SCHRÖER, Thomas
Aktuelle Probleme der Einführung einer gemeinschaftlichen Klimasteuer
RIW
1993, 914
(Heft 11)
Von allen Umweltproblemen ist der drohende Treibhauseffekt die gravierendste Herausforderung. Zu seiner Bekämpfung hat die Europäische Gemeinschaft beschlossen, die Emissionen des Treibhausgases CO2 bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren. Die Realisierung dieses ehrgeizigen Zieles kann angesichts eklatanter Vollzugsdefizite im Bereich des Ordnungsrechts nur über den zusätzlichen Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente gelingen. Bisher scheiterte die Verabschiedung des seit Mitte 1992 vorliegenden Kommissionsentwurfs zur Einführung einer Steuer auf den Ausstoß von Kohlendioxid und Energie jedoch am Widerstand Großbritanniens.Der Richtlinienvorschlag der Kommission wirft eine Vielzahl kompetenzrechtlicher Probleme auf. Angesichts der kategorisch ablehnenden Haltung des Vereinigten Königreichs ist insbesondere von Interesse, ob der Rat tatsächlich einstimmig entscheiden muß oder ob der Entwurf nicht auch mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden könnte. Im zweiten Hauptteil des Beitrags geht es um die inhaltliche Bewertung des Kommissionsvorschlags, der neben positiven Ansätzen in wichtigen Punkten verbesserungsbedürftig erscheint.I. Entwicklung und aktueller StandNachdem sich der naturwissenschaftliche Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Gehalt und der Erwärmung der Erdatmosphäre zunehmend verdichtet hatte1Siehe dazu: Brown, Europa-Archiv (EA) 1989, 231 ff.; EG-Kommission, Der Treibhauseffekt und die Gemeinschaft, betreffend das Arbeitsprogramm der Kommission zur Beurteilung der politischen Optionen zur Verringerung der mit dem »Treibhauseffekt« verbundenen Risiken, 1989 (KOM (89) 656/2 endg.); Enquête Kommission des 11. Deutschen Bundestages, Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre: Eine internationale Herausforderung, Zwischenbericht, 1989; Ghazi, EG-Magazin, 12/1990, 19 ff., beschloß die Bundesregierung, den CO2-Ausstoß von 1987 bis zum Jahr 2005 um mindestens 25% zu reduzieren2Vgl. Töpfer, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 22 vom 31. 5. 1992, 4.. Im Rahmen eines nationalen Kohlendioxid-Minderungsprogramms einigte sich die Regierungskoalition im Januar 1991 auch auf die Einführung einer Abgabe auf den Ausstoß von CO23FAZ, Nr. 12 vom 15. 1. 1991, 1. Bundesumweltminister Töpfer sollte bis zum Sommer 1991 einen Gesetzentwurf vorbereiten, wobei an eine Abgabe von ca. DM 10, - pro Tonne CO2 gedacht war.. Am 11. 12. 1991 wurde das Vorhaben wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf Beschäftigung und Wachstum in Deutschland jedoch wieder aufgegeben4FAZ, Nr. 289 vom 13. 12. 1991, 15. Zum Entwurf eines CO2-Abgabengesetzes siehe: Kloepfer/Thull, DVBl. 1992, 195 (197).. Statt dessen war die Bundesregierung fortan bestrebt, eine Steuer auf CO2-Emissionen und Energie im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft einzuführen5Meßerschmidt, Recht der Energiewirtschaft (RdE) 1992, 182 (183); Vorholz, Die Zeit, Nr. 22 vom 22. 5. 1992, 22.. Ausgangspunkt war der am 29. 10. 1990 gefaßte Beschluß des Ministerrats (Umwelt und Energie), bis zum Jahr 2000 die CO2-Emissionen der Gemeinschaft insgesamt auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren6Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu den Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf Umwelt- und Verbraucherschutz vom 22. 12. 1992, BT-Drucks. 12/403, 3 f.. Innerhalb des von der EG-Kommission am 25. 9. 1991 vorgelegten Maßnahmenkatalogs kam dem Einsatz wirtschaftlicher Anreize eine wichtige Stellung zu7Vgl. Bull. EG 9-1991, 37 f.; 5-1992, 46-49; Antwort der Bundesregierung (oben Fn. 6), a. a. O., 12. Ausführlich zur CO2-Strategie der Gemeinschaft: Pernice, RdE 1993, 45 (48, 52-54).. Rechtzeitig vor dem Umweltgipfel in Rio8Vom 3. - 14. 6. 1992 fand in Rio de Janeiro, Brasilien, die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) statt. Zu den Ergebnissen dieses »Erdgipfels« siehe: Hohmann, NVwZ 1993, 311 ff. m. w. N.; Witzsch, NJW 1993, 2161 f. legte die Kommission am 2. 6. 1992 den »Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Einführung einer Steuer auf Kohlendioxidemissionen und Energie« (RL-Entw.) vor9ABl. EG Nr. C 196/1 vom 3. 8. 1992. Dem waren hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Klimasteuer Kontroversen innerhalb der Kommission vorausgegangen. Während der damalige Umweltkommissar Carlo Ripa di Meana den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu gleichen Teilen belasten wollte, plädierte Frankreich wegen seines dichten Netzes an Kernkraftwerken dafür, nur ein Viertel der Steuer auf den Verbrauch von Energie entfallen zu lassen. Demgegenüber favorisierte der deutsche Kommisar Bangemann eine reine CO2-Steuer; vgl. Der Spiegel, Nr. 38 vom 16. 9. 1991, 16; Schiffer, Wirtschaftsdienst 1992, 362 (367)... Nach dem Vorschlag soll sich die Steuer je zur Hälfte aus einem Energie- und einem CO2-Anteil zusammensetzen. Aus Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie soll die Anwendung der Steuerregelung jedoch davon abhängig gemacht werden, daß andere Mitgliedstaaten der OECD ebenfalls Maßnahmen ergreifen, die zumindest in ihren finanziellen Auswirkungen der EG-Klimasteuer ver gleichbar sind. Auf dem anschließenden UN-Erdgipfel in Rio ließen die wichtigsten OECD-Mitglieder, USA und Japan, aber erkennen, der EG-Initiative vorläufig nicht folgen zu wollen, so daß der Rat den Richtlinien-Entwurf zunächst wieder von der Tagesordnung nahm10Vgl. FAZ, Nr. 191 vom 19. 8. 1993, 1 (2). Über etwaige Konsequenzen wurde kontrovers diskutiert. Während Bundesumweltminister Töpfer für einen europäischen Alleingang plädierte, forderte die SPD-Opposition im Verein mit Umweltverbänden eine Vorreiterrolle der Bundesrepublik ein, die bei der Einführung der Ökosteuer notfalls auch allein tätig werden müsse; Darmstädter Echo, Nr. 112 vom 14. 5. 1992, 2, und Darmstädter Echo, Nr. 113 vom 15. 5. 1992, 2. Hingegen protestierten Vertreter der europäischen Industrie gegen die Pläne der Kommission, weil damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nachhaltig geschwächt werde; EuZW 1992, 292, und zuletzt FAZ, Nr. 130 vom 8. 6. 1993, 15..Eine neue Situation trat mit dem Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten ein. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit erklärte die Clinton-Regierung ihre Absicht, eine umfassende Energiesteuer zum Abbau des Haushaltsdefizits und zur Förderung des Energiesparens auf den Weg bringen zu wollen11FAZ, Nr. 21 vom 26. 1. 1993, 11; Environment Watch Western Europe (EWWE), No. 8, 16. 4. 1993, 8. Allerdings ist von dem Vorhaben mittlerweile nur noch eine geringe Treibstoffsteuer übrig geblieben (FAZ, Nr. 138 vom 18. 6. 1993, 13, und Nr. 145 vom 26. 6. 1993, 11).. Daraufhin stimmten auch die EG-Umweltminister - bis auf den britischen Vertreter - am 23. 4. 1993 derEinführung einer Klimasteuer grundsätzlich zu12EWWE, No. 9, 7. 5. 1993, 10 f.; FAZ, Nr. 96 vom 26. 4. 1993, 2. Allerdings forderten Spanien und Portugal Ausnahmeregelungen für sich, um die Entwicklung ihrer Industrien nicht zu gefährden. Eine ähnliche Haltung nahmen auch Griechenland und Irland ein.. Zwar trug die britische Regierung eine Formulierung mit, derzufolge über die Einführung einer gemeinschaftlichen Klimasteuer so schnell als möglich entschieden werden solle, machte jedoch gleichzeitig deutlich, daß der vorliegende Kommissionsvorschlag ihrer Ansicht nach gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoße13FAZ, Nr. 95 vom 24. 4. 1993, 11.. Die Bemühungen fanden ihr vorläufiges Ende bei den Beratungen der EG-Finanzminister am 8. 6. 1993. Dort lehnte der britische Schatzkanzler die Gemeinschaftsinitiative ab, weil Umweltsteuern die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigten14FAZ, Nr. 131 vom 9. 6. 1993, 13.. Ob dies das letzte Wort in Sachen EG-Klimasteuer ist15So wohl die Einschätzung von Hort, FAZ, Nr. 153 vom 6. 7. 1993, 12. Bundeskanzler Kohl hat anläßlich der Eröffnung der 55. Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) am 9. 9. 1993 erklärt, daß er zwar grundsätzlich für die Einführung einer Energiesteuer eintrete, dies müsse aber im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und möglichst in Abstimmung mit den anderen Industrienationen erfolgen; FAZ, Nr. 210 vom 10. 9. 1993, 15. oder, ob sich die Akteure lediglich eine Verschnaufpause gönnen, ist derzeit völlig offen. Angesichts der weitreichenden Auswirkungen des Vorhabens lohnt es aber in jedem Fall, den vorliegenden Kommissionsentwurf einer näheren Betrachtung zu unterziehen.Im Zentrum der folgenden Ausführungen steht die kompetenzrechtliche Problematik. Dabei geht es zunächst um die Frage, ob die Gemeinschaft überhaupt für den Erlaß einer solchen Regelung zuständig ist und, ob die von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsgrundlagen tatsächlich einschlägig sind. In diesem Zusammenhang bedarf insbesondere der Klärung, ob die Richtlinie nicht möglicherweise auf eine Vorschrift zu stützen ist, nach der der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann, so daß das Veto Großbritanniens wirkungslos bliebe (II.). Anschließend folgt eine kürzer gehaltene inhaltliche Bewertung des Kommissionsvorschlags. Hier steht insbesondere die Frage im Vordergrund, wie eine solche Abgabe möglichst effizient ausgestaltet werden kann, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie spürbar zu beeinträchtigen (III.). Die Darstellung schließt mit einem Ausblick auf die künftige Entwicklung (IV.).II. Kompetenzfragen1. ProblemstellungNach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist die Gemeinschaft nur in den Materien zur Rechtssetzung befugt, in denen ihr auf der Ebene des EWG-Vertrages eine entsprechende Zuständigkeit verliehen ist (Art. 4 Abs. 1 EWGV)16Vgl. Beutler, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Gemeinschaft, 3. Aufl., 1987, 75; Bieber, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EWGV-Kommentar, 4. Aufl., 1991, Art. 4 Rn. 38 m. w. N.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1988, 238 ff.. Die Kommission hat vorgeschlagen, die Richtlinie zur Einführung einer kombinierten CO2-/Energiesteuer gemeinsam auf die beiden Vertragsartikel 99 und 130 s zu stützen17ABl. EG Nr. C 196/1 vom 3. 8. 1992.. Während die erstgenannte Bestimmung die Gemeinschaft zur Angleichung nationaler indirekter Steuern ermächtigt, gewährt ihr Artikel 130 s EWGV die Befugnis zum Erlaß umweltschützender Regelungen18Nach anfänglichen Irritationen gehen mittlerweile sowohl Rat und Kommission als auch der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß Art. 130 s EWGV und nicht Art. 130 r EWGV die Kompetenznorm des Vertragstitels »Umwelt« bildet; Schröer, EuR 1991, 356 (358) m. w. N. zu dieser Problematik.. Hinsichtlich des anzuwendenden Rechtssetzungsverfahrens entsprechen die beiden Vorschriften einander. Es ist jeweils eine einstimmige Beschlußfassung durch den Rat aufgrund eines Vorschlags der Kommission notwendig; das Europäische Parlament muß lediglich angehört werden19Auf die in Art. 130 s Uabs. 2 EWGV statuierte Ausnahmemöglichkeit des Erlasses umweltschützender Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil dies in jedem Fall einen einstimmigen Ratbeschluß nach Art. 130 s Uabs. 1 EWGV voraussetzt, der für den Bereich öko-fiskalischer Maßnahmen gerade nicht vorliegt. In der Praxis hat dieses Procedere bislang keine Relevanz erlangt.. Sollte die von der Kommission vorgeschlagene kompetenzielle Doppelabstützung auf Art. 99, 130 s EWGV somit zutreffend sein, käme Großbritannien in der Tat ein Vetorecht zu, d. h. das Vereinigte Königreich könnte die gemeinschaftsweite Einführung der Klimasteuer blockieren. Damit wäre in der EG-Umweltpolitik wieder der Zustand vor Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) erreicht, als jeweils der Langsamste das Tempo vorgab (sog. Geleitzug-System)20Ausdruck bei Zuleeg, NVwZ 1987, 280 (283). Zwar betreibt die Gemeinschaft schon seit 1972 eine eigenständige Umweltpolitik, mangels ausdrücklicher Kompetenzen wurden entsprechende Maßnahmen bis zur Einfügung der EEA im Jahr 1987 zumeist auf die Art. 100 und/oder 235 EWGV gestützt, die ebenfalls eine einstimmige Ratsentscheidung vorsehen. Ausführlich dazu: Behrens, Rechtsgrundlagen der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaften, 1976; Offermann-Clas, ZfU 1983, 47 (49-55); Hochleitner, Die Kompetenzen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes, 1990, 14-60..Dies könnte vermieden werden, wenn die Richtlinie auf Art. 100 a EWGV gestützt werden könnte, der für die Harmonisierung binnenmarktbezogener Rechtsvorschriften einschlägig ist. Nach Art. 100 a Abs. 1 Satz 2 EWGV kann der Rat solche Maßnahmen nämlich mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Da Großbritannien nach Art. 148 Abs. 2 EWGV lediglich über 10 der insgesamt 76 Stimmen im Rat verfügt, eine qualifizierte Mehrheit aber bereits bei 54 Stimmen erreicht ist, könnte die Richtlinie in diesem Fall auch gegen den Widerstand des Vereinigten Königreichs erlassen werden. Damit stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Wahl der Rechtsgrundlage zu erfolgen hat.2. Bestimmung der Rechtsgrundlagea) Grundsätze der EuGH-RechtsprechungDer Gerichtshof ermittelt die einschlägige Kompetenznorm in ständiger Rechtsprechung nach dem Ziel und Inhalt der gemeinschaftlichen Regelung, sofern die tatbestandlich in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen nicht in einem methodischen Konkurrenzverhältnis, wie etwa dem der Spezialität oder Subsidiarität, stehen21Grundlegend: EuGH, Urt. vom 26. 3. 1987 - Rs. 45/86, Kommission ./. Rat, Slg. 1987, 1493 (1520); zuletzt bestätigt in EuGH, Urt. vom 17. 3. 1993 - Rs. C-155/91, Kommission ./. Rat, Tz. 7, noch nicht in Slg., EuZW 1993, 290 (291) = DVBl. 1993, 777 f. = NVwZ 1993, 872 ff. Andere Interpretationen der EuGH-Judikatur bei Breier, EuZW 1993, 315 (316, Fn. 6).. Zur Ermittlung des Regelungsschwerpunktes stellt der EuGH im wesentlichen auf die Begründungserwägungen sowie die normativen Einzelregelungen eines Rechtsaktes ab. Entweder ist die Maßnahme dann auf eine einzelne Ermächtigung zu stützen, oder es kommen - falls zwei Regelungszwecke gleich intensiv verfolgt werden - doppelte Rechtsgrundlagen zur Anwendung22EuGH, Urt. vom 27. 9. 1988-Rs. 165/87, Kommission ./. Rat, Slg. 1988, 5545 (5561); EuGH, Urt. vom 11. 6. 1991-Rs. C-300/89, Kommission ./. Rat, Slg. 1991, I-2867 (I-2900); allgemein dazu: Schröer, EuZW 1992, 207 (208 f.)..b) Ziel und Inhalt des KommissionsentwurfsZiel der Klimasteuer-Richtlinie ist die Begrenzung der Emission von Treibhausgasen, die Förderung eines rationellen Umgangs mit Energie sowie die Bevorzugung umweltfreundlicher Energiequellen (6., 9. und 13. Begründungserwägung). Dazu sollen die Mitgliedstaaten zugunsten ihrer Staatskasse eine Steuer auf alle als Brennstoff verwendeten Energieträger, jedoch mit Ausnahme von Holz und Biomasse, sowie aus Kernbrennstoffen oder Wasserkraftwerken über zehn Megawatt (MW) gewonnene Energie erheben (Art 3, 17. Begründungserwägung). Steuertatbestand ist die Gewinnung der genannten Energieträger bzw. die Herstellung von Energie innerhalb des in Art. 2 RL-Entw. genannten Gebietes; gleichgestellt ist die Einfuhr in die Gemeinschaft (Art. 3 Abs. 1 RL-Entw.). Erhoben wird die Steuer beim Hersteller oder Importeur, der die Stoffe oder Elektrizität für den Verbraucher auf den Markt bringt (Art. 5, 6 RL-Entw.). Die Steuer wird zur einen Hälfte in Abhängigkeit von den CO2-Emissionen der betreffenden Energieträger (ausgedrückt in Tonnen) und zur anderen Hälfte nach ihrem Wärmewert (ausgedrückt in Gigajoule) bemessen (Art. 8 RL-Entw.). Bei Festlegung der Steuersätze ist die Kommission zunächst von einem moderaten Niveau ausgegangen, das in der Folgezeit bis zum Jahr 2000 jährlich angehoben werden soll. Der Basissteuersatz wurde für fossile Energieträger auf 2,81 ECU pro Tonne freigesetztes CO2 und 0,21 ECU pro Gigajoule erzeugte Energie festgesetzt (Art. 9 RL-Entw.)23Siehe im einzelnen die in EuZW 1992, 394, enthaltene Übersicht über die konkreten Ausgangssteuerbeträge..c) Tatbestandlich einschlägige RechtsgrundlagenTatbestandlich kommt zunächst eine Abstützung auf Art. 99 EWGV in Betracht, da die Klimasteuer nach dem Kommissionsvorschlag als indirekte Steuer ausgestaltet ist. Keine Probleme bereitet mittlerweile mehr, daß Art. 99 EWGV eine Harmonisierungskompetenz darstellt. Während bei Bekanntwerden der Kommissionspläne zur Einführung einer solchen Steuer24Mitteilung der Kommission an den Rat vom 14. 10. 1991: Eine Gemeinschaftsstrategie für weniger Kohlendioxidemissionen und mehr Energieeffizienz, SEK (92) 1744 endg. diskutiert wurde, ob auch die rechtsschöpferische Einführung einer bislang unbekannten Klimasteuer auf der Grundlage von Art. 99 EWGV möglich ist25Hilf, NVwZ 1992, 105 (108); Schröder, Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auf dem Gebiet der Umweltabgaben, in: Kirchhof (Hrsg.), Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, DStJG, Bd. 15, 1992, 87 (94). Siehe auch: Palme, Nationale Umweltpolitik in der EG, Zur Rolle des Art. 100 a IV im Rahmen einer Europäischen Umweltgemeinschaft, 1992, 72., hat sich diese Streitfrage mit der Einführung entsprechender Abgaben in Dänemark26Dänemark hat eine CO2-Steuer eingeführt, nach der etwa die Tonne Dieselöl mit 149 DKr belastet wird. Dies entspricht z. Z. ca. DM 38,89; siehe dazu: Pernice (Fn. 7), 54, dort auch Fn. 95. und den Niederlanden27Die Niederlande erheben seit 1. 7. 1992 eine in der Höhe moderate Energiesteuer. Vorläufer war eine erstmals zum 1. 4. 1988 in Kraft getretene und zwischenzeitlich mehrfach geänderte Sonderabgabe auf den Verbrauch von Energie. Siehe im einzelnen, insbesondere zu den Steuersätzen: Dutch Ministry of Housing, Physical Planning and Environment, The Netherland's Environmental Tax on Fuels, Questions and Answers, 1992. erledigt. Seit längerem ist nämlich zur parallelen Problematik bei Art. 100 EWGV anerkannt, daß eine gemeinschaftliche Kompetenz zur »Angleichung« nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften jedenfalls schon dann gegeben ist, wenn auch nur ein Mitgliedstaat über eine in sich geschlossene Regelung verfügt28Taschner, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Fn. 16), Art. 100 Rn. 26; Eiden, Die Rechtsangleichung gemäß Art. 100 EWG-Vertrag, 1984, 18. In diesem Zusammenhang ist es müßig, näher auf die Frage einzugehen, ob die reine CO2-Steuer Dänemarks bzw. die Energiesteuer der Niederlande im Vergleich zur geplanten kombinierten CO2-/Energiesteuer der EG eine solche in sich geschlossene Regelung darstellt, weil die Inanspruchnahme einer gemeinschaftlichen Harmonisierungskompetenz sogar noch nicht einmal das Bestehen einer rechtlichen Regelung in zumindest einem Mitgliedstaat voraussetzt. Die Erfordernisse des Marktes können nämlich auch neue Lösungen notwendig machen, die noch kein Mitgliedstaat beschritten hat; vgl. Langeheine, in: Grabitz (Hrsg.), EWGV-Kommentar, Art. 100 Rn. 13; Taschner, a. a. O., Art. 100 Rn. 27 jeweils m. w. N.. Für die Befugnis zur Harmonisierung indirekter Steuern nach Art. 99 EWGV kann insoweit nichts anderes gelten, da die Begriffe »Angleichung« und »Harmonisierung« dieselbe Gemeinschaftsaufgabe umschreiben (Art. 3 lit. h, 8a EWGV) und somit synonyme Bedeutung besitzen29Taschner, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Fn. 16), Art. 100 Rn. 1; Langeheine, in: Grabitz (Fn. 28), Art. 100 Rn. 8, jeweils m. w. N..Ferner bedarf der Klärung, ob es sich bei der von der Kommission vorgesehenen CO2-/Energiesteuer tatsächlich um eine indirekte Steuer im rechtstechnischen Sinne oder nicht doch um eine Sonderabgabe handelt. Dieser Einteilung kommt erhebliche praktische Bedeutung zu: Während der Rat steuerliche Maßnahmen immer nur einstimmig beschließen kann30Für die Verbrauchs- und alle anderen indirekten Steuern ergibt sich dies aus Art. 99 EWGV, für direkte Steuern ist der Anwendungsbereich von Art. 100 EWGV eröffnet, der ebenfalls eine einstimmige Beschlußfassung vorsieht, siehe dazu: Schröer (Fn. 18), 365., ist die Einführung einer Sonderabgabe mit qualifizierter Mehrheit auf Grundlage von Art. 100 a Abs. 1 EWGV möglich. Nach überzeugender Ansicht wird dieser Abgabetypus nämlich nicht von der in Art. 100 a Abs. 2 EWGV statuierten Bereichsausnahme erfaßt31Ausführliche Begründung bei: Hilf (Fn. 25), 107 f.. Folge einer Anwendung der Binnenmarktkompetenz wäre sowohl eine Stärkung der Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments32Während im Rahmen von Art. 99 EWGV das Parlament lediglich anzuhören ist, schreibt Art. 100 a Abs. 1 Satz 2 EWGV das Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 149 Abs. 2 EWGV vor, das es dem Parlament ermöglicht, sich aktiver an der inhaltlichen Formulierung einer Richtlinie zu beteiligen; vgl. EuGH, Urt. vom 11. 6. 1991 - Rs. C-300/89, Kommission ./. Rat, Slg. 1991, I-2876 (I-2900). als auch eine Erweiterung des Spielraums für nationale Alleingänge33Im Gegensatz zu Art. 99 EWGV, der den Mitgliedstaaten keinerlei Möglichkeiten bietet, eine einmal getroffene gemeinschaftliche Regelung nicht anzuwenden, enthält Art. 100 a Abs. 4 EWGV eine ausdrückliche »escape-Klausel«..Nach deutscher Dogmatik verbindet Steuern und Sonderabgaben zunächst das gemeinsame Element, den Betroffenen Geldleistungspflichten aufzuerlegen, ohne daß dem Gegenleistungen der öffentlichen Hand gegenüberstehen34BVerfGE 67, 256 (274 f.); BVerfG, NVwZ 1991, 52 (53).. Auf dieser Grundlage bemißt sich die rechtliche Einordnung vor allem nach der Verwendung der Erträge. Während mit Steuereinnahmen die allgemeinen Staatsaufgaben finanziert werden, dürfen die Erträge aus einer Sonderabgabe nur zur Finanzierung bestimmter sachlicher Ziele eingesetzt werden, die über die Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts hinausgehen35BVerfG, NVwZ 1991, 53 (54).. Es ist davon auszugehen, daß diese im deutschen Recht entwickelte Klassifizierung auf Gemeinschaftsebene ebenfalls gilt36Vgl. Grabitz/Zacker, CMLRev 1989, 423 (442); Krämer, EuGRZ 1989, 353 (359); Schröder (Fn. 25), 98 f..Der Richtlinien-Entwurf der Kommission räumt den Mitgliedstaaten zwar in Art. 1 Abs. 2 Uabs. 1 das Recht ein, die Steuer zu ihren Gunsten zu erheben, enthält aber keine Regelung über die konkrete Verwendung der durch die Klimasteuer erzielten Gelder. Ein ausschließlich zweckgebundener Einsatz, etwa im Bereich des Umweltschutzes, ist somit nicht vorgesehen. Vielmehr ergibt sich aus der 16. Begründungserwägung, daß mit den Erträgen die allgemeinen Haushalte der Mitgliedstaaten finanziert werden können37Vgl. Schröder (Fn. 25), 92; FAZ, Nr. 225 vom 27. 9. 1991, 16.. Damit ist die geplante CO2-/Energiesteuer tat-sächlich als echte Steuer und nicht als Sonderabgabe (Lenkungsabgabe) zu qualifizieren. Die Richtlinie kann im Rat somit nicht mit qualifiziertem Mehrheitsbeschluß auf der Grundlage von Art. 100 a Abs. 1 EWGV verabschiedet werden, weil die Voraussetzungen der Bereichsausnahme nach Abs. 2 der Bestimmung gegeben sind.d) Probleme der Abstützung auf Art. 130 s EWGVIst somit am Erfordernis einer einstimmigen Beschlußfassung wegen der Anwendbarkeit von Art. 99 EWGV nicht zu rütteln, stellt sich schließlich die Frage, ob die Kommission zu Recht zusätzlich Art. 130 s EWGV als Rechtsgrundlage angeführt hat. Obwohl die Bestimmung sich weder im Beschlußmodus38Vgl. Anmerkung zu Fn. 19. noch hinsichtlich der Beteiligungsrechte des Parlaments von dem Verfahren nach Art. 99 EWGV unterscheidet, hat die zusätzliche Heranziehung von Art. 130 s EWGV doch auch praktische Auswirkungen zur Folge. Zum einen steht die gemeinschaftliche Kompetenz nach dem vertraglichen Umwelttitel unter dem Vorbehalt der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV). Zum anderen ist den Mitgliedstaaten nach Art. 130 t EWGV die Möglichkeit eröffnet, über den gemeinschaftlichen Rahmen hinaus, strengere Regelungen anzuwenden39Ausführlich zu Art. 130 t EWGV; Schröer, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, 1992, 218 - 225 m. w. N. Allgemein zu den gemeinschaftsrechtlich bedingten Einschränkungen nationaler Handlungsmöglichkeiten im Bereich der Umweltabgaben: Seidel, NVwZ 1993, 105 ff.; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht - Zu den Grenzen nationaler Handlungsspielräume bei der Erhebung von Umweltabgaben, im Erscheinen.. Da jedoch Art. 9 lit. c) RL-Entw. den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, im nationalen Rahmen höhere Steuersätze anzuwenden, bedarf im folgenden nur der Aspekt der Subsidiarität näherer Betrachtung.In tatbestandlicher Hinsicht ist die Anwendbarkeit des vertraglichen Umwelttitels ohne weiteres gegeben, weil die Richtlinie in Umsetzung des Verursacherprinzips (Art. 130 r Abs. 2 Satz 1 EWGV) unmittelbar auf »eine umsichtige und rationale Verwendung der natürlichen Ressourcen« zielt (Art. 130 r Abs. 1 Spiegelstrich (Spstr.) 3 EWGV), so daß grundsätzlich eine gemeinschaftliche Kompetenz nach Art. 130 s EWGV besteht. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die beabsichtigte Reduktion freigesetzter Treibhausgase durch ein Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene besser erreicht werden kann als durch ein isoliertes Vorgehen der einzelnen Mitgliedstaaten (Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV). In dieser Frage haben sich die Vertreter Großbritanniens im Ministerrat bisher immer darauf berufen, daß die Einführung von Ökosteuern gerade kein abgestimmtes gemeinsames Vorgehen der zwölf EG-Staaten erfordere40FAZ, Nr. 95 vom 24. 4. 1993, 11..Wenn auch Bedeutung und die kompetenziellen Auswirkungen von Art. 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV in der europarechtlichen Literatur noch lange nach Inkrafttreten der EEA heftig umstritten waren, ist mittlerweile - auch politisch - weitgehend anerkannt, daß die Gemeinschaft jedenfalls immer dann zuständig ist, wenn eine von ihren Organen vorzunehmende Prognose ergibt, daß ein gemeinschaftliches Vorgehen geeignet ist, die in Art. 130 r Abs. 1 EWGV genannten Ziele effektiver zu verwirklichen als ein isoliertes Tätigwerden der Mitgliedstaaten41Ausführlich zum Streitstand: Schröer (Fn. 39), 71 - 96 mit umfangreichen Nachweisen.. Um dem Gerichtshof die Möglichkeit der Rechtskontrolle zu eröffnen, hat der Rat als zuständiges Entscheidungsorgan die für die Annahme einer Gemeinschaftskompetenz wesentlichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen, die ihn zum Erlaß der Maßnahme bewegt haben, im Rahmen der nach Art. 190 EWGV notwendigen Begründung des Rechtsaktes nachvollziehbar darzulegen42Ähnlich zur Begründungspflicht bei Erlaß umweltrechtlicher Rechtsakte: Salzwedel, Möglichkeiten rationaler europäischer Umweltpolitik, in: Knoche (Hrsg.), Wege zur europäischen Rechtsgemeinschaft, 1987, 63 (77); Wolf, Kritische Justiz 1990, 112 (125)..Diesen Anforderungen wird der vorliegenden Kommissionsentwurf gerecht. Die 8. Begründungserwägung enthält den zutreffenden Hinweis, daß die globale Dimension des Treibhauseffektes offensichtlich ist43Ebenso: Pernice (Fn. 7), 49.. Um die fortschreitende Erwärmung der Erdatmosphäre durch die ungebremste Freisetzung vor allem von CO2 zu bremsen, wurde bereits im 4. umweltpolitischen Aktionsprogramm der Wille bekundet, neben dem ordnungsrechtlichen Instrumentarium auch ökonomische Mechanismen zum Schutz der Umwelt einzusetzen44ABl. EG 1987 Nr. C 328/4.. Dieses Postulat wird im Hinblick auf die Einführung ökofiskalischer Maßnahmen im neuen 5. Aktionsprogramm weiter konkretisiert45KOM (92) 23 endg. vom 30. 3. 1992, ABl. EG 1992 Nr. C 287/27; vgl. auch Wägenbaur, EuZW 1993, 241 (242 f.).. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung der Kommisssion nicht zu beanstanden, daß allein mit verschiedenen, auf freiwilliger Basis im nationalen Rahmen durchgeführten Energiesparmaßnahmen - wie von der britischen Regierung vorgeschlagen46EWWE, No. 10, 21. 5. 1993, 8 f. - die angestrebte Stabilisierung der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 aller Voraussicht nach nicht zu erreichen ist. Ferner zeigt sich die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Regelung auch an dem Umstand, daß aus Wettbewerbsgründen - außer Dänemark und den Niederlanden - bisher kein anderer Mitgliedstaat bereit war, eine solche Steuer im Alleingang einzuführen47Die Bundesregierung hat zuletzt im Frühjahr 1993 einem nationalen Alleingang Deutschlands nochmals ausdrücklich eine Absage erteilt; FAZ, Nr. 94 vom 23. 4. 1993, 17..Schließlich steht einer Abstützung der Klimasteuer-Richtlinie auf eine Kompetenz nach dem vertraglichen Umwelttitel auch nicht entgegen, daß die Mitgliedstaaten bei Verabschiedung der EEA in einer Zusatzerklärung zu Art. 130 r EWGV festgestellt haben, »daß die Tätigkeit der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes sich nicht störend auf die einzelstaatliche Politik der Nutzung der Energieressourcen auswirken darf«. Wegen der Konkretheit der Erklärung ist daraus in der Literatur zwar teilweise ein Vorrang nationaler Energiepolitik vor der gemeinschaftlichen Umweltpolitik abgeleitet worden48Grabitz, in: Grabitz (Fn. 28), Art. 130 s, Rn. 21; Nicolaysen, Umweltschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, 197 (206). - diese Auffassung billigt der Erklärung aber eine unangemessen weitreichende Bedeutung zu. Die Äußerung ist in der Schlußakte enthalten, die nach Art. 31, 33 EEA kein Bestandteil der Einheitlichen Akte selbst ist und auch nicht ratifiziert wurde. Es wäre daher geradezu widersinnig, wenn durch eine außerhalb des Vertragstextes stehende und demokratisch nicht legitimierte Zusatzerklärung der Bestimmung des Art. 130 r Abs. 1 Spstr. 3 EWGV in erheblichem Maße die praktische Wirksamkeit genommen würde, indem das weite Feld der Nutzung von Energieressourcen insgesamt aus der Anwendung des Umweltkapitels herausgenommen wird. Bei der Auslegung geltenden Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Bestimmung des Umfangs vertraglicher Kompetenznormen, ist der sog. Energievorbehalt daher unbeachtlich49Schröer (Fn. 39), 88 f.; Toth, CMLRev 1986, 803 (806)..e) Inanspruchnahme doppelter RechtsgrundlagenIm Ergebnis sind somit sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abstützung auf Art. 99 EWGV als auchauf Art. 130 s EWGV gegeben. Es stellt sich daher die Frage, ob die Kommission zu Recht die gemeinsame Heranziehung beider Vorschriften vorgeschlagen hat. Die Verwendung doppelter Rechtsgrundlagen ist dann geboten, wenn die betreffenden Sachkompetenzen nach allgemeinen methodischen Grundsätzen (z. B. Spezialität und Subsidiarität) nebeneinander anwendbar sind und die Wahl zweier Rechtsgrundlagen durch objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gerechtfertigt ist50Vgl. EuGH, Urt. vom 27. 9. 1988 - Rs. 165/87, Kommission . / . Rat, Slg. 1988, 5545 (5561); ausführlich dazu: Schröer (Fn. 39), 145 - 149. Restriktiver: Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, Eine Untersuchung zur Rechtsidee des »bestmöglichen Umweltschutzes« im EWG-Vertrag, 1993, 302 f., für den eine Doppelabstützung nur »ultima ratio« ist.. Gerade im Verhältnis der funktional, also auf den Zweck der Rechtsangleichung ausgerichteten Kompetenznormen (vor allem Art. 99, 100, 100 a EWGV) zu den sachgebundenen Kompetenzen nach dem Vertragstitel »Umwelt« hatte es nach dem vielbeachteten Titandioxid-Urteil des EuGH51Urt. vom 11. 6. 1991-Rs. C-300/89, Kommission . / . Rat, Slg. 1991, I-2867 ff.; Besprechungen von: Epiney, JZ 1992, 564 ff.; Everling, EuR 1991, 179 ff.; Jarass, EuZW 1991, 530 ff.; Kahl (Fn. 50), 279 - 283; Schröer (Fn. 18), a. a. O.; Somsen, CMLRev 1992, 140 ff. den Anschein, daß Art. 130 s EWGV - zumindest gegenüber Art. 100 a EWGV - schon dann zurücktritt, wenn der Rechtsakt einen auch nur marginalen Bezug zum Binnenmarkt aufweist52Vgl. Everling, NVwZ 1993, 209 (211). Nach Breier (Fn. 21), 317, ist Art. 130 s EWGV subsidiär gegenüber anderen Ermächtigungen, während Grabitz, RIW 1989, 623 (636), davon ausgeht, daß Art. 99 EWGV bei der Harmonisierung indirekter Umweltabgaben spezieller als Art. 130 s EWGV ist. Demgegenüber ist nach der sog. »Bilanzierungstheorie« von Kahl (Fn. 50), 283 ff. (298), Art. 130 s EWGV gegenüber Art. 99 EWGV vorzuziehen, weil nach Art. 130 s Uabs. 2 EWGV die zumindest theoretische Möglichkeit zur Mehrheitsabstimmung im Rat besteht, während auf die Grundlage von Art. 99 EWGV ausnahmslos eine einstimmige Beschlußfassung erforderlich ist. Allein aus diesem, in der Praxis bedeutungslosen Unterschied (siehe Anmerkung zu Fn. 19) einen generellen Vorrang von Art. 130 s EWGV herleiten zu wollen, erscheint jedoch zu schematisch gedacht und im übrigen auch nicht geeignet - entgegen dem ausdrücklich postulierten Anliegen (285 f.) -, eine Steigerung der Schutzintensität gemeinschaftlicher Umweltrechtsakte zu bewirken.. Da der Gerichtshof dies im wesentlichen mit dem demokratischeren Gesetzgebungsverfahren bei Art. 100 a EWGV begründet hatte, hätte sich hier die Frage der Übertragbarkeit dieser Argumentation im Verhältnis von Art. 99 EWGV zu Art. 130 s EWGV gestellt. Sie wäre wohl zu verneinen gewesen, weil sowohl bei der Harmonisierung des Steuerrechts als auch bei der Umweltgesetzgebung das Parlament nur angehört wird, während im Anwendungsbereich von Art. 100 a EWGV das eher demokratischen Erfordernissen genügende Kooperationsverfahren stattfindet. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Gerichtshof in den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen in den Rs. C-70/8853Urteil vom 4. 10. 1991, Parlament . / . Rat, Slg. 1991, I-4529. und C-155/9154Urt. vom 17. 3. 1993, Kommission . / . Rat, EuZW 1993, 315. Siehe dazu auch die Besprechung von Middeke, DVBl. 1993, 769 ff. (777), der in der Entscheidung aber weder einen »Bruch« zum Titandioxid-Urteil noch eine »Neuorientierung« der Rechtsprechung des EuGH sieht. Zutreffende Einschätzung hingegen bei: von Wilmowsky, CMLRev 1993, 541 (563 f.). nicht mehr auf das materielle Kriterium des Demokratieprinzips abgestellt hat. Statt dessen hat er die vorstehend genannten allgemeinen Kriterien zur Wahl der Rechtsgrundlage bekräftigt und nunmehr dahingehend konkretisiert, daß - ungeachtet des jeweiligen Rechtssetzungsverfahrens - der Rückgriff auf binnenmarktbezogene Harmonisierungskompetenzen jedenfalls dann verwehrt ist, wenn die Angleichung der Marktbedingungen nur einen Nebeneffekt der Maßnahme darstellt55EuGH (Fn. 54), 291, Tz. 19. Insgesamt zur Judikatur des EuGH in diesem Kompetenznormenkonflikt: Zuleeg, NJW 1993, 31 (32 f.)..Im Hinblick auf die Klimasteuer-Richtlinie bedeutet dies, daß keine der beiden tatbestandlich einschlägigen Rechtsgrundlagen als solche der anderen vorgeht, so daß ausschließlich auf den Regelungsschwerpunkt der Maßnahme abzustellen ist (Intensitäts-Kriterium oder frz. centre de gravité)56Entwickelt von: Ehlermann, Grenzen der gemeinsamen Agrarpolitik, in: Agrarrecht der EWG, Kölner Schriften zum Europarecht (KSE), Bd. 10, 1969, 57 (94 - 98). Aktuelle Zusammenfassung des Streitstandes zur Wahl der Rechtsgrundlage bei Middeke (Fn. 54), 774 - 776 mit umfangreichen Nachweisen.. Danach dienen die drei Hauptzwecke der Richtlinie, nämlich die Begrenzung der Emission von Treibhausgasen, die Förderung eines rationellen Umgangs mit Energie und die Bevorzugung umweltverträglicher Energiequellen, zwar ökologischen Interessen, andererseits werden diese Ziele in einer Weise verfolgt, die Wettbewerbsverzerrungen sowohl innerhalb der Gemeinschaft57Vgl. 3. Begründungserwägung. als auch im Verhältnis zu Drittstaaten58Vgl. 10. Begründungserwägung. vorbeugen sollen. Die Richtlinie dient somit untrennbar und in gleicher Intensität sowohl dem Interesse des Umweltschutzes als auch der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt. Die Kommission hat daher zu Recht eine gemeinsame Abstützung auf Art. 99 und 130 s EWGV vorgeschlagen. Da beide Vorschriften unisono eine einstimmige Beschlußfassung im Rat vorsehen, kann die Richtlinie in der Tat jedenfalls so lange nicht verabschiedet werden, als Großbritannien seine ablehnende Haltung aufrecht erhält.f) Keine Änderung en durch Maastricht-VertragAn diesem Zustand wird sich im Ergebnis auch durch das Inkrafttreten des Unionsvertrages von Maastricht - EG-Vertrag (EGV) - nichts ändern59Vgl. Hilf (Fn. 25), 110.. Zum einen wurde Art. 99 EWGV in den hier relevanten Punkten der Beschlußfassung im Rat und der Beteiligung des Parlaments unverändert in den EG-Vertrag übernommen. Zum anderen wird im Rahmen von Art. 130 s Abs. 1 EGV durch den Verweis auf Art. 189 c EGV zwar klargestellt, daß Rechtsakte, die ihre Grundlage im Vertragstitel »Umwelt« haben, künftig grundsätzlich im Kooperationsverfahren mit qualifizierter Mehrheit erlassen werden können60Wiegand, DVBl. 1993, 533 (535).. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für den Erlaß steuerlicher Vorschriften (Art. 130 s Abs. 2 Spstr. 1 EGV). Sie sind auch weiterhin - entsprechend dem Verfahren des Art. 99 EWGV - nach Anhörung des Parlaments im Wege eines einstimmigen Ratsbeschlusses zu verabschieden. Schließlich wird im neuen Vertragstitel »Umwelt« zwar die ausdrückliche Verankerung des Subsidiaritätsprinzips entfallen, inhaltliche Änderungen der Kompetenzverteilung im Umweltrecht gehen damit jedoch nicht einher, denn künftig schreibt Art. 3 b Uabs. 2 EGV die generelle Geltung dieses Prinzips in allen nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallenden Bereichen fest61Vgl. Wiegand (Fn. 60), 541 f.; Epiney/Furrer, EuR 1992, 369 (374); von Borries, Gedanken zur Tragweite des Subsidiaritätsprinzips im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: Everling/Narjes/Sedemund (Hrsg.), Festschrift für Arved Deringer, 1993, 22 (25); Schlußfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs in Edinburgh am 11. und 12. 12. 1992, auszugsweise abgedruckt in: EA 1993, D2 ff. (D3, D7 - D14).. Hierzu gehören sowohl das Steuer- als auch das Umweltrecht62Schröer (Fn. 39), 33 - 37..Insgesamt wollten die Mitgliedstaaten auf dem sensiblen und von vielerlei Akzeptanzproblemen gekennzeichneten Gebiet des Steuerrechts also nach wie vor nicht auf einen durch das Vetorecht wirksam abgesicherten Schutz ihrer Souveränität verzichten63Epiney/Furrer (Fn. 61), 395; Schröder (Fn. 25), 97..III. Materielle Bewertung des KommissionsvorschlagsDer Kommissionsvorschlag zur Einführung einer Klimasteuer stellt in vielerlei Hinsicht einen Kompromiß dar, auf den sich die 17 Kommissare erst nach monatelangen kontroversen Diskussionen einigen konnten64Der Spiegel, Nr. 38 vom 16. 9. 1991, 16.. Wie in vielen solcher Fälle üblich, enthält der Entwurf sowohl positive, sachlich überzeugende Elemente als auch solche, gegen die Bedenken anzumelden sind.1. Überzeugende ElementeAuf der Habenseite ist zunächst zu verbuchen, daß die Gemeinschaft damit einen ersten Schritt zum Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente im Bereich des Umweltschutzes getan hat65Die bereits seit längerem den Mitgliedstaaten im Wege des Sekundärrechts eingeräumten Möglichkeiten, eine Umweltausgleichsabgabe auf Altöle und giftige bzw. gefährliche Abfälle zu erheben (siehe dazu im einzelnen: Hilf (Fn. 25), 106), können hier wegen der geringen praktischen Relevanz unbeachtet bleiben.. Über 20 Jahre EG-Umweltpolitik haben gezeigt, daß die komplexen Herausforderungen auf diesem Gebiet allein mit ordnungsrechtlichen Mitteln nicht zu bewältigen sind66Breuer, DVBl. 1992, 485 (486).. Angesichts des fast schon sprichwörtlichen Vollzugsdefizits bei Anwendung des gemeinschaftlichen Umweltrechts67Vgl. z. B. Pernice, NVwZ 1990, 414 (422 - 426 m. w. N.)., das wegen durchgängig schlechter Haushaltslagen in allen Mitgliedstaaten auf absehbare Zeit kaum geringer, sondern tendenziell eher größer werden dürfte, kommt der mittelbaren Verhaltenssteuerung über ökonomische Anreize eine zunehmend wichtiger werdende Ergänzungs- und Optimierungsfunktion zu68Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 4 Rn. 149 m. w. N. Positiv zum Einsatz öffentlicher Abgaben zum Zwecke des Umweltschutzes auf Gemeinschaftsebene auch: Scheuing, Die Einheitliche Europäische Akte als Grundlage umweltrechtlicher Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft, in: Behrens/Koch (Hrsg.), Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1991, 46 (69).. Gerade auf der Ebene des EG-Rechts sind Umweltabgaben in doppelter Hinsicht ein vertragskonformeres Mittel als ordnungsrechtliche Ge- und Verbote: Zum einen werden durch die Besteuerung von Energieträgern zumindest auch - in Umsetzung des Verursacherprinzips (Art. 130 r Abs. 2 Satz 1 EWGV) - die für eine Umweltbelastung Verantwortlichen in Anspruch genommen69Schröder (Fn. 25), 99; Krämer (Fn. 36), 359.. Zum zweiten fügen sich Umweltabgaben wesentlich besser in die marktwirtschaftliche Konzeption des EWG-Vertrages70Zuleeg, Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaften, in: Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme der Europäischen Gemeinschaften, 1978, 73 (76); Oppermann, Europäische Wirtschaftsverfassung nach der EEA, in: Müller-Graff/Zuleeg (Hrsg.), Staat und Wirtschaft in der EG, 1987, 53 (56 f., 69). ein als starre Auflagen71Michaelis, CO2 - eine neue Dimension der Energiepolitik, in: Leßmann/Großfeld/Vollmer (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes zum 65. Geburtstag, 1989, 121 (127); Stelzer, in: Umwelt und Technik, Verlagsbeilage zur FAZ, Nr. 215 vom 15. 9. 1992, B5.. Sollte sich auf diese Weise der erwartete Effekt einstellen, ist langfristig sogar ein Abbau des kaum noch überschaubaren, geschweige denn kontrollierbaren Bestandes umweltrechtlicher Regelungen denkbar72Von Weizsäcker, Der Spiegel, Nr. 34 vom 22. 8. 1988, 86 (87)..Zuzustimmen ist der Kommission zweitens auch bei Wahl der Abgabeform. Der Einsatz einer Umweltsteuer ist gegenüber demjenigen einer Sonderabgabe vorzugswürdig, weil die Verwendung des Abgabeaufkommens nicht zweckgebunden ist, so daß die Mitgliedstaaten in den Stand gesetzt werden, die gesamten zusätzlichen Einnahmen an die Wirtschaft zurückzugeben73Vgl. Kloepfer/Thull (Fn. 4), 204; von Weizsäcker, Umweltpolitik in Europa - mit Blick auf 1992, in: Europäische Umweltpolitik von unten?!, Evangelische Akademie Bad Boll, Protokolldienst 38/88, 1988, 53 (59); a. A. Ewringmann/Hansmeyer, ZfU 1991, 115 (131); Köck, JZ 1991, 692 (698 f.); differenzierend: Kirchhof, DÖV 1992, 233 (236 f.).. Dies aber ist eine notwendige Bedingung, um die gewünschte fiskalische Neutralität (Art. 15 RL-Entw.) zu erreichen. Hinzu kommt, daß sich mit Sonderabgaben - wegen der Notwendigkeit einer zweckgebundenen, gruppennützigen Verwendung der Erträge - nicht das für eine Steuerung erforderliche Ertragsvolumen aufbringen läßt74Nach von Weizsäcker (Fn. 73), werden etwa mit der Abwasserabgabe in Deutschland nur Einnahmen in einer Größenordnung von weniger als einem Promille des Sozialprodukts erzielt.. Der aus diesem Grunde quantitativ nachhaltig eingeschränkte Spielraum bei Festsetzung der Abgabenhöhe verhindert auf Dauer den Eintritt des gewünschten Lenkungseffekts75Von Weizsäcker, EG-Magazin, Nr. 3/1991, 4 (5).. Nachteilige Folge der Wahl des Abgabetyps »Steuer« ist jedoch, daß ihre Einführung auf EG-Ebene nur über die hohe Hürde eines einstimmigen Ratsbeschlusses möglich ist, ohne daß dem umweltpolitisch engagierten Parlament im Gesetzgebungsverfahren eine aktive Beteiligung möglich wäre76Vgl. Frühauf/Giesinger, Europa ohne Grenzen, Alarm für die Umwelt, Spiegel Spezial, Nr. 1/1992, 44; Randzio-Plath, Informationsdienst Umweltrecht 1991, 183 (184).. Demgegenüber kann der Rat die Erhebung einer Sonderabgabe mit qualifizierter Mehrheit beschließen, wobei dem Parlament über das Kooperationsverfahren nach Art. 149 EWGV ein stärkerer Einfluß zukommt77Vgl. EuGH, Urt. vom 11. 6. 1991 - Rs. C-300/89, Kommission . / . Rat, Slg. 1991, I-2867 (I-2900)..Drittens ist zu begrüßen, daß die Kommission nicht die Einführung einer reinen CO2-Steuer vorgeschlagen hat, sondern - gegen französische Widerstände - je zur Hälfte den Ausstoß von Kohlendioxid und den Verbrauch von Energie belasten will. Mit der alleinigen Besteuerung von CO2 würde lediglich einem Ausweichen auf andere Energiequellen Vorschub geleistet (Atomkraft, Erdgas), ohne den weitergesteckten Zielen der Energieeinsparung und Förderung erneuerbarer Energiequellen näherzukommen78Frühauf/Giesinger (Fn. 76), 82; Weißbuch der europäischen Umweltverbände für den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft, abgedruckt in: Politische Ökologie, Heft Nr. 22, Sonderheft 3, 1991, 6 (11).. Die Vorgehensweise der Kommission erweist sich in diesem sensiblen Punkt sogar als vorausschauend und durchaus geschickt. Die Ausgestaltung der Steuer läßt nämlich eine neutrale Haltung zum brisanten Thema Kernkraft erkennen, vermeidet so das Aufbrechen alter Fronten und ebnet auf diese Weise schließlich einem breiten gesellschaftlichen Konsens in Sachen Klimasteuer den Weg79Auf diesen Punkt legte MdEP Manfred Vohrer, Berichterstatter des Parlaments in Sachen Ökosteuer, besonderen Wert; zitiert nach Wichmann, EG-Magazin, Nr. 3/1991, 10 (11). Demgegenüber nimmt die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag in ihrem Antrag vom 24. 6. 1993 eine kritische Haltung zur Zweiteilung der Klimasteuer ein und fordert statt dessen eine reine Energiesteuer, BT-Drucks. 12/5254; ebenso: Schiffer (Fn. 9), 367..Für die Einführung der Steuer in der von der Kommission vorgeschlagenen Form spricht viertens, daß aller Voraussicht nach keine spürbaren negativen makroökonomischen Effekte zu erwarten sind. Die Kommission hat im Vorfeld eine große Zahl unabhängiger wissenschaftlicher Studien in Auftrag gegeben, um ein verläßliches Bild von der Wirkungsweise und den Auswirkungen der Klimasteuer zu gewinnen. Danach wird jährlich das Wirtschaftswachstum allenfalls um 0,06% gedrückt und die Inflationsrate um nicht mehr als 0,29% erhöht80Vgl. Vorholz, Die Zeit, Nr. 49 vom 29. 11. 1991, 34. Siehe in diesem Zusammenhang auch: Mohr, Environmental Taxes and Charges and EC Fiscal Harmonisation: Theory and Policy, Institut für Weltwirtschaft Kiel, 1990.. Schließlich ist auch kein nennenswerter Anstieg der Arbeitslosigkeit zu erwarten, obwohl energieintensive Branchen (Eisen- und Stahlindustrie, Zement-, Glas- und Papierindustrie etc.) möglicherweise Arbeitskräfte abbauen müssen. Dafür aber wird derPreisdruck in anderen Bereichen - etwa dem gesamten Dienstleistungssektor - geringer, so daß dort zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden können81Von Weizsäcker (Fn. 73), 59.. Bedingt durch die langsame, stufenweise Erhöhung der Steuersätze über einen Zeitraum von sieben Jahren, die zudem von einem sehr niedrigen Niveau ausgehen und auch in der Endstufe noch durchaus moderat ausfallen82Konkret würde in der Eingangsstufe ein Liter Heizöl um ca. 3 Pfennig, ein Liter Benzin um ca. 2,4 Pfennig und ein Liter Diesel um ca. 2,6 Pfennig teurer werden, während es am Schluß 10,8 bzw. 8,5 Pfennig wären. Für das Jahr 2000 erwartet die Kommission ein Steueraufkommen von ca. 100 Milliarden DM; Die Zeit, Nr. 49 vom 29. 11. 1991, 34., wird die Steuer für keinen industriellen Zweig eine - unzulässige - Erdrosselungswirkung haben. Vielmehr erhalten die Volkswirtschaften aller Mitgliedstaaten den notwendigen Zeitraum, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen83Frühauf/Giesinger (Fn. 76), 44..2. UnzulänglichkeitenDiesen Vorteilen des Kommissionsvorschlags stehen auf der anderen Seite aber auch gravierende Nachteile gegenüber, um die es im folgenden gehen soll. Gerade die Höhe der Steuersätze sowie die großzügigen Bereichsausnahmen zugunsten stark energieabhängiger Unternehmen (Art. 10 RL-Entw.), auf die ca. 2/3 des Energieverbrauchs in der Gemeinschaft entfällt, verdeutlicht, daß der Kommission nicht der erhoffte »Große Wurf« gelungen ist84Auch unter Berücksichtigung der die Klimasteuer begleitenden Programme und sonstigen Maßnahmen wie SAVE, ALTENER, THERMIE und JOULE ergibt sich insoweit keine andere Beurteilung.. Der Einstieg in eine ökologische Modernisierung der Steuersysteme wird nämlich durch eine nur halbherzig eingeführte Klimasteuer gefährdet, weil die erwünschte nachhaltige Lenkungswirkung mit zu niedrigen Steuersätzen kaum zu erzielen ist85Vgl. Schiffer (Fn. 9), 364 f.In der Beurteilung der energiepolitischen Konsequenzen wohl zu positiv: EG-Kommission (DG XVII), Energy consequences of the proposed Carbon/Energy Tax, 22. 10. 1992, Supplement to Energy in Europe, February 1993. Vgl. auch zur Lenkungswirkung von CO2-Abgaben im Bereich der öffentlichen Stromversorgung: Welsch, Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 1993, 54 ff.. Letztlich wäre dies sogar kontraproduktiv, da Wirtschaft und Verbraucher lediglich mit zusätzlichen Kosten belastet würden, ohne daß es zu der beabsichtigten Einschränkung des Energieverbrauchs bzw. der Freisetzung von CO2 käme86Vgl. Paulus, Öko-Test Magazin, Heft 3/92..Zum zweiten bestehen keine hinreichenden Garantien für das postulierte Ziel, eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung in den Mitgliedstaaten zu vermeiden. Mit der effektiven Sicherung dieser Ertragsneutralität, die zwingend eine mögliche Inanspruchnahme des Rechtsweges einzuschließen hat, steht und fällt das gesamte Unterfangen der EG-Klimasteuer. Eine Erhöhung der Abgabenlast hätte nämlich unweigerlich die Abwanderung vieler Industrien in Drittländer zur Folge87Vorholz (Fn. 80), 35. - ein Effekt, der wirtschafts- wie umweltpolitisch fatal wäre.In diesem entscheidenden Punkt ist die in Art. 15 Abs. 1 RL-Entw. vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der Kommission die einzelnen zur Erzielung der Ertragsneutralität ergriffenen Maßnahmen mitzuteilen, völlig unzureichend. Die Klausel ist viel zu unbestimmt formuliert, um kalkulierbare und damit justitiable Anhaltspunkte zur Überprüfung der fiskalischen Neutralität zu geben. Aus diesem Grunde stehen die Steuerpflichtigen den Begehrlichkeiten nationaler Finanzminister faktisch rechtsschutzlos gegenüber88Instruktiv: Schröder (Fn. 25), 100.. Zur Rechtfertigung dieses Zustandes können sich die Gemeinschaftsorgane auch nicht auf fehlende Zuständigkeiten für eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten berufen, entsprechende Kompensationsmaßnahmen zu ergreifen89So auch: Pernice (Fn. 7), 54.. In jedem Fall wäre es nämlich möglich gewesen, die bereits harmonisierten Verbrauchssteuern (z. B. die Bandbreiten bei der Mehrwertsteuer) im notwendigen Maße zu senken bzw. den Anlaß zu nutzen, um andere, noch nicht angeglichene indirekte Steuern auf einem entsprechend abgesenkten Niveau zu harmonisieren.Schließlich erweist sich auch das auf Druck der Binnenmarkt- und Wettbewerbspolitiker in der Kommission90Siehe dazu das Interview mit dem ehemaligen EG-Umweltkommissar Carlo Ripa de Meana, in: Der Spiegel, Nr. 29 vom 13. 7. 1992, 84 (85). eingefügte Junktim zwischen dem Inkrafttreten der Richtlinie und der Erfüllung ähnlicher Maßnahmen in anderen OECD-Mitgliedstaaten (Art. 1 Abs. 2 Uabs. 2 RL-Entw.) als verhängnisvoll. Die Gemeinschaft hat dadurch ohne Grund die Chance verspielt, sich an die Spitze einer früher oder später ohnehin weltweit notwendig werdenden Entwicklung zu setzen und ihren Volkswirtschaften damit auf Jahre hinaus international Wettbewerbsvorteile zu verschaffen91Vorholz (Fn. 5), 22; von Weizsäcker (Fn. 72), 87; Pernice (Fn. 7), 53.. Durch diese zögerliche Haltung und angesichts des Umstandes, daß die japanische Wirtschaft trotz hoher Energiepreise seit Jahrzehnten prosperiert, hat die EG-Umweltpolitik in Sachen Klimaschutz nicht nur ihre oft proklamierte Vorreiterrolle eingebüßt92Plastisch: FAZ, Nr. 112 vom 14. 5. 1992, 15: »Wer führen will, darf nicht immer nur auf die anderen warten«., sondern insgesamt an Glaubwürdigkeit verloren93Vgl. Pernice (Fn. 7), 49. Die Entwicklung einer glaubhaften Umweltschutzphilosophie besitzt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Erfolg einer gemeinschaftlichen Politik auf diesem Gebiet, vgl. Schröer, RabelsZ 57 (1993), 374 (377) m. w. N. in Fn. 16..IV. AusblickDas weitere Schicksal des Entwurfs zur Einführung einer Klimasteuer ist derzeit nicht absehbar. Von seiten der Kommission ist zu hören, daß sie trotz der Rückschläge nicht gewillt ist, das Projekt »an den Nagel zu hängen«. Angesichts der kategorisch ablehnenden Haltung Großbritanniens, der auf absehbare Zeit die Notwendigkeit einer einstimmigen Beschlußfassung im Rat gegenübersteht, ist jedoch eine baldige Verabschiedung nicht sehr wahrscheinlich. Andererseits zeigt sich an dem Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten, daß neue Regierungen heutzutage durchaus geneigt sind, gerade in der publicity-trächtigen Umweltpolitik mutige Ansätze zu wagen. Jedenfalls dürfte das Thema spätestens im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit den skandinavischen Ländern Schweden, Finnland und Norwegen wieder aktuell werden, da dort bereits - in der Höhe teilweise beachtliche - CO2-Steuern eingeführt sind94Vgl. Paulus (Fn. 86); Pernice (Fn. 7), 54, mit Nachweisen in Fn. 94. Danach besteuert etwa Schweden den Kubikmeter Diesel derzeit mit umgerechnet ca. DM 162,36..Die Zwischenzeit sollte von den Gemeinschaftsorganen genutzt werden, den vorliegenden Kommissionsentwurf in zwei wesentlichen Punkten nachzubessern. Zum einen muß im Rahmen der ohnehin anstehenden umfassenden Harmonisierung der Steuersysteme effektiv sichergestellt werden, daß das bislang nur postulierte Ziel der fiskalischen Neutralität auch wirklich eingehalten wird. Zum anderen sollte das in der Sache unsinnige »Anhängen« an die Entwicklung vor allem in den Vereinigten Staaten und Japan aufgegeben werden. Europa ist auch in Zeiten wirtschaftlicher Rezession stark genug, einen eigenen Beitrag zur Lösung globaler Menschheitsprobleme zu leisten. Auch wenn der Gemeinschaft derzeit offensichtlich die Kraft für einen solch einschneidenden Schritt wie die Einführung einer CO2-/Energiesteuer fehlt, wäre dies doch zu vermerzen, wenn in nicht allzu ferner Zukunft eine inhaltlich in der dargelegten Weise nachgebesserte Richtlinie verabschiedet werden würde.
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