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WRP 2020, I
Alexander 

Faire Verbraucherverträge – Verbesserter Verbraucherschutz?

Abbildung 1

Prof. Dr. Christian Alexander

Über die Frage, was fair ist, lässt sich nicht nur im Sport trefflich streiten. Fairness bildet auch das Schlagwort einer neuen Gesetzesinitiative zum Schutz von Verbrauchern. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat unlängst den Referentenentwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge vorgelegt (abrufbar unter https://www.bmjv.de). Im Kern geht es um fünf Bereiche:

Erstens werden die Klauselverbote in § 308 BGB um eine neue Nr. 9 ergänzt, die ein Verbot von Abtretungsausschlüssen vorsieht. Der Entwurf will auf diese Weise verhindern, dass die Durchsetzung von Verbraucherrechten erschwert wird (Begr. S. 22). Denn in der Praxis haben einige Unternehmen (z. B. in der Reise- und Flugbranche) versucht, eine Durchsetzung von Verbraucherrechten zu blockieren, indem sie in ihren AGB Abtretungsverbote aufnahmen. Der BGH hat solche Gestaltungen bereits nach geltendem Recht als unangemessene Benachteiligung der Kunden missbilligt (BGH, 17.04.2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107), sodass die Neuregelung nur klarstellenden Charakter hat.

Zweitens ist eine Verkürzung der in § 309 Nr. 9 BGB geregelten Höchstlaufzeiten für Dauerschuldverhältnisse beabsichtigt. Unter anderem soll die bislang zulässige Frist von zwei Jahren gemäß § 309 Nr. 9 Buchst. a) BGB auf ein Jahr verkürzt werden. Dies betrifft z. B. die Laufzeit von Telekommunikations-, Fitnessstudio- und ähnlichen Verträgen. Der Referentenentwurf erhofft sich eine Förderung des Wettbewerbs (Begr. S. 8 und 23), doch könnte diese Neuregelung für Verbraucher buchstäblich teuer werden. In vielen Bereichen finden sich heute unterschiedliche Vertragsmodelle, wobei Unternehmen Kunden zum Abschluss von Verträgen mit längerer Laufzeit motivieren, indem sie Leistungen zu günstigeren Preisen anbieten als bei Verträgen mit kürzerer Laufzeit. Wenn den Unternehmen künftig die Möglichkeit zu einer längeren Vertragsbindung verwehrt wird, dann liegt es nicht fern, dass sich das Preisniveau entsprechend anpasst und zum Nachteil der Verbraucher erhöht.

Drittens sollen Verträge über Gas und Strom, die am Telefon geschlossen werden, erst Wirksamkeit entfalten, wenn Verbraucher den Vertragsschluss nachträglich genehmigen. Hierzu ist eine Ergänzung von § 312c BGB vorgesehen. Danach muss dem Verbraucher zunächst der Inhalt des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Sodann kann der Verbraucher seinen Vertragsabschluss in Textform genehmigen. Der Sache nach handelt es sich um die bereits seit langem diskutierte „Bestätigungslösung“ (Begr. S. 10). Überzeugend ist dieser Ansatz nicht (dazu Alexander, ZRP 2018, 166, 167 ff.), führt er doch zu mehr Bürokratie beim Abschluss eines Vertrages und konterkariert das energierechtliche Ziel, den Verbrauchern einen Anbieterwechsel zu erleichtern. Einem Durchschnittsverbraucher dürfte der dogmatisch feinsinnige Unterschied zwischen einem Vertragsabschluss und einer zur Wirksamkeit führenden Genehmigung kaum geläufig sein. Rechtsunsicherheit ist vorprogrammiert. Zudem besteht die Gefahr, dass der Verbraucher ohne Genehmigung des telefonisch neu geschlossenen Vertrages ungewollt in eine teure Grund- oder Ersatzversorgung gemäß §§ 36, 38 EnWG gerät. Geradezu ungläubiges Staunen ruft hervor, dass die Begründung des Entwurfs als Beispiel für einen dauerhaften Datenträger, auf dem der Verbraucher Informationen vom Unternehmer erhalten soll, allen Ernstes eine „Diskette“ erwähnt (S. 24).

Viertens wird eine Änderung von § 476 BGB vorgeschlagen. Danach können die Vertragsparteien bei gebrauchten Sachen „vereinbaren, dass der Unternehmer nur für einen Mangel haftet, der sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums seit der Ablieferung der Sache gezeigt hat. Dieser Zeitraum darf ein Jahr nicht unterschreiten.“ Bei dieser Änderung handelt es sich um die Reaktion auf eine Entscheidung des EuGH (13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 – Ferenschild). Künftig ist zwischen der Gewährleistungsfrist und der Verjährungsfrist zu unterscheiden (Begr. S. 26).

Fünftens sollen die Regelungen zur Telefonwerbung durch einen neuen § 7a UWG Erweiterung finden (Begr. S. 27). Danach werden Unternehmer umfangreichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für die vom Verbraucher erteilte vorherige ausdrückliche Einwilligung in die Telefonwerbung unterworfen. Diese Pflichten sollen für „fünf Jahre ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung“ gelten. Zudem sind die Nachweise der zuständigen Behörde „auf Verlangen unverzüglich vorzulegen“. Die Anforderungen für eine zulässige Telefonwerbung werden damit weiter verschärft. Für Unternehmen, die Telefonwerbung einsetzen, steigt der Organisationsaufwand beträchtlich. Ob die Verfolgung der „schwarzen Schafe“ dadurch signifikant verbessert wird, ist keineswegs sicher.

Insgesamt wirkt der Entwurf in dieser Form unausgegoren. Der Nutzen für die Verbraucher ist überschaubar, die Belastung für die Unternehmen steigt und unbeabsichtigte Kollateralschäden sind nicht auszuschließen.

Prof. Dr. Christian Alexander, Jena

 
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