbedingungen einen Interessenausgleich für die Akteure schafft, anstatt die Balance weiter zu Gunsten der Rundfunkanbieter zu verschieben und so zum Handicap für innovative Geschäftsmodelle zu werden.

Denn insbesondere das im Entwurf vorgesehene Verhältnis von Rechten und Pflichten der unterschiedlichen Akteure müsste grundsätzlich angepasst werden. Bisher gibt der Entwurf aber im Wesentlichen nur den Sendern neue Rechte, während Medienplattformen und Benutzeroberflächen vielfältig mit neuen Pflichten bedacht werden. Dabei sind es gerade große Sendergruppen, die bereits heute den Ton in Verhandlungen angeben, denn auf ihre Inhalte kann niemand verzichten. Zumindest müsste daraus ein wechselseitiges, justiziables Nichtdiskriminierungsverbot abgeleitet werden, aber nicht einmal diesen Schritt scheint man im Länderkreis gehen zu wollen.

Auch die sich weiterhin in der Diskussion befindliche “privilegierte Auffindbarkeit” oder “Basisauffindbarkeit” bestimmter Inhalte oder Angebote ist weder gerechtfertigt noch praktikabel. Die bestehenden Grundsatzregeln zu Transparenz und Diskriminierungsfreiheit sind ausreichend, um die Auffindbarkeit zu gewährleisten. Die sich kontinuierlich weiterentwickelnden und auch im Zuge der Digitalisierung verbesserten Hilfsmittel zur Unterstützung der Suche und Auffindbarkeit durch die Plattformen ermöglichen es den Nutzerinnen und Nutzer bereits, die verfügbaren und für sie interessanten Inhalte anzuzeigen. Bei einer “privilegierten Auffindbarkeit” ist bereits jetzt absehbar, dass es Auseinandersetzungen darüber geben wird, welche Inhalte oder Programme hervorzuheben oder besonders zu privilegieren sind. Zudem dient die Privilegierung gerade nicht der beabsichtigten Sicherung der Meinungsvielfalt, im Gegenteil: Sie führt zu einer Bevorzugung einiger Anbieter, während die Inhalte einer Vielzahl anderer Anbieter diskriminiert werden. Auch bei der Regulierung der Darstellung von Zusatzinhalten und Überblendungen von Inhalten gibt es weiter Diskussionsbedarf. So stellt sich etwa die Frage, welche Inhalte oder Unternehmen konkret privilegiert werden sollen, wie entsprechende Kriterien festgelegt werden und welche Streitbeilegungsmechanismen im Konfliktfall zwischen den einzelnen privilegierten Inhalten gelten beziehungsweise herangezogen werden könnten. Insgesamt erscheint diese Regelung zu kleinteilig, nicht sonderlich praktikabel und wenig innovationsoffen.

Zudem drohen Inkonsistenzen mit Europäischem Recht, die zu Rechtsunsicherheit führen werden. EU-Parlament und der Rat der EU haben in der Zwischenzeit der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-Verordnung) zugestimmt. Die Verordnung kommt in diesen Tagen zur Anwendung und umfasst bereits Transparenzregeln mit Blick auf eine unterschiedliche Behandlung von Angeboten, die ausdrücklich auch für Suchmaschinen und soziale Netzwerke gelten. Hier sollte der Medienstaatsvertrag zur Klarstellung wenigstens auf die P2B-Verordnung verweisen.

Nicht zuletzt muss auch der Grundsatz der Nutzerautonomie deutlich gestärkt werden und eine grundsätzliche Einwilligung des Nutzenden, beispielsweise über die Grundeinstellungen des Gerätes, muss über die gewünschten Zusatzinhalte entscheiden. Andernfalls wird dem Bedürfnis nach Orientierung in einer konvergenten Medienlandschaft widersprochen und Innovationen werden mutwillig verhindert. Das kann nicht Ziel moderner und technologieneutraler Regulierung sein.

RA Oliver J. Süme, Hamburg

 
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