LG Dresden: Werbung mit dem Begriff "Gratis" bei tatsächlichen Bearbeitungskosten unzulässig
LG Dresden, Urteil vom 30. 11. 2010 - 3 O 949/10
LG Dresden
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit xxx
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen 1. xxx
- Beklagte -
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
wegen Unterlassung
hat die 3. Zivilkammer des LG Dresden durch Vorsitzenden Richter am LG Schmitt als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. 11. 2010
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im Internet gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung nicht im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verwenden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Druckerzeugnissen für Produkte mit dem Betriff „gratis" zu werben, wenn tatsächlich Bearbeitungskosten, nämlich
- Lohnkosten für Personal in der Versandabwicklung, - Förderband,
- Abschreibung Geräte, Wartung Instandsetzung, - indirekte Lohnkosten,
- Kosten für Neuproduktion und Sendung von verlorenen Lieferungen,
- Callcenter Kosten für Anrufe/E-Mails wegen verloren gegangener Lieferungen, - Gebühren für Zahlungsabwicklung,
erhoben werden, wie auch aus den als Anlage K 1 beigefügten screenshots, insbesondere dem Hinweis in der Fußzeile „zzgl. Versand- und Bearbeitungskosten", ersichtlich.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsanordnung gem
äß Ziffer 1 werden den Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, diese zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 4/5 und die Kläger 1/5.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 €. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Streitwert: 10.000 €
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Die Klägerin vertreibt unter der Domain xxx Druckerzeugnisse. Die Beklagten vertreiben ebenfalls Druckerzeugnisse über die Domain xxx. Unter dem 11. 3. 2010 boten die Beklagten als „gratis*" beworbene Produkte, und zwar unterschiedlichste Drucksachen wie Flyer, Aufkleber, Visitenkarten usw., an. Dabei führte der Sternchenhinweis auf eine Zeile am Ende der Seite, welche lautet
„*Zzgl. Versand- und Bearbeitungskosten. Mehr Informationen finden Sie hier".
Beim Anklicken des Wortes „hier" gelangt der Interessent auf eine Unterseite mit verschiedenen Produktangeboten, z. B. „Gratis*-Flyer" für Zusatzgebühren von 5,99 € pro hochgeladener Grafik.
Unten auf der Startseite der Beklagten befindet sich ein Link mit der Bezeichnung „Details unserer Gratis-Angebote". Beim Anklicken dieses Links gelangt man auf eine Unterseite mit Erläuterungen, wonach bei den Gratis-Angeboten entstehende Bearbeitungskosten u. a. Kosten sind, die „innerhalb xxx" entstehen. Unter der Frage „Sind Ihre Gratis-Angebote wirklich gratis?" wird aufgeführt, dass der Interessent nur Versand- und Bearbeitungskosten sowie Zusatzoptionen zu zahlen habe.
Die Klägerin erblickt hierin einen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang Nr. 21 UWG.
Sie hat die Beklagten unter dem 30. 3. 2010 deswegen abgemahnt. Die Beklagten haben die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Internetauftritt der Beklagten verstoße gegen § 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang Nr. 21 UWG, da sie Bearbeitungskosten auch für Produkte erheben würden, die sie ausdrücklich als „gratis" bewerben. Es handele sich auch nicht um Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren- oder Dienstleistungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar seien.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im Internet gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung nicht im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verwenden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Druckerzeugnissen für Produkte mit dem Begriff „gratis" zu werben, wenn tatsächlich Bearbeitungskosten erhoben werden, nämlich wie aus den den als Anlage K 1 beigefügten screenshots der Websites unter xxx ersichtlich,
hilfsweise zu Ziffer 1:
die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im Internet gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung nicht im Rahmen ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verwenden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Druckerzeugnissen für Produkte mit dem Begriff „gratis" zu werben, wenn tatsächlich Bearbeitungskosten, nämlich die in der beklagtenseits vorgelegten Anlage B 1 aufgeführten Kosten
- Kartons für Versendung
- Lohnkosten für Packer
- Lohnkosten für Personal in der Versandabwicklung
- Förderband
- Abschreibung Geräte, Wartung Instandsetzung
- indirekte Lohnkosten
- Kosten für Neuproduktion und Sendung von verlorenen Lieferungen
- Callcenter Kosten für Anrufe/E-Mail wegen verloren gegangener Lieferungen
- Gebühren für Zahlungsabwicklung
erhoben werden, wie auch aus den im Tenor abgedruckten Screenshots, insbesondere dem Hinweis in der Fußzeile „zzgl. Versand- und Bearbeitungskosten" ersichtlich,
2. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, anzudrohen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie machen gelten, sie würden für als „gratis" beworbene Produkte lediglich Kosten erheben, die für die Lieferung der Gratis-Produkte unvermeidbar seien. Daran ändere nichts, dass auch im Zusammenhang mit der Bewerbung von Gratis-Produkten auf die Entstehung von Versand- und Bearbeitungskosten hingewiesen werde. Tatsächlich würden nämlich keine Bearbeitungskosten erhoben, sondern lediglich unvermeidbare Kosten der Lieferung. Diese schlüsselten sich für die Lieferung von 250 Gratis-Visitenkarten von der Produktionsstätte de Beklagten in xxx, xxx, nach Deutschland wie folgt (Anlage B 1) auf:
Kostenart |
Kosten |
Beschreibung |
Porto |
3,33 € |
Portokosten zu entrichten an das Logistikunternehmen |
Verpackung & Verpackungsmaterial |
0,23 € |
Kartons für Versendung der Visitenkarten; Lohnkosten für Packer; Lohnkosten für Personal in der Versandabwicklung |
Andere Fixkosten |
0,46 € |
Förderband; Abschreibung Geräte, Wartung, Instandsetzung |
Andere variable & Logistik, Kosten |
1,40 € |
Indirekte Lohnkosten: HR, Finanzen, IT, Einkauf, Ingenieurwesen; Management; Kosten für Neuproduktion & Sendung von verlorenen Lieferungen; Callcenter Kosten für Anrufe/E-Mails wegen verlorengegangener Lieferungen; Gebühren für Zahlungsabwicklung |
Gesamtkosten netto |
5,42 € |
|
Mehrwertsteuer |
1,03 € |
|
Gesamtkosten brutto |
6,45 € |
Hierbei handele es sich durchweg um unvermeidbare Kosten der Lieferung von 250 Gratis-Visitenkarten. Mit indirekten Lohnkosten HR und IT seien die Kosten gemeint, die in den Abteilungen Personal (Human Resources = HR) und Informationstechnik (= IT) allein dadurch entstünden, dass die Beklagten über eine Versandabteilung verfügten.
Sofern gelegentlich ein geringerer Preis verlangt werde, liege dies daran, dass die Beklagten in manchen Fällen einen geringeren Preis erheben würden, um Neukunden zu gewinnen. In diesen Fällen tragen die Beklagten einen Teil der unvermeidbaren Kosten selbst.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 23. 11. 2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die vorliegende Klage ist mit der beim LG Dresden - Kammer für Handelsachen - unter Az.: 44 HK O 149/09 eingereichten Klage identisch, auch hinsichtlich der Klagepartei. Das Gericht hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf das in dem dortigen Verfahren ergangene Urt. v. 29. 1. 2010 und der dort schriftlich abgefassten Urteilsgründe hingewiesen sowie auch auf das bestätigende Urteil des OLG Dresden (Az.: 14 U 329/10) vom 5. 10. 2010. Diesen beiden Urteilen ist nichts Weiteres hinzuzufügen, sie gelten auch für das vorliegende Verfahren. Das Gericht beruft sich daher auf die schriftlich abgefassten Urteilsgründe des LG Dresden vom 29. 1. 2010, im Einzelnen auf folgende zutreffenden Ausführungen A. I.-II., die vorliegend nicht für einen Beklagten, wovon der Text im dortigen Verfahren handelt, sondern nunmehr für beide Beklagte in gleichem Maße Geltung haben:
Die Klage erweist sich mit dem gestellten Hauptantrag zu Ziffer 1 wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) als unzulässig. Die Hilfsanträge sind zulässig und haben in dem sich aus dem Urteilstenor zu Ziffer 1 ergebenden Umfang Erfolg.
Der Hauptantrag zu Ziffer 1) ist unzulässig, weil er nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt: Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH, Urt. v. 9. 9. 2004 - I ZR 93/02 GRUR 2005, 443, 445 - Ansprechen in der Öffentlichkeit; BGH, Urt. v. 4. 10. 2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 ff. - Versandkosten).
Bei dem im Klageantrag verwendeten Begriff „Bearbeitungskosten" handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht erkennen lässt, welche konkreten Kosten die Klägerin hiermit meint. Vorliegend streiten die Parteien gerade darüber, welche der in der von der Beklagten als Anlage B 8 vorgelegten Aufstellung (GA 102) angeführten Kosten sie bei einer als „gratis" beworbenen Ware erheben darf, weil es sich um Kosten handelt, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Warenangebot oder für die Lieferung der Ware „unvermeidbar" im Sinne von § 3 Abs. 3 Anh. Nr. 21 UWG sind. Der Begriff „Bearbeitungskosten" ist zu unscharf, um darunter fallende Kosten von anderen Kostenarten abzugrenzen. Auf diese Weise würde die Beurteilung, ob bestimmte Kosten darunter fallen, in unzulässiger Weise in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Bei jeder Kostenposition würde sich erneut die Frage stellen, ob sie „unvermeidbar" im Sinne von § 3 Abs. 3 Anh. Nr. 21 UWG ist. Die Beantwortung solcher Fragen ist aber dem Erkenntnisverfahren vorbehalten.
Der Hauptklageantrag wird auch nicht durch die darin in Bezug genommenen Bildschirmausdrucke präzisiert oder deutlicher. Im Gegenteil ist auf den ausgedruckten Internetseiten das nach Erklärungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. 8. 2009 eigentlich beanstandete Verhalten, nämlich das tatsächliche Verlangen von - von der Klägerin nicht als unvermeidbar angesehenen - Kosten in Höhe von 6,25 € im Zusammenhang mit dem Angebot von 250 Gratis-Visitenkarten, gar nicht erkennbar. Allein die - aus den Internetausdrucken hervorgehende - Aussage, im Zusammenhang mit dem Gratisangebot „Versand- und Bearbeitungskosten" zu verlangen, verwirklicht, wenn solche tatsächlich nicht erhoben werden, aber noch nicht den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 3 Anh. Nr. 21 UWG.
Mit den von der Klägerin verfolgten Hilfsanträgen hat die Klage ganz überwiegend Erfolg.
Soweit die Beklagte außer den reinen Transport- und Verpackungskosten für die Versendung der als „gratis" beworbenen Produkte weitere Bearbeitungskosten in Gestalt von Personal-, Wartungs-, Instandsetzungs-, Förderband- bzw. Gerätekosten und sogar Produktions- und Versandkosten für (andere) verloren gegangene Sendungen sowie Gebühren für die Zahlungsabwicklung auf den Interessenten einer als „gratis" beworbenen Ware umlegen will, steht der Klägerin gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG zu.
Im Ergebnis der Würdigung des wechselseitigen Parteivorbringens steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte für als „gratis" beworbene Produkte nicht lediglich die Erstattung unvermeidbarer Kosten im Sinne von § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG beansprucht, sondern dem Kunden für als gratis beworbene Produkte auch Bearbeitungskosten in Rechnung stellt, die nicht unter die sogenannten unvermeidbaren Kosten im Sinne von § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG fallen.
Im Einzelnen:
1. Gegenstand der vorliegenden Unterlassungsklage ist allein die Frage, ob die Beklagte mit ihrem Internetauftritt, insbesondere der Werbung für „Gratis*-Produkte", nur für die Lieferung der Waren unvermeidbare Kosten im Sinne der vorgenannten Bestimmung verlangt oder ob sie darüber hinausgehende weitere Bearbeitungskosten von ihren Kunden beansprucht.
2. Nach § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG ist es unlauter, das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis", „umsonst", „kostenfrei" oder dergleichen zu bezeichnen, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn Kosten erhoben werden, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren¬oder Dienstleistungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware oder die Inanspruchnahme der Dienstleistung unvermeidbar sind.
Diese Regelung enspricht der Regelung in Nr. 20 des Anhangs I der RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 5. 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern (sogenannte UGP-Richtlinie). Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes „Per-se-Verbot". Dies bedeutet, dass weder die Umstände des Einzelfalls bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit zu berücksichtigen sind, noch die geschäftliche (oder wettbewerbliche) Relevanz der Handlung für das Verhalten des Verbrauchers. Dementsprechend ist die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG gar nicht mehr zu prüfen (Köhler/Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 28. Aufl. 2010, Einf. Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, Rn. 0.10).
Die angegriffene Werbung erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG:
a) Die Beklagte hat auf ihrer Internetseite xxx Produkte ausdrücklich als „gratis" beworben, darunter Flyer, Visitenkarten und andere Druckerzeugnisse.
b) Ungeachtet der Bewerbung als „gratis" hat der Interessent jedoch für dieses Angebot - wie in § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG vorausgesetzt - Kosten zu tragen. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte für 250 als „gratis" beworbene Visitenkarten - unstreitig -jedenfalls 6,25 € beansprucht.
c) Hierbei handelt es sich ganz überwiegend um Kosten, die deutlich weiter gehen, als diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Warenangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind, vgl. § 3 Abs. 3, Anhang Nr. 21 UWG.
Bei dem Begriff „unvermeidbar" im Sinne von § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nur wertend konkretisiert werden kann (vgl. Köhler/Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Einf. Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, Rn. 0.10).
Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob erhobene Kosten für das Eingehen auf das Gratisangebot des Werbenden unvermeidbar sind, ist die Anschauung des Verkehrs. Allgemein anerkannt ist, dass zu den unvermeidbaren Kosten für das Eingehen auf das Warenangebot beispielsweise Portokosten, die Kosten für Telefonanrufe zu den Basistarifen, um das Angebot wahrnehmen zu können, oder etwa die Fahrtkosten des Verbrauchers bei Abholung der Ware gehören (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, Rn. 21.4). Hierbei handelt es sich um Kosten, die der reinen Annahme und der Erfüllung des konkreten Gratisangebots unmittelbar zuzuordnen sind und die von den Kosten der Herstellung und Vorhaltung der Ware sowie von sonstigen Betriebs- oder Gemeinkosten, mit weichen der Verkehr bei einem Gratisangebot nicht belastet zu werden rechnet, unterschieden und getrennt werden können.
Danach sind die an das Logistikunternehmen zu entrichtenden Portokosten von 3,33 € netto, welche die Beklagte in ihrer Aufstellung gemäß Anlage B8 (= GA 102) nennt, unvermeidbare Kosten im Sinne von § 3 Abs. 3, Anhang Nr. 21 UWG. Dies sieht auch die Klägerin nicht anders; denn diesen Kostenbestandteil greift sie in ihrem Hilfsantrag nicht gesondert an.
Nach Ansicht der Kammer gehören aber auch die Kosten für die Kartons zur Versendung der Visitenkarten sowie die Lohnkosten für Packer zu den „unvermeidbaren" Kosten im Sinne von Anhang Nr. 21 zu § 3 Abs. 3 UWG. Dafür spricht, dass die als gratis angebotene Ware, wie dem Verkehr bewusst ist, auf dem Versandwege nur dann in ordnungsgemäßem Zustand zum Kunden gelangen kann, wenn sie eine Umverpackung erhält, wofür auch Personal erforderlich ist, welches die Ware verpackt und sie auf den Versandweg bringt. Mit solchen Kosten, die individuell bei der Versendung der als gratis beworbenen Ware entstehen, rechnet der Verbraucher ebenso wie mit den reinen Portokosten, weiche dem werbenden Unternehmen als Drittkosten entstehen.
Nicht als unvermeidbar im Sinne von Anhang Nr. 21 zu § 3 Abs. 3 UWG können aber die von der Beklagten in ihrer Aufstellung gemäß Anlage B8 (= GA 102) genannten „anderen Fixkosten" (Förderband, Abschreibung Geräte, Wartung, Instandsetzung) und „anderen variablen Kosten", wie die indirekten Lohnkosten (HR, Finanzen, IT, Einkauf und Logistik, Ingenieurwesen und Management, die Kosten für Neuproduktion und Sendung von verlorenen Lieferungen, die beim Callcenter entstehenden Kosten für Anrufe/E-Mails wegen verlorengegangener Lieferungen und die Gebühren für eine Zahlungsabwicklung angesehen werden. Hierbei handelt es sich nämlich um Gemein¬oder Betriebskosten, die einem Versandhandelsunternehmen - unabhängig von der konreten Bestellung der Gratisware - ohnehin entstehen und die der Lieferung der Gratisware nicht unmittelbar zuordenbar sind. Mit einer auf seine individuelle Bestellung bezogenen Umlage dieser der Beklagten als Versandhandelsunternehmen ständig entstehenden Gemeinkosten und deren gesonderten Berechnung rechnet der Interessent nicht.
Ebenso wenig wie der Kunde annimmt, im Falle der Abholung der als gratis angebotenen Ware in einem Ladenlokal zusätzlich mit einer Umlage für z. B. die Anmietung, Beheizung, Instandhaltung und Reinigung des Geschäftslokals oder Lohnkosten für das Verkaufs-, Service-, Wartungs- oder Reinigungspersonal belastet zu werden, rechnet er im Falle eines Versandhandels damit, mit den genannten Fixkosten oder anderen variablen Kosten belastet zu werden. Zwar ist ihm bewusst, dass es sich hierbei um dem Unternehmen entstehende Kosten handelt. Regelmäßig werden solche Kosten aber in den eigentlichen Preis der Ware (sogenannten Grundpreis im Sinne von § 1, Abs. 2 Preisangabenverordnung (vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV einerseits und § 1 Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV andererseits) eingerechnet. Werden jedoch - wie hier - solche Fixkosten oder variablen Kosten zusätzlich berechnet, wenn eine Ware als „gratis" beworben wird, so handelt es sich letztlich im Ergebnis um eine verkappte Gegenleistung für das ausdrücklich als kostenlos angebotene Produkt (vgl. hierzu Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, Rn. 21.5). Dies gilt insbesondere für solche Kosten, die bei der individuellen Bestellung des Interessenten unter Umständen gar nicht anfallen, wie etwa die Kosten für eine Neuproduktion und die Sendung von verlorenen Lieferungen oder die beim Callcenter für Anrufe/E-Mails wegen verlorengegangener Lieferung entstehenden Kosten. Aber auch die anderen genannten Kosten für das Förderband, die Abschreibung der Geräte, deren Wartung und Instandsetzung sowie indirekte Lohnkosten im Zusammenhang mit Personal (auch solches in der Versandabwicklung), Finanzen, Informationstechnik, Einkauf und Logistik, Ingenieurwesen und Management sind keine Kosten, die der Verbraucher als unvermeidbar im Falle einer als „gratis" angebotenen Lieferung hält.
d) Unerheblich ist, ob der Unternehmer den Verbraucher über das Entstehen derartiger Kosten aufgeklärt hat (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG, Rn. 21.5).
Die Beklagte kann daher auch nicht dadurch aus dem Verbotskreis des § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG herausgelangen, dass sie den Verkehr im Zuge der Bestellung unter Angabe der gewünschten Details darüber aufklärt, welche konkreten Kosten insgesamt auf ihn zukommen. Die Bestimmung des § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 21 UWG knüpft nämlich an die Anlockwirkung eines kostenlos angebotenen Produkts an und will den Verbraucher vor einer Irreführung über die Kosten schützen, die bei Inanspruchnahme des Angebots anfallen. Hierbei handelt es sich gleichsam um eine unwiderlegliche Vermutung (Köhler/Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG Rn. 0.4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 709, 711 ZPO, wobei das Gericht das Sicherungsinteresse im Falle einer Vollstreckung der Klägerin vor Eintritt der Rechtskraft auf 30000,00 € schätzt.
Der Streitwert wird nach dem Interessen der Parteien auf 10000 € festgesetzt; ein höheres Interesse, wie von Beklagtenseite pauschal behauptet, ist nicht substantiiert genug dargelegt und deshalb durch nichts näher begründet (§§ 39 ff. GKG).
Schmitt
Vorsitzender Richter am LG