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Steuerrecht
15.05.2023
Steuerrecht
EuGH: Berichtigung der Vorsteuerabzüge – ausgesonderte Gegenstände – späterer Verkauf als Abfall – ordnungsgemäß nachgewiesene oder belegte Zerstörung oder Entsorgung

EuGH, Urteil vom 4..5.2023 – C-127/22; „Balgarska telekomunikatsionna kompania“ EAD gegen Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Sofia

ECLI:EU:C:2023:381

BB-ONLINE BBL2023-1174-1

Tenor

1. Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt vom mehrwertsteuerpflichtigen Verkauf dieses Gegenstands als Abfall, keine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2. Art. 185 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt von der vorsätzlichen Zerstörung dieses Gegenstands, eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels darstellt. Allerdings stellt eine solche Situation unabhängig von ihrem vorsätzlichen Charakter eine „Zerstörung“ im Sinne von Abs. 2 Unterabs. 1 dieses Artikels dar, so dass diese Änderung keine Berichtigungspflicht nach sich zieht, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte. Die ordnungsgemäß nachgewiesene Entsorgung eines Gegenstands ist seiner Zerstörung gleichzusetzen, sofern sie konkret zum unumkehrbaren Verschwinden dieses Gegenstands führt.

3. Art. 185 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Gegenstands zu berichtigen ist, wenn dieser ausgesondert wurde, weil der Steuerpflichtige der Ansicht war, dass er im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar geworden sei, und der Gegenstand anschließend entweder mehrwertsteuerpflichtig verkauft oder in einer Weise zerstört oder entsorgt wurde, die konkret zu seinem unumkehrbaren Verschwinden geführt hat, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Balgarska telekomunikatsionna kompania“ EAD (im Folgenden: BTK) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danatchno-osiguritelna praktika“ – Sofia (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ von Sofia, Bulgarien) über die Entscheidung des Generalsteuerinspektors bei der Teritorialna Direktsia na Natsionalna Agentsia za Prihodite (Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) „Große Steuerzahler und Versicherer“, mit der der Antrag von BTK auf Erstattung von Beträgen abgelehnt wurde, die als Berichtigungen ursprünglicher Vorsteuerabzüge gezahlt wurden. Die Berichtigungen waren wegen der Aussonderung verschiedener Investitionsgüter und Lagerbestände zwischen 2014 und 2017 vorgenommen worden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)         die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden“.

4          Art. 184 dieser Richtlinie sieht vor:

„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“

5          In Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„(1)       Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2)        Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“

6          Nach Art. 186 dieser Richtlinie legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185 fest.

Bulgarisches Recht

7          Der Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) vom 21. Juli 2006 (DV Nr. 63 vom 4. August 2006, S. 8) bestimmt in seiner ab dem 1. Januar 2017 anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) in Art. 78:

„(1)       Die in Anspruch genommene Vorsteuer ist der Steuerbetrag, den eine nach diesem Gesetz registrierte Person in dem Jahr, in dem sie das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt hat, abgezogen hat.

(2)        Die registrierte Person ist verpflichtet, bei einer Änderung der Steuerbemessungsgrundlage, einer Rückgängigmachung des Umsatzes und einer Änderung der Art des Umsatzes den Umfang der in Anspruch genommenen Vorsteuer zu berichtigen.

…“

8          Art. 79 Abs. 1 ZDDS sieht vor:

„Jede registrierte Person, die die Vorsteuer für von ihr hergestellte, erworbene oder eingeführte Gegenstände vollständig, teilweise oder entsprechend dem Anteil der Verwendung für eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit abgezogen hat, berechnet und schuldet einen Steuerbetrag in Höhe des Vorsteuerabzugs, wenn die Gegenstände zerstört wurden, Fehlmengen festgestellt wurden oder die Gegenstände ausgesondert wurden.

9          Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf die Berichtigung des Vorsteuerabzugs sind in Art. 80 dieses Gesetzes vorgesehen, der in Abs. 2 bestimmt:

„In folgenden Fällen werden keine Berichtigungen nach Art. 79 Abs. 3 vorgenommen:

1.         Zerstörung, Fehlmengen oder Ausschuss, die durch höhere Gewalt verursacht wurden, sowie im Fall der Zerstörung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, die nach dem Zakon za aktsizite i danachnite skladove [(Gesetz über die Verbrauchsteuern und Steuerlager)] unter Aufsicht der Verwaltung stehen;

2.         Zerstörung, Fehlmengen oder Ausschuss, die durch Pannen oder Unfälle verursacht wurden, bezüglich deren die Person nachweisen kann, dass sie nicht durch ihr Verschulden oder durch das Verschulden der Person, die die Ware nutzt, verursacht wurden;

3.         Fehlmengen, die aus einer Veränderung der physikalisch-chemischen Eigenschaften im üblichen Umfang, innerhalb des festgesetzten Rahmens für natürlichen Schwund, herrühren, und Fehlmengen von Waren bei deren Lagerung und Transport gemäß einem Rechtsetzungsakt oder von Unternehmensstandards und -normen;

4.         technologischer Ausschuss innerhalb der zulässigen Normen, die durch die technische Dokumentation für die entsprechende Produktion oder Tätigkeit bestimmt werden;

5.         Ausschuss wegen Ablaufs der Verfallsfrist, die gemäß den Anforderungen eines Rechtsetzungsakts bestimmt wird;

6.         Ausschuss von Investitionsgütern, wenn ihr Bilanzwert unter 10 % der Anschaffungskosten liegt.“

10        Art. 79 Abs. 3 und Art. 80 Abs. 2 ZDDS in seiner vor dem 1. Januar 2017 anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS alter Fassung) enthielten Bestimmungen, die den in den Rn. 8 und 9 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen vergleichbar waren.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11        BTK ist eine Gesellschaft bulgarischen Rechts, die im Bereich Telekommunikation tätig ist. Sie ist für ihre Tätigkeiten, die u. a. in der Erbringung von Telekommunikationsdiensten bestehen, mehrwertsteuerpflichtig. Für ihre Tätigkeiten erwirbt sie verschiedene Investitionsgüter sowie, im Hinblick auf ihren Weiterverkauf, mobile Kommunikationsgeräte und verschiedene Ausrüstungsgegenstände, die für die Nutzung der von ihr erbrachten Dienste erforderlich oder hilfreich sind. Die bei diesen Erwerben gezahlte Mehrwertsteuer ist Gegenstand von Vorsteuerabzügen.

12        Im Zeitraum von Oktober 2014 bis Dezember 2017 sonderte BTK verschiedene Gegenstände wie Installationen, Ausrüstungsgegenstände oder Geräte aus, die aus verschiedenen Gründen, weil sie beispielsweise abgenutzt, fehlerhaft, veraltet oder ungeeignet waren, für unbrauchbar oder nicht verkaufsfähig gehalten wurden. Diese Aussonderungen erfolgten unter Einhaltung der anwendbaren nationalen Vorschriften. Sie bestanden konkret in der Ausbuchung der betreffenden Gegenstände aus der Bilanz des Unternehmens. Anschließend wurden die Gegenstände entweder als Abfall an steuerpflichtige Drittunternehmen verkauft, oder sie wurden zerstört oder entsorgt.

13        Die Aussonderungen führten zu Berichtigungen, die die Erstattung der für die betreffenden Gegenstände abgezogenen Vorsteuer beinhalteten. Diese Berichtigungen wurden zwischen 2014 und 2016 gemäß Art. 79 Abs. 3 ZDDS alter Fassung und ab dem 1. Januar 2017 gemäß Art. 79 Abs. 1 ZDDS durchgeführt.

14        Am 18. Januar 2019 stellte BTK einen Antrag auf Erstattung der im Rahmen dieser Berichtigungen gezahlten Beträge. Dieser Antrag betraf einen Gesamtbetrag von 1 304 090,54 bulgarischen Leva (BGN) (ungefähr 666 770 Euro). BTK machte bei dieser Gelegenheit geltend, dass Art. 79 Abs. 1 ZDDS und Art. 79 Abs. 3 ZDDS alter Fassung mit Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar seien.

15        Der Erstattungsantrag wurde mit am 5. Dezember 2019 erlassener Entscheidung des Generalsteuerinspektors der Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen „Große Steuerzahler und Versicherer“ abgelehnt. Diese Entscheidung wurde mit Entscheidung des Direktors der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Sofia vom 18. Februar 2020 bestätigt.

16        Ebenso wurde die von BTK gegen die letztgenannte Entscheidung beim Administrativen sad Sofia grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) erhobene Klage mit Urteil vom 18. Mai 2021 abgewiesen. Dieses Gericht stellte fest, dass die Aussonderung von Gegenständen möglicherweise gemäß Art. 80 Abs. 2 ZDDS nicht zu einer Berichtigung führe, sofern eine der in dieser Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sei, was hier nicht der Fall sei.

17        Gegen dieses Urteil wurde beim Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde eingelegt.

18        Dieses Gericht erläutert, dass die Aussonderung von Gegenständen in ihrer Ausbuchung aus der Bilanz bestehe und dass mit ausgesonderten Gegenständen im bulgarischen Recht Wirtschaftsgüter oder Lagerbestände gemeint seien, die wegen physischer Abnutzung oder Schäden unbenutzbar oder für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeeignet geworden seien oder die veraltet seien und daher nicht mehr gebraucht oder verkauft werden könnten. Das Gericht stellt im Wesentlichen fest, dass diese Auslegung die Erschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials der betreffenden Gegenstände im Lauf ihrer Verwendung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedeute. Es vergleicht dies insoweit mit der Situation, in der Gegenstände oder Dienstleistungen im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen vollständig verbraucht worden sind. In dieser Situation führt seiner Ansicht nach ein Ausscheiden dieser Gegenstände oder Dienstleistungen aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu einer Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags im Sinne von Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie berücksichtigt würden.

19        Des Weiteren stellt das vorlegende Gericht fest, dass Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine abschließende Aufzählung der Fälle enthalte, die – vorbehaltlich von Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 – nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs führen dürften, und ist der Auffassung, dass diese Fälle Situationen entsprächen, in denen ein Gegenstand vom Steuerpflichtigen aufgrund von Ereignissen, die außerhalb seiner Kontrolle lägen, nicht mehr für weitere Lieferungen verwendet werden könne. Mit der in solchen Fällen vorgesehenen Ausnahme von der Berichtigung solle verhindert werden, dass der Steuerpflichtige neben dem wirtschaftlichen auch einen steuerlichen Verlust erleide.

20        In diesem Zusammenhang ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass die Rechtmäßigkeit der bei ihm angefochtenen Entscheidung und damit die Entscheidung des ihm vorgelegten Rechtsstreits die Klärung bestimmter Begriffe in Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfordere.

21        Es fragt sich zunächst, ob von Bedeutung sei, dass im vorliegenden Fall die ausgesonderten Gegenstände später als Abfall im Rahmen von steuerbaren Umsätzen verkauft worden seien, die allerdings nicht unter die gewöhnliche wirtschaftliche Tätigkeit von BTK, die sie als Steuerpflichtige ausübe, fielen. Des Weiteren ist es sich nicht sicher, ob die Aussonderung eine Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags im Sinne von Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie berücksichtigt würden, darstelle, wenn die betreffenden Gegenstände in der Folge unter Ausschluss jedweder Verwendung im Rahmen von Umsätzen, die steuerbefreit seien oder nicht in den Geltungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fielen, zerstört oder entsorgt würden. Schließlich fragt es sich in der Erwägung, dass die Aussonderung einen „Verlust“ im Sinne von Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie darstellen könne, ob in diesem Fall ausschlaggebend sei, dass der Gegenstand objektiv vernichtet worden sei, oder ob es außerdem erforderlich sei, dass dies auf Ereignissen beruhe, die außerhalb der Kontrolle des Steuerpflichtigen lägen und von diesem weder hätten vorhergesehen noch hätten verhindert werden können.

22        Unter diesen Umständen hat der Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht) entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Ist Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Aussonderung von Gegenständen im Sinne der Ausbuchung von Wirtschaftsgütern oder Lagerbeständen aus der Bilanz des Steuerpflichtigen aufgrund der Tatsache, dass von ihnen kein wirtschaftlicher Nutzen mehr zu erwarten ist, weil sie beispielsweise abgenutzt, fehlerhaft oder ungeeignet sind oder nicht zweckentsprechend eingesetzt werden können, eine Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags im Zusammenhang mit der bereits beim Einkauf der Gegenstände entrichteten Mehrwertsteuer berücksichtigt werden, darstellt, die nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung eingetreten ist und die deswegen die Verpflichtung nach sich zieht, den Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn die ausgesonderten Gegenstände anschließend im Rahmen einer steuerbaren Lieferung verkauft wurden?

2.         Ist Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Aussonderung von Gegenständen, wie im Rahmen der ersten Frage erläutert, eine Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags im Zusammenhang mit der bereits beim Einkauf der Gegenstände entrichteten Mehrwertsteuer berücksichtigt werden, darstellt, die nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung eingetreten ist und die deswegen die Verpflichtung nach sich zieht, den Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn die ausgesonderten Gegenstände anschließend zerstört oder entsorgt wurden und diese Tatsache ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt wurde?

3.         Falls die erste, die zweite oder beide Fragen bejaht werden, ist Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Aussonderung von Gegenständen unter den oben angeführten Umständen einen ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fall von Zerstörung oder Verlust eines Gegenstands darstellt, bei dem keine Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der beim Erwerb der Gegenstände entrichteten Mehrwertsteuer entsteht?

4.         Ist Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung oder Verlust eines Gegenstands die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nur dann unterbleiben kann, wenn die Zerstörung oder der Verlust durch Ereignisse verursacht wurde, die außerhalb der Kontrolle des Steuerpflichtigen liegen und von diesem nicht vorhergesehen und verhindert werden konnten?

5.         Falls die erste, die zweite oder beide Fragen verneint werden, steht Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung wie der des Art. 79 Abs. 3 ZDDS alter Fassung bzw. des Art. 79 Abs. 1 ZDDS entgegen, die bei der Aussonderung von Gegenständen eine Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorsieht, auch wenn die Gegenstände anschließend im Rahmen einer steuerbaren Lieferung verkauft wurden oder wenn sie zerstört oder entsorgt wurden und dieser Umstand ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt wurde?

Zu den Vorlagefragen

23        Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in den Art. 187 bis 191 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Modalitäten für die Berichtigung der ursprünglich abgezogenen Mehrwertsteuer, was Investitionsgüter wie bestimmte der von BTK ausgesonderten Gegenstände betrifft, keine Auswirkungen auf die Beantwortung der Vorlagefragen haben. Diese betreffen nämlich die Entstehung einer Berichtigungspflicht und nicht die Modalitäten einer eventuellen Berichtigung. Demgegenüber enthalten die Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Regelung, nach der sich richtet, ob ein Recht für die Steuerverwaltung entsteht, eine Berichtigung durch einen Steuerpflichtigen zu verlangen, und zwar auch, soweit es um die Berichtigung von Abzügen in Bezug auf Investitionsgüter geht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2020, Stichting Schoonzicht, C-791/18, EU:C:2020:731, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zur ersten Frage

24        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt vom mehrwertsteuerpflichtigen Verkauf dieses Gegenstands als Abfall, eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

25        Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der in den Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Berichtigungsmechanismus Bestandteil der in dieser Richtlinie festgelegten Vorsteuerabzugsregelung ist (Urteil vom 17. Juli 2014, BCR Leasing IFN, C-438/13, EU:C:2014:2093, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26        Hinsichtlich dieser Vorsteuerabzugsregelung ergibt sich aus Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass ein Steuerpflichtiger, soweit er zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands als solcher handelt und diesen Gegenstand für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, berechtigt ist, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diesen Gegenstand abzuziehen (Urteil vom 22. März 2012, Klub, C-153/11, EU:C:2012:163, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27        Durch diese Abzugsregelung soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem soll so völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleisten, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 17. Oktober 2018, Ryanair, C-249/17, EU:C:2018:834, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28        Des Weiteren ist in Bezug auf die Frage, wie sich nach den Abzügen eingetretene Ereignisse eventuell auf diese auswirken, darauf hinzuweisen, dass die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen den Umfang des ursprünglichen Vorsteuerabzugs, zu dem der Steuerpflichtige befugt ist, und den Umfang etwaiger Berichtigungen während der darauffolgenden Zeiträume bestimmt (Urteil vom 17. September 2020, Stichting Schoonzicht, C-791/18, EU:C:2020:731, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Die in der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Berichtigungsvorschriften sollen dementsprechend die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge in der Weise erhöhen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet wird, so dass die auf einer früheren Stufe bewirkten Umsätze weiterhin nur insoweit zum Abzug berechtigen, als sie der Erbringung von Leistungen dienen, die dieser Steuer unterliegen. Mit diesen Vorschriften verfolgt die Richtlinie somit das Ziel, einen engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Vorsteuerabzugsrecht und der Nutzung der betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für besteuerte Ausgangsumsätze herzustellen (Urteil vom 10. Oktober 2013, Pactor Vastgoed, C-622/11, EU:C:2013:649, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30        In Bezug auf die Entstehung einer etwaigen Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs stellt Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie den Grundsatz auf, dass eine solche Berichtigung insbesondere dann zu erfolgen hat, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben.

31        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die betreffenden Gegenstände schlussendlich vom Steuerpflichtigen im Rahmen steuerbarer Umsätze verkauft wurden. Folglich ist die Voraussetzung erfüllt, unter der das Recht auf Vorsteuerabzug nach der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung angewandt werden und weiterbestehen kann, nämlich dass diese Gegenstände im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten verwendet worden sind, die der Mehrwertsteuer unterliegen. Diese Anwendung und dieses Weiterbestehen sind im Übrigen erforderlich, um die Steuerneutralität sicherzustellen, die das Ziel darstellt, dass das Gemeinsame Mehrwertsteuersystem über die Vorsteuerabzugsregelung verfolgt.

32        Insoweit ist es ohne Bedeutung, dass der Verkauf von Abfall nicht zu den gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen gehört, der einen solchen Verkauf vornimmt, oder dass der Veräußerungswert der betreffenden Gegenstände niedriger ist als ihr ursprünglicher Wert, weil sie als Abfall verkauft wurden oder weil aus dem gleichen Grund ihre ursprüngliche Beschaffenheit geändert wurde.

33        Nach der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung betrifft nämlich die Vorsteuerabzugsregelung alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern die Gegenstände im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten verwendet werden, die der Mehrwertsteuer unterliegen. Im Übrigen ist festzustellen, dass der Gerichtshof bei der Entscheidung, dass Vorsteuerabzüge nicht zu berichtigen waren, bereits die Tatsache berücksichtigt hat, dass Abfälle aus Gebäuden, die gemäß der Vorsteuerabzugsregelung erworben und anschließend teilweise abgerissen worden waren, im Rahmen von steuerbaren Ausgangsumsätzen weiterverkauft worden waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2012, TETS Haskovo, C-234/11, EU:C:2012:644, Rn. 35).

34        Solche Umstände sind daher nicht geeignet, zu einer Unterbrechung des engen und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem Recht auf Abzug der beim Erwerb der betreffenden Gegenstände gezahlten Vorsteuer und der Verwendung der Gegenstände für besteuerte Ausgangsumsätze im Sinne der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu führen.

35        Nach alledem ist Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt vom mehrwertsteuerpflichtigen Verkauf dieses Gegenstands als Abfall, keine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

Zu den Fragen 2 bis 4

36        Mit seiner zweiten Frage sowie mit seiner dritten und seiner vierten Frage – soweit die letztgenannten zerstörte Gegenstände betreffen –, die alle zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt von der vorsätzlichen Zerstörung dieses Gegenstands, eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels darstellt und, wenn ja, ob die Aussonderung dieses Gegenstands unter solchen Umständen einen „ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fall von Zerstörung“ oder einen „ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fall von Verlust“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels darstellt, obwohl es sich nicht um ein Ereignis handelt, das außerhalb der Kontrolle dieses Steuerpflichtigen liegt und von diesem weder vorhergesehen noch verhindert werden konnte.

37        Erstens ist festzustellen, dass die Zerstörung eines Gegenstands zwangsläufig dazu führt, dass er nicht mehr im Rahmen von besteuerten Umsätzen verwendet werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Oktober 2012, PIGI, C-550/11, EU:C:2012:614, Rn. 35).

38        Folglich führt dieser Umstand zu einer Unterbrechung des engen und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem Recht auf Vorsteuerabzug und der Verwendung des betreffenden Gegenstands für besteuerte Ausgangsumsätze, wie er in der in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung erwähnt wird, und stellt somit eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne von Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Zerstörung in Art. 185 Abs. 2 bei den möglichen Ausnahmen von der Berichtigungspflicht genannt wird.

39        Zweitens sind, was die Bedeutung und die Tragweite der Begriffe „Zerstörung“ und „Verlust“ im Sinne von Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft, diese Begriffe in Ermangelung einer Definition entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2021, Austrian Airlines, C-826/19, EU:C:2021:318, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Im gewöhnlichen Sprachgebrauch bezeichnet das Wort „Zerstörung“ die Handlung, einen Gegenstand tiefgreifend zu verändern, ihn zu beseitigen, indem er demoliert wird, ihn zu vernichten. Der Begriff „Verlust“, auf einen Gegenstand bezogen, bedeutet, dass ein Gegenstand entzogen wird, an dem man Eigentum oder ein Nutzungsrecht hatte. Daraus folgt, dass sich der Verlust eines Gegenstands nicht aus einer vorsätzlichen Handlung seines Eigentümers oder Besitzers ergeben kann, während dies im Fall der Zerstörung nicht ausgeschlossen ist.

41        Zum Kontext der in Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen und zu ihrem Zweck ist festzustellen, dass eine Bestimmung, die ähnliche Ausnahmen vorsah, zuvor in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) enthalten war. Den Vorarbeiten zu der letztgenannten Bestimmung ist zu entnehmen, dass es der Gemeinschaftsgesetzgeber mit diesen Ausnahmen für erforderlich hielt, im Fall des Verschwindens eines Gegenstands, der zu einem Vorsteuerabzug geführt hat, die Berichtigungspflicht auf die Fälle eines nicht belegten Verschwindens zu begrenzen und so zu verhindern, dass ein Verlust steuerlicher Natur zu dem wirtschaftlichen Verlust hinzukommt, wenn der Nachweis der Zerstörung, des Verlusts oder des Diebstahls erbracht wurde.

42        Daraus ergibt sich, dass die in Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Fälle der Zerstörung, des Verlusts und des Diebstahls Fällen eines erlittenen wirtschaftlichen Verlusts entsprechen, aber auch, dass der Eintritt dieser Fälle gemäß Unterabs. 1 dieser Bestimmung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt werden muss.

43        Im vorliegenden Fall erfolgte die Zerstörung der betreffenden Gegenstände durch ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen. Daher ist davon auszugehen, dass es sich um eine „Zerstörung“ und nicht um einen „Verlust“ im Sinne von Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie handelte.

44        Außerdem ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Bestimmung noch aus den Vorarbeiten, die für maßgeblich erachtet werden können, dass die Zerstörung eines Gegenstands völlig unabhängig vom Willen des Steuerpflichtigen erfolgen muss. Wie in Rn. 40 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Zerstörung in manchen Fällen ein vorsätzliches Tätigwerden des Steuerpflichtigen voraussetzt.

45        Insbesondere ist dies bei der Zerstörung eines Gegenstands der Fall, die infolge der Feststellung beschlossen wurde, dass dieser für seine Verwendung im Rahmen der gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen ungeeignet geworden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (Urteil vom 22. November 2018, MEO – Serviços de Comunicações e Multimédia, C-295/17, EU:C:2018:942, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46        Um unter Art. 185 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu fallen, muss die Zerstörung eines zum Vermögen des Steuerpflichtigen gehörenden Gegenstands allerdings ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt werden, und es kann nur diejenige Zerstörung eines Gegenstands berücksichtigt werden, die aufgrund des objektiven Verlusts des Nutzens dieses Gegenstands im Rahmen der gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen beschlossen wurde, was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.

47        Soweit das vorlegende Gericht auch die Tatsache anspricht, dass bestimmte Gegenstände, die zu den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Berichtigungen geführt haben, „entsorgt“ wurden, muss es darüber hinaus auch überprüfen, ob die Umstände, die konkret mit diesem Begriff bezeichnet werden, einem unumkehrbaren Verschwinden der Gegenstände entsprechen. So müssen Entsorgungsarten wie die Deponierung eines Gegenstands so angesehen werden, dass sie zu seiner „Zerstörung“ im Sinne von Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie führen, da sie konkret zum unumkehrbaren Verschwinden dieses Gegenstands führen.

48        Nach alldem ist Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Aussonderung eines nach Ansicht des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar gewordenen Gegenstands, gefolgt von der vorsätzlichen Zerstörung dieses Gegenstands, eine „Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden“, im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels darstellt. Allerdings stellt eine solche Situation unabhängig von ihrem vorsätzlichen Charakter eine „Zerstörung“ im Sinne von Abs. 2 Unterabs. 1 dieses Artikels dar, so dass diese Änderung keine Berichtigungspflicht nach sich zieht, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte. Die ordnungsgemäß nachgewiesene Entsorgung eines Gegenstands ist seiner Zerstörung gleichzusetzen, sofern sie konkret zum unumkehrbaren Verschwinden dieses Gegenstands führt.

Zur fünften Frage

49        Mit seiner fünften Frage, die für den Fall gestellt wird, dass die erste und/oder die zweite Frage verneint werden, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Gegenstands zu berichtigen ist, wenn dieser ausgesondert wurde, weil der Steuerpflichtige der Ansicht war, dass er im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar geworden sei, unabhängig davon, dass der Gegenstand anschließend mehrwertsteuerpflichtig verkauft wurde oder in ordnungsgemäß nachgewiesener oder belegter Weise zerstört oder entsorgt wurde.

50        Aus dem letzten Teil dieser Frage geht im Licht der Vorlageentscheidung, insbesondere der dritten und der vierten Frage sowie der Umstände des Ausgangsverfahrens, allerdings hervor, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage konkret das Erfordernis, unter solchen Umständen den Vorsteuerabzug zu berichtigen, nicht nur im Hinblick auf die Berichtigungspflicht nach Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie, sondern auch im Hinblick auf bestimmte in Abs. 2 dieses Artikels genannte Ausnahmen von dieser Pflicht und somit im Hinblick auf den gesamten Art. 185 meint.

51        Darüber hinaus ist diese Frage aus denselben Gründen nicht nur im Fall einer Verneinung der ersten Frage bezüglich des Verkaufs ausgesonderter Gegenstände als Abfall oder der zweiten Frage bezüglich der Zerstörung ausgesonderter Gegenstände zu beantworten. Eine Antwort auf die fünfte Frage kann nämlich auch von Interesse sein, wenn eine dieser beiden Fragen bejaht wird.

52        Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof die ihm vorgelegte Frage umzuformulieren, um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, The Department for Communities in Northern Ireland, C-709/20, EU:C:2021:602, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53        Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner fünften Frage wissen möchte, ob Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Gegenstands zu berichtigen ist, wenn dieser ausgesondert wurde, weil der Steuerpflichtige der Ansicht war, dass er im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar geworden sei, unabhängig davon, dass der Gegenstand anschließend mehrwertsteuerpflichtig verkauft oder in ordnungsgemäß nachgewiesener oder belegter Weise zerstört oder entsorgt wurde.

54        In Anbetracht der die Antworten auf die Fragen 1 bis 4 stützenden Erwägungen in den Rn. 35 bis 48 des vorliegenden Urteils sind solche nationalen Bestimmungen mit Art. 185 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar.

55        Die Zerstörung eines Gegenstands gehört auch nicht zu den Fällen, in denen Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten gestattet, die Berichtigung der Vorsteuerabzüge gleichwohl zu verlangen.

56        Infolgedessen ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Gegenstands zu berichtigen ist, wenn dieser ausgesondert wurde, weil der Steuerpflichtige der Ansicht war, dass er im Rahmen seiner gewöhnlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten unbrauchbar geworden sei, und der Gegenstand anschließend entweder mehrwertsteuerpflichtig verkauft oder in einer Weise zerstört oder entsorgt wurde, die konkret zu seinem unumkehrbaren Verschwinden geführt hat, sofern diese Zerstörung ordnungsgemäß nachgewiesen oder belegt ist und der Gegenstand objektiv jeden Nutzen im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verloren hatte.

Kosten

57        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

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