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RIW 2018, I
von Hein 

Grenzüberschreitende Durchsetzung von Forderungen in der EU – Bestandsaufnahme und Perspektiven

Abbildung 1

Die grenzüberschreitende Sicherung und Durchsetzung von Forderungen in der EU ist durch eine zunehmend unübersichtliche Gemengelage verschiedener Verordnungen und Verfahren gekennzeichnet, zwischen denen Gläubiger grundsätzlich die freie Auswahl haben. Neben der EuGVVO als Stammrechtsakt können Gläubiger auf den Europäischen Vollstreckungstitel nach der EuVTVO sowie auf das Europäische Mahnverfahren nach der EuMVVO und das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen nach der EuGFVO zurückgreifen; hinzu kommt seit 2017 die Möglichkeit der vorläufigen Kontenpfändung nach der EuKPfVO. Neben dieser wohl auffälligsten Neuerung haben sich auch im Verhältnis der übrigen Rechtsakte zueinander in jüngerer Zeit wichtige Veränderungen ergeben:

Während die EuVTVO gegenüber der EuGVVO a. F. ursprünglich den Vorteil hatte, ohne ein Exequaturverfahren auszukommen, ist dieses Alleinstellungsmerkmal seit der Revision der EuGVVO hinfällig (vgl. v. Hein, RIW 2013, 97, 107 ff.). Gleichwohl wurde die EuVTVO entgegen der anfänglichen Absicht der Kommission nicht abgeschafft, sodass sich die Frage nach ihrer praktischen Existenzberechtigung stellt. Die EuMVVO und die EuGFVO sind 2015 in mehreren Punkten reformiert worden (durch die Verordnung [EU] 2015/2421). Insbesondere sollte die Überleitung des Mahnverfahrens in ein Small-Claims-Verfahren erleichtert werden; ferner wurde die Streitwertgrenze für ein sog. Bagatellverfahren auf die aus deutscher Sicht recht erhebliche Summe von 5000 € angehoben – damit wird letztlich der gesamte sachliche Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte heute von der EuGFVO abgedeckt. Unterschiede zwischen beiden Verfahren bestehen in der Spezialisierung der Spruchkörper: Während Verfahren nach der EuMVVO mit Erfolg bundesweit beim Europäischen Mahngericht, dem AG Wedding, konzentriert worden sind, sieht der neu geschaffene § 1104a ZPO allein die Möglichkeit einer Zuständigkeitsbündelung auf Länderebene vor, von der bisher nur NRW Gebrauch gemacht hat.

Eine kritische Bestandaufnahme der grenzüberschreitenden Vollstreckung in der EU ist daher dringend nötig.

Am 13. 4. 2018 fand an der Universität Freiburg eine Tagung zu dem Projekt “IC2BE – Informed Choices in Cross-Border Enforcement” statt (s. dazu den Bericht v. Hein/Imm, Berl. AnwBl. 2018, 233). Ziel dieses Vorhabens ist es zu klären, ob und inwiefern sich die EU-Verordnungen der sog. “2. Generation” (EuVTVO, EuMVVO, EuGFVO sowie EuKPfVO) bei der grenzüberschreitenden Sicherung und Durchsetzung von Forderungen bewähren. Die Europäische Kommission hat zu diesem Zweck ein Konsortium aus dem Luxemburger Max-Planck-Institut für Verfahrensrecht und führenden europäischen Universitäten – Antwerpen, Breslau, Complutense (Madrid), Mailand, Rotterdam – mit einer Studie unter der Federführung der Universität Freiburg i. Br. betraut. Es soll eine englischsprachige Datenbank mit Entscheidungen zu den einschlägigen Verordnungen errichtet werden (näher v. Hein/Imm, IWRZ 2018, 143, 144); zudem werden zahlreiche Interviews mit Praktikern geführt. Diese Erkenntnisse werden in einen Abschlussbericht mit Empfehlungen an die Kommission münden.

Mit der vorliegenden Ausgabe der RIW beginnt der Abdruck der auf der Freiburger Tagung gehaltenen Vorträge im Rahmen einer Veröffentlichungsserie. Hierbei wird jeweils pro Ausgabe ein wissenschaftliches Referat mit einem Kommentar aus Praktikersicht kombiniert. Den Anfang machen die Beiträge zur EuVTVO von Professor Dr. Ivo Bach, Göttingen (RIW 2018, 549), und Professor Dr. Andreas J. Baumert, Achern (RIW 2018, 555).

Professor Dr. Jan von Hein, Freiburg i. Br.

 
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