Jahn, Uwe und Rahlf, Nils
RIW-Kommentar
Kommentar zu United States District Court for the Southern District of New York
vom 20.07.2000
- 2000 U.S. Dist. Lexis 10166
RIW
2000, 877
(Heft 11)
I. Das ProblemBear, Stearns International Ltd. (BSIL) gewährte der englischen Gesellschaft Escobel ein Darlehen zur Errichtung eines Gebäudes in den Philippinen. Escobel verschaffte BSIL eine Garantiepolice (surety bond) der staatlichen philippinischen Versicherungsagentur (GSIS) zur Besicherung des Zahlungsanspruchs der BSIL aus ihrem Darlehen. BSIL vereinbarte zusätzlich einen Kreditsicherungsswap mit der US-Gesellschaft AON Financial Products Ltd. (AFP) auf der Grundlage eines ISDA-Rahmenvertrags (vgl. Henderson, Paras 1.020-1.023 in Hudson (Hrsg), Credit Derivatives, London 1999; Jahn in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 1997, Bd. III § 114 Rdnr. 48 m. w. N) und einer Bestätigung dieses Geschäfts. Gesichert wurde hierdurch die Erfüllung der Verbindlichkeit der GSIS (»Referenzverbindlichkeit«). Die Muttergesellschaft der AFP, die US-Gesellschaft AON Corporation (AON), übernahm zusätzlich gegenüber der BSIL eine Garantie unter Verzicht auf jegliche Einreden für die Zahlungsverpflichtungen der AFP. In der Folgezeit übertrug BSIL ihre Rechte aus dem Kreditsicherungsswap und der Garantie an die Fa. Ursa Minor, die ihrerseits ihre so erworbenen Rechte zur Sicherheit an die englische Fa. Bankers Trustee Company Ltd. (BT) abtrat. Als Escobel bei Fälligkeit das Darlehen nicht zurückzahlte, weigerte sich GSIS, für die Verbindlichkeiten von Escobel einzustehen, weil angeblich die Garantiepolice nicht wirksam übernommen worden wäre. BSIL forderte AFP zur vereinbarten Zahlung aus dem Kreditsicherungsswap auf. Als AFP es ablehnte zu zahlen, weil es an einer wirksamen Referenzverbindlichkeit (d. h. Verbindlichkeit der GSIS) mangele, nahm Ursa Minor die AON aus ihrer Garantie in Anspruch. Nachdem weder AFP noch AON zahlten, erhoben Ursa Minor und BT in New York Klage gegen AFP und AON.II. Entscheidung des GerichtsDas Gericht entschied zugunsten der Klägerinnen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass nach den getroffenen, von allen Parteien als wirksam angesehenen Vereinbarungen über einen ISDA-Kreditsicherungsswap die Verbindlichkeit von GSIS aus ihrer Garantiepolice als »Referenzverbindlichkeit« und die Nichterfüllung dieser Verbindlichkeit als »Kreditereignis« anzusehen sei. Es treffe nicht zu, dass nach dem Kreditsicherungsswap Voraussetzung für eine Referenzverbindlichkeit deren rechtliche Wirksamkeit sei. Die Parteien hätten in dem Kreditsicherungsswap ausdrücklich vereinbart, dass es bei der Bestimmung des Vorliegens eines Kreditereignisses nicht darauf ankomme, ob ein Mangel der Vertretungsmacht des Referenzschuldners oder ein sonstiger Grund für die Nichtdurchsetzbarkeit der Referenzverbindlichkeit vorliege. Die New Yorker Gerichte hätten derartige vertragliche Klauseln schon mehrfach anerkannt, insbesondere in bezug auf Garantien (vgl. u. a. Compagnie Financière de CIC et de l'Union Européenne v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 188 F3d. 31, 37 [2d. Cir. 1999]).Auch das von den Beklagten vorgetragene Argument, Voraussetzung für eine Nichtzahlung (»failure to pay«) sei nach dem Vertrag, dass Zahlungen bei Fälligkeit nicht geleistet worden seien, die angebliche Verbindlichkeit des Referenzschuldners könne mangels einer wirksamen Entstehung aber nicht fällig sein, wurde zurückgewiesen. Bei der Auslegung dieses Begriffs müssten der Sachzusammenhang und insbesondere die oben ausgeführten Vereinbarungen aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns berücksichtigt werden. Ferner seien Verträge grundsätzlich so auszulegen, dass ihre Bestimmungen im Zweifel als durchsetzbar und nicht als nichtig zu behandeln sind.Die Behauptung der Beklagten, dass AFP nur zu zahlen brauche, wenn die Kläger ihr ein wirksames »Portefeuille« (Portfolio, d. h. die Garantiepolice) geliefert hätten, eine Lieferung aber mangels Wirksamkeit der Garantiepolice nicht möglich sei, wurde ebenfalls als unzutreffend zurückgewiesen. Auch hier wirke der Verzicht auf die Einwendungen im Rahmen der Definition des Kreditereignisses.Da AFP zur Zahlung verpflichtet sei, müsse auch AON aufgrund der Garantie für die Zahlung einstehen, da ihre Garantie unbedingt und einredefrei seien. Nach ständiger Rechtsprechung der New Yorker Gerichte würde es auf die Wirksamkeit der gesicherten Forderung, wenn der Garantiegeber, wie hier der Fall, auf alle Einreden verzichte, nicht ankommen.III. Kritik und PraxisfolgenAls Kreditderivate bezeichnet man eine Gruppe von Finanzgeschäften, mit denen eine Partei das Kreditrisiko einer zugrundeliegenden Verpflichtung eines Dritten (z. B. aus einem Darlehen oder einem Wertpapier) isolieren und ganz oder teilweise durch ihren Vertragspartner (»Schutzgeber«) absichern lassen kann. Man unterscheidet mehrere Grundformen (vgl. Jahn, a. a. O., Rdnr. 19), die in verschiedenen Strukturen ausgebildet werden können.Bei dem klassischen Kreditsicherungsswap erbringt der Schutznehmer in der Regel periodische Zahlungen oder eine einmalige Zahlung sowie andere Leistungen an den Schutzgeber, während der Schutzgeber seine Zahlungen erst bei Eintritt des vereinbarten Kreditereignisses zu erbringen hat. Das Kreditereignis bezieht sich auf den Referenzschuldner der zugrundeliegenden Verpflichtung. Kreditderivate werden überwiegend nach englischem oder New Yorker Recht unter Zugrundelegung der 1999 ISDA Credit Derivatives Definitions unter Einbettung in das 1992 ISDA Master Agreement vereinbart. Für ein Kreditsicherungsswap-Geschäft verwenden die Parteien das ISDA Bestätigungsmuster, in dem die Einzelheiten des Geschäfts festgehalten werden und das sich auf das Master Agreement und die Credit Derivatives Definitions bezieht.Mit der Entscheidung des Gerichts hat ein amerikanisches Bundesgericht die Bedingungen des ISDA Rahmenvertrags für Kreditsicherungsswaps zum ersten Mal als wirksam und durchsetzbar anerkannt. Vermutlich haben die Parteien BSIL und AFP im Februar 1999 die Musterbestätigung (Langfassung) der ISDA verwendet, die inhaltlich die wesentlichen Regelungen der 1999 ISDA Credit Derivatives Definitions (Section 4.1 Credit Event) enthielten. Das Urteil dürfte wesentlich zur Rechtsicherheit im Umgang mit ISDA Rahmenverträgen nicht nur in den USA, sondern auch im Ausland beitragen, da regelmäßig die Geltung New Yorker Rechts auch dann vereinbart wird, wenn keine der Parteien aus den USA stammt. Dadurch dass die Zahlungsverpflichtung aus dem ISDA-Rahmenvertrag unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit der Referenzverbindlichkeit besteht, bedarf es insofern keiner rechtlichen Prüfung der Referenzverbindlichkeit durch Parteien des Derivatgeschäfts. Jede andere Lösung wäre auch praxisfremd, da es den Parteien im Einzelfall unmöglich sein dürfte, zu überprüfen, ob die jeweilige Referenzverbindlichkeit auch rechtswirksam existiert. Dies gilt um so mehr, wenn wie hier der Fall die Referenzverbindlichkeit einer fremden Rechtsordnung unterliegt. Änderungen der einschlägigen ISDA-Musterbedingungen erscheinen mithin derzeit nicht erforderlich.Zum gleichen Ergebnis kommt das Urteil hinsichtlich der Garantie. Wenn sich der Garantiegeber in der Garantieurkunde sämtlicher Einreden begibt, so gilt auch für die Garantie nach gefestigter New Yorker Rechtsprechung, dass es für die Geltendmachung der Zahlungsverpflichtung auf die Wirksamkeit der unterlegten Grundverbindlichkeit nicht mehr ankommt (vgl. u. a. Compagnie Financière de CIC et de l'Union Européenne v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 188 F3d. 31, 37 [2d. Cir. 1999]). Insoweit entspricht eine solche Garantie dem internationalen Standard einer guarantee on first demand.
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