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ZNER 2019, IV
Becker 
ZNER 2019, Heft 04, Umschlagteil S. IV (IV)

Editorial

Markus Adam, Leiter Recht bei der LichtBlick SE, hat sich schon früher in der ZNER mit dem Thema Ladestationen für E-Fahrzeuge befasst (ZNER 2016, 189 und 289). Jetzt freut sich die ZNER, seinen weiter gespannten Aufsatz „Zehn Jahre später – Ein Beitrag zum Status Quo der Elektromobilität in Deutschland“ veröffentlichen zu können. Der Beitrag hat es in sich: Zunächst setzt sich Adam kritisch mit der Studie von Buchal, Karl und Sinn – Letzterer langjähriger prominenter Leiter des Münchener IFO-Instituts – auseinander. „Die Liste der handwerklichen Fehler in der Studie ist lang.“ Allerdings habe sie den Blick auf die Industrieprozesse gelegt und die CO2-Bilanz der Produktionskette und der Rohstoffgewinnung hinterfragt. Es reiche eben nicht, nur den Treibstoff der Fahrzeuge zu wechseln. Er greift in diesem Kapitel auch das Thema „Batterie gegen Brennstoffzelle“ auf; die Infos treffen ins Schwarze und befähigen den Leser, in jeder einschlägigen Diskussion mitzuhalten.

Dann befasst sich Adam mit dem Thema Ladeinfrastruktur, in dem er ja wirklich Fachmann ist. Er diagnostiziert „im Bereich der privaten Ladeinfrastruktur noch erhebliche rechtliche Hindernisse“, vor allem im Bereich des Miet- und WEG-Rechts.

Drängend sei auch das Problem Ausspeisung des Ladestroms, weil die Bandbreiten so groß seien. Neben der Preishöhe sei es auch die fehlende Transparenz der Ladetarife. Hier zeige sich die große Schwäche der Regelung in § 3 Nr. 25 EnWG, die den Ladepunkt einem Letztverbraucher gleichsetze. Damit würden die Ladepunkte aus dem Regulierungssystem des EnWG ausgeklammert und bewirkten so die verbraucherfeindliche Lösung. Der Gesetzgeber müsse tätig werden, um den „Widerspruch zu Art. 1 der Richtlinie 2019/944“ aufzulösen, der „die Schaffung wirklich integrierter, wettbewerbsgeprägter, verbraucherorientierter, fairer und transparenter Elektrizitätsmärkte in der Union fordert“. Adam propagiert zur Lösung dieser Probleme das Durchleitungsmodell.

Auch der Boos’sche Beitrag „Europäische Förderung von kollektiver Eigenversorgung und Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ greift ein Thema auf, das vor allem das Bündnis Bürgerenergie interessiert. Es geht um die europarechtlichen Regelungen zur kollektiven Eigenversorgung aus EE innerhalb von Gebäuden und Mehrfamilienhäusern sowie zur Etablierung der EE-Gemeinschaften. Boos stellt die europarechtlichen Regeln vor und fragt, „welche Vorgaben des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der EE-Richtlinie im EEG und anderen Gesetzen“ nötig sind. Er knüpft damit an seinen Beitrag in ZNER 2018, 519, an: Hier hatte er auf die Richtlinie aufmerksam gemacht und Zweifelsfragen diskutiert. Am Ende fand sich eine Auflistung zum Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber.

Bisher ist die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt. Daher stellt auch der neue Beitrag den „Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber“ zusammen. Einmal mehr wird die deutsche Regelung des Mieterstroms kritisiert, weil sie gerade keine EE-Eigenversorgung im Sinne der Richtlinie darstelle. Vor allem fordert Boos eine Ergänzung der Liste in § 3 EEG um eine Definition der gemeinsamen EE-Eigenversorgung in Gebäuden. Schließlich sei dringlich die Etablierung der EE-Gemeinschaften im deutschen Recht. Denn die bisherige Definition der Bürgerenergiegesellschaft in § 3 Nr. 15 EEG erfülle die Vorgaben von Art. 22 der Richtlinie jedenfalls nicht.

Die Redaktion wird beide Beiträge an die zuständigen Ministerien, den Bundestag und den Bundesrat senden, um die Anliegen voranzubringen. Nur – leider, leider – der Gesetzgeber verharrt in Lethargie (vgl. dazu das Interview von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in der FAZ vom 28. 06. 2019).

Geradezu hellsichtig packt dann Neven Josipovic, Mitarbeiter von Prof. Edmund Brandt in der Koordinierungsstelle Windenergierecht an der TU Braunschweig, das heiße Eisen Windenergie und Flugsicherung an. Josipovic kommt zu dem Ergebnis, dass das Bundesamt für Flugsicherung (BAF) viel zu enge Kriterien an seine Beteiligung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen anlegt. Die Kriterien entsprächen nicht dem Stand der Wissenschaft. Die Methodik der Deutschen Flugsicherung (DFS) entspräche nicht wissenschaftlichen Ansprüchen und dem Stand der Technik. Die bestehenden Spielräume für den Ausbau von Windenergieanlagen im Umfeld von Funknavigationsanlagen könnten daher nicht ausgenutzt werden. Damit trifft Josipovic den Einstieg eines Berichtes von Michael Bauchmüller aus der SZ vom 22. 07. 2019, der über die Ergebnisse einer Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land berichtet. Danach könnten derzeit 1.000 Anlagen mit insgesamt 4.800 Megawatt Leistung nicht errichtet werden, weil sie nach Auffassung der Flugsicherung ein Funkfeuer beeinträchtigen könnten – ein sehr wichtiges Hemmnis für den Ausbau der Windkraft an Land! Ein Beispiel für die fehlerhafte Rechtsanwendung bildet auch das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. 10. 2018, das die ZNER abdruckt.

Auch der Aufsatz von Kerkmann und Schröter „Seismologische Stationen und Windenergie“ betrifft ein wichtiges Thema des Betriebs von WKAs.

Außerdem sei hingewiesen auf zwei interessante Nachdrucke aus der aktuellen Ausgabe des Solarzeitalters, nämlich das Interview mit Prof. Dr. Claudia Kemfert, „Bedingungen für die Erreichung der Klimaziele“, und den ins Deutsche übersetzten Beitrag von Florian Valentin/David Reichwein: „Energiespeicherung im rechtlichen Niemandsland“. Schließlich wird im Dokumentationsteil die Pressemitteilung des BGH zu den Beschlüssen vom 9. Juli 2019 wiedergegeben, laut der der BGH die Absenkung der Eigenkapitalzinssätze für Gas- und Elektrizitätsnetze durch die Bundesnetzagentur bestätigt und die einschlägige Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben hat. Zwar bestätigt der BGH die Vorgehensweise des OLG, dass die maßgebliche Situation zur Bemessung der Eigenkapitalzinssätze historisch einmalig gewesen sei. Aber das OLG sei quasi über das Ziel hinausgeschossen, weil es eine zusätzliche Plausibilisierung angestellt habe – für den Verfasser dieser Zeilen schmerzlich, weil er die Entscheidung des OLG Düsseldorf in seiner Anmerkung (ZNER 2018, 258) als die „vielleicht wichtigste und aufwändigste Entscheidung des Regulierungssenats unter Vorsitz von Laubenstein“ und als „gelungen“ eingeordnet hatte. Man darf auf die endgültigen Gründe gespannt sein, denen die ZNER angemessen Rechnung tragen wird.

Dr. Peter Becker

 
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