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RdZ-News
23.02.2023
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OLG Stuttgart: Entreicherung bei Weiterleitung von durch Betrug erlangten Geldbeträgen

OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2022 – 2 U 219/21, rkr.

Volltext des Urteils: RdZL2023-65-1

Amtliche Leitsätze

Wer aus einer ihm nicht näher bekannten Quelle eine Banküberweisung erhält, kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass er das Geld nicht behalten bzw. verwenden darf (hier: Bereicherungsschuldner wird über ein soziales Netzwerk durch eine unbekannte Person aufgefordert, internationale Transaktionen in der Größenordnung von 10.000,00 Euro über ein pseudonymisiertes Zahlungssystem vorzunehmen).

 

Sachverhalt

A Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ausgleich für drei auf dessen Konto geleistete Überweisungen.

Hans Z. unterhält bei der Klägerin ein Bankkonto. Am 01.08.2018 wurden bei der Klägerin drei Überweisungsaufträge eingereicht, demgemäß insgesamt 9.944,85 Euro auf ein Konto des Beklagten überwiesen werden sollten, und zwar

- ein Überweisungsauftrag über 3.299,40 Euro mit dem Verwendungszweck „Rechnung 5647390“,

- ein Überweisungsauftrag über 3.297,65 Euro mit dem Verwendungszweck „Rechnung 5673219“ und

- ein Überweisungsauftrag über 3.347,80 Euro mit dem Verwendungszweck „Rechnung 4314271“.

Die Klägerin führte diese Aufträge aus. Da der Kontoinhaber Herr Z. diese Überweisungen jedoch nicht in Auftrag gegeben hat – seine Unterschriften auf den Überweisungsträgern sind gefälscht – schrieb ihm die Klägerin die Beträge wieder gut.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des Geldes und stützt ihren Anspruch auf § 812 Absatz 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, hilfsweise auf § 823 Absatz 2 BGB i.V.m. § 261 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 5 StGB.

Der Beklagte erhebt den Einwand der Entreicherung. Er habe am 06.06.2018 über das in Russland verbreitete soziale Netzwerk V. die Anfrage erhalten, im Auftrag einer Firma S. in Deutschland Bitcoins zu erwerben (Anlage B 1). Auftragsgemäß habe er am 02.08.2019 von der gutgeschriebenen Summe 8.497,19 Euro verwendet, um Bitcoins zu erwerben, und diese auf die Bitcoin-Geldbörse des Auftraggebers übertragen. Eine für den folgenden Tag vorgesehene Übertragung von Bitcoins im Wert von 1.000,00 Euro habe der Beklagte nicht mehr vorgenommen, weil er an diesem Tag die Nachricht seiner Bank erhalten habe, dass die Beträge zurückgefordert werden. Diesen Betrag nebst seiner Gebühr von 445,16 Euro habe er der Klägerin angeboten. Er erkenne die Forderung über 1.445,16 Euro an. Nicht er, der Beklagte, sondern die Klägerin habe leichtfertig gehandelt, weil sie mehrere am Tag eingeworfene Verfügungen ungeprüft ausgeführt habe.

Am 25.03.2019 verurteilte das Landgericht den Beklagten zunächst antragsgemäß. Jenes Urteil hob der 9. Zivilsenat am 29.07.2020 (Az. 9 U 308/19) mit der Begründung auf, es handele sich um ein Scheinurteil. In jenem Berufungsverfahren trug der Beklagte streitig vor, es sei ihm in einem Skype-Gespräch am 13.06.2018 mitgeteilt worden, dass die Firma S. noch Kunden in Deutschland habe, die Rechnungen auf ein EU-Konto bezahlen wollten.

Mit seinem nun angefochtenen Urteil vom 02.07.2021 verurteilte das Landgericht den Beklagten zur Zahlung des anerkannten Betrags von 1.445,16 Euro nebst Zinsen ab dem 24.08.2018. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Beklagte hafte nicht verschärft gemäß § 819 BGB und dürfe sich deshalb auf den Einwand der Entreicherung berufen. Die Begleitumstände seien nicht dubios. Dass das Geld vom Konto eines Dritten kam, reiche für die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht aus. Die den Erwerb von Bitcoins in Auftrag gebende Firma habe mitgeteilt, dass sie noch Kunden in Deutschland habe, welche Rechnungen auf ein EU-Konto zahlen wollten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre weitergehenden Ansprüche.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 05.07.2021 abzuändern und den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen,

1. an die Klägerin weitere EUR 8.662,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2019 sowie

2. vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 887,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2018

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

B Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung der überwiesenen Beträge aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Var. 2 BGB und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

I. Der Beklagte hat Gutschriften auf seinem Bankkonto über insgesamt 9.944,85 Euro (soweit es die Berufungsinstanz noch betrifft: 8.499,69 Euro) in sonstiger Weise erlangt.

Die Klägerin ist für den Bereicherungsanspruch aktivlegitimiert. In Fällen der Leistungen kraft Anweisung vollzieht sich der Bereicherungsausgleich zwar grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses. Denn nach dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene entsprechend der von ihm getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung mit seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1976 - VII ZR 218/74, juris Rn. 6). Dies gilt aber nicht bei Mängeln der Anweisung. Der Angewiesene hat einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch gegen den Anweisungsempfänger, wenn eine wirksame Anweisung fehlt, und zwar unabhängig davon, ob der Anweisungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte (vgl. BGH, Urteil vom 03. Februar 2004 - XI ZR 125/03, juris Rn. 18/19). Ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang begründet mithin eine Nichtleistungskondiktion des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsempfänger (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 – XI ZR 243/13, juris Rn. 24). So liegt der Fall hier, denn die von der Klägerin durchgeführten Überweisungen auf das Konto des Beklagten wurden durch gefälschte Überweisungsaufträge veranlasst.

Der Beklagte hat die Gutschriften auch auf Kosten der Klägerin erlangt. Mithin hat der Beklagte das Erlangte herauszugeben, womit sich der Anspruch gemäß § 818 Absatz 2 BGB auf Zahlung von (über den erstinstanzlich anerkannten Betrag hinaus) weiteren 8.499,69 Euro richtet.

Aus den Gründen

II. Die Verpflichtung zur Herausgabe bzw. zum Ersatz des Wertes ist auch nicht wegen Entreicherung des Beklagten gemäß § 818 Absatz 3 BGB ausgeschlossen.

1. Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist. Entreicherung tritt ein, wenn der erlangte Gegenstand ersatzlos untergegangen ist oder verschenkt wurde (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 – IX ZR 160/14, juris Rn. 13). Entreicherungspositionen sind weiter alle Aufwendungen, die der Bereicherungsschuldner im Hinblick auf den erlangten Gegenstand gemacht hat. Die Abzugsfähigkeit von Vermögensnachteilen des Bereicherungsschuldners setzt dabei voraus, dass diese Vermögensnachteile adäquat kausal auf der Bereicherung beruhen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 – IV ZR 448/14, juris Rn. 47). Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Bereicherungsschuldner (BGH, Urteil vom 12. Juli 1989 – IVa ZR 201/88, juris Rn. 13).

Nach dem Vortrag des Beklagten habe er am 02.08.2018 in mehreren Tranchen 1,25814406 BTC (was rund 8.500,00 Euro entsprochen habe) erworben und an seinen Auftraggeber weitergeleitet (Anlage B 2). Weiter habe er für 1.000,00 Euro am Folgetag Bitcoins erworben. Diese habe er nicht an den Auftraggeber weitergeleitet, weil er eine Nachricht seiner Bank bekommen habe, dass die Klägerin die Beträge zurückfordere. Diesen Betrag zzgl. die Provision, die ausweislich des Chatprotokolls (Anlage B 1) 5 % betragen sollte, erkenne der Beklagte an, insgesamt 1.445,16 Euro.

Damit trägt der Beklagte hinsichtlich des Teilbetrags, um den es in der Berufungsinstanz noch geht, einen Wegfall der Bereicherung vor, denn der auftragsgemäße Einsatz des Bereicherungsgegenstandes zum Erwerb von Kryptowährung und die Weiterleitung derselben beruhen adäquat kausal auf der Bereicherung.

Nicht im Sinne von § 529 Absatz 1 Nr. 1 ZPO bindend ist allerdings die Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe zur Bezahlung der erworbenen Bitcoins die überwiesenen Beträge verwendet. An den Feststelllungen zu der bestrittenen Behauptung des Klägers bestehen insbesondere wegen Unklarheiten zum Provisionsanteil Zweifel, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und dem nachträglich eingereichten Schriftsatz nicht ausgeräumt hat: Der Vortrag des Beklagten ist dahingehend zu verstehen, dass er in Höhe des Teilbetrags von 1.000,00 Euro – hierbei handelt es sich um den Betrag, für den er am 03.08.2018 Bitcoins kaufte, aber nicht weiterleitete – sowie in Höhe der Provision von 445,16 Euro nicht entreichert sei, weshalb die Forderung insoweit anerkannt werde. Dies wäre dann stimmig, wenn der Beklagte von dem erlangten Betrag zunächst seinen Provisionsanteil abgezogen und nur vom restlichen Betrag Bitcoins erworben bzw. in dieser Höhe weitergereicht hätte. Gerade dies ergibt sich jedoch nicht aus dem vorgelegten Bildschirmausdruck. Vielmehr hat er am 02.08.2018 im Gegenwert von rund 8.500,00 Euro Bitcoins erworben und weitergeleitet. Dass er hiervon seinen Provisionsanteil nicht in Abzug gebracht hat, nährt Zweifel daran, ob die behauptete Provisionsabrede den Tatsachen entspricht, und damit auch daran, dass der Beklagte das ihm überwiesene Geld für den behaupteten Zweck eingesetzt hat.

2. Ob der Beklagte tatsächlich, wie von ihm behauptet, das ihm überwiesene Geld für den vorgegebenen Zweck eingesetzt hat, bedarf indes keiner Aufklärung, da sich der Beklagte auf eine etwaige Entreicherung nicht berufen kann.

a) Die Entreicherung führt nicht zum Wegfall des Kondiktionsanspruches, falls die Voraussetzungen einer verschärften Haftung gemäß § 819 Absatz 1 BGB i.V.m. § 818 Absatz 4 BGB vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 07. Januar 1971 - VII ZR 9/70, juris Rn. 22). Hiernach ist maßgebend, ob der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kannte oder ihn später erfährt. Vorausgesetzt ist, dass der Bereicherungsempfänger das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen kannte. Die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - XII ZR 119/91, juris Rn. 21). Der Bereicherungsempfänger muss aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss ziehen, dass er das Erlangte nicht behalten darf (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 96), wobei vorsätzlich auch derjenige handelt, der die zugrundeliegenden Tatsachen kennt und die sich daraus ergebende Rechtsfolge in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 12. Juli 1996 – V ZR 117/95, juris Rn. 12). Eine auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis des Empfängers vom mangelnden Rechtsgrund seines Erwerbes genügt nicht, um die Haftungsfolge des § 819 Absatz 1 BGB auszulösen. Den Mangel des Rechtsgrunds kennt aber auch derjenige, der, um sich die Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, sich bewusst der Einsicht verschließt, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist (BGH, Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 305/12, juris Rn. 27), er das Geld also nicht behalten bzw. verwenden darf (Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 819 BGB Rn. 2). Auf einen solchen Kenntnisstand des Bereicherungsschuldners kann nach dem normativen Maßstab redlich Denkender geschlossen werden (BGH, Urteil vom 12. Juli 1996 – V ZR 117/95, juris Rn. 15).

b) Nach diesen Maßstäben findet § 819 Absatz 1 i.V.m. § 818 Absatz 4 BGB Anwendung. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte eine Kenntnis von den Umständen hatte, die für eine nicht autorisierte Überweisung sprachen. Aufgrund der ihm bekannten Umstände ist jedoch festzustellen, dass er vor der möglichen Einsicht, das Geld nicht behalten zu dürfen, geradezu die Augen verschlossen hat, er deshalb wie ein Wissender zu behandeln ist und sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.

- Zunächst handelt es sich um einen höchst ungewöhnlichen Vorgang, dass der Beklagte von einer ihm vollkommen unbekannten und nicht näher identifizierbaren Person („Wladimir“) über ein soziales Netzwerk angesprochen wird und von dieser aufgefordert wird, internationale Transaktionen in der Größenordnung von 10.000,00 Euro über ein pseudonymisiertes Zahlungssystem vorzunehmen. Ein solches Zahlungssystem wird – beileibe nicht nur, aber eben auch – zur Abwicklung von Zahlungen eingesetzt, bei denen die wirtschaftlich Begünstigten nicht identifiziert werden sollen, weil sie Geld aus kriminellen Handlungen erlangen. Auch war deshalb Vorsicht geboten, weil der Beklagte erhebliche Provisionen durch schnelle und einfache Handlungen erlangen konnte, die eine seriöse Firma auch selbst durchführen könnte. Daher drängte sich dem Beklagten die Überlegung auf, ob das ihm für die Zwecke des Bitcoins-Kaufs zur Verfügung gestellte Geld aus einer kriminellen Handlung stammte und seine Tätigkeit dazu diente, die Beute zu erlangen bzw. zu sichern.

- Weiter war auffällig, dass das Geld, von welchem Bitcoins gekauft werden sollte, ersichtlich von dem Konto einer Privatperson in Deutschland kam, und zwar in drei Tranchen von etwa 3.300,00 bis 3.500,00 Euro. Für eine Geschäftsbeziehung des Absenders zum Auftraggeber hatte der Beklagte keine objektiv nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

Nach dem normativen Maßstab redlich Denkender reichen diese Umstände aus, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die dem Beklagten überwiesenen Beträge nicht vom Kontoinhaber autorisiert waren und vom Beklagten nicht zu dem eingesetzten Zweck verwendet werden durften. Wer die Beträge unter diesen Umständen weiterleitet, verschließt die Augen vor einer solchen Erkenntnis.

Daran ändern auch die Erklärungen des Beklagten nichts:

- Soweit sich der Beklagte darauf beruft, es sei plausibel gewesen, dass deutsche Kunden ihre Rechnungen aus Kostengründen auf ein Konto innerhalb der Europäischen Union überweisen wollten, so war dieser Gedanke nicht geeignet, die Legitimation der Überweisung zu begründen. Zum einen handelte es sich nicht nur um eine, sondern gar um drei Überweisungen. Zum anderen wusste der Beklagte nicht, in welchem Geschäftsbereich die Firma S. tätig ist und welche Waren oder Dienstleistungen von beträchtlichem Wert sie gegenüber dem vermeintlichen Kunden über die Distanz von Russland nach Deutschland erbracht haben will. Ohne diese Kenntnisse konnte der Beklagte die ihm erteilte Erklärung nicht für nachvollziehbar halten.

- Auch die Überlegung des Beklagten, die Zahlungsabwicklung sei gegenüber einer Banküberweisung deutscher Kunden auf ein Konto in Russland kostensparend gewesen, konnte aus der Sicht eines redlich Denkenden nicht die Annahme rechtfertigen, mit den Überweisungen habe alles seine Richtigkeit. Es mag zutreffen, dass eine Zahlung von Deutschland nach Russland mit (nicht nur unerheblichen) Transferkosten verbunden war. Der Beklagte hat aber schon nicht dargelegt, wie hoch diese Kosten üblicherweise angefallen wären. Ob sie die von ihm verlangte Provision von 5 % erreicht hätten, ist zweifelhaft. Ganz abgesehen davon wäre – was allgemein bekannt ist – nicht die Firma S. als Zahlungsempfängerin mit den Transferkosten belastet gewesen, sondern der Absender des Geldes in Deutschland.

3. Die Klägerin hat sich auch kein Mitverschulden anrechnen zu lassen.

a) § 254 BGB ist im Rahmen der Bereicherungshaftung nicht unmittelbar anwendbar. Das Bereicherungsrecht hat die Funktion, einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs beim Bereicherungsschuldner zu korrigieren. Hierfür ist nicht erheblich, wer diesen Vermögenszuwachs zu vertreten hat. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass auch Bereicherungsansprüche dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB unterliegen, von dem § 254 BGB nur eine gesetzlich besonders geregelte Ausprägung ist (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 313/69, juris Rn. 71). Eine Anwendung dieses Rechtsgedankens kommt dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand aufgrund eines von beiden Beteiligten zu vertretenden Umstands untergegangen oder verschlechtert worden ist. In diesem Fall geht es um die Verteilung eines wirtschaftlichen Nachteils, für den beide Parteien verantwortlich sind (Looschelders in: Beck online Großkommentar, Stand: 01.09.2022, § 254 BGB Rn. 72). Dabei ist auch die Wertung des § 819 Absatz 1 BGB zu berücksichtigen, da der Beklagte wie ein Wissender behandelt wird und deshalb verschärft haftet. Gegenüber dem verschärft Haftenden Beklagten träte ein Mitverschulden der Klägerin, das darin liegen soll, die Überweisungsträger nicht korrigiert zu haben, jedenfalls zurück.

b) Unabhängig davon verfängt der Mitverschuldenseinwand nicht.

Der Begriff des Mitverschuldens erfasst die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – VI ZR 313/99, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. Juni 2014 – VI ZR 281/13, juris Rn. 9). Es geht um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, d.h. der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“. Dies beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 – V ZR 33/04, juris Rn. 16). Der Schadensbeitrag eines Geschädigten, der sich zugleich als Verstoß gegen eine Rechtspflicht darstellt, gewinnt für die Abwägung ein erhöhtes Gewicht (BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 – VI ZR 59/97, juris Rn. 9).

Der für die Voraussetzungen des Mitverschuldens darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat jedoch nicht ausreichend vorgetragen, dass es im Bankenverkehr dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung entspricht, eingehende Überweisungsträger auf deren Authentizität zu überprüfen. Dass die Zahlungsvorgänge im vorliegenden Fall aus gesetzlichen Gründen der Geldwäschebekämpfung zu überprüfen waren, hat der Beklagte nicht behauptet. Er hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass es den Gepflogenheiten einer Bank zur Abwendung eines eigenen Schadens entspricht, bei drei gleichzeitig eingehenden Zahlungsanweisungen zugunsten eines bestimmten Empfängers eine manuelle Prüfung vorzunehmen. Alleine der Umstand, dass zwei andere Banken zuvor ähnliche Überweisungsaufträge an den Beklagten als gefälscht erkannt haben, reicht für die Erkenntnis, dass ein solcher Prüfvorgang dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung folgt, nicht aus. Bei der täglich großen Anzahl an Überweisungsaufträgen kann die Bank nicht jeden Auftrag manuell überprüfen. Es liegt an jeder Bank, die im Überweisungsverkehr das Fälschungsrisiko (BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 – XII ZR 93/89, juris Rn. 9) trägt, Kriterien bzw. Softwarelösungen zu entwickeln, die eine Fälschung erkennen lassen. Dass die Klägerin dies in einer nicht mehr verständlichen Form unterlassen habe, hat der Beklagte nicht dargelegt.

4. Der Anspruch auf Verzinsung des Betrages ergibt sich aus § 286 Absatz 1 BGB für die Zeit ab dem 24.08.2018. Die Zinsen für die Zeit bis zum 16.01.2019 in Höhe von 162,75 Euro hat die Klägerin mit dem Hauptantrag geltend gemacht.

5. Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus § 280 Absatz 1 und 2 i.V.m. § 286 Absatz 1 Satz 1, § 249 Absatz 1 BGB. Als die Klägerin die Rechtsanwältin mit der außergerichtlichen Durchsetzung der Forderung beauftragt hatte, war der Beklagte aufgrund der mit Frist versehenen Zahlungsaufforderung der Klägerin in Schuldnerverzug. Zu erstatten ist eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach der im Jahr 2018 geltenden Gebührentabelle nebst Auslagen und Umsatzsteuer.

C Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits über alle Instanzen einschließlich dem Verfahren 9 U 308/19 gemäß § 91 ZPO. Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt § 21 GKG (vgl. das Berufungsurteil des 9. Zivilsenats vom 29.07.2020 unter Ziff. II.4). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen.

 

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