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RdZ-News
31.10.2024
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OLG Köln: Herausgabe von Kryptowährung darf grundsätzlich auch durch Anordnung von Zwangshaft erwirkt werden

OLG Köln, Beschluss vom 26.6.2024 – 11 W 15/24

ECLI: DE:OLGK:2024:0626.11W15.24.00

Volltext des Beschlusses: RdZL2024-209-1

Aus den Gründen

T. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Anordnung von Zwangshaft gegen den Vollstreckungsschuldner.

Dem zugrunde liegt ein über drei Instanzen geführter Rechtsstreit über die Herausgabe von treuhänderisch verwahrten Kryptowährungen (Coins) in einem Wert von gegenwärtig (geschätzt) etwa 25 Millionen €.

Die Gläubigerin und der Schuldner schlossen 2018 einen Treuhandvertrag, welcher vorsah, dass der Schuldner von Kunden der Gläubigerin eingezahlte Kryptowährungen vorübergehend in zwei sog. Wallets (virtuellen Geldbörsen) verwahren sollte. In der Folge stritten die Parteien über die Voraussetzungen für die Auszahlung der vom Schuldner vereinnahmten Coins an die Gläubigerin. Schließlich erklärte die Gläubigerin die außerordentliche Kündigung des Treuhandvertrags und schloss einen neuen Vertrag mit einer anderen Kanzlei.

Mit Urteil vom 14.02.2020 (10 O 248/19) verurteilte das Landgericht den Schuldner zur Herausgabe der Kryptowährungen. Dieser legte hiergegen Berufung zum Senat ein. Durch rechtskräftiges Urteil des Senats vom 13.10.2021 zum Az. 11 U 56/20 wurde der Schuldner daraufhin verurteilt, die treuhänderisch gehaltenen Kryptowährungen aus zwei – näher bezeichneten – Treuhandwallets „T.L.“ und „C.E.“ an den neuen Treuhänder herauszugeben. Dieser Verpflichtung ist er bislang nicht nachgekommen.

Die Gläubigerin betreibt aus diesem Titel die Zwangsvollstreckung. Auf ihren Antrag ordnete das Landgericht mit Beschluss vom 20.03.2023 ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 €, ersatzweise Zwangshaft, an. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners wies der Senat mit Beschluss vom 29.06.2023 zum Az. 11 W 10/23 zurück. Dieses Zwangsgeld ist zwischenzeitlich vollstreckt.

Mit nunmehr streitgegenständlichem Vollstreckungsantrag vom 06.02.2024 begehrt die Gläubigerin die Verhängung von Zwangshaft gegen den Schuldner.

Mit Beschluss vom 21.03.2024 (Bl. 187 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2) hat das Landgericht gegen den Schuldner die Zwangshaft angeordnet.

Hiergegen wendet sich die am 28.03.2024 beim Landgericht eingegangene, fälschlich auf den 04.04.2023 datierte sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners (Bl. 214 Zwangsmittelheft Nr. 2), der sein Vorbringen zur behaupteten Unmöglichkeit ergänzt und vertieft.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 25.04.2024 (Bl. 249 f. Zwangsmittelheft Nr. 2) nicht abgeholfen und die Sache zur weiteren Entscheidung dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht mit der Begründung vorgelegt, dass die Unmöglichkeit der vorzunehmenden Handlung weiterhin nicht hinreichend dargetan sei.

Der Beschwerdeführer vertritt zum einen die Ansicht, der Titel decke nicht vollständig die von ihm verlangte Handlung, weil die T.-Einheiten in der Wallet T. verwahrt seien und nicht in der Wallet T.L.. Er behauptet zum anderen, die Herausgabe in Gestalt des Transfers der von ihm verwalteten Kryptowährungen an einen anderen Treuhänder sei ihm unmöglich. Ein Zugriff auf diese Währungen sei – grundsätzlich – nur mittels entweder des ursprünglich benutzten „Ledgers“ oder mit einem neuen „Ledger“ in Verbindung mit der sogenannten „Recovery Phrase“ möglich. Beide Möglichkeiten bestünden jedoch aktuell nicht (mehr): Der alte Ledger A.Ö. sei infolge eines Updates der Firmware unbrauchbar geworden. Die fehlende Zugriffsmöglichkeit mittels des alten Ledgers sei durch die Privatgutachter R. und M. bestätigt worden, deren Gutachten der Schuldner im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereicht hat (Bl. 236 f. Zwangsmittelheft Nr. 2; Bl. 16 ff. OLGA). Soweit eine Wiederherstellung grundsätzlich auch über die Recovery Phrase möglich sei, versage dies im Streitfall gleichfalls: Diese bestehe aus 24 Wörtern, die der Schuldner sich händisch auf sechs Zetteln (Bl. 13 OLGA) notiert habe (Bl. 239 Zwangsmittelheft Nr. 2). Einen Teil der zugehörigen Notizen habe er selbst verwahrt, einen Teil zwischenzeitlich Herrn Z. überlassen (Bl. 239 Zwangsmittelheft Nr. 2). Nach Versagen des alten Ledgers habe er versucht, mittels der wieder zusammengesetzten Recovery Phrase den sog. „Private Key“ wiederherzustellen, was – aus ihm nicht erfindlichen Gründen – misslungen sei (Bl. 240 Zwangsmittelheft Nr. 2).

Der Schuldner beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.03.2024 (10 O 248/19) aufzuheben und den zugrundeliegenden Vollstreckungsantrag zurückzuweisen.

Die Gläubigerin beantragt,

die sofortige Beschwerde des Schuldners zu verwerfen oder hilfsweise zurückzuweisen.

Sie rügt die Unzulässigkeit des Rechtsmittels, da der Schuldner sich unzulässiger Weise nur auf Unzumutbarkeit und nicht Unmöglichkeit der Bemühungen um eine Wiederherstellung des Private Key stütze (Bl. 71 OLGA). Sie hält ferner den Einwand der Unmöglichkeit des Schuldners für eine vorgeschobene Schutzbehauptung. Sie behauptet, der Schuldner habe die technischen Möglichkeiten zum Zugriff auf die Wallets mittels des alten Ledgers nicht ausgeschöpft.

Der Senat hat Beweis erhoben durch persönliche Anhörung des Schuldners sowie Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständen Dipl.-Inform. Dr.-Ing. Q.. Wegen des Inhalts wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.06.2024 (Bl. 171 ff. OLGA) Bezug genommen.

IT. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21.03.2023 ist gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache bleibt sie überwiegend ohne Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht auf den Antrag vom 06.02.2024 (Bl. 2 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2) mit dem angefochtenen Beschluss gegen den Schuldner Zwangsmittel angeordnet; die Voraussetzungen des § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung auch weiterhin vor (dazu nachfolgend 1.).

Indes ändert der Senat das Zwangsmittel von Zwangshaft auf erneutes Zwangsgeld ab (dazu nachfolgend 2.).

1. Die Zwangsvollstreckung richtet sich – wovon auch beide Seiten ausgehen – im vorliegenden Fall nach § 888 ZPO. Denn die geschuldete Übertragung der auf den zwei Treuhandwallets verwahrten Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin und T., kann von einem Dritten an Stelle des Vollstreckungsschuldners nicht vorgenommen werden, weil nur er auf die konkreten Wallets zugreifen kann. Die Erfüllung dieser titulierten Verpflichtung bedarf insofern zweifellos der Mitwirkung des Schuldners, auch wenn dieser sich ggf. seinerseits weiterer Hilfe bedienen muss.

Grundsätzlich ist der Schuldner erneut durch Zwangsmittel zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs anzuhalten, weil er den in den Urteilen der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 14.02.2020 (Bl. 15 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2) und des Senats vom 13.10.2021 zum Az. 11 U 56/20 (Bl. 27 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2), die beide in vollstreckbarer Ausfertigung dem Landgericht vorgelegen haben (Bl. 97 Zwangsmittelheft Nr. 2), titulierten Anspruch unstreitig auch weiterhin nicht erfüllt hat.

Allerdings schließt die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung eine Anordnung von Zwangsgeld oder Zwangshaft stets aus (BGH, NJW-RR 2009, 443, 444). Auf den Zeitpunkt des Eintritts der behaupteten Unmöglichkeit kommt es dabei nicht an; ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Titel hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, so dass eine Vollstreckung aus ihm unzulässig ist (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 450).

Die Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft ist jedoch nur dann nicht möglich, wenn eindeutig feststeht, dass der Vollstreckungsschuldner erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich der Einschaltung Dritter unternommen hat, wobei die Voraussetzungen für diesen Ausnahmetatbestand der Vollstreckungsschuldner im Einzelnen darzulegen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 443, 444; OLG Köln, Beschluss vom 3. August 2011, Az. 16 W 1/11, juris Rn. 13; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. April 2019, Az. 13 WF 64/19, juris Rn. 10). Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Vollstreckungsschuldner noch nicht alle zumutbaren Maßnahmen unternommen.

Es kommt danach vorliegend nicht darauf an, ob die Ansicht der Gläubigerin, der Schuldner mache lediglich eine Unzumutbarkeit im Sinne einer wirtschaftlichen bzw. faktischen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 BGB geltend und könne dies ausschließlich im Wege und unter den Beschränkungen der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO einwenden (Bl. 71 OLGA), zutrifft oder nicht.

a) Soweit der Schuldner zunächst vorbringt, aus der im Tenor genannten Wallet „T.L.“ mit einer näher bezeichneten Buchstaben-Ziffern-Kombination („Public Key“) sei ihm eine Herausgabe unmöglich, weil diese Wallet leer sei und die Kryptowährungen sich stattdessen in der Wallet „T.“ (ohne L.) mit der identischen Buchstaben-Ziffern-Kombination befänden (Bl. 114 ff. u. 242 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2), ist dies schon im Ansatz unbehelflich.

Zum einen wäre es, wie das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 25.05.2024 (Bl. 249 f. Zwangsmittelheft Nr. 2) zutreffend ausgeführt hat, dem Schuldner unbenommen, die Coins in einem ersten Schritt zunächst von seiner Wallet „T.“ in die Wallet „T.L.“ zu transferieren, um dann in einem zweiten Schritt seiner Handlungspflicht gegenüber der Gläubigerin nachzukommen. Es steht außer Streit, dass auch die T.-Wallet dem Schuldner zuzuordnen ist. Eine Unmöglichkeit lässt sich aus dem derzeitigen Aufbewahrungsort mithin nicht ohne weiteres ableiten.

Zum anderen verkennt die Beschwerde, dass, selbst wenn, wie nun erstmals mit Schriftsatz vom 01.05.2024 vorgebracht, dem Schuldner eine solche Transaktion von einem Konto auf der T.-Chain in eine T.L.-Chain technisch nicht möglich sein sollte (Bl. 10 OLGA), der Titel der Auslegung zugänglich ist.

Eine etwaig unklare Bezeichnung im Vollstreckungstitel ist nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Die Auslegung eines Vollstreckungstitels hat dabei vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen; das Prozessgericht, das – wie hier – als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den es selbst erlassen hat, kann bei der Auslegung des Titels zudem ausnahmsweise sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranziehen und damit Umstände berücksichtigen, die außerhalb des Titels liegen (BGH, Beschluss vom 5. März 2015, Az. I ZB 74/14, BeckRS 2015, 16320 Rn. 20 ff.).

Vorliegend ist zwar nach dem Wortlaut des Titels nur die Heraushabe der Token aus den beiden näher bezeichneten Treuhandwallets des Schuldners „T.L.“ und „C.E.“ geschuldet. Diese sind im Titel aber näher bezeichnet durch die jeweiligen Buchstaben-Ziffern-Kombinationen (Public Keys); diese individuellen Kombinationen bestimmen entscheidend den Inhalt des Titels. Zwischen den Parteien ist zudem unstreitig, dass es abgesehen von der C.E.-Wallet nur ein „Treuhandkonto“ mit der tenorierten Buchstaben-Ziffern-Kombinationen N01 gibt, auf dem die zu verwaltenden (s. Bl. 116 Zwangsmittelheft Nr. 2) und nun herauszugebenden Coins liegen, welches der Schuldner zudem selbst stets als „T.L.“ bezeichnet hat (s. Anlage ASt 7, Bl. 158 Zwangsmittelheft Nr. 2). Unter diesen Umständen wäre eine etwaige bloße Falschbezeichnung unerheblich, weil die Auslegung des Titels mit der erforderlichen Eindeutigkeit ergibt, dass jenes bzw. jene T.-Konto/en mit der näher bezeichneten „Public Key“ gemeint ist, auf der sich die Coins nach übereinstimmendem Parteivortrag befinden. Beide Parteien mögen dabei übereinstimmend davon ausgegangen sein, dass die zu verwaltenden Coins auf der Wallet T.L. liegen (so Bl. 245 Zwangsmittelheft Nr. 2 u. Bl. 10 OLGA). Ebenso übereinstimmend – und dies ist entscheidend – gingen sie in diesem Fall indes davon aus, dass sich das Klagebegehren und der Tenor auf alle T.m-Wallets bezieht, auf der die Coins tatsächlich liegen, die den näher bezeichneten Public Key tragen und die sie sowohl im Erkenntnisverfahren über drei Instanzen hinweg als auch bislang im Vollstreckungsverfahren übereinstimmend als T.L. bezeichnet haben. Auch das Privatgutachten des Schuldners geht letztlich in Übereinstimmung hiermit davon aus, dass sich die Adresse eines Kontos aus dem öffentlichen Schlüssel ergibt und sich verschiedene Coins (z.B. T. und T.L.) auf dieser gleichlautenden Adresse befinden könne (Bl. 17 f. OLGA).

b) Auch hat der Vollstreckungsschuldner bislang nicht sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft, um unter Einschaltung fachkundiger Dritter seiner Herausgabepflicht nachzukommen.

aa) Das Vorbringen des Schuldners genügte nach dem vorangestellten Maßstab, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, den strengen Anforderungen an einen im Zwangsvollstreckungsverfahren beachtenswerten Unmöglichkeitseinwand zunächst nicht. Der Senat nimmt insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung vom 25.05.2024 Bezug.

bb) Allerdings hat der Schuldner seinen Vortrag zur Unmöglichkeit der geschuldeten Herausgabe durch die zwischenzeitliche Vorlage eines aussagekräftigen Privatgutachtens im Beschwerdeverfahren nach Maßgabe dieser Anforderungen hinreichend substantiiert. Er stützt sich insoweit auf im Beschwerdeverfahren zulässiges neues Vorbringen, § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Der Senat hat danach Beweis darüber erhoben, ob der Vollstreckungsschuldner erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen unternommen hat, um die Heraushabe der Coins bzw. Token zu bewirken.

Dies ist zumindest derzeit nicht der Fall:

Nach dem im Kern übereinstimmenden Vorbringen der Streitparteien geht der Senat davon aus, dass zum Zugriff auf bzw. zur Verfügung über Wallets der in Rede stehenden Art sog. „Private Keys“ erforderlich sind (s. Bl. 114 Zwangsmittelheft Nr. 2). Ein solcher „Key“ bzw. Schlüssel kann zum einen auf einem sog. „Ledger“, einem speziellen USB-Stick, gespeichert werden (s. Bl. 113 f. Zwangsmittelheft Nr. 2). Zum anderen kann der erforderliche „Key“ gänzlich unabhängig von einem Ledger wiederhergestellt werden mittels „Recovery Phrase“/„Seedphrase“, also einem Passwort vergleichbar. Grundsätzlich ist damit der Zugriff auf Wallets technisch mittels des alten Ledger (bei intaktem „Private Key“) oder der „Recovery Phrase“ und einem neuen Ledger möglich (Bl. 141 u. 235 Zwangsmittelheft Nr. 2).

Zum Zugang über den alten Ledger trägt der Schuldner nun vor, sein Privatgutachter habe beide USB-Sticks bzw. Ledger des Typs Nano S mit der Firmware-Version 2.1.1 untersucht. Auf diesen befänden sich die notwendigen „Private Keys“ nicht (Bl. 112 Zwangsmittelheft Nr. 2).

Zur alternativen Wiederherstellung bringt er vor, die streitgegenständliche Seedphrase habe er nun dem Gutachter vorgelegt (Bl. 111 Zwangsmittelheft Nr. 2); sie sei aber nicht geeignet, den Private Key wiederherzustellen (Bl. 112 Zwangsmittelheft Nr. 2).

Zumindest hinsichtlich der zweiten Alternative sind nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme die Möglichkeiten nicht erschöpft.

(1) Allerdings hat der Schuldner – endlich – über die vorangegangenen und ungenügenden mündlichen Schilderungen hinaus zumindest Untersuchungen der konkreten Ledger und der Unterlagen zur Seed Phrase durch sachkundige dritte Personen vornehmen lassen.

Hinsichtlich des Kurzgutachtens vom 27.11.2023 (Bl. 125 ff. Zwangsmittelheft Nr. 2) fehlte es zwar schon an jeglicher Darlegung, wonach der dies erstattende Herr T. X. über eine öffentliche Bestellung oder in vergleichbarer Weise über besondere Sachkunde, praktische Erfahrung und persönliche Eignung verfügt. Auch die diesbezüglichen Ausführungen Bl. 238 f. Zwangsmittelheft Nr. 2 sind substanzlos.

Auch soweit der Schuldner gegenüber dem Landgericht die Vorlage eines weiteren Privatgutachtens angekündigt hatte, hat der Schuldner ein solches Gutachten tatsächlich zunächst nicht vorgelegt. Mit Recht hat das Landgericht Zitate einzelner behaupteter Aussagen des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen N. R. als unzureichend angesehen.

Soweit die Schuldnerseite nun aber zuletzt mit Schriftsatz vom 01.05.2024 (Bl. 7 OLGA) offenbar in Reaktion auf die – fälschlich als Beschwerdeentscheidung bezeichnete – Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts vom 24.04.2024 ein Gutachten des nach seinem Vorbringen auf IT-Forensik spezialisierten Unternehmens K. GmbH vorgelegt hat, ist dieses zwar nicht von dem zuvor zitierten Sachverständigen R., sondern einem O. M. erstellt worden. Es ist aber in der Sache hinreichend inhaltsreich und aussagekräftig. So hat Herr M. fruchtlos den vom Schuldner vorgelegten Ledger untersucht und auch mithilfe der vom Schuldner zur Verfügung gestellten Zettel die „Recovery Phrase“/„Seedphrase“ nicht eruieren können.

(2) Jedoch sind diese Bemühungen nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme auch unter Berücksichtigung des weiteren  gehaltenen Beschwerdevorbringens nicht ausreichend, um die vom Schuldner zu fordernden Bemühungen als erschöpft anzusehen.

Zunächst war nur eines der beiden Wallets überhaupt gutachterlich geprüft worden. Der Sachverständige Dr. Q. hat für den Senat überzeugend erklärt, dass bei den bisherigen Versuchen einer Rekonstruktion mittels Recovery Phrase lediglich das T.L.-Wallet und nicht auch das Bitcoin-Konto überprüft wurde und dies aus seiner Sicht unzureichend sei. Es könne durchaus sein, dass die Konzentration auf das T.-Konto zu Fehlern geführt habe und hinsichtlich des anderen Wallets eine Wiederherstellung des Zugangs erfolgreich sei (Bl. 181 f. u. 184 OLGA). Es kann dahinstehen, ob diese vom Sachverständigen in der Beweisaufnahme aufgezeigte Möglichkeit vom Schuldner durch die zwischenzeitlich vorgelegte ergänzende Begutachtung vom 18.06.2024 (Bl. 267 ff. OLGA) ausgeräumt wurde.

Denn der Schuldner hat jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang – über die beauftragten Privatgutachter hinaus – spezielle fachkundige Hilfe in Anspruch genommen. Der Sachverständige Dr. Q. hat auch insoweit überzeugend und von den Parteien nicht angegriffen ausgeführt, dass mit Bezug auf die Reihenfolge der Wörter der Seed Phrase der Lösungsrahmen von technisch machbar bis hin zu unmöglich reiche. Bei bis zu drei Wörtern, die anders angeordnet sind, sei es technisch mit verhältnismäßigem Aufwand noch möglich, dies zu überprüfen. Es gebe auch Unternehmen am Markt, die anbieten, so etwas mit ihrer Software zu überprüfen (Bl. 182 OLGA). Diese Hilfe hat der Schuldner bislang nicht in Anspruch genommen. Im Gegenteil war der zuletzt beauftragte Privatgutachter zunächst ausdrücklich nur damit betraut, die Suche mit angemessenem Aufwand zu betreiben und hat sie nach insgesamt 49 Stunden beendet (Bl. 20 OLGA). Dies wird den Anforderungen eines Schuldners unter den konkreten Umständen nicht gerecht, zumal wenn spezielle Unternehmen mit entsprechender professioneller Software, wie etwa von der Firma G. C. (vgl. Bl. 184 OLGA), und leistungsstärkerer Hardware als dem vom Sachverständigen Dr. Q. verwendeten handelsüblichen Computer (vgl. Bl. 184 OLGA) als zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten offenstehen. Daran ändert sich auch nichts durch die ergänzende Begutachtung vom 18.06.2024, da sich der Privatgutachter letztlich an seinen vorherigen Untersuchungen orientiert hat (Bl. 269 OLGA) und gar nicht damit beauftragt war, zu den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen insgesamt Stellung zu nehmen (s. Bl. 268 OLGA). Soweit dem Privatgutachter M. auch unter Zuhilfenahme der Rechenleistung eines externes Dienstleisters eine Wiederherstellung der Seed Phrase nicht möglich war, ergibt sich daraus nicht, dass die Einschaltung eines am Markt tätigen, hierauf spezialisierten Unternehmens entgegen der Einschätzung des Sachverständigen nicht erfolgversprechend sei. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die vom Privatgutachter M. als gewöhnlich angesehenen Interpretationsweisen und Leserichtungen der sechs Zettel (Bl. 251 OLGA, ebenso schon Bl. 31 OLGA) gerade die aus Sicht des Senats naheliegende Möglichkeit, die Worte auf jedem einzelnen Zettel zeilenweise von links nach rechts und von oben nach unten zu lesen, unverständlicherweise nicht beinhalten.

Diese nachvollziehbaren und für den Senat überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen finden ihre Bestätigung schließlich darin, dass schon im Rahmen der früheren Vergleichsverhandlungen der Streitparteien die Beauftragung eines Experten für Kryptotechnik und eines sog. regulierten Schlüsselverwahrers erörtert worden war (Bl. 61 f. Zwangsvollstreckungsheft Nr. 1). Insoweit bestand ersichtlich grundsätzliche Übereinstimmung der Streitparteien dahingehend, dass für den hier in Rede stehenden hochspeziellen Bereich der Wiederherstellung des Zugriffs auf Kryptowährungen besondere Unternehmen am Markt existieren, deren Expertise nutzbar gemacht werden kann. Diese spezielle Expertise geht nach den überzeugenden und durch den Schuldner nicht in Abrede gestellten Ausführungen des Sachverständigen Dr. Q. auch über die üblichen Kenntnisse eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung hinaus. Obschon der Schuldner im Verfahren 11 W 10/23 vorgetragen hatte, die Herausgabe der Seed Phrase an einen Treuhänder, Schlüsselverwahrer etc. komme in Betracht (s. Bl. 67 OLGA 11 W 10/23), hat die Schuldnerseite – soweit erkennbar – bislang auch keinen solchen regulierten Schlüsselverwalter eingeschaltet, ohne dass eine Aussichtslosigkeit erkennbar wäre.

(3) Bei dieser Sachlage kann es nicht Aufgabe des Senats sein, im Rahmen der Zwangsvollstreckungsbeschwerde weiter aufzuklären, ob die Herausgabe der Kryptowährungen letztlich auch unter Aufwendung dieser weiteren, dem Schuldner zumutbaren Bemühungen objektiv möglich oder unmöglich ist. Sind, wie vorliegend zur Überzeugung des Senats feststeht, jedenfalls noch nicht sämtliche Möglichkeiten von Seiten des Schuldners ausgeschöpft, so obliegt es vielmehr diesem, jene Anstrengungen zunächst zu unternehmen, um den Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit ggf. erneut vorbringen zu können.

2. Der Senat setzt indes als Zwangsmittel anstelle von Zwangshaft ein weiteres Zwangsgeld von 25.000,- € fest.

Die Wahl zwischen den beiden Zwangsmitteln obliegt dem Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen; der Gläubiger kann in seinem Antrag das zur Erzwingung einzusetzende Mittel inhaltlich nicht bestimmen (OLG Köln, NJW-RR 1995, 1405, 1406). Der Senat setzt hier aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Zweckmäßigkeit abweichend von der Entscheidung des Landgerichts nochmals das höchstmögliche Zwangsgeld fest, weil dies angesichts der zwischenzeitlich entfalteten, noch nicht hinreichenden, nun aber doch immerhin ansatzweise unternommenen Bemühungen des Schuldners, sich professioneller Hilfe zu bedienen, ausreichend und zweckmäßiger erscheint, um den Willen des Vollstreckungsschuldners zu beugen. Der Senat verkennt dabei die existentielle wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Gläubigerin nicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es gleichwohl, bei der dem Gericht nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO zur Verfügung stehenden Wahl zwischen den beiden Zwangsmitteln die Haft so lange nicht als Zwangsmittel zu verhängen, wie noch ein Zwangsgeld ausreichend erscheint, um den Willen des Vollstreckungsschuldners zu beugen. Bisher hat der Schuldner zwar trotz Verhängung eines Zwangsgeldes die geschuldete Leistung nicht erbracht. Wiederholt angeordnet wurde es bislang indes noch nicht. Der Senat geht insoweit noch nicht davon aus, dass allein die Verhängung von Haft gegen den Schuldner diesen bewegen würde, die geschuldete Handlung vorzunehmen. Die Anordnung der Haft erscheint insoweit die ultima ratio, zumal der Schuldner auch in seiner Berufungsausübung durch die Haftanordnung empfindlich beeinträchtigt werden würde (Bl. 123 Vollstreckungsheft Nr. 2). Schließlich erscheint es dem Senat auch im Sinne der Gläubigerin letztlich zweckmäßiger, den Schuldner nicht durch eine Haftanordnung in der erforderlichen Mitwirkung einzuschränken. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Schuldner sich nunmehr nachdrücklich marktgängiger Unternehmen, Experten für Kryptotechnik, regulierten Schlüsselverwahrern usw. wird bedienen müssen, um in der Zukunft nicht der Gefahr von Zwangshaft ausgesetzt zu sein.

Die Höhe des Zwangsgeldes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil bereits ein erstes Zwangsgeld in dieser Höhe ohne Erfolg vollstreckt wurde, so dass die Festsetzung eines niedrigeren Zwangsgeldes unangemessen erschiene.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe i.S.d. § 574 Abs. 2 und 3 S. 1 ZPO weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Die Sache betrifft lediglich die einzelfallbezogene Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze; abstrakt-generelle Rechtsfragen zur Zwangsvollstreckung bei der Herausgabe von Kryptowährungen sind im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

Beschwerdewert: 25.000,- €

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