OLG Nürnberg
Zum Schadensersatz bei Eintragung einer Klageschrift in italienisches Immobiliarregister
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 10. März 1992 - 1 U 2754/91;
OLG Nürnberg
vom 10.03.1992
- 1 U 2754/91
RIW
1993, 412
(Heft 5)
Sachverhalt:Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines von dieser gegen sie eingeleiteten Zivilprozesses in Italien, bei dem es um die Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück der Klägerin ging. Im Rahmen dieses Rechtsstreits wurde die Klageschrift im Immobiliarregister von X. (Italien) eingetragen. Der Schaden sei ihr dadurch entstanden, daß sie durch diese Eintragung an der wirtschaftlichen Verwertung des streitbefangenen Grundstücks in Italien gehindert worden sei. Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, daß mangels Rechtswidrigkeit des Eingriffs die Voraussetzungen der §§ 823 und 826 BGB nicht vorliegen und eine analoge Anwendung des § 945 ZPO ausscheide. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.Aus den Gründen:»Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat durch ihre Darlegungen ... die wegen Art. 21 Abs. 1 bzw. Art. 26 Abs. 1 EuGVÜ bestehenden Zulässigkeitsbedenken ausgeräumt. Zwar ist... der Streitgegenstand bereits vor einem italienischen Gericht anhängig gemacht worden. Die Klägerin hat jedoch von der Gegenseite unbestritten vorgetragen, daß dieser Antrag, über den sich das erstinstanzliche Urteil nicht geäußert hat, in der zweiten Instanz zurückgenommen wurde.Die Klägerin kann keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus dem in Italien geführten Prozeß herleiten ... Folgende Ausführungen [sind] veranlaßt, wobei der Senat ebenso wie das Landgericht und die Parteien von der Maßgeblichkeit deutschen Rechts ausgeht:Das Landgericht hat zutreffend bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB bereits die Rechtswidrigkeit der Handlungsweise der Beklagten verneint. Da es der Rechtsstaat - abgesehen von gesetzlich geregelten Ausnahmefällen - dem Bürger verwehrt, sein wirkliches oder vermeintliches Recht sowohl gegenüber staatlichen Organen als auch gegenüber dem Mitbürger eigenmächtig durchzusetzen, muß der einzelne seine Ansprüche vor staatlichen Gerichten geltend machen und sie mit Hilfe der Staatsgewalt vollstrecken. Aus dem Verbot der Privatgewalt und der Verstaatlichung der Rechtsdurchsetzung folgt umgekehrt die Pflicht des Staates, die Beachtung der Rechte der Bürger sicherzustellen (vgl. BVerfG NJW 87, 1929). Der Bundesgerichtshof hat daher in einem dem streitgegenständlichen vergleichbaren Fall, nämlich der unbegründeten Konkursantragstellung (BGHZ 36, 18/20 f.), ausgeführt, daß der Gläubiger, der sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, auch dann nicht unmittelbar und rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners eingreift, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren Nachteile erwachsen. Der Gläubiger ist deshalb nicht verpflichtet, zuvor mit Sorgfalt zu prüfen, ob er sich zur Ingangsetzung des Verfahrens für berechtigt halten darf, oder gar seine Interessen gegen die des Schuldners abzuwägen. Diese Grundsätze gelten auch bei ausländischen Verfahren, die, wie in Italien, an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet sind. Als ein derartiges Verfahren ist auch die Bewirkung der Eintragung der Klageschrift in das Immobiliarregister anzusehen. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... ergibt, hat sie nämlich eine ähnliche Funktion wie nach deutschem Recht die Eintragung des Rechtshängigkeitsvermerks ins Grundbuch aufgrund einer einstweiligen Verfügung. Ob diese Eintragung sogar - wie der Gutachter meint - zwingend erfolgt oder nur auf Antrag des Klägers, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen.Eine Haftung nach den §§ 823 ff. BGB kommt nur bei vorsätzlicher, sittenwidriger Schadenszufügung durch ein mit unlauteren Mitteln betriebenes Verfahren in Frage, z. B. im Falle des Prozeßbetrugs. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß der in Deutschland geführte Vorprozeß schon 1980 rechtskräftig zuungunsten der Beklagten entschieden wurde, weil es sich im Vergleich zu dem in Italien geführten Prozeß um einen anderen Streitgegenstand handelte und andere, insbesondere ausländische Rechtsvorschriften in Frage kamen.Zur Anwendbarkeit des § 945 ZPO vertritt der Senat die Auffassung, daß diese Norm die Durchführung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vor ausländischen Gerichten im Ausland nicht erfaßt.Wie bereits oben ausgeführt, wäre es mit den Geboten des Rechtsstaates unvereinbar, wenn derjenige, der in redlicher Absicht ein staatliches Verfahren einleitet, Nachteile dadurch erleidet, daß sich sein Rechtsschutzbegehren als unbegründet erweist. Den Schutz des oder der anderen Verfahrensbeteiligten übernimmt vielmehr das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung, z. B. durch Kostenregelungen oder Schadensersatzansprüche bei Vollstreckung aus vorläufigen Titeln (BVerfG a. a. O. S. 1929 r. Sp., BGH a. a. O. S. 21). Hierzu gehört auch die Vorschrift des § 945 ZPO. Sie ist eine Norm, die im Hinblick auf die Ausgestaltung und Eigenheiten des deutschen Zivilprozesses im Rahmen einer Interessenabwägung den Schutz des Antragsgegners bezweckt. Ausländische Verfahrensordnungen, hier die italienische Zivilprozeßordnung, haben ihre eigenen spezifischen Schutzvorschriften, wie z. B. den Art. 96 cpc (codice di procedura civile), der andere Voraussetzungen aufstellt. Der Senat ist daher der Auffassung, daß eine analoge Anwendung des § 945 ZPO auf Maßnahmen bei ausländischen Gerichten mit anderen Verfahrensordnungen von vornherein ausscheidet, weil jede derartige Schutznorm gerade auf ihre Verfahrensordnung zugeschnitten ist.Im übrigen wäre... die Eintragung der Klageerhebung ins Immobiliarregister mit einer einstweiligen Verfügung nach deutschem Recht, deren Vollzug einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO auslösen kann, nicht vergleichbar, und zwar auch dann nicht, wenn die Eintragung auf Veranlassung des Klägers erfolgt und nicht von Amts wegen (vgl. zur Frage der erweiternden Auslegung des § 945 ZPO auch BGH, Urt. vom 28. November 1991 - I ZR 297/89).«
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