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ZFWG 2018, 337
Kalke 

Kontrollillusionen bei Sportwettern – Konsequenzen für den Spielerschutz

Abbildung 1

In der Werbung von Sportwettanbietern wird zuweilen darauf verwiesen, dass es mit profundem sportbezogenen Wissen möglich sei, in schneller Weise Geld zu verdienen. Ein Beispiel hierfür ist der ehemalige Nationaltorwart Oliver Kahn, der in einem Spot für tipico die Aussage macht: „Millionen von Sportfans sollten ihr Wissen nutzen und Wetten platzieren!“ Auch auf Wettportalen oder Service-Seiten von Tageszeitungen werden entsprechende Tipps gegeben. Ein jüngeres Beispiel aus der „Pforzheimer Zeitung“ vom 4.6.2018 lautet wie folgt: „Für eine erfolgreiche Wette ist es unabdingbar, dass das Spiel in aller Ruhe analysiert wird, bevor Sie sich für eine Mannschaft entscheiden. Dabei kommt es vor allem auf die Form der Mannschaften und den direkten Vergleich in der Vergangenheit an. Aber auch aktuelle Ereignisse wie Verletzungen von wichtigen Spielern oder den Verein betreffende Schlagzeilen können die Stärke einer Mannschaft beeinflussen.“ Offensichtlich verfängt diese Art von Werbung bei jungen Sportwettern und Sportlern. In einer Befragung von Nachwuchsspielern von vier Fußball-Bundesligisten stimmten 42 % der Befragten der Aussage zu, dass „Fußballprofis besonders gute Sportwetter sind, weil sie mehr vom Sport wissen und verstehen als andere“.1

Internationale Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass die Bedeutung von Kenntnissen über Sport für den Erfolg bei Sportwetten überschätzt wird. So zeigen sich unter anderem in den Untersuchungen von Khazaal et al. und Huberfeld et al. keine nennenswerten Unterschiede, wenn Laien und Sportexperten (Profis) auf den Ausgang von Fußballspielen der WM oder der Champions League tippen.2 Deshalb ist die (illusorische) Annahme, aufgrund eigener Fähigkeiten das Ergebnis richtig vorauszusehen, als Kontrollillusion zu bezeichnen.

Viele internationale Untersuchungen zeigen, dass Personen mit glücksspielbedingten Problemen in einem höheren Maße von solchen fehlerhaften kognitiven Denk- und Entscheidungsmustern betroffen sind.3 Insbesondere bei pathologischen Sportwettern sind Kontrollillusionen besonders ausgeprägt.4 Demnach gibt es einen Zusammenhang zwischen Kontrollillusionen und Glücksspielproblemen.

Das muss Konsequenzen für die Ausgestaltung des Spielerschutzes haben: In vielen schulischen Präventionsprogrammen ist die Thematisierung des vermeintlichen und tatsächlichen Einflusses von Wissen auf den Erfolg bei Glücksspielen schon jetzt ein wichtiger pädagogischer Baustein.5 Solche Schulprogramme sollten in Deutschland flächendeckend ausgebaut und regelhaft durchgeführt werden. Ferner sollten pädagogische und präventive Projekte dort verankert werden, wo überdurchschnittlich viele (potentielle) Sportwetter anzutreffen sind: in den Sportvereinen (Amateure und Profis, Jugendliche und Erwachsene).

Ein weiterer Schlüssel ist die Werbung. Nach der geltenden Richtlinie darf die Werbung für Glücksspiele in Deutschland nicht den Zufallscharakter des Glücksspiels unangemessen darstellen, irreführende Aussagen über die Gewinnchancen oder Art und Höhe der Gewinne enthalten sowie suggerieren, dass Glücksspiel eine Strategie ist, mit der man seine finanzielle Situation verbessern kann. Diese Regeln müssen beibehalten werden; ihre Anwendung ist streng zu kontrollieren. Schließlich sollte auch die Struktur von Sportwetten dergestalt sein, dass mit ihnen nicht Kontrollillusionen gefördert werden – das bedeutet einen weitgehenden Verzicht auf Ereignis-Livewetten (z. B. nächste Gelbe Karte, nächstes Foul). Diese präventiven Erfordernisse sollte die Politik bei der Fortschreibung des Staatsvertrages berücksichtigen.

Dr. Jens Kalke, Hamburg*

1

Kalke/Schütze/Rosenkranz, pro Jugend 2016 (3), 21 bis 23.

2

Khazaal/Chatton/Billieux et al., Substance Abuse Treatment, Prevention, and Policy 2012 (7), 1 bis 6; Huberfeld/Gersner/Rosenberg et al., Psychopathology 2013 (46, 3), 28 bis 3.

3

Goodie/Fortune, Psychology of Addictive Behaviors 2013 (27), 730 bis 743; Myrseth/Brunborg/Eidem, Journal of Gambling Studies 2010 (26), 561 bis 569.

4

Kalke/Milin/Buth, Sucht. Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis 2018 (64, 1), 21 bis 28.

5

Hayer, Jugendliche und glücksspielbezogene Probleme. Risikobedingungen, Entwicklungsmodelle und Implikationen für präventive Handlungsstrategien, 2012.

*

Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor.

 
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