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RIW 1993, 933
 
LG Frankfurt a. M.
Verspätete Rüge der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit nach Art. 18 EuGVÜ

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 12. Mai 1993 - 3/2 0 97/92;

LG Frankfurt a. M. vom 12.05.1993 - 3/2 0 97/92
RIW 1993, 933 (Heft 11)
Sachverhalt:Die italienische Klägerin macht gegen die deutsche Beklagte Kaufpreisforderungen, die Beklagte widerklagend Gegenansprüche geltend. Erstmals in der mündlichen Verhandlung rügte die Beklage die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main, nachdem sie sich in ihrer Klageerwiderung im wesentlichen mit materiellrechtlichen Einwendungen (Zurückbehaltungsrechte und Aufrechnungserklärungen) sowie mit Gegenansprüchen, die sie zur Aufrechnung stellte, auf die Klage eingelassen hatte. Sie behauptet, es bestehe eine Gerichtsstandsvereinbarung, wonach für jedwede Streitigkeit im Hinblick auf den Kauf ausschließlich das Gericht in Ascoli Piceno in Italien zuständig sei. Dies ergebe sich aus dem Text auf der Rückseite der Bestellformulare, welche von der Klägerin vorgefertigt und ihren Kunden zur Verfügung gestellt worden seien. Die Klägerin tritt der Rüge der Unzuständigkeit entgegen. Sie beruft sich im wesentlichen auf Art. 18 EuGVÜ und vertritt die Ansicht, daß die Beklagte die Rüge der Unzuständigkeit zu spät erhoben habe, so daß sie damit ausgeschlossen sei. Das LG Frankfurt a. M. hat seine internationale und örtliche Zuständigkeit bejaht.Aus den Gründen:»Die Rüge der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main ist unbegründet. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 53 EuGVÜ. Denn die Beklagte hat ihren Sitz ... im Gerichtsbezirk des Landgerichts Frankfurt am Main. Es ist daher festzustellen, daß das angerufene Gericht für die erhobene Klage und die Widerklage örtlich zuständig ist.Mit ihrer Rüge der örtlichen Unzuständigkeit macht die Klägerin auch inzidenter die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend, da sie behauptet, daß aufgrund der behaupteten Gerichtsstandsvereinbarung das Gericht in Ascoli Piceno in Italien für diesen Rechtsstreit ausschließlich zuständig sei. Daher ist hier auch zur Frage der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts Stellung zu nehmen, da sie inzidenter in Frage gestellt wird. Obgleich die internationale Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 44, 46), erfährt dieser Grundsatz eine Einschränkung dahin, daß die Amtsprüfung im kontradiktorischen Verfahren - wie hier - dort nicht gerechtfertigt ist, wo die internationale Zuständigkeit durch rügeloses Einlassen der Beklagten nach Art. 18 EuGVÜ - wie hier - begründet werden kann. Art. 18 EuGVÜ verbietet insoweit eine Prüfung von Amts wegen, da entgegenstehendes nationales Prozeßrecht durch Art. 18 EuGVÜ verdrängt wird (siehe hierzu Geimer, in: WM 1986, 117 ff.). Soweit sich demnach über Art. 18 EuGVÜ die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt, ist auch die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben. Diese Konsequenz tritt hier ein.(1) Maßgebend für die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist hier Art. 18 Satz 1 EuGVÜ. Nach der Zuständigkeitsregel in Art. 18 Satz 1 EuGVÜ wird das Gericht eines Vertragsstaates zuständig, wenn sich die Beklagte vor ihm auf das Verfahren einläßt, selbst wenn es nach den Vorschriften des EuGVÜ sonst unzuständig wäre. Diese Regel kommt zum Zuge, wenn die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, hier also der örtlichen Unzuständigkeit, erst nach Abgabe der Stellungnahme erhoben wird, die nach innerstaatlichem Prozeßrecht als erstes (materielles) Verteidigungsvorbringen anzusehen ist (so EuGH v. 24. 6. 81 im Fall Elefanten Schuh ./. Jacquemain*RIW 1981 S. 709., in: IPRax 1982, 234 ff.; ebenso in bfai Rechtsinformationen, Nr. 215 vom Oktober 1987, S. 27 unter Fußn. 76 mit Nachweis weiterer Fälle). Diese Regel gilt sogar auch dann, wenn die Parteien eine Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne von Art. 17 EuGVÜ getroffen haben, wie sie hier von der Beklagten behauptet wird (so EuGH in: IPRax 1982, 234 ff.*RIW 1981 S. 709.). Die Voraussetzungen dieser beiden Regeln liegen hier vor.Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde oder nicht, mag hier dahinstehen. Denn eine solche von der Beklagten behauptete Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 EuGVÜ bleibt hier unbeachtlich, weil Art. 18 Satz 1 EuGVÜ eingreift. Die Wirkungen des Art. 18 Satz 1 EuGVÜ treten hier allein deshalb ein, weil die Beklagte die Rüge der Unzuständigkeit erst in der erstenmündlichen Verhandlung ... erhoben hatte und nicht schon in der Klageerwiderung ..., die innerhalb der Klageerwiderungsfrist erbracht worden war.... Die örtliche Unzuständigkeitsrüge hätte nach innerstaatlichem Recht als verzichtbare Verfahrensrüge bereits schriftsätzlich geltend gemacht werden müssen (§§ 275 I, 282 III ZPO). Denn der maßgebliche Zeitpunkt wird durch § 282 III S. 2 ZPO fixiert. Danach war die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit bereits in der Klageerwiderungsschrift vorzubringen. Das hat die Beklagte nicht getan. Sie hat sich das Vorbringen dieser Rüge bis zur mündlichen Verhandlung aufgespart und sie vorher nicht einmal erwähnt. Sie kam erst damit, nachdem sie längst eine Reihe materiellrechtlicher Gründe wie Zurückbehaltungsrechte, Aufrechnungen mit Gegenforderungen zu ihrer Verteidigung ins Feld geführt hatte. Weil dies so ist, hat die Beklagte sich rügelos auf die Sache eingelassen, was die Wirkung des Art. 18 Satz 1 EuGVÜ auslöste. Das Landgericht Frankfurt am Main wurde deshalb über Art. 2, 53 EuGVÜ... örtlich zuständig, zumal eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts im Sinne der Art. 18 Satz 2, Art. 16 EuGVÜ nicht gegeben und auch nicht ersichtlich ist.Da das Landgericht Frankfurt a. M. örtlich zuständig geworden ist, ist auch seine internationale Zuständigkeit... über Art. 18 EuGVÜ zu bejahen, die sich aus dem rügelosen Einlassen der Beklagten hier wegen ihrer Verwobenheit mit der örtlichen Zuständigkeit von selbst ergibt.Das angerufene Gericht ist auch für die zur Aufrechnung gestellten Forderungen der Beklagten zuständig, da ein für den Hauptanspruch zuständiges Gericht nicht daran gehindert werden kann, die Aufrechnung mit konnexen Forderungen ... zu berücksichtigen.(2) Was die erhobene Widerklage betrifft, so ist das angerufene Gericht gleichfalls örtlich zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus der Regel des Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ, da hier Konnexität vorliegt. Da insoweit die örtliche Zuständigkeit gegeben ist, ist auch die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts insoweit zu bejahen, da die Klägerin die internationale Unzuständigkeit in Bezug auf die Widerklage nicht rechtzeitig in limine litis, d. h. nach Erhebung der Widerklage gerügt hat. Auf diese Weise wird der Gerichtsstaat international zuständig, selbst wenn es sich hier um eine inkonnexe Widerklage handeln würde.«Vgl. dazu Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl. 1993, Art. 18 Rdnrn. 1 - 9, und Sandrock, ZVglRWiss. 1979 S. 177 f.RIW 1981 S. 709.

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