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SRNL 2021, 13
Gutheil 

Das Corona-Schutz-„Schirmchen“

von Marion Gutheil, Düsseldorf

Abbildung 14

Steht das Unternehmen doch ungeschützt da?

Es hätte ein großer Wurf werden können, um kleine und mittelständische Unternehmen, die durch die aktuelle Pandemie in die finanzielle Krise geraten sind, durch ein vereinfachtes Schutzschirmverfahren zu entschulden. Doch jetzt ist aus dem im Gesetzgebungsverfahren zum StaRuG diskutierten Corona-Schutzschirm nur ein „Schirmchen“ geworden, das Einzug in das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) gefunden hat.

Insbesondere der Verband Insolvenzverwalter Deutschland eV (VID), dem viele der in Deutschland bestellten Insolvenzverwalter angeschlossen sind, hatte ein vereinfachtes Schutzschirmverfahren mit reduzierten Einstiegshürden ins Gespräch gebracht, um gerade kleine und mittelständische sowie inhabergeführte Unternehmen, die durch die Corona-Pandemie in die Schieflage geraten sind, ohne erhebliche Beraterkosten, die zwangsläufig im Rahmen dieses Verfahrens anfallen und die diese Unternehmen aktuell nicht aufzubringen in der Lage sind, zu entschulden.

Grundsätzlich verlangt der Eintritt in ein Schutzschirmverfahren die Bescheinigung eines unabhängigen Dritten (üblicherweise eines Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts), dass das Unternehmen bei Antragstellung nicht insolvenzantragspflichtig ist. Abgespeckt werden sollte dieses Erfordernis der Bescheinigung nach dem begrüßenswerten Vorschlag des VID durch eine Kennzeichnung der Fälligkeit der Verbindlichkeiten in der Gläubigerliste und der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben durch den Vertretungsberechtigten: bei Fälligkeit erst ab dem 01.01.2020 wäre der Weg in das Schutzschirmverfahren eröffnet gewesen. Ferner wurde angeregt, die sonst im Schutzschirmverfahren kostenintensive Begleitung der Verfahrensdurchführung durch insolvenzrechtlich spezialisierte Berater durch eine Verlagerung von Aufgaben auf einen „starken“ Sachwalter zu kompensieren. Ins Spiel gebracht wurde ferner die Überlegung, die geplanten verschärfenden Änderungen zum Eigenverwaltungsverfahren und den Regelungen zum Schutzschirm, die aufgrund der ESUG-Evaluierung zum Jahreswechsel umgesetzt werden sollten, um ein Jahr auf den 01.01.2022 zu verschieben.

Aus all diesen Anregungen wurde nichts.

Vielmehr hat der Gesetzgeber – wie geplant – zum 01.01.2021 die Voraussetzungen für den Zugang zur Eigenverwaltung verschärft. So muss nun etwa ein Finanzplan für die Dauer von 6 Monaten bei Antragstellung vorgelegt werden, der detailliert die Finanzierungsquellen für die Betriebsfortführung und SRNL 2021 S. 13 (14)die Deckung der Verfahrenskosten darlegt. Ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der Entschuldung ist beizufügen und der Stand der bisherigen Verhandlungen mit Gläubigern und Dritten darzustellen. Ferner muss das Unternehmen erläutern, wie es die ihm in der Eigenverwaltung obliegenden insolvenzspezifischen Pflichten erfüllen will. Letztlich ist eine Kostenberechnung anzustellen: wie teuer wird die Eigenverwaltung im Vergleich zur Regelabwicklung? Auch die Darstellungen zum Kreis der Gläubiger, etwa Arbeitnehmer, Fiskus und Sozialversicherungsträger, mit diesen gegenüber bereits eingetretenem Verzug setzt weitere Hürden.

Die vorstehende Aufstellung macht deutlich, dass die Vorbereitung der nach neuem Recht durchzuführenden Eigenverwaltungsverfahren machbar ist, aber eine frühe, fachkundig geplante, rechtzeitige und sehr gewissenhafte Vorbereitung erfordert. Das Ziel des Gesetzgebers, den Unternehmer zu zwingen, sich vor der Antragstellung frühzeitig mit diesem Sanierungsinstrument zu befassen und auch die Realisierbarkeit der geplanten Restrukturierungsmaßnahmen zu hinterfragen, wird damit sicher erreicht. Ob dieses Sanierungsinstrument allerdings all den Unternehmen helfen wird, die nach Erlangung von Corona-Hilfen und der Eingehung von Darlehnsverpflichtungen, die zum Tag X getilgt werden müssen, dann doch die Krise nicht überwinden können und auf dem Weg in die Insolvenzantragspflicht sind, ist fraglich.

Und nun kommt das „Schirmchen“:

Unternehmen, die zwischen dem 01.01.2021 und 31.12.2021 einen Antrag auf Eigenverwaltung stellen, dürfen dieses Verfahren noch nach altem Recht führen, dass heißt, die zuvor skizzierten Verschärfungen bei der Antragstellung sind nicht zu beachten. Voraussetzung ist jedoch, dass die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, was durch eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Beraters bestätigt werden muss. Da ist sie also wieder – die Bescheinigung, auf deren Verzicht man in der Diskussion zur Kostenvermeidung hinwirken wollte. Ebenfalls gelten die alten Regeln, wenn das Unternehmen im Eröffnungsantrag darlegt, dass keine Verbindlichkeiten bestehen, die am 31.12.2019 bereits fällig und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestritten waren.

Der Gesetzgeber erlaubt diesen Unternehmen außerdem einen erleichterten Zugang zum Schutzschirmverfahren. Die bereits vorliegende Zahlungsunfähigkeit steht – anders als im Regelfall und damit eine wirkliche Neuerung und Erleichterung – dem Zugang zum Schutzschirmverfahren nicht entgegen. Aber: was wäre diese Ausnahme ohne eine Bescheinigung eines in Insolvenzangelegenheiten erfahrenen Beraters, dass die Krise auf die pandemische Lage zurückzuführen ist?

Abbildung 15

Marion Gutheil, Partnerin bei Mönning Feser Partner, ist seit über 20 Jahren im Sanierungs- und Insolvenzbereich tätig. Sie ist Fachanwältin für Insolvenzrecht, Mediatorin und seit mehr als 10 Jahren bestellte Sachverwalterin und Insolvenzverwalterin. Daneben unterstützt sie Unternehmen in der Restrukturierung sowie der Vorbereitung und Begleitung von Eigenverwaltungsverfahren und bietet juristische Beratung und Prozessvertretung im insolvenznahen Bereich an.

 
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