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RIW 2003, 389
Krumscheid, Herbert 
Krumscheid, Herbert
RIW-Kommentar

Kommentar zu LG Bonn vom 04.03.2003 - 4 T 33/03
RIW 2003, 389 (Heft 5)
I. Das ProblemBis zur Zustellung eines Exequaturbeschlusses mit deutscher Vollstreckungsklausel im Ausland kann geraume Zeit vergehen. Mit dem vorstehenden Beschluss vom 4. 3. 2003 hat das LG Bonn die Pfändung aus einem ausländischen (hier: italienischen) Titel als Sicherungsmaßnahme auch vor der Zustellung des Exequaturbeschlusses mit der (deutschen) Vollstreckungsklausel zugelassen. Das LG Bonn hat damit eine zum EuGVÜ ergangene Entscheidung des LG Stuttgart aus dem Jahre 1988 bestätigt und ebenfalls auf die Verordnung Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) angewandt.II. Die Entscheidung des GerichtsDiese Entscheidung verdient aus rechtssystematischen wie auch aus praktischen Gründen in vollem Umfange Zustimmung. Die Entscheidung stellt klar, dass sich die Zulässigkeit von Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat allein aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt und dass die durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Befugnisse des Schuldners durch nationales Recht nicht eingeschränkt werden können.Das Gericht hat des Weiteren anerkannt, dass die EuGVVO vom Prinzip des »Überraschungseffekts« beherrscht wird, um es dem Gläubiger zu ermöglichen, schnellen und effektiven Zugriff auf die Vermögenswerte des Schuldners in den Mitgliedstaaten zu nehmen. Die Entbehrlichkeit der vorherigen Zustellung der Vollstreckungsklausel nach der EuGVVO ergibt sich daher bereits aus der Zielsetzung der Verordnung, die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel im Bereich der Mitgliedstaaten zu erleichtern.Die EuGVVO stellt dabei folgendes Verfahren zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung: Nach Art. 33 Abs. 1 EuGVVO sind Entscheidungen eines anderen Mitgliedstaats ipso iure anzuerkennen. Hierbei sind nach Art. 38 in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderem Mitgliedstaat zu vollstrecken, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Sie sind für vollstreckbar zu erklären, sobald die in Art. 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind. Hierzu gehört auch der Nachweis, dass die Entscheidung nach dem Recht des Urteilsstaates vollstreckbar ist und dass sie zugestellt ist. Nach Art. 41 Abs. 2 EuGVVO erhält der Schuldner in diesem Abschnitt des Verfahrens gerade keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben. Durch diese Entscheidung des Verordnungsgebers soll ganz offensichtlich die Vollstreckung beschleunigt und eine Warnung des Schuldners vor einem bevorstehenden Vollstreckungszugriff vermieden werden. Allein aus der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung folgt nach Art. 47 Abs. 2 EuGVVO die unmittelbare Befugnis des Gläubigers, Maßnahmen zur Sicherung zu veranlassen. Art. 47 Abs. 1 lässt dabei sogar Maßnahmen zur Sicherungsvollstreckung nach dem Recht des Staates, in dem die Vollstreckung stattfinden soll, zu, ohne dass es einer vorherigen Vollstreckbarerklärung nach Art. 41 der Verordnung bedarf. Voraussetzung ist allein, dass die Entscheidung, aus der die Vollstreckung betrieben werden soll, nach der Verordnung anzuerkennen ist. Dies wird nach der Konzeption der Verordnung regelmäßig der Fall sein.Das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht lässt als Maßnahmen der Sicherungsvollstreckung gemäß § 720 a ZPO die Pfändung beweglichen Vermögens zu. Hierzu gehört auch die Pfändung von Forderungen. Somit sind Pfändungen als Sicherungsmaßnahme auf der Grundlage eines ausländischen Titels nach Art. 47 Abs. 2 EuGVVO bereits vor der Zustellung der Vollstreckungsklausel zulässig.Diese sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Befugnis des Gläubigers zur Sicherungszwangsvollstreckung kann auch durch nationales Recht nicht eingeschränkt werden.III. PraxisfolgenAuch aus rechtpraktischen und tatsächlichen Erwägungen ist dem Beschluss vollumfänglich zuzustimmen. Dies mag bereits der Sachverhalt des Beschlusses verdeutlichen:Die Gläubigerin hatte vor einem italienischen Gericht einen Titel gegen die kubanische Schuldnerin erwirkt, wonach die Sicherungsbeschlagnahme über bewegliche und unbewegliche Güter der Schuldnerin gewährt wurde. Nach Erwirkung eines deutschen Exequaturbeschlusses waren Forderungen derSchuldnerin gegen einen in Deutschland ansässigen Drittschuldner gepfändet worden.Wollte man hier vor der Zulassung einer Pfändung als Sicherungsmaßnahme die vorherige Zustellung des deutschen Exequaturbeschlusses mit Vollstreckungsklausel in Kuba abwarten, so wäre der Gläubigerin die Befugnis zur Durchführung von Maßnahmen zur Sicherungszwangsvollstreckung für einen längeren Zeitraum genommen. Dies liefe der Zielvorstellung des Verordnungsgebers, die Vollstreckung zu erleichtern, zuwider. Im Hinblick auf die teilweise sehr langen Zustellungsfristen im Ausland würde der Gläubigerin die Möglichkeit auf einen schnellen Zugriff der Vermögenswerte der Schuldnerin genommen. Im Ergebnis liefe dies auf eine Verweigerung des effektiven Rechtsschutzes, zu dem auch ein effektives Zwangsvollstreckungsverfahren gehört, hinaus. Der Schuldner würde durch die vorherige Zustellung des Exequaturbeschlusses vorgewarnt und quasi »aufgefordert« sein, im Vollstreckungsstaat belegenes Vermögen beiseite zu schaffen.Der hier vertretenen Auffassung stehen auch keine schützenswerten Interessen des Schuldners entgegen. Da nach der Konzeption des EuGVVO ausländische Entscheidungen »ipso iure« anzuerkennen sind und die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels nur dann zulässig ist, wenn nachgewiesen ist, dass der Titel nach dem Recht des Urteilsstaates vollstreckbar und zugestellt ist, wird der Schuldner durch die Vollstreckung nicht völlig überrascht. Da Art. 41 Abs. 2 EuGVVO ausdrücklich anordnet, dass der Schuldner im Exequaturverfahren gerade keine Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt, muss sich dies auch auf das Vollstreckungsverfahren auswirken. Es wäre sinnwidrig, dem Schuldner einerseits das Recht auf Stellungnahme im Exequaturverfahren zu versagen, aber die Zulässigkeit von Maßnahmen der Sicherungsvollstreckung von der vorherigen Zustellung eines Exequaturbeschlusses mit Vollstrekkungsklausel abhängig zu machen. Vielmehr stellt das EuGVVO für Schuldner insoweit den Rechtsbehelf des Art. 43 EuGVVO zur Verfügung. Bis zum Ablauf der gemäß Art. 43 Abs. 5 EuGVVO zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Vollstreckbarkeit eingeräumten Frist, die erst mit der Zustellung der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beginnt, oder bis zur Entscheidung über einen solchen Rechtsbehelf, dürfen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Art. 47 nicht über Sicherungsmaßnahmen hinausgehen. Den Interessen des Schuldners ist damit hinreichend Rechnung getragen.

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