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29.02.2024
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LG Berlin: Kartellschadenersatz im Fall ec-Cash

LG Berlin, Urteil vom 2.3.2023 – 16 O 110/18 Kart

Volltext:RdZ-ONLINE RdZL2024-64-1

 

Sachverhalt-

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Kartellschadensersatz im Zusammenhang mit der Festsetzung eines vermeintlich einheitlichen Händlerentgelts für die Teilnahme am electronic-cash-System.

Die Klägerin ist die zweitgrößte Drogeriemarktkette Deutschlands mit Sitz in Burgwedel bei Hannover.

Bei dem Beklagten zu 1), unter dessen Mitgliedern sich Großbanken, Regionalbanken, Privatbankiers und Auslandsbanken befinden, dem Beklagten zu 2), dem Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 4) handelt es sich um als eingetragene Vereine organisierte Verbände der deutschen Kreditinstitute, die zur Deutschen Kreditwirtschaft zusammengeschlossen sind.

Im Jahr 1990 schlossen drei Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft, nämlich die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3), sowie die XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, an deren Stelle später ab 1994 als vierter Spitzenverband der deutschen Kreditwirtschaft der Beklagte zu 4) trat, eine „Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen (electronic-cash-System)“. Diese Vereinbarung (folgend: electronic-cash-Vertragswerk) umfasst die sog. electronic-cash-Vereinbarung und Anlagen, darunter u.a. den sog. Netzbetreibervertrag und die sog. Händlerbedingungen.

Ziffer 7 der electronic-cash-Vereinbarung lautet auszugsweise:

„Der Anschluss der Handels- und Dienstleistungsunternehmen („Unternehmen“), die electronic cash-Terminals zur bargeldlosen Zahlung einsetzen wollen, erfolgt auf der Grundlage der beigefügten „Bedingungen der Deutschen Kreditwirtschaft für die Teilnahme am electronic cash-System“ (…).“

Ziffer 5 dieser sog. Händlerbedingungen lautet auszugsweise:

„Für den Betrieb des electronic cash-Systems und die Genehmigung der electronic cash-Umsätze in den Autorisierungssystemen der Kreditwirtschaft wird dem Unternehmen

- für electronic cash-Umsätze bis 50,-- DM jeweils ein Entgelt in Höhe von 0,15 DM pro Umsatz, - für electronic cash-Umsätze über 50,-- DM jeweils ein Entgelt in Höhe von 0,3 % des electronic cash-Umsatzes

berechnet (…) Das Entgelt wird für das Unternehmen von dem Netzbetreiber ermittelt und über diesen an die kartenausgebenden Kreditinstitute abgeführt.“

Ziffer 7 der electronic-cash-Vereinbarung lautet mit Bezug hierauf auszugsweise:

„(…) Abweichend von dem in Nr. 5 der Bedingungen genannten Entgelt wird an Tankstellen bei electronic cash-Umsätzen bis 100,-- DM jeweils ein Entgelt von 0,2 %, mindestens aber 0,08 DM berechnet.“

Mit der Einführung des Euro wurde das Mindestentgelt an Tankstellen auf 0,04 € bis zu einem Umsatz in Höhe von 51,13 € und für andere kartenakzeptierende Unternehmen auf 0,08 € bis zu einem Umsatz in Höhe von 25,56 € festgesetzt.

In dem Beschluss des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 – B4-9/11 – (folgend auch: girocard-Entscheidung) wird in Rn. 2 hierzu ausgeführt, dass seit dem 1. Januar 2013 das electronic-cash-Vertragswerk dahin verändert worden ist, dass hinsichtlich der Händlerentgelte klargestellt wird, dass es Zahlungsdienstleistern und Unternehmen unbenommen bleibt, abweichende Vereinbarungen zu treffen.

Ziffer 2 der Händlerbedingungen lautet auszugsweise:

„An den electronic cash-Terminals des Unternehmens sind die von deutschen Kreditinstituten und der XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX (kartenausgebende Kreditinstitute) emittierten ec-Karten (…) zu Barzahlungspreisen und -bedingungen zu akzeptieren.“

In der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts wird hierzu in Rn. 2 ausgeführt, dass das Verbot, für Zahlungen mit der girocard einen Aufschlag zu verlangen, seit dem 1. Januar 2013 durch eine neue Regel ersetzt wurde, die solche Aufschläge zulässt, soweit diese angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Händlers ausgerichtet sind.

Ziffer 11 der Händlerbedingungen lautet auszugsweise:

„Das Unternehmen hat auf das electronic cash-System mit dem zur Verfügung gestellten Logo deutlich hinzuweisen. Dabei darf das Unternehmen ein Kreditinstitut oder eine Kreditinstitutsgruppe werblich nicht herausstellen.“

Wegen weiterer Einzelheiten des electronic-cash-Vertragswerks wird auf die Sonderbeilage Nr. 1/1994 der Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), dort S. 16 ff. verwiesen.

Das electronic-cash-Vertragswerk wurde im Januar 1990 beim Bundeskartellamt nach § 102 GWB in der Fassung vom 20. Februar 1990 angemeldet. Das Bundeskartellamt widersprach dem electronic-cash-Vertragswerk nicht, was am 23. April 1990 im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.

Das electronic-cash-Vertragswerk wurde am 25. August/6. September 1994 bei der Europäischen Union angemeldet. Diese hatte keine Einwände gegen die Regelungen.

Mit dem electronic-cash-Vertragswerk als vertraglicher Grundlage wurde dann Ende 1990 flächendeckend in der Bundesrepublik Deutschland das sog. electronic-cash-Verfahren eingeführt. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Debitkartensystem, mit dem im stationären Handel am Ort der Leistungserbringung, dem sog. point of sale (folgend nur: POS), mit der girocard (früher: ec-Karte) bargeldlos gezahlt werden kann.

Im Rahmen des electronic-cash-Verfahrens wird, nachdem der Inhaber der girocard seine Geheimzahl (folgend nur: PIN) in das Terminal am POS eingegeben hat, im Fall einer Online-Autorisierung an die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen Kopfstellen eine Autorisierungsanfrage gerichtet. Im Rahmen einer Offline-Autorisierung wird der auf der girocard hinterlegte Verfügungsrahmen überprüft. Wird der Transaktionsbetrag autorisiert, erklärt das kartenausgebende Kreditinstitut damit gegenüber dem die girocard akzeptierenden Unternehmen (folgend auch: Händler), den autorisierten Betrag zu begleichen. Das Konto des Inhabers der girocard wird dann im Zuge der Abwicklung des Zahlungsverkehrs unmittelbar belastet und das kartenakzeptierende Unternehmen erhält eine Gutschrift.

An das electronic-cash-System wird der Händler über einen von ihm auszuwählenden Netzbetreiber angebunden. Die vom Händler geschuldeten Händlerentgelte werden von den Netzbetreibern ermittelt, eingezogen und an die Kopfstellen der vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft weitergeleitet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des electronic-cash-Verfahrens wird auf die Rnrn. 37 ff. der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts verwiesen.

Neben dem electronic-cash-Verfahren gibt es noch ein weiteres auf der Verwendung der girocard aufbauendes Kartenzahlungssystem, das elektronische Lastschriftverfahren (folgend nur: ELV), das von den Netzbetreibern angeboten wird.

In diesem Verfahren werden die Kontonummer und die Bankleitzahl aus der girocard ausgelesen. Aus diesen Daten wird eine Lastschrift erzeugt. Durch seine Unterschrift ermächtigt der Inhaber der girocard den Händler, die Lastschrift bei seiner Bank einzureichen und weist zugleich seine Bank an, sein Konto mit dem Gegenwert zu belasten. Die Bank hat das Recht, Lastschriften bei fehlender Kontodeckung abzulehnen. Der Karteninhaber hat die Möglichkeit, der Lastschrift zu widersprechen.

Um das Risiko des Zahlungsausfalls für den Händler zu verringern, wurden von den Netzbetreibern Verfahren entwickelt, die beispielshalber den Abgleich mit Sperrdateien und Berechnungen zum Ausfallrisiko aufgrund abstrakter Kriterien vorsehen. Es gibt auch ELV-Angebote, die die Übernahme des Ausfallrisikos vorsehen, z.B. durch den Ankauf von Rücklastschriften im Fall des Ausfalls einer Lastschrift. Teilweise wird von den Netzbetreibern auch das Forderungsmanagement angeboten. Ergänzend wird auf die Rnrn. 44 ff. der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts Bezug genommen.

Das Bundeskartellamt unterrichtete die vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft mit Schreiben vom 14. Januar 2011 über die Einleitung eines Verfahrens, dessen Gegenstand die gemeinsame Festlegung des Händlerentgelts war. Das Verfahren wurde durch die bereits erwähnte girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 abgeschlossen, mit der die dort einzeln aufgeführten Verpflichtungszusagen der vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft gemäß § 32b Abs. 1 S. 1 GWB für verbindlich erklärt wurden. Danach verpflichteten sich die Beklagten im Wesentlichen dazu, die im electronic-cash-Vertragswerk gemeinsam festgelegten Entgelte zum 1. November 2014 aufzuheben und unter Ausschöpfung der vertraglichen Rechte aus der electronic-cash-Vereinbarung eine entsprechende Abrechnung der Entgelte mit Wirkung zum 1. November 2014 zu beenden. Darüber hinaus verpflichteten sie sich, die electronic-cash-Vereinbarung zum 1. November 2014 dahin zu ändern, dass die Abrechnung von inländischen electronic-cash-Transaktionen nur noch auf Basis der mit dem jeweiligen kartenausgebenden Zahlungsdienstleister vereinbarten Entgelte erfolgen darf. Das Bundeskartellamt begründete die Entscheidung u.a. damit, dass es nach vorläufiger Beurteilung davon ausgehe, dass die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft getroffene Vereinbarung einheitlicher, von der kartenakzeptierenden Stelle an den Emittenten der girocard zu entrichtender Entgeltsätze für electronic-cash-Transaktionen im electronic-cash-Vertragswerk gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB verstoße und die angebotenen Verpflichtungszusagen geeignet und erforderlich seien, die nach vorläufiger Beurteilung gegen die Vereinbarung eines einheitlichen Händlerentgelts bestehenden Bedenken der Beschlussabteilung auszuräumen. Zur Ergänzung wird auf die genannte girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts verwiesen.

Die Klägerin nahm jedenfalls seit dem Jahr 2003 am electronic-cash-System teil.

Die Klägerin behauptet, sie habe bis einschließlich Oktober 2014 electronic-cash-Händlerentgelte nach einem fixen Satz von 0,08 € einerseits und einem variablen Satz von 0,3 % des Transaktionsvolumens andererseits gezahlt. Für den Zeitraum von November 2014 bis einschließlich November 2015 seien ihr electronic-cash-Händlerentgelte nach einem fixen Satz von 0,0665 € einerseits und einem variablen Satz von 0,26 % des Transaktionsvolumens berechnet worden. Ab Dezember 2015 habe das Entgelt 0,17 % des Transaktionsvolumens betragen.

Die Klägerin behauptet, sie habe im zuletzt nach ihrer Darstellung maßgeblichen Kartellzeitraum von Dezember 2004 bis einschließlich März 2014 Händlerentgelte in Höhe von insgesamt 19.364.980,38 € gezahlt.

Die Klägerin behauptet, sie habe erst ab März 2013 Rückvergütungen in Form von Gutschriften erhalten.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Abstimmung des Händlerentgelts verstoße gegen das Kartellverbot gemäß Art. 101 AEUV und § 1 GWB bzw. gegen deren Vorgängervorschriften. Die Klägerin verweist ergänzend auf den Beschluss des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 – B4-9/11 –, den sie als Anlage K 1 vorgelegt hat. Die von ihr, der Klägerin, entrichteten Händlerentgelte seien aufgrund dieser Preisabsprache höher gewesen als sie es ohne Preisabsprache gewesen wären. Aus dem Unterschiedsbetrag ergebe sich der zu ersetzende Schaden. Zur Untermauerung ihres Schadens nimmt die Klägerin Bezug auf die als Anlagen K 13 und K 15 vorgelegten Privatgutachten.

Die Klägerin hat zunächst Feststellungsklage erhoben und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Schadensersatzleistung für einen Zeitraum vom 15. Juni 2004 bis zum 31. Oktober 2014 begehrt. Mit der Umstellung der Klage auf eine Leistungsklage hat sie sodann Schadensersatz für einen Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis zum 30. November 2015 begehrt. Zuletzt hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und begehrt nunmehr nur noch Schadensersatz in Höhe von mindestens 8.453.518,56 € zzgl. Zinsen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. März 2014.

Die Klage ist am 20. März 2018 bei Gericht eingegangen und wurde den Beklagten in der Zeit vom 14. bis zum 18. Mai 2018 zugestellt.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin eine Schadensersatzzahlung zu leisten, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von EUR 8.453.518,56 zuzüglich Zinsen

in Höhe von jährlich 4 %

aus einem Betrag in Höhe von EUR 12.306,03 seit dem 31.01.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 12.772,27 seit dem 31.05.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 25.592,97 seit dem 30.06.2005

in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich

aus einem Betrag in Höhe von EUR 26.688,48 seit dem 31.07.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 26.524,00 seit dem 31.08.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 26.097,43 seit dem 30.09.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 25.886,82 seit dem 31.10.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 25.100,42 seit dem 30.11.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 30.207,77 seit dem 31.12.2005

aus einem Betrag in Höhe von EUR 39.553,42 seit dem 31.01.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 27.566,08 seit dem 28.02.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 23.343,04 seit dem 31.03.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 31.680,80 seit dem 30.04.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 30.466,86 seit dem 31.05.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 32.876,90 seit dem 30.06.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 34.196,73 seit dem 31.07.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 35.097,02 seit dem 31.08.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 33.409,30 seit dem 30.09.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 34.234,57 seit dem 31.10.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 32.953,35 seit dem 30.11.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 37.962,53 seit dem 31.12.2006

aus einem Betrag in Höhe von EUR 50.852,17 seit dem 31.01.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 35.112,13 seit dem 28.02.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 74.124,86 seit dem 31.03.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 37.768,07 seit dem 30.04.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 41.256,74 seit dem 31.05.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 42.027,11 seit dem 30.06.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 44.072,51 seit dem 31.07.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 43.634,96 seit dem 31.08.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 39.764,95 seit dem 30.09.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 42.505,93 seit dem 31.10.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 49.101,97 seit dem 30.11.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 59.161,13 seit dem 31.12.2007

aus einem Betrag in Höhe von EUR 51.984,00 seit dem 31.01.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 55.085,11 seit dem 29.02.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 58.870,60 seit dem 31.03.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 56.855,52 seit dem 30.04.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 69.332,15 seit dem 31.05.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 64.053,35 seit dem 30.06.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 68.986,06 seit dem 31.07.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 63.514,61 seit dem 31.08.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 61.526,20 seit dem 30.09.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 62.588,56 seit dem 31.10.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 70.879,62 seit dem 30.11.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 89.070,29 seit dem 31.12.2008

aus einem Betrag in Höhe von EUR 67.079,33 seit dem 31.01.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 63.905,59 seit dem 28.02.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 72.108,36 seit dem 31.03.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 72.822,12 seit dem 30.04.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 78.359,00 seit dem 31.05.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 78.162,42 seit dem 30.06.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 81.838,73 seit dem 31.07.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 76.723,63 seit dem 31.08.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 74.713,96 seit dem 30.09.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 78.628,75 seit dem 31.10.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 89.947,42 seit dem 30.11.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 106.331,1 seit dem 31.12.2009

aus einem Betrag in Höhe von EUR 75.973,33 seit dem 31.01.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 80.119,31 seit dem 28.02.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 96.709,34 seit dem 31.03.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 88.262,37 seit dem 30.04.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 91.851,01 seit dem 31.05.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 98.598,70 seit dem 30.06.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 103.519,49 seit dem 31.07.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 93.340,65 seit dem 31.08.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 93.386,62 seit dem 30.09.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 95.253,32 seit dem 31.10.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 109.768,52 seit dem 30.11.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 134.408,72 seit dem 31.12.2010

aus einem Betrag in Höhe von EUR 96.885,89 seit dem 31.01.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 97.272,22 seit dem 28.02.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 112.844,23 seit dem 31.03.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 109.526,28 seit dem 30.04.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 117.676,96 seit dem 31.05.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 113.772,74 seit dem 30.06.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 113.700,50 seit dem 31.07.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 121.706,21 seit dem 31.08.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 114.329,71 seit dem 30.09.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 111.899,64 seit dem 31.10.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 130.420,40 seit dem 30.11.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 158.432,11 seit dem 31.12.2011

aus einem Betrag in Höhe von EUR 119.091,59 seit dem 31.01.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 125.331,97 seit dem 29.02.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 143.927,80 seit dem 31.03.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 129.348,75 seit dem 30.04.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 143.888,09 seit dem 31.05.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 144.188,31 seit dem 30.06.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 156.608,62 seit dem 31.07.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 152.891,35 seit dem 31.08.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 144.197,99 seit dem 30.09.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 152.139,68 seit dem 31.10.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 168.090,81 seit dem 30.11.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 200.064,05 seit dem 31.12.2012

aus einem Betrag in Höhe von EUR 154.032,70 seit dem 31.01.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 153.242,14 seit dem 28.02.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 183.739,01 seit dem 31.03.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 164.902,91 seit dem 30.04.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 106.247,14 seit dem 31.05.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 92.192,64 seit dem 30.06.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 63.504,60 seit dem 31.07.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 37.901,75 seit dem 31.08.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 33.013,48 seit dem 30.09.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 39.733,47 seit dem 31.10.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 42.138,14 seit dem 30.11.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 47.760,27 seit dem 31.12.2013

aus einem Betrag in Höhe von EUR 37.756,97 seit dem 31.01.2014

aus einem Betrag in Höhe von EUR 38.802,01 seit dem 28.02.2014

aus einem Betrag in Höhe von EUR 41.858,13 seit dem 31.03.2014,

II. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 71.959,70 sowie Gutachterkosten in Höhe von EUR 109.616,23 jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

III. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin von sämtlichen zukünftigen weiteren Gutachterkosten freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Die Beklagten behaupten, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da sie die streitgegenständlichen Forderungen an ihren Prozessfinanzierer XXXXXX GmbH abgetreten habe. Sie könne jedenfalls nicht Zahlung an sich selbst verlangen.

Die Beklagten halten die Klage bereits dem Grunde nach für nicht begründet. Sie sind der Ansicht, dass ein Kartellverstoß gar nicht vorliege. Sie machen u.a. geltend, dass zwischen den die girocards ausgebenden Kreditinstituten schon kein Wettbewerbsverhältnis bestehe, das beschränkt werden könne, weil für jeden Kartenemittenten ein einzelner sachlich relevanter Markt anzunehmen sei. Zudem seien anders als von der Klägerin angenommen keine einheitlichen Entgelte festgesetzt worden, sondern nur eine Entgeltobergrenze, um überhöhten Entgeltvereinbarungen entgegenzuwirken. Jedenfalls scheide die Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung nach dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken oder aber unter dem Aspekt der kartellrechtlich zulässigen Nebenanrede aus. Europäisches Kartellrecht sei nicht anwendbar, weil eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht vorliege. Jedenfalls aber seien die Regelungen des electronic-cash-Vertragswerkes vom Kartellverbot freigestellt gewesen. Die Beklagten sehen auch nicht, dass sie das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden treffe, zumindest hätten sie einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen.

Die Beklagten treten auch der Annahme der Klägerin entgegen, ihr sei ein Schaden entstanden. Zumindest wäre ein etwaigenfalls kartellrechtswidrig überhöhtes Entgelt vollständig weitergewälzt worden.

Im Übrigen verweisen die Beklagten zur Unterstützung ihres Vortrags auf die von ihnen als Anlagen BdB 7, BVR 1, OPP 5, VÖB 1 sowie BdB 77, BVR 29, OPP 25, VÖB 22, BdB 85, BVR 31, OPP 30 und VÖB 24 vorgelegten Privatgutachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Aus den Gründen

A. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Die Klage ist zulässig.

II. Die Klage ist aber nicht begründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz aufgrund des girocard-Kartells aus § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1 GWB 2005.

a) Die Klägerin ist allerdings aktivlegitimiert.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe die streitgegenständlichen Forderungen an ihren Prozessfinanzierer abgetreten, könne jedenfalls nicht Zahlung an sich selbst verlangen, greift nicht durch.

aa) Die Klägerin hat durch Vorlage der zwischen ihr und der XXXXX GmbH geschlossenen Prozessfinanzierungsvereinbarung vom 4./8. September 2017 (Anlage K 19), welche tatsächlich keine Abtretung enthält, dargelegt, dass die Prozessfinanzierung keine Sicherungszession vorsieht.

bb) Es ist unerheblich, ob – wie der Beklagte zu 2) weiterhin behauptet – die Klägerin die streitgegenständlichen Ansprüche in einem separaten Vertrag mit der XXXXX GmbH an diese abgetreten hat, ohne die Abtretung offenzulegen. Denn wenn dem so sein sollte, läge eine stille Sicherungszession vor, die der Aktivlegitimation der Klägerin nicht entgegenstünde.

Bei der Sicherungsabtretung wird dem Zedenten trotz Abtretung des Vollrechts regelmäßig die Befugnis eingeräumt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen. Insoweit handelt es sich um eine treuhänderische Abtretung, die mit einer Einziehungsermächtigung kombiniert ist (BGH, Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 101/98 –, Rn. 9, juris).

Materiell-rechtlich ist für die Wirksamkeit einer fiduziarischen Abtretung die Offenlegung der Zession – im Gegensatz zur Verpfändung einer Forderung (§ 1280 BGB) – nicht erforderlich. Haben die Beteiligten die Nichtaufdeckung der Abtretung vereinbart, handelt es sich um eine sog. stille Zession, die den Zedenten berechtigt, Leistung an sich selbst zu verlangen. Lediglich im Falle der offenen Sicherungsabtretung muss er Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangen (BGH, Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 101/98 –, Rn. 12, juris m.w.N.).

Die Klägerin könnte also auch im Fall einer stillen Sicherungsabtretung auf Zahlung an sich selbst klagen.

cc) Soweit der Beklagte zu 2) schließlich meint, aufgrund der Regelung Ziffer 6 (7) S. 2 der von der Klägerin als Anlage K 19 vorgelegten Prozessfinanzierungsvereinbarung könne die Klägerin jedenfalls nicht Zahlung an sich selbst verlangen, trifft das nicht zu. Ziffer 6 der Prozessfinanzierungsvereinbarung betrifft gemäß ihrer Überschrift die „Verteilung des Erlöses bei erfolgreicher Durchsetzung der Relevanten Ansprüche“. Die Parteien der Prozessfinanzierungsvereinbarung haben vereinbart, dass die Zahlung des Erlöses an die XXX Rechtsanwälte zu erfolgen habe (Ziffer 6 (7) S. 1) und dass der Anspruchsteller den Erlös nur dergestalt einziehen werde, als der Anspruchsteller eine Zahlung an die XXX Rechtsanwälte verlange (Ziffer 6 (7) S. 2). Bei dieser Regelung handelt es sich lediglich um eine schuldrechtliche Vereinbarung zur Vorgehensweise nach erfolgreicher Durchsetzung der Ansprüche, also nachdem ein vollstreckbarer Titel vorliegt. Sie schränkt weder die Forderungsinhaberschaft der Klägerin noch ihre Einziehungsbefugnis im Außenverhältnis ein.

b) Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beklagten der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1 GWB 2005 auf Schadensersatz haften.

Hierzu bedarf es indes an dieser Stelle keiner weiteren Ausführungen. Die Kammer verweist insoweit nur auf die am selben Tag wie das vorliegende Urteil verkündete Entscheidung in der Sache 16 O 21/19 Kart, die zur Veröffentlichung in juris vorgesehen ist.

c) Die Klägerin ist auch von dem bis zum 31. Oktober 2014 währenden girocard-Kartell i.S.e. haftungsausfüllenden Kausalität individuell betroffen, da sie die von den Beklagten kartellrechtswidrig festgelegten Händlerentgelte geschuldet und gezahlt hat.

aa) Die Klägerin schuldete die Händlerentgelte, die auf der Grundlage der electronic-cash-Transaktionen berechnet worden sind.

Die Klägerin hat nämlich geltend gemacht, zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen zu sein bzw. diese stets selbst getragen zu haben, und zur Substanziierung die an sie gerichteten Rechnungen vorgelegt. Dem sind die Beklagten zum einen nicht hinreichend entgegengetreten. Zum anderen ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die Klägerin zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen ist.

aaa) Die Beklagten haben den Vortrag der Klägerin, sie sei zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen, nicht substanziiert bestritten. Ihnen hätte indes gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ein konkreter Gegenvortrag oblegen, den sie jedoch nicht gehalten haben. Ihr Bestreiten ist daher unbeachtlich und der Vortrag der Klägerin mithin als unstreitig zu behandeln.

Die Klägerin hat ihren Vortrag, zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen zu sein, mittels Vorlage der an sie gerichteten Rechnungen konkretisiert. Hieraus ergab sich für die Beklagten gemäß § 138 Abs. 2 ZPO die Verpflichtung, dem konkreten Vortrag der Klägerin mit konkretem Vortrag entgegenzutreten. Die Beklagten wissen nämlich, wer zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen ist, oder hätten sich dieses Wissen jedenfalls leicht verschaffen können. Das ergibt sich aus den Regelungen des electronic-cash-Vertragswerks.

Nach Ziffer 5 der Händlerbedingungen des electronic-cash-Vertragswerks wird nämlich für den Betrieb des electronic cash-Systems und die Genehmigung der electronic-cash-Umsätze „dem Unternehmen“ ein Entgelt berechnet. Dabei handelt es sich gemäß Ziffer 7 der electronic-cash-Vereinbarung um die an die electronic-cash-Terminals angeschlossenen Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Aus Ziffer 9 des Vertrags über die Zulassung als Netzbetreiber im electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft, der als Anlage 4 Bestandteil des electronic-cash-Vertragswerks ist, ergibt sich, dass der Netzbetreiber verpflichtet ist, nur Unternehmen an ein electronic-cash-Terminal anzuschließen, die die Bedingungen anerkannt haben. Als Nachweis hierfür hat der Netzbetreiber ein von dem Unternehmen unterschriebenes Duplikat der Bedingungen zu seinen Akten zu nehmen und auf Verlangen der Kreditwirtschaft vorzulegen.

Die Beklagten haben jedoch nicht vorgetragen, wer anstelle der Klägerin zur Zahlung der Händlerentgelte verpflichtet gewesen sein soll. Folge des unzureichenden Bestreitens der Beklagten ist, dass der Vortrag der Klägerin als unstreitig zu behandeln ist.

bbb) Unabhängig davon ist die Kammer jedoch auch davon überzeugt, dass die Klägerin die Händlerentgelte schuldete.

Denn die von ihr vorgelegten Rechnungen über das zu zahlende Händlerentgelt sind jeweils an sie gerichtet. Da – wie gezeigt – die Händlerentgelte dem Unternehmen in Rechnung gestellt werden, welches an das electronic-cash-Terminal-Netz angeschlossen worden ist, spricht alles dafür, dass es sich dabei um die Klägerin handelt. Die Beklagten haben jedenfalls keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die einen anderen Schluss rechtfertigten.

ccc) Der Einwand der Beklagten, die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen über Händlerentgelte enthielten auch electronic-cash-Entgelte für von Dritten selbstständig erwirtschaftete Umsätze, ist unbeachtlich.

Die Betroffenheit der Klägerin ergibt sich nämlich wie gezeigt aus der Tatsache, dass sie zur Zahlung der von der Kartellabrede betroffenen Händlerentgelte verpflichtet gewesen ist. Auf die Frage, wer die Umsätze erwirtschaftet hat, die mittels der electronic-cash-Transaktion bezahlt worden sind, kommt es nicht an. Denn dieser Zahlvorgang bildet nur die Berechnungsgrundlage für das Händlerentgelt, sagt aber nichts darüber aus, wer dieses schuldet und damit möglicherweise einen Schaden erlitten hat.

bb) Die Kammer ist überzeugt, dass die Klägerin die ihr in Rechnung gestellten Händlerentgelte auch gezahlt hat.

Die von ihr vorgelegten und an sie selbst gerichteten Rechnungen stellen ein starkes Indiz dafür dar, dass die Klägerin die Händlerentgelte wie geschuldet tatsächlich auch gezahlt hat. Da die Klägerin über einen langen Zeitraum an dem electronic-cash-System teilgenommen hat, entspräche es der Lebenserfahrung, dass ihr Vertragspartner die Vertragsbeziehung beendet hätte, wenn die Klägerin in nennenswertem Umfang ihre vertraglich geschuldete Leistung nicht erbracht hätte. Das ist jedoch nicht geschehen. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Klägerin die ihr in Rechnung gestellten Händlerentgelte auch geleistet hat. Das einfache Bestreiten der Beklagten ist nicht geeignet, diese Überzeugung zu erschüttern.

cc) Ab dem 1. November 2014 kommt eine Kartellbetroffenheit allerdings nicht mehr in Betracht, da das girocard-Kartell mit Ablauf des 31. Oktober 2014 ohne relevante Nachwirkungen endete.

aaa) Der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 8. April 2014 verpflichtete die Bankenverbände auf deren Zusagen hin, mit Wirkung zum 1. November 2014 eine Abrechnung von Händlerentgelten nach dem electronic-cash-Vertragswerk zu beenden und stattdessen nur noch aufgrund frei verhandelter Vereinbarungen abzurechnen. Diese Verpflichtungszusagen sind nach den Feststellungen des Bundeskartellamts eingehalten worden (Bundeskartellamt, Fallbericht vom 30. März 2015 zum Aktenzeichen B4-94/14, S. 2). Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellungen unzutreffend sein könnten.

bbb) Das Kartell entfaltete auch keine über den 31. Oktober 2014 hinausreichenden Wirkungen.

(1.) Zwar ist es durchaus mitunter zu beobachten, dass Marktbedingungen erst mit einer gewissen Verzögerung nach dem Ende einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht einen zuwiderhandlungsfreien Stand erreichen, etwa weil sich marktfreie Preisniveaus erst noch einpendeln müssen oder zuvor verdrängte Wettbewerber erst allmählich wieder in den Markt zurückkehren (s. Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 44; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 459 ff.).

(2.) Relevante Nachwirkungen können im vorliegenden Fall indes ausgeschlossen werden.

(a) Aus der oben festgestellten Befolgung der abgegebenen Verpflichtungszusagen ergibt sich zugleich, dass es keine Abrechnung über unverändert fortlaufende Vereinbarungen mehr gegeben hat. Frühere Vereinbarungen, die noch auf dem einheitlichen Händlerentgelt fußten, konnten – entgegen etwa einer vereinbarten längeren Laufzeit in einem mehrjährigen Rahmenvertrag – über den Ablauf des 31. Oktober 2014 hinaus keine Wirkung entfalten. Ohne eine freiverhandelte Einigung zum Händlerentgelt konnte ein Bankenverband gegenüber einem Händler auch nicht mehr auf den Wert des einheitlichen Händlerentgelts als Auffangwert zurückfallen. Dementsprechend galten ab dem 1. November 2014 ausnahmslos verhandelte Entgelte, kartellierte Preise sind fortan nicht mehr erhoben worden (Bundeskartellamt, Fallbericht vom 30. März 2015 zum Aktenzeichen B4-94/14, S. 2).

(b) Der Markt litt ab dem 1. November 2014 auch nicht darunter, dass Wettbewerber durch das Kartell ferngehalten und noch nicht auf den Markt zurückgekehrt waren.

Eine erfolgreiche Marktabschottungsstrategie, die Wettbewerber mit konkurrierenden Preisen verdrängt hätte, ist nämlich nicht erkennbar geworden, so dass auch nicht die Rückkehr zuvor verdrängter Wettbewerber zu erwarten war.

(c) Eine Nachwirkung der Kartellabrede lässt sich auch nicht deswegen bejahen, weil ein Interesse der Bankenverbände an einem „künstlichen“ Hochhalten der Preise bestanden hätte.

Es mag durchaus so sein, dass die beteiligten Verbände für ihre Mitgliedsinstitute gern höhere Entgeltsätze durchgesetzt hätten, dies wäre in einer Marktwirtschaft unter gewinnorientierten Akteuren auch zu erwarten. Allein, mit Fortfall der Abrede über das Händlerentgelt bei gleichzeitiger Konkurrenz durch das ELV bestand nicht die für ein „künstliches“ Hochhalten der Preise erforderliche überwiegende Verhandlungsmacht der Bankenseite, weil spätestens zum 1. November 2014 Verhandlungen von Händler- und Bankenseite völlig frei zu führen waren.

Die Kammer vermag in diesem Zusammenhang auch dem vereinzelt von Händlern vorgebrachten Argument nichts Substanzielles zu entnehmen, man habe zu Beginn der kartellfreien Zeit noch keine Erfahrungen mit Verhandlungen gehabt und diese erst über die Zeit sammeln müssen, sodass sich Verhandlungserfolge gegenüber den Banken erst in größerem zeitlichen Abstand zum Kartellende haben zeigen können. Im Falle von Handelskonzernen, die Umsätze in Millionenhöhe bewegen und deren tägliches Geschäft als Händler im An- und Verkauf von Waren liegt, deren Preise zum eigenen Vorteil fortwährend ausgehandelt werden müssen, hält die Kammer eine solche Überlegung für nicht überzeugend.

d) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert jedoch daran, dass sie nicht überzeugend dargelegt hat, dass und ggf. in welcher Höhe ihr aufgrund des Kartells ein Schaden entstanden ist.

aa) Art und Umfang des für eine kartellrechtswidrige Absprache zu leistenden Schadensersatzes bestimmen sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, mithin nach den §§ 249 ff. BGB. Der Kartellbetroffene ist grundsätzlich nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne den Kartellverstoß gestanden hätte. Eine Naturalrestitution ist bei den hier in Frage stehenden Vermögensschäden indes nicht möglich, sodass gemäß § 251 Abs. 1 BGB Schadensersatz in Geld zu leisten ist. Nach der insoweit maßgeblichen Differenzhypothese besteht der Schaden des kartellbetroffenen Abnehmers in der Differenz zwischen dem vereinbarten Kartellpreis und dem hypothetischen Preis, der sich unter Wettbewerbsbedingungen, also in einem kontrafaktischen Szenario gebildet hätte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Überhöhung der Marktpreise trägt die Klägerin als Anspruchstellerin.

bb) Das Gericht hat die Feststellungen zur Höhe des durch eine kartellrechtswidrige Absprache entstandenen Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen, wobei ihm die Befugnis zur Schadensschätzung nach den Maßstäben des § 287 Abs. 1 ZPO zusteht. Auf § 287 ZPO verweist § 33a Abs. 3 S. 1 GWB 2021 ausdrücklich. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist. Im Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO ist das Gericht besonders freigestellt. Das Gericht hat lediglich darauf acht zu geben, dass es die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung erkennt, die wesentlichen Bemessungsfaktoren in Betracht zieht und seiner Schätzung zutreffende Maßstäbe zu Grunde legt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 35, juris), ohne gegen Denk- oder Erfahrungssätze zu verstoßen (KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 8).

aaa) Die an den Nachweis dieses Schadens zu stellenden Anforderungen richten sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht. Zwar ist nach dem Inhalt des Unionsrechts jeder Schaden, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV steht, nach dieser Vorschrift ersatzfähig. Auf einen spezifischen Zurechnungszusammenhang kommt es dabei nicht an. Der Begriff der haftungsausfüllenden Kausalität ist damit im Ausgangspunkt unionrechtlich determiniert. Da es an einer näheren Ausgestaltung dieses Begriffs im Unionsrecht fehlt, obliegt es aber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Ausübung und Durchsetzung des unionsrechtlich begründeten Schadensersatzanspruchs unter Einschluss des Kausalitätsbegriffs zu regeln. Die Mitgliedstaaten sind hierbei nach den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz verpflichtet, die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln und des sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzanspruchs sicherzustellen. Zu diesen Modalitäten zählen jedenfalls die Vorschriften über die zivilprozessrechtlichen Anforderungen an die richterliche Tatsachenfeststellung (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 30, juris).

bbb) Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat. Der Tatrichter ist jedoch nicht gezwungen, jeden angebotenen Beweis auch tatsächlich zu erheben (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 36, 47, juris; KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 7).

(1.) Zum einen ist zu beachten, dass ein unmittelbarer Beweis der Haupttatsache oder ihres Gegenteils im vorliegenden Zusammenhang eines Preiskartells kaum in Betracht kommen wird. Insbesondere wird ein solcher Beweis nicht dadurch angetreten, dass für die Entstehung oder das Fehlen eines Schadens Sachverständigenbeweis angeboten wird. Denn auch der Sachverständige wird die Frage, ob der von den Kartellanten geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem darauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache beantworten können (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 37, juris; Anschluss KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 6). Die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder dass allgemein das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, kann nämlich regelmäßig nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Denn nur die tatsächlich vereinbarten Preise und das tatsächliche Preisniveau auf dem betroffenen Markt sind beobachtbar und damit unmittelbar feststellbar, Preise und Preisniveau unter nicht manipulierten Marktbedingungen sind hingegen notwendigerweise hypothetisch. Das Gericht kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen (KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 6). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht zur Ermittlung des hypothetischen Marktpreises auf Vergleichsmärkte zurückgreift (zum Ganzen so BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 34, juris, m.w.N.).

(2.) Soweit der Nachweis über den entstandenen Schaden also nur über Indizien zu führen sein wird, darf und muss zum anderen das Gericht bei einem solchen Indizienbeweis vor der Beweiserhebung prüfen, ob die vorgetragenen Indizien das Gericht – ihre Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen, weil es bei der Behandlung von Anträgen zum Beweis von Indizien freier gestellt ist als bei sonstigen Beweisanträgen. Dies steht nicht im Widerspruch zu der auch auf § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO anzuwendenden Regel, dass der (Gegen-)Beweisantritt zu einer Haupttatsache nicht auf Grund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden darf, wenn der unmittelbare Beweis der Haupttatsache hier – wie ausgeführt – nicht in Betracht kommt. Führt jene Prüfung vor der Beweiserhebung zu dem Ergebnis, dass auch der Nachweis der in Rede stehenden Hilfstatsachen die richterliche Überzeugung von der Haupttatsache nicht begründen könnte, dürfen Beweisanträge, die diese Hilfstatsachen betreffen, abgelehnt werden. Dies gilt entsprechend für diejenigen Indizien, die der Gegner der beweisbelasteten Partei vorbringt. Kann das Gericht die Überzeugung von der Haupttatsache auch dann gewinnen, wenn es die behaupteten gegenläufigen Indiztatsachen – mit dem vollen Gewicht, das ihnen zukommen kann – als wahr unterstellt, bedarf es auch in diesem Fall keiner Beweiserhebung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 36 f., juris, m.w.N.; Anschluss KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 7).

(3.) Des Weiteren können für die vorzunehmende richterliche Gesamtwürdigung gutachterliche Stellungnahmen einzuholen und zu berücksichtigen sein, ohne dass dies in jedem Einzelfall erforderlich wäre.

(a) Die besondere Freistellung des Gerichts im Rahmen des § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO hat nämlich – im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens – auch eine größere Entscheidungsfreiheit im Umgang mit gutachterlichen Stellungnahmen zur Folge. Im Unterschied zu den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO kann das Gericht von einer weiteren Beweisaufnahme absehen, wenn ihm bereits hinreichende Grundlagen für ein Wahrscheinlichkeitsurteil zur Verfügung stehen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 47, juris, m.w.N.). Hinzu treten die bereits ausgeführten Schwierigkeiten eines jeden Gutachters, sich mit ökonometrischen Methoden regelmäßig dem kontrafaktischen Szenario eines hypothetischen Wettbewerbspreises nur annähern zu können (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 48, juris).

(b) Daraus folgt zum einen, dass sich das Gericht zur Bewertung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen – nach pflichtgemäßem Ermessen im Sinne des § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO – von Amts wegen sachverständiger Hilfe bedienen kann, ohne dass der Sachverständige in jedem Fall nach § 404a Abs. 4 ZPO zur Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen beauftragt werden müsste. Sein Rat kann sich, je nach den Umständen des Einzelfalls, auch darauf beschränken, aus den festgestellten oder als wahr unterstellten Indizien ökonomische Schlussfolgerungen über die Wahrscheinlichkeit der Entstehung oder die Höhe eines konkreten Schadens zu ziehen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 47, juris).

(c) Zum anderen folgt daraus, dass sich das Gericht mit einem von einer Partei vorgelegten Gutachten auseinandersetzen muss (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 47, juris). Allerdings präjudiziert ein Privatgutachten nicht die richterliche Gesamtwürdigung, erst recht kann ein Gutachten diese Gesamtwürdigung nicht ersetzen. Ein vorgelegtes Privatgutachten verpflichtet das Gericht auch nicht in jedem Fall zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 48, juris).

(d) Liegt ein (Privat- oder gerichtliches) Gutachten vor und bedenkt man die beschriebenen Limitationen ökonometrischer Methoden für Aussagen über kontrafaktische Marktentwicklungen, ist die Annäherung des Gutachters an den hypothetischen Wettbewerbspreis auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen. Die Plausibilität dieser Annäherung hängt dabei typischerweise zum einen von der Genauigkeit und Validität der tatsächlichen Beobachtungen auf dem kartellierten und einem – zeitlichen, räumlichen oder sachlichen – Vergleichsmarkt ab und zum anderen davon, ob sich die Unterschiede zwischen den verglichenen Märkten mit hinreichender Zuverlässigkeit erfassen lassen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 48, juris). Stützt die Klägerseite auf ein vorgelegtes Privatgutachten die Behauptung, die zu zahlenden Preise hätten kartellbedingt höher als ein angeblich aussagekräftiger Vergleichspreis außerhalb des Kartellzeitraums gelegen, ist dies zu bewerten. In diesem Zusammenhang wird zum einen zu berücksichtigen sein, wie aussagekräftig und verlässlich die in Bezug genommenen Vergleichspreise sind. Zum anderen wird – was das Verhältnis der von der Beklagtenseite geforderten Preise zu den durchschnittlichen Preisen im Nachkartellzeitraum anbelangt – gegebenenfalls zu erwägen sein, ob Anhaltspunkte für einen Einfluss anderer Marktfaktoren bestehen, so etwa insbesondere dafür, dass die Preise im Nachkartellzeitraum aufgrund der durch eine lange Kartelldauer beeinträchtigten Marktstrukturen weiterhin nachteilig beeinflusst wurden (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 49, juris).

(4.) Ein Anscheinsbeweis kommt indes bei der Beurteilung der Wirkung von Kartellen für das Feststellen eines Schadens nicht in Betracht.

Auch wenn hinsichtlich der Wirkungen von Kartellen ökonomisches Erfahrungswissen besteht, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös der daran beteiligten Unternehmen führt, fehlt es angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität. Zwar sind solche Absprachen grundsätzlich auf eine möglichst umfassende Wirkung ausgerichtet. Denn das von den beteiligten Unternehmen gemeinschaftlich verfolgte Ziel, als auskömmlich angesehene Preise zu erzielen, kann regelmäßig umso eher erreicht werden, je besser die Absprachen umgesetzt werden und je höher die Kartelldisziplin ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Absprachen erfolgreich umgesetzt werden, also die Erzielung höherer Preise einem typischen Geschehensablauf entspricht. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang wettbewerbsbeschränkende Absprachen einen Preiseffekt haben, wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, etwa der Anzahl der Marktteilnehmer, der Zahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Möglichkeiten der Marktgegenseite, ihren Bedarf anderweitig zu decken oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Einfluss dieser Faktoren kann, gerade wenn es um wettbewerbsbeschränkende Absprachen geht, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, erheblichen Veränderungen unterliegen. Insbesondere darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Absprachen von Unternehmen getroffen werden, die grundsätzlich jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen und nicht durchweg bereit sein müssen, sich der Kartelldisziplin zu fügen. Schon mit Rücksicht darauf fehlt es an einem typischen, gleichförmigen Hergang (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17 – Schienenkartell I, Rn. 55, 57, juris; bestätigt in BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 31, juris).

(5.) Faktoren wie die oben beispielhaft genannten, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Annahme eines Anscheinsbeweises entgegenstehen, sind im Rahmen der vom Gericht im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Gesamtwürdigung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Sachvortrag der Parteien oder in den bindenden Feststellungen einer kartellbehördlichen Entscheidung eine zureichende Stütze finden (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 38, juris).

ccc) Bei der danach vorzunehmenden Gesamtwürdigung muss das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Erfahrungssätze berücksichtigen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 39, juris).

Insbesondere hat das Gericht zu beachten, dass zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung – im Sinne eines Erfahrungssatzes – dafür streitet, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 40). Eine tatsächliche Vermutung kann lediglich einen Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen. Das Maß der Indizwirkung hängt vom Grad der Wahrscheinlichkeit ab, den der Erfahrungssatz zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 29. November 2022 – KZR 42/20 – Schlecker, Rn. 57, 60, juris). Im Falle einer Kartellabrede gewinnt jene Vermutung erhöhter Preise an Gewicht, je länger und nachhaltiger das Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 40, juris).

Anders als bei Geltung eines Anscheinsbeweises kommt dem Erfahrungssatz kein abstrakt quantifizierbarer Einfluss auf das Ergebnis der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu. Mit dem Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung wäre dies unvereinbar. Das Gewicht des Erfahrungssatzes hängt vielmehr entscheidend von der konkreten Gestaltung des Kartells und seiner Praxis sowie davon ab, welche weiteren Umstände feststellbar sind, die für oder gegen einen Preiseffekt der Kartellabsprache sprechen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – KZR 24/17 – Schienenkartell II, Rn. 41, juris).

Bei einem Preiskartell spricht eine starke Indizwirkung für ein von der Kartellabsprache beeinflusstes Preisniveau, da Preiskartelle gerade darauf abzielen, einen Preiswettbewerb zu unterbinden, und Unternehmen im Regelfall keine Veranlassung haben, Preissenkungsspielräume weiterzugeben (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17 – Schienenkartell I, Rn. 55 f.; BGH, Urteil vom 29. November 2022 – KZR 42/20 – Schlecker, Rn. 45, juris). Der Erfahrungssatz erhält somit ein hohes Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2022 – KZR 42/20 – Schlecker, Zusammenschau der Rn. 44 f., 46, 60, juris, dort auch als „starkes Gewicht“ bezeichnet). Ob die dieser Indizwirkung zugrundeliegende tatsächliche Vermutung in einem Fall, in dem beide Seiten umfangreiche gegenläufige Privatgutachten eingereicht haben, ausreichend gewichtig sein kann, kann dahinstehen, da ohnehin die Überzeugungsbildung im Einzelfall maßgeblich ist (KG, Beschluss vom 13. Juni 2022 – 2 U 5/18 –, Entscheidungsabdruck S. 9). Auch bei einer starken Indizwirkung eines Erfahrungssatzes bleiben die Umstände des Einzelfalls für die Prüfung der Wirkung einer kartellrechtlichen Abrede maßgeblich. Diese Einzelfallumstände sind vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung darauf zu prüfen, ob sich aus ihnen Indizien ergeben, die im konkreten Fall den Erfahrungssatz bestätigen oder entkräften (BGH, Urteil vom 29. November 2022 – KZR 42/20 – Schlecker, Rn. 60, juris).

cc) Es gibt verschiedene Methoden zur Schadensermittlung anhand eines fiktiven Wettbewerbspreises in einem kontrafaktischen Szenario, die das Gericht in Ansatz bringen kann (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2019 – KZR 29/17 – NetCologne II, Rn. 29, juris).

Im Rahmen der dem Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zukommenden Schätzungsbefugnis steht ihm ein erheblicher methodischer Spielraum zu, sodass es auch eine andere als die von den Parteien gewählte Methode und andere Vergleichsdaten heranziehen kann, solange es damit dem vorgegebenen Ziel gerecht wird, mit einem der Sache angemessenen Aufwand der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahezukommen (BGH, Urteil vom 13. April 2021 – KZR 19/20 – Lkw-Kartell II, Rn. 88, juris). Denn aufgrund der Vielzahl von Faktoren und komplexen Interaktionen zwischen Marktteilnehmern ist es unmöglich, mit Sicherheit genau zu bestimmen, wie sich ein Markt ohne den Verstoß gegen Artikel 101 oder 102 AEUV entwickelt hätte (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 16). Die Ermittlung des Schadens in Wettbewerbssachen unterliegt daher naturgemäß erheblichen Grenzen hinsichtlich der zu erwartenden Sicherheit und Genauigkeit. Es gibt deshalb keinen einzigen „wahren“ Wert des erlittenen Schadens, der zu ermitteln wäre, sondern es kann immer nur eine möglichst genaue Schätzung geben, die sich auf Annahmen und Näherungswerte stützt (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 17).

In Betracht kommt zum einen eine Vergleichsmarktbetrachtung (s. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 163 ff.), bei der entweder aus der Preisentwicklung auf sachlich oder räumlich vergleichbaren Märkten oder aber aus den Preisen, die sich auf demselben kartellbefangenen Markt in kartellfreier Zeit – vor Beginn des Kartells oder nach dessen Ende – gebildet haben, auf den fiktiven Wettbewerbspreis geschlossen wird.

Zur weiteren Absicherung steht daran anknüpfend grundsätzlich die sogenannte Differenz-der-Differenzen-Methode in Gestalt der Kombination eines zeitlichen Vergleichs und eines Vergleichs räumlicher oder sachlicher Märkte zur Verfügung (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 179 ff.). Dabei wird die Entwicklung der interessierenden ökonomischen Variablen auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt während eines bestimmten Zeitraums (Differenz im Laufe der Zeit auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt) betrachtet und mit der Entwicklung derselben Variablen während desselben Zeitraums auf einem nicht betroffenen Vergleichsmarkt (Differenz im Laufe der Zeit auf dem nicht von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt) verglichen. Der Vergleich zeigt die Differenz zwischen diesen beiden Differenzen im Laufe der Zeit. Die auf die Zuwiderhandlung zurückzuführende Veränderung der Variablen lässt sich so unter Ausschluss aller Faktoren schätzen, die die Zuwiderhandlung und den Vergleichsmarkt in gleicher Weise beeinflusst haben. Mit dieser Methode können die Auswirkungen der Zuwiderhandlung von anderen Einflüssen auf die betreffende, beiden Märkten gemeinsame Variable isoliert werden (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 56).

Der kartellfreie Wettbewerbspreis in einem kontrafaktischen Szenario kann zum anderen durch einen kostenbasierten Vergleich (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 190 ff.) anhand einer Überprüfung von Preisbildungsfaktoren auf Seiten der Kartellteilnehmer bestimmt werden. Diese geht von den Produktionskosten des betreffenden Produkts und einem Aufschlag für eine „angemessene“ Gewinnspanne aus, um den Marktpreis in einem hypothetischen zuwiderhandlungsfreien Szenario zu ermitteln. Präziser gefasst werden kann in diesem Ansatz der Aufschlag für einen den Kartellanten zugestandenen Gewinn, wenn die Gewinnmargen vergleichbarer Unternehmen auf einem nicht-kartellierten, im Übrigen aber vergleichbaren Markt bekannt sind (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 245)

Zur Verfügung steht ferner eine marktinterne Vergleichsanalyse unter Heranziehung der Preisdaten von Kartellaußenseitern.

Ebenfalls denkbar ist die Verwendung von auf den jeweiligen Markt zugeschnittenen ökonomischen Modellen, um das Marktergebnis zu simulieren, das ohne Zuwiderhandlung wahrscheinlich bestehen würde.

Diskutiert werden außerdem finanzgestützte Ansätze, die von der Finanz- und Ertragslage des Kartellbetroffenen ausgehen. Die tatsächliche Rentabilität des klagenden Unternehmens muss mit der Rentabilität für den Fall einer Nicht-Zuwiderhandlung verglichen werden, sodass es auch bei diesen Ansätzen auf Feststellungen zur kontrafaktischen Fallkonstellation ankommt (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 115, 117).

Ein weiterer möglicher Ansatz will zur Schätzung des Preisaufschlags an Art, Inhalt und Umfang der streitbefangenen Kartellabsprache und ihrer Umsetzung anknüpfen. Ausgehend von dem Erfahrungssatz, dass Kartelle nur dann gegründet werden, wenn sich die Kartellanten davon einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt eines durchsetzbaren Preisaufschlages versprechen, sei in einem nächsten Schritt zu berücksichtigen, dass dieser Preisaufschlag in einer Kosten-Nutzen-Abwägung das Entdeckungsrisiko der Kartellanten mit den sich daran anschließenden Folgekosten abgelten müsste. Anschließend sei das Ausmaß der Inanspruchnahme der Preissetzungsmacht der Kartellanten durch die konkreten Umstände der Absprache und ihrer Umsetzung bestimmt. In den Blick zu nehmen sind danach alle Gegebenheiten, die Aufschluss darüber geben, welcher Preiserhöhungsspielraum durch die Kartellabsprache geschaffen worden ist und inwieweit die kartellbeteiligten Unternehmen Anlass und Gelegenheit hatten, den erweiterten Preissetzungsspielraum für eine Preisanhebung zu nutzen (siehe zu diesem Ansatz Kühnen, NZKart 2019, 515 [518 f.]).

dd) Nach Auffassung der Kammer ist im vorliegenden Fall die zeitliche Vergleichsmarktanalyse in der Gestalt eines „während-nachher“-Vergleichs von allen Methoden am besten geeignet, um festzustellen, ob und ggf. in welcher Höhe die Betroffenen aufgrund des Kartells einen Schaden erlitten haben.

aaa) Zu der Festlegung auf eine der möglichen Ermittlungsmethoden ist zu begründen, wieso das Gericht eben diese gewählt hat und weshalb diese geeignet ist. Zu einer umfassenden Darstellung sämtlicher Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden ist das Gericht regelmäßig nicht gehalten. Das Urteil muss jedoch erkennen lassen, aus welchen Gründen einer von mehreren möglichen Methoden der Vorzug gegeben wurde und dass dem Gericht dabei jedenfalls die wesentlichen Vor- oder Nachteile der in Betracht kommenden Alternativen bewusst waren. Zu diesen Vor- oder Nachteilen gehören insbesondere die mit einer bestimmten Vorgehensweise verbundenen Unsicherheiten, namentlich die Wahrscheinlichkeit und der Umfang systematischer Schätzfehler, die das Schätzungsergebnis in eine bestimmte oder auch in eine nicht bestimmbare Richtung verfälschen können (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – KRB 51/16 – Flüssiggas I, Rn. 68, juris).

bbb) Die zeitliche Vergleichsmarktanalyse in der Gestalt eines „während-nachher“-Vergleichs ist für den Fall des girocard-Kartells geeignet zur plausiblen Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Schaden durch eine kartellrechtswidrige Abrede entstanden ist.

(1.) Für die Anwendung der zeitlichen Vergleichsmarktanalyse spricht zunächst die Stärke aller Vergleichsmethoden, dass sie sich auf tatsächliche Marktdaten stützen, die auf demselben oder einem ähnlichen Markt beobachtet werden können (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 37). Weitergehend besteht ein besonderer Vorteil der zeitlichen Vergleichsmarktanalyse – also zu verschiedenen Zeitpunkten beobachtete Daten aus demselben räumlichen und sachlichen Markt zu vergleichen – darin, dass Marktmerkmale wie Wettbewerbsintensität, Marktstruktur, Kosten und Nachfragemerkmale eher vergleichbar sein können als bei einem Vergleich mit anderen sachlichen oder räumlichen Märkten (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 41; daran anknüpfend auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 167).

(2.) Zwar ist die zeitliche Vergleichsmarktanalyse auch mit Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten verbunden. Diese fallen jedoch in der vorliegenden Fallkonstellation schlussendlich nicht ins Gewicht.

(a) Konkrete Schwierigkeiten kann bereiten, dass es im Rahmen der zeitlichen Vergleichsmarktanalyse faktisch ausgeschlossen ist, für einen „während-nachher“-Vergleich einen Bezugszeitraum zu finden, in dem die Marktsituation gänzlich der Situation entspricht, die ohne die Zuwiderhandlung bestehen würde. Es wird immer nur möglich sein, einen hinreichend ähnlichen Zeitraum zu ermitteln, der eine weitgehende Annäherung an ein wahrscheinliches zuwiderhandlungsfreies Szenario erlaubt (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 43).

Dies steht der Verwendung dieses Ansatzes jedoch in keiner Weise entgegen. Bei zeitlichen Vergleichen kommt es dann lediglich darauf an, den Unterschieden zwischen den Datensätzen der beiden verglichenen Zeiträume, die nicht nur auf die Zuwiderhandlung zurückzuführen sind, gebührend Rechnung zu tragen. Dazu sind die im Vergleichszeitraum beobachteten Daten entsprechend im Lichte der Besonderheiten des Einzelfalls zu würdigen (vgl. Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 42; vgl. auch Kühnen, NZKart 2019, 515 [517]), soweit die Datenlage dies ermöglicht, um etwaige Auf- oder Abschläge nicht willkürlich vorzunehmen, sondern nachvollziehbar zu machen (vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 242).

(b) Zudem ist zu beachten, dass ein Vergleichsmarkt sich von vornherein nur dann als Anknüpfungspunkt für die Schätzung des fiktiven Wettbewerbspreises eignet, wenn er kartellfrei ist. Diese Kartellfreiheit lässt sich weder unterstellen noch ohne weiteres annehmen, sondern muss im Prozess explizit festgestellt werden. Kartelle haben nicht immer erst zu dem im Kartellamtsbescheid angegebenen Zeitpunkt begonnen, und es ist ökonomisch abgesichert, dass verbotene Absprachen im Markt nachwirken können, weshalb die preiserhöhende Wirkung nicht zwangsläufig schon mit dem formalen Auslaufen des Kartells endet (vgl. Kühnen, NZKart 2019, 515 [517]; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 169).

Im konkreten Fall ist allerdings nicht nur der Beginn, sondern – wie oben bereits ausgeführt – auch das Ende der Zuwiderhandlung eindeutig identifizierbar und sie hat nicht schrittweise begonnen bzw. geendet. Das Kartell wurde durch das Bundeskartellamt aufgelöst und ist nicht durch ein Abweichen eines einzelnen Kartellmitglieds zusammengebrochen.

(c) Eine weitere Hürde der Anwendung der Vergleichsmarktbetrachtung ist der damit für den Anspruchsteller in der Regel verbundene zeit- und kostenintensive Ermittlungsaufwand (Kühnen, NZKart 2019, 515 [517]). Dieser Nachteil fällt vorliegend indes nicht weiter ins Gewicht, da die für den Ermittlungsansatz der Kammer notwendigen Informationen zu Umsätzen im electronic-cash-Verfahren und zu den gezahlten Händlerentgelten von den Parteien bereits in den Prozess eingeführt worden sind.

ccc) Bei der Anwendung auf den vorliegenden Fall bleiben andere in der Fachwissenschaft diskutierte Ansätze hinter der Eignung des „während-nachher“-Vergleichs zurück, sodass die Kammer von deren Anwendung Abstand nimmt.

(1.) Dies gilt zum einen für die räumliche und sachliche Vergleichsmarktanalyse.

(a) Eine räumliche Vergleichsmarktanalyse kommt nach Auffassung der Kammer vorliegend nicht in Betracht.

Vor allem ist für die Kammer kein ausländischer Markt erkennbar, auf dem ein dem deutschen electronic-cash-System hinreichend ähnliches Kartenzahlungssystem im fraglichen Zeitraum im Einsatz war.

Zudem würden bei dem dann anzustellenden Vergleich des Geltungsgebiets der gesamten Bundesrepublik mit dem Gebiet eines anderen Staates, wie etwa Dänemark, mehrere entscheidende Faktoren erheblich voneinander abweichen, ohne dass diesen Abweichungen durch Korrekturüberlegungen an anderer Stelle plausibel Rechnung getragen werden könnte. So würden nicht nur die Bevölkerungszahlen beider Staaten und damit die Marktgröße für Einzelhandelsumsätze in beachtlicher Weise abweichen, sondern auch relevante soziokulturelle Faktoren, darunter zu allererst zu nennen das Ausmaß der Affinität der Bevölkerung zu Bargeld- oder eben Kartenzahlungen sowie deren Kaufkraft.

(b) Auch die Gegenüberstellung mit einem sachlichen Vergleichsmarkt scheidet für die Kammer aus.

Dabei kommen vor allem Produkte in Frage, die mit ähnlichen Inputfaktoren und einer ähnlichen Technologie produziert werden sowie an Kunden mit ähnlichen Nachfragecharakteristika vertrieben werden wie das von der Zuwiderhandlung betroffene Produkt (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 177). In Betracht käme hier daher in erster Linie die Preisentwicklung im Angebot der Netzbetreiber des ELV. Allerdings erscheint es recht wahrscheinlich, dass das allgemein bekannte einheitliche Händlerentgelt einen gewissen Deckelungseffekt auf die Preise im ELV hatte (vgl. auch zur Gefahr der Betroffenheit des Vergleichsmarktes Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 178). Damit würde eine erhebliche Unsicherheit bestehen, dass das mit solch einem Vergleich ermittelte Schätzungsergebnis verfälscht würde.

(c) Damit scheidet auch der Einsatz der sogenannten Differenz-der-Differenzen-Methode in Gestalt der Kombination eines zeitlichen Vergleichs mit einem Vergleich räumlicher oder sachlicher Märkte aus.

(2.) Simulationsmodelle und kostenbasierte Ansätze sind im vorliegenden Fall ebenfalls schlechter zur Schadensschätzung geeignet als die von der Kammer bevorzugte Vergleichsmethode.

Sie sind gegenüber den Vergleichsmarktanalysen aufwändiger, und dem Gericht stehen die erforderlichen Daten nicht zur Verfügung. Das Gericht sieht aber keinen Bedarf, diese aufwendigeren Methoden anzuwenden und sich die erforderlichen Daten zu verschaffen, da seine im Wege der zeitlichen Vergleichsmarktanalyse angestellte Schadensschätzung schlüssig ist und ihre Ergebnisse wirtschaftlich vernünftig und möglich erscheinen (vgl. Hauser/Haas, in: Stancke/Weidenbach/Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, 2. Aufl. 2021, Kapitel I, Rn. 174).

Darüber hinaus gilt zu den einzelnen Modellen:

(a) Nach Einschätzung der Kammer ist die Verwendung der Ansätze anhand einer Preiskontrolle hier auch untauglich.

Ungeachtet der Frage nach den erforderlichen Daten für die Ermittlung der Kosten der einzelnen Abwicklung eines Zahlungsvorgangs über electronic cash ist schon der Rechnungsposten eines „angemessenen“ Gewinns aus Sicht der Kammer nicht belastbar quantifizierbar. Zunächst lässt er sich nicht durch die Ableitung der Margen vergleichbarer Unternehmen auf einem nicht-kartellierten, im Übrigen aber vergleichbaren Markt näher eingrenzen, weil es solche den Mitgliedern der deutschen Bankenverbände vergleichbare Unternehmen auf hinreichend vergleichbaren, nicht-kartellierten Märkten im vorliegenden Fall nicht gibt. Ohne eine solche nähere Eingrenzung hängt die Bemessung eines „angemessenen“ Gewinns, der den Kartellanten als Preisaufschlag auf ihre tatsächlichen Kosten zuzugestehen wäre, jedoch vollends in der Luft. Diese „angemessene“ Gewinnspanne ergibt sich in einer unregulierten Marktwirtschaft in der Regel allein aus dem Austarieren von Angebot und Nachfrage und ist also das Verhandlungsergebnis der Geschäftspartner vor dem Hintergrund ihrer jeweilig angestrebten Nutzenmaximierung. Sie lässt sich dementsprechend kaum abstrakt bestimmen, weil sie von Branche zu Branche, Land zu Land und letztlich also Markt zu Markt unterschiedlich ausfällt.

(b) Die ohnehin mit großen Schätzunsicherheiten verbundene (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – KRB 51/16 – Flüssiggas I, Rn. 70, juris) marktinterne Vergleichsanalyse unter Heranziehung der Preisdaten von Kartellaußenseitern scheidet hier von vornherein aus, weil es auf dem relevanten Markt keine Kartellaußenseiter mit einem zu diesem Zweck hinreichend vergleichbaren Angebot gab. Das ELV bietet zwar ein insoweit vergleichbares Produkt, dass von einem „Markt“ ausgegangen werden kann, jedoch ist die Kostenstruktur des ELV eine deutlich andere als die im electronic-cash-System, sodass nur unter Inkaufnahme von sehr wahrscheinlichen systematischen Schätzfehlern von der Preissetzung im ELV auf eine kartellfreie Preissetzung des electronic-cash-Systems geschlossen werden könnte.

(c) Die finanzgestützten Ansätze zur Rentabilität anhand von Daten aus einem Vergleichsmarkt oder auch der Kapitalkosten der Branche sind in erster Linie dann nützlich, wenn ein Gewinnverlust eingeklagt wird, z.B. wenn ein Wettbewerber unrechtmäßig von einem Markt ausgeschlossen wird (Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2013, Rn. 115). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

(d) Auch ein auf die Einzelheiten der Kartellabsprache und deren Umsetzung abstellender Ansatz (Kühnen, NZKart 2019, 515 [518 f.]) ist für die Kammer mit zu großen Eventualitäten und Schätzunsicherheiten verbunden.

ee) Die Kammer hat zur Schadensschätzung in den Fällen des girocard-Kartells die Methode des während-nachher-Vergleichs wie folgt angewendet:

Um festzustellen, ob ein Händler überhaupt einen kartellbedingten Schaden erlitten hat, beobachtet die Kammer an der Schwelle vom Kartell- zum Nachkartellzeitraum die Entwicklung des Händlerentgelts dieses Händlers. Hat es sich im Vergleich zum Kartellzeitraum verringert, leitet die Kammer aus dem Umfang dieser Verringerung die Höhe seines Schadens ab. Im Einzelnen ist die Kammer wie folgt vorgegangen:

aaa) Die Kammer betrachtet zur Feststellung eines Schadens die Entwicklung des effektiven Händlerentgelts.

(1.) Die Kammer verwendet dabei folgende Begriffe:

Als „effektives Händlerentgelt“ bezeichnet die Kammer das von einem Händler für Transaktionen über electronic cash zu zahlende Händlerentgelt in Prozent von dem Umsatz, den der Händler mittels dieser Transaktionen vorgenommen hat.

Als „Tarif“ bezeichnet die Kammer den – ggf. aus mehreren Komponenten, z.B. einem fixen und einem variablen Teil bestehenden – Entgeltsatz, nach dem das von einem Händler für die Verwendung von electronic-cash zu zahlende Händlerentgelt berechnet werden soll.

(2.) Der Rückgriff auf das effektive Händlerentgelt ist geeignet, eine Vergleichbarkeit des Entgelts in verschiedenen Zeiträumen herzustellen.

Die Tarife weisen in unterschiedlichen Zeiträumen nämlich oft eine unterschiedliche Struktur auf. In der Kartellphase sind sie häufig aus einem fixen und einem variablen Bestandteil zusammengesetzt. In der Nachkartellphase ist der fixe Bestandteil oft entfallen. Um die Tarife unterschiedlicher Zeiträume stets vergleichen zu können, bietet es sich an, auf das oben beschriebene effektive Händlerentgelt abzustellen.

bbb) Die Kammer ermittelt zunächst, ob an der Schwelle vom Kartell- zum Nachkartellzeitraum eine Absenkung des effektiven Händlerentgelts stattgefunden hat.

(1.) Für die Betrachtung der Entwicklung des effektiven Händlerentgelts in diesem Moment ist die Annahme ausschlaggebend, dass für den Fall, dass die Kartellabsprache eine erhöhende Wirkung auf das effektive Händlerentgelt gehabt haben sollte, sich diese Wirkung in einem signifikanten Absinken der effektiven Händlerentgelte an der Schwelle zeigen müsste, an der diese Wirkung entfiel.

(2.) Das Kartell endete – wie oben ausgeführt – mit Ablauf des 31. Oktober 2014.

(3.) Der von der Kammer berücksichtigte „nachher“-Vergleichszeitraum erstreckt sich vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2015, jedoch nicht darüber hinaus.

Das Ergebnis späterer Verhandlungsrunden von Händlern und Banken mit Gültigkeit ab dem 1. Dezember 2015 oder gar noch später kommt nicht als „nachher“-Vergleichswert in einer Differenzbestimmung in Betracht, weil die Marktsituation ab Dezember 2015 derjenigen im Kartellzeitraum nicht mehr hinreichend ähnlich war.

Denn ab Dezember 2015 wurde die durch die MIF-VO eingeführte Obergrenze von 0,2 % des Umsatzes auf electronic-cash-Händlerentgelte angewendet. Außerdem steigt mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom kartellierten Zeitraum die Wahrscheinlichkeit, dass andere Marktentwicklungen und sonstige Faktoren an Einfluss auf die Preisbildung gewinnen und die Vergleichbarkeit eines solchen „nachher“-Zeitraums mit dem „während“-Zeitraum erheblich abnimmt.

(a) Für Zeiträume ab dem Dezember 2015 war in Händlerentgeltverhandlungen die fortan geltende MIF-VO zu beachten. Mit der darin geregelten Obergrenze eines Händlerentgelts von 0,2 % des Umsatzes für Debitkarten-Systeme können Verhandlungsergebnisse ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als völlig „frei verhandelt“ angesehen werden (vgl. auch Bundeskartellamt, BT-Drs. 18/12760, S. 85).

Die MIF-VO, deren Erstreckung in der Verwaltungspraxis auch auf die Händlerentgelte im electronic-cash-System vom Bundesfinanzministerium am 6. November 2015 mitgeteilt wurde, führte für Debitkarten-Systeme eine zwingende Obergrenze für das Händlerentgelt von 0,2 % ein. Diese 0,2 % stellten einen festen Deckel dar, der in Verhandlungen zugleich einen starken Orientierungspunkt bildete. Den Verhandlungspartnern stand deutlich vor Augen, dass das für die Bankenseite maximal erzielbare Ergebnis ein Händlerentgelt von 0,2 % war. Da umsatzstarke Händler eine größere Verhandlungsmacht besitzen als umsatzschwächere Händler, konnten sie gegenüber den Bankenverbänden auch günstigere Konditionen aushandeln, die deshalb unterhalb der 0,2 %-Grenze liegen mussten.

(b) Eine zunehmende Verfremdung späterer „nachher“-Vergleichszeiträume gegenüber der kartellierten Phase bewirkte etwa auch die über die Jahre wachsende Bereitschaft in der eigentlich bargeldaffinen deutschen Bevölkerung zur Zahlung mittels Karte, sodass das Ergebnis späterer Verhandlungsrunden über Händlerentgelte auch in diesem Lichte nicht mehr heranzuziehen ist. Die größere Nachfrage der Endkunden nach bargeldlosen Zahlungen kann nämlich die Verhandlungsposition der Anbieter dieser Leistungen, also der Emittenten, stärken.

(4.) Der „während“-Vergleichszeitraum muss eine im Einzelfall zu bestimmende aussagekräftige Anzahl von Monaten vor dem Kartellende am 31. Oktober 2014 umfassen.

(a) Damit ist einerseits mehr als nur der letzte Monat vor Kartellende in die Betrachtung einzubeziehen, um der Eventualität von Schwankungen im Verlauf mehrerer Monate mit Auswirkungen auf die Umsatzzusammensetzung Rechnung zu tragen. Andererseits ist aber auch kein zu weit von der maßgeblichen Schwelle am Kartellende zum 31. Oktober 2014 entfernt gelegener Zeitraum einzubeziehen, um die Einwirkung sonstiger Marktfaktoren gering zu halten, die die Aussagekraft der betrachteten Händlerentgelte schwächen könnten. Denn die Ausführungen oben zur drohenden Verfremdung der Händlerentgelte im „nachher“-Zeitraum gelten entsprechend für die Bestimmung eines aussagekräftigen „während“-Betrachtungszeitraumes vor Ende des Kartells: Je weiter entfernt vom Kartellende dieser liegt, desto stärker können sich andere Umstände auf die Entwicklung der effektiven Händlerentgelte ausgewirkt haben, die sich nicht auf Wirkungen der Kartellabrede zurückführen lassen. Hierzu zu zählen wären beispielsweise das allgemeine Preisniveau mit entsprechender Auswirkung auf die Höhe des einzelnen Transaktionsumsatzes und die Über- oder Unterschreitung des Bemessungsschwellenwertes des Mindestentgelts in der Händlerentgeltvereinbarung sowie die Veränderung in der Bereitschaft der Konsumenten zur Barzahlung, technische Fortschritte in der Funktionalität von electronic cash und des ELV oder etwa auch die Abwanderung oder Zuwanderung umsatzstarker Händler fort aus dem oder neu in das electronic-cash-System mit entsprechender Signalwirkung für das Marktverhalten anderer Akteure.

(b) Den „während“-Zeitraum bemisst die Kammer unabhängig davon, ob Ansprüche für diesen Zeitraum ggf. bereits teilweise verjährt sind. Denn für die Beurteilung, ob die Marktsituation im fraglichen Kartellzeitraum der Marktsituation im „nachher“-Zeitraum hinreichend ähnlich ist, spielt es keine Rolle, ob etwaige Schadensersatzansprüche aus diesem Zeitraum bereits verjährt sind.

(c) Als „während“-Zeitraum kann für die Schadensbemessung im Einzelfall abweichend ein früherer Zeitraum zu Grunde zu legen sein als der Zeitraum unmittelbar vor dem 31. Oktober 2014, wenn sich aus dem Prozessstoff belastbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Händlerentgelt bereits vor Ende des Kartells im Vorgriff auf dieses absehbare Ende aufgrund einer Vereinbarung des Kartellbetroffenen mit den Emittenten abgesenkt wurde.

ccc) Um externen Faktoren Rechnung zu tragen, die sich im Nachkartellzeitraum preisdämpfend auf die electronic-cash-Händlerentgelte ausgewirkt haben, schlägt die Kammer sodann 10 % auf das von dem betroffenen Händler im Nachkartellzeitraum gezahlte effektive Entgelt auf.

Die Kammer ist überzeugt, dass die electronic-cash-Händlerentgelte im unmittelbaren Nachkartellzeitraum nicht nur aufgrund des Endes des Kartells gesunken sind, sondern auch aufgrund zweier weiterer Faktoren, die nicht im Zusammenhang mit der Abrede stehen. Zum einen erstarkte die Konkurrenzfähigkeit des ELV, als sich herausstellte, dass es mit dem SEPA-Verfahren kompatibel sein würde. Zum anderen zeigte die absehbare Einführung der Obergrenze von 0,2 % des Umsatzes für electronic-cash-Händlerentgelte durch die MIF-VO eine Vorwirkung. Demgegenüber hatte nach Auffassung der Kammer ein von den Beklagten behaupteter einseitig auf die Emittenten wirkender Verhandlungsdruck aufgrund der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts keinen Einfluss auf die Entgelthöhe.

Nach Auffassung der Kammer trägt es den genannten externen Faktoren angemessen Rechnung, das im Nachkartellzeitraum von einem Händler gezahlte effektive Händlerentgelt rechnerisch um 10 % zu erhöhen, wodurch sich der Abstand zu dem im Kartellzeitraum gezahlten effektiven Händlerentgelt und damit ein etwa festgestellter Schaden verringert.

(1.) In der Phase der individuellen Aushandlung der Händlerentgelte für die Zeit nach Ende des Kartells hat sich eine gestiegene Konkurrenzfähigkeit des ELV preisdämpfend auf die electronic-cash-Händlerentgelte ausgewirkt.

Die gestiegene Konkurrenzfähigkeit des ELV beruhte darauf, dass sich im Jahr 2013 herausstellte, dass das zum 1. Februar 2014 in Deutschland eingeführte SEPA-Verfahren auch mit dem ELV kompatibel sein würde. Dadurch wurde vom ELV ausgehend ein größerer Preisdruck auf das electronic-cash-System ausgeübt (so etwa auch das Bundeskartellamt, siehe BT-Drs. 18/12760, S. 85), der sich in den Verhandlungen von Händlern mit den Bankenverbänden über neue Entgelte etwa ab dem Jahresbeginn 2014 niedergeschlagen hat.

Die Parteien stimmen darin überein, dass das electronic-cash-System in einem Wettbewerb zu dem ELV steht. Abweichend beurteilen sie lediglich im Detail das Ausmaß der – zumindest funktionalen – Übereinstimmung des Leistungsumfangs der beiden Angebote und des jeweiligen Kostenansatzes. Dies ändert nichts an dem Umstand, dass – wenn auch gegebenenfalls mit Abstrichen im Einzelnen beim Leistungsumfang und in der Kostenkalkulation – der vollständige oder auch nur teilweise Wechsel eines Händlers zum ELV-System grundsätzlich möglich war. Dies zeigte nicht zuletzt der weitgehende Wechsel der Tankstellenkette BP/Aral zum ELV-System im Jahr 2009. Je nach seinen Umsätzen bei Kartenzahlungen stellt ein möglicher Wechsel zum ELV-System auch eine Drohkulisse des Händlers gegenüber den Bankenverbänden dar, die bei einem Wechsel auf das Händlerentgelt verzichten müssten.

Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu beachten, dass die anfänglich offene und mindestens seit dem Jahr 2009 diskutierte Frage über die Kompatibilität des ELV mit dem angekündigten SEPA-Verfahren die Zukunftsfähigkeit des ELV hatte fraglich erscheinen lassen (siehe Bundeskartellamt in BT-Drs. 17/6640, S. 89). Die von der Europäischen Union ursprünglich für das SEPA-System vorgesehenen Maßgaben wären mit der Funktionsweise des deutschen ELV nicht vereinbar gewesen. Diese Vorgaben der EU-Kommission umfassten anfangs weit umfangreichere Mandatierungspflichten und Wertstellungsvorschriften (Bender, SEPA-Lastschrift findet keine Freunde im Handel, etailment.de vom 1. November 2009, vorgelegt als Anlage OPP 13). Erforderlich sein sollte auch die Angabe einer Kombination aus IBAN und Namen sowie Adresse des zahlenden Karteninhabers zu dessen zwingend notwendiger Identifizierung. Dessen Namen sowie Adresse waren jedoch weder im Magnetstreifen noch im Mikrochip der Karte hinterlegt, sodass dies einer Anwendung von ELV im SEPA-Regime entgegenstand (s. Bundeskartellamt in BT-Drs. 17/13675, S. 82). Das deutsche ELV erfreute sich diesbezüglich jedoch im direkten Vergleich mit der SEPA-Lastschrift einer größeren Beliebtheit, weil es einfacher strukturiert war und außerdem Einreichung und Wertstellung binnen Tagesfrist ermöglichte, statt einer mindestens fünftägigen Prozessdauer nach dem europäisch vorgesehenen SEPA-Regime. Um die Konkurrenz durch das deutsche ELV auszuschalten und die Verbreitung des SEPA-Regimes zwecks Vereinheitlichung in allen teilnehmenden Ländern unter anderem auch in Deutschland zu erzwingen, erwog die EU-Kommission ein Enddatum für die Zulässigkeit von anfänglich noch parallel bereitgestellten nationalen Verfahren wie dem deutschen ELV festzulegen (siehe Bundeskartellamt in BT-Drs. 17/6640, S. 89; Bender, SEPA-Lastschrift findet keine Freunde im Handel, etailment.de vom 1. November 2009, vorgelegt als Anlage OPP 13).

Sukzessive wurde das anfängliche Hindernis für eine Anwendung des deutschen ELV im SEPA-Regime aber beseitigt. Mit dem zum 9. April 2013 gültigen neuen § 7c Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz ermöglichte der deutsche Gesetzgeber, dass ELV grundsätzlich auch im neuen SEPA-Regime anwendbar sein würde. In dem vom Europäischen Zahlungsverkehrsrat EPC erstellten verfahrenstechnischen Regelwerk für das SEPA-Basis-Lastschriftverfahren wurde im zweiten Halbjahr 2013 sodann die Möglichkeit eingeräumt, für die im SEPA-Regime zwingend notwendige Identifizierung des Zahlers eine kartenbasiert-generierte Mandatsnummer ausreichen zu lassen anstatt der zunächst erforderlichen Kombination aus IBAN und dem im Magnetstreifen oder im Mikrochip der Karte hinterlegten Namen des zahlenden Karteninhabers. Zum 9. Mai 2014 erfolgte schließlich die technische Umsetzung der Vorgaben der SEPA-Verordnung und des Regelwerks des EPC für ELV im Rahmen der EuroELV-Spezifikationen des ELV-Forums. Indem dadurch der Fortbestand des ELV im SEPA-Regime abgesichert war – was dessen Attraktivität gegenüber dem electronic-cash-Verfahren erhöhte –, erstarkte das Potenzial der Drohung mit einem Wechsel zum ELV für die Händler im Laufe des Jahres 2013 deutlich und hat sich nach Überzeugung der Kammer bei lebensnaher Betrachtung spätestens zum Beginn des Jahres 2014 in Verhandlungen über Händlerentgelte in erheblichem Maße ausgewirkt.

(2.) Zudem hat nach Überzeugung der Kammer das absehbare Inkrafttreten der MIF-VO gemäß deren Art. 18 Abs. 2 zum Dezember 2015 und deren spätestens im Laufe des Jahres 2014 im europäischen Normsetzungsprozess in den Bereich des Möglichen gerückte Erstreckung auf die electronic-cash-Händlerentgelte auf die individuellen Vereinbarungen der Händlerentgelte für den Nachkartellzeitraum preisdämpfend gewirkt.

Bereits im April 2014 wurde im Europaparlament darüber diskutiert, ob die MIF-VO auf das deutsche electronic-cash-System erstreckt werden sollte (Abänderungen 21 des Europäischen Parlaments aus der ersten Lesung zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, 3. April 2014). Spätestens ab diesem Zeitpunkt war den Marktteilnehmern sowohl auf Händler- als auch Emittentenseite bewusst, dass eine zumindest nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, dass die 0,2 %-Grenze für Entgelte auf Umsätze mit der girocard eingeführt werden würde, und dass diese Wahrscheinlichkeit im weiteren Verlauf des Normsetzungsprozesses auf europäischer und dann deutscher Ebene größer wurde.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bankenverbände bis kurz vor der Anwendungserstreckung auf das electronic-cash-System durch das Bundesfinanzministerium dies durch Stellungnahmen im politischen Prozess versuchten zu verhindern. Die Äußerungen der Bankenseite noch im Rahmen der Verbändeanhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages im Sommer des Jahres 2015, in dem sie sich vehement gegen eine Anwendung der 0,2 %-Grenze auf das electronic-cash-System ausspricht (vgl. das Wortprotokoll der 51. Sitzung der 18. Wahlperiode des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zur Öffentlichen Anhörung vom 7. September 2015 nebst Anlagen, Protokoll-Nr. 18/51), wie auch die in diesem Rahmen geführte fachliche Debatte insgesamt belegen nur zusätzlich, dass eine solche durchaus mögliche Erstreckung weiterhin diskutiert wurde.

(3.) Ohne Einfluss auf die ausgehandelten Preise des unmittelbaren Nachkartellzeitraums ist demgegenüber ein angeblich einseitig auf die Bankenverbände bzw. ihre Mitgliedsinstitute wirkender Verhandlungsdruck geblieben, der von Seiten des Bundeskartellamtes erzeugt worden sei.

Ein eventueller Zeitdruck ist von Seiten der Bankenverbände selbst verursacht worden, da die Vorgabe einer Neuverhandlung aller Entgelte bis zum 1. November 2014 auf ihren eigenen Vorschlag aus dem März 2014 zurückging, wie sich aus dem Tenor der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 ergibt. Es handelte sich folglich jedenfalls nicht im engeren Sinne um eine extern vorgegebene Frist.

Zudem wirkte sich dieser Zeitdruck auf beide Seiten, also Bankenverbände und Händler, gleichermaßen aus. Denn ohne die Bankenverbände als Marktgegenseite hätten die Händler keinen Geschäftspartner für Zahlungsabwicklungen über das electronic-cash-System gehabt. Zudem musste auch den Händlern daran gelegen sein, das electronic-cash-System mit seiner speziellen Absicherung vor Zahlungsausfällen nahtlos fortführen zu können und nicht allein auf das ELV angewiesen zu sein. Denn dass es sich bei dem ELV aus Händlersicht nicht um ein vollständig gleichwertiges Substitut zum electronic-cash-System handelte, folgt aus dessen fortgesetzter Inanspruchnahme über Jahre hinweg durch den Handel trotz des beachtlichen Preisunterschieds. Einen etwa einseitigen und gar erheblichen Druck auf die Emittentenseite für Zugeständnisse gegenüber der Händlerseite kann die Kammer dem nicht entnehmen.

(4.) Nach Überzeugung der Kammer wird den beiden relevanten Faktoren – der Fortführbarkeit des ELV im SEPA-Regime und der Vorwirkung der MIF-VO – angemessen Rechnung getragen, wenn das von einem Händler im Nachkartellzeitraum gezahlte effektive Händlerentgelt um jeweils 5 %, also insgesamt um 10 % höher angesetzt wird.

Das als „nachher“-Wert in die Differenzbetrachtung einzustellende effektive Händlerentgelt ist somit um zweimal 5 % zu erhöhen, ein eventuell zu beobachtendes Absinken des effektiven Händlerentgelts an der Schwelle zur kartellfreien Zeit am 1. November 2014 reduziert sich entsprechend in der Höhe.

(a) Die Kammer schätzt gemäß § 287 ZPO die Auswirkung der beiden genannten Faktoren auf die Höhe der effektiven Händlerentgelte in der Nachkartellphase auf jeweils 5 %, um damit zwei gegenläufigen Gesichtspunkten der Schadensbemessung gerecht zu werden, die miteinander in Einklang zu bringen sind:

Zum einen verlangt die Überzeugung der Kammer, dass sich die Fortführbarkeit des ELV und die Vorwirkung der MIF-VO preisdämpfend ausgewirkt haben, beiden Faktoren zumindest ein so großes Gewicht zuzuschreiben, dass ihre Wirkung spürbar oberhalb üblicherweise zu beobachtender Schwankungen des effektiven Händlerentgelts liegt.

Zum anderen misst – wie oben bereits ausgeführt – der Bundesgerichtshof dem Vorliegen eines Preiskartells eine große Indizwirkung für eine Überhöhung der Preise bei, und damit auch für einen Schaden bei dem Abnehmer der Produkte dieses Kartells (jüngst bestätigt in BGH, Urteil vom 29. November 2022 – KZR 42/20 – Schlecker, Rn. 44, juris). Je höher die Bedeutung ist, die der Fortführbarkeit des ELV und der Vorwirkung der MIF-VO beigemessen wird, desto mehr reduziert sich zwangsläufig der in einem „während-nachher“-Vergleich zu beobachtende Unterschied der effektiven Händlerentgelte, der der Ermittlung eines möglichen Schadens dient. Soll die Feststellung eines Schadens nicht von vornherein unmöglich gemacht werden, so ist bei der Schätzung der Höhe eines die „nachher“-Preisbildung beeinflussenden Faktors Zurückhaltung geboten. Dies begrenzt die grundsätzlich freie Schätzung der Kammer nach oben hin.

(b) Diese so bezifferten Werte von zweimal 5 % erscheinen auch nicht unplausibel. Denn für die Feststellung eines Schadens bleibt weiterhin ausreichend Raum.

Das Bundeskartellamt hat nämlich zum Abschluss eines Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung der Umsetzung der in der girocard-Entscheidung vom 8. April 2014 für verbindlich erklärten Zusagen der Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft festgestellt, dass die zum 1. November 2014 verhandelten Entgelte ein gegenüber den bisherigen einheitlichen Entgelten deutlich reduziertes Preisniveau erkennen ließen, teilweise um bis zu 40 % (Bundeskartellamt, Fallbericht vom 30. März 2015 zum Aktenzeichen B4-94/14, S. 2 f.).

In Anbetracht dessen lässt eine Korrektur der in der Nachkartellphase wirksamen preisdämpfenden Faktoren mittels eines Aufschlags auf das effektive Händlerentgelt der Nachkartellphase in Höhe von insgesamt 10 % genügend Raum zur Feststellung eines Schadens, weil zu erwarten ist, dass der von der Kammer zu untersuchende prozentuale Unterschied zwischen dem effektiven Händlerentgelt der letzten Kartellphase und der unmittelbaren Nachkartellphase diesen Wert in vielen Fällen überschreiten wird.

Damit ist gewährleistet, dass der starken Indizwirkung, die von der sehr langen Dauer des Preiskartells von 24 Jahren ausgeht und für das Entstehen eines Schadens spricht, ebenso hinreichend Rechnung getragen wird wie der im Ausgangspunkt europarechtlichen Determinierung der Ermittlung der haftungsausfüllenden Kausalität und der damit gebotenen Wahrung des Effektivitätsprinzips.

ddd) Kann nach dem oben Ausgeführten auch noch nach Erhöhung des „nachher“-Wertes des effektiven Händlerentgelts um einen 10 %-Aufschlag ein Abstand, nämlich ein niedrigerer „nachher“- als „während“-Wert beobachtet werden, steht nach der Betrachtungsweise der Kammer fest, dass der betroffene Händler aufgrund des girocard-Kartells einen Schaden erlitten hat.

eee) Die Höhe der Differenz benutzt die Kammer zur Schätzung der Höhe des Schadens.

Steht fest, dass einem betroffenen Händler ein Schaden entstanden ist, schätzt die Kammer die Höhe des Schadens in der gesamten in Betracht kommenden Zeit unter Heranziehung der ermittelten Differenz zwischen dem von dem betroffenen Händler am Ende des Kartellzeitraums gezahlten effektiven Händlerentgelts und dem im Nachkartellzeitraum gezahlten, um den Aufschlag von 10 % erhöhten effektiven Händlerentgelt.

Dies gilt auch, soweit das effektive Händlerentgelt vor dem von der Kammer betrachteten „während“-Zeitraum noch höher – oder auch niedriger – gelegen und sich also in der Kartellphase bei ansonsten gleichbleibenden Kartellbedingungen im Laufe der Zeit verändert haben sollte. Denn in einem solchen Fall muss die Kammer mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass diese Veränderungen auf Faktoren zurückzuführen sind, die unabhängig von der Kartellabrede wirkten und sich also auch dann in der Höhe des effektiven Händlerentgelts niedergeschlagen hätten, wenn es das Kartell der Bankenverbände nicht gegeben hätte. Derartige Schwankungen, die sich etwa aus dem sonstigen Marktverhalten der Parteien oder auch fernerliegenden Faktoren wie allgemeinen Preisschwankungen und dem saisonalen Einkaufsverhalten ergeben können, können indes nicht zur Schadensbemessung herangezogen werden.

ff) Im konkreten Fall kann die Kammer die Höhe eines der Klägerin möglicherweise entstandenen Schadens nicht schätzen und ihr keinen Schadensersatzanspruch zuerkennen.

Denn die Höhe des tatsächlich von der Klägerin gezahlten Händlerentgelts im Kartellzeitraum vor dem Ende des Kartells und im Nachkartellzeitraum und damit auch der Umfang einer etwaigen Absenkung des effektiven Händlerentgelts sind nicht ermittelbar, da die Klägerin nicht glaubhaft zur zeitlichen Zuordnung der erheblichen Rückvergütungen vorgetragen hat, welche sie in den Jahren 2013 bis 2015 erhalten hat.

aaa) Zwar hat die Klägerin grundsätzlich ausreichende Informationen und Belege zur Verfügung gestellt, die es dem Gericht ermöglichen würden, auf der Grundlage der oben unter ee) dargestellten Methode eine Schadensschätzung durchzuführen.

Insbesondere hat die Klägerin in den Anlagen K 7 und K 7a die an sie gerichteten Rechnungen vorgelegt, aus denen sich für die Jahre 2005 bis einschließlich 2015 ergibt, in welcher Höhe bei der Klägerin variable und fixe electronic-cash-Händlerentgelte anfielen und auf welche Umsätze sie sich jeweils bezogen (in den Rechnungen die Positionen „Fremdgebühren der Kreditwirtschaft electronic cash (< 25,57 EUR)“ und „Fremdgebühren der Kreditwirtschaft electronic cash (>= 25,57 EUR)“ bzw. „ec-Autorisierungsentgelt fix (Transaktionsbezogen) Euro“ und „ec-Autorisierungsentgelt variabel (Umsatzbezogen) Euro“).

Aus den Rechnungen ist auch jeweils der Tarif ersichtlich, nämlich für die Zeit bis Oktober 2014 ein fixer Satz von 0,08 € einerseits und ein variabler Satz von 0,3 % des Transaktionsvolumens andererseits, für die Zeit von November 2014 bis einschließlich November 2015 ein fixer Satz von 0,0665 € einerseits und ein variabler Satz von 0,26 % des Transaktionsvolumens, und für Dezember 2015 ein Satz von 0,17 % des Transaktionsvolumens.

Schließlich ist aus separaten, als „Gutschriften“ bezeichneten Dokumenten ersichtlich, dass und in welcher Höhe die Klägerin in der Zeit von März 2013 bis November 2015 Rückvergütungen bzw. Gutschriften erhalten hat (Positionen „Anpassung all-in ec cash minimum 0,08 EUR“ und „Anpassung all-in ec cash 0,30 %“).

Es wäre daher dem Gericht grundsätzlich möglich, anhand eines Vergleichs des effektiven Händlerentgelts während des Kartellzeitraums mit dem effektiven Händlerentgelt des Nachkartellzeitraums einen Schaden zu ermitteln.

bbb) Die Kammer kann jedoch letztlich nicht feststellen, ob sich das effektive Händlerentgelt der Klägerin am Ende des Kartells – oder zu einem anderen Zeitpunkt – signifikant verringert hat. Denn sie kennt das von der Klägerin vor und nach dem Kartellende tatsächlich gezahlte Händlerentgelt nicht, da die Klägerin auch auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft vorgetragen hat, wie die ihr gewährten Gutschriften den gezahlten Händlerentgelten zuzuordnen sind.

(1.) Das tatsächlich in einem Monat von der Klägerin gezahlte Händlerentgelt wird bestimmt durch die Vergütung, die die Klägerin für diesen Monat entrichtet hat, abzüglich einer Gutschrift, die die Klägerin für diesen Monat erhalten hat.

(2.) Mangels glaubhaften Vortrags der Klägerin zur Zuordnung der ihr erteilten Gutschriften ist die Höhe des von ihr gezahlten Entgelts vor und nach dem Ende des Kartells für die Kammer nicht ermittelbar.

(a) Aus den von der Klägerin vorgelegten Dokumenten ist nicht erkennbar, nach welcher Regelung oder Systematik die Gutschriften gewährt wurden. Die Klägerin hat auch trotz der Hinweise des Beklagten zu 2) hierauf schriftsätzlich nichts zur Systematik der Gutschriften vorgetragen. Auch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten machen dazu keine Angaben.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts schließlich erklärt, dass die Rückvergütungen sich jeweils auf den konkreten Abrechnungsmonat bezogen hätten, für den auch das Entgelt erhoben worden sei.

(b) Diese Behauptung kann nach der Überzeugung der Kammer aus den im Folgenden ausgeführten Gründen nicht zutreffen:

Die Klägerin hat ab April 2014 in größerem Umfang als zuvor Gutschriften erhalten. Das ist aus den als Anlagen K 7 und K 7a vorgelegten Rechnungen und Gutschriften ersichtlich. Es dürfte der Grund dafür sein, dass die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und über März 2014 hinaus keine Ansprüche mehr geltend gemacht hat, nachdem sie zuvor für einen Zeitraum bis einschließlich November 2015 Schadensersatz begehrt hatte.

Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, wie es die Klägerin gemäß ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung und ihre Gutachter implizit tun, dass die in der Zeit ab April 2014 der Klägerin gewährten Gutschriften sich nur auf Händlerentgelte bezogen, die die Klägerin in derselben Zeit ab April 2014 schuldete. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die in der Zeit ab April 2014 erteilten Gutschriften auch auf Händlerentgelte bezogen, die bereits vor diesem Zeitpunkt von der Klägerin geleistet worden waren. Denn bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der Gutschriften in der Zeit von April 2014 bis Oktober 2014 ein effektives Händlerentgelt von 0,14 % und im Zeitraum von November 2014 bis einschließlich November 2015 aggregiert sogar ein geringfügig negatives Entgelt, also ein effektives Händlerentgelt von 0,00 % leistete. Das hat die Kammer aus den Angaben über die Entgelte und Umsätze in den von der Klägerin als Anlage K 7a vorgelegten Rechnungen und Gutschriften berechnet.

Diese Werte können ersichtlich nicht einem zwischen der Klägerin und den girocard-Emittenten vereinbarten Händlerentgelt entsprechen. Es ist gänzlich unplausibel, dass die Banken die electronic-cash-Dienstleistungen der Klägerin im Zeitraum von November 2014 bis einschließlich November 2015 unentgeltlich angeboten hätten, zumal für diesen Fall das Abrechnungssystem von jeweils mehreren Rechnungen und Gutschriften pro Monat äußerst umständlich wäre. Darüber hinaus trägt die Klägerin auch nicht vor, dass sie im Nachkartellzeitraum einen Tarif von 0,00 % verhandelt hätte.

Daraus schließt die Kammer, dass die Gutschriften, die sich bei der Klägerin im Zeitraum ab April 2014, insbesondere ab Dezember 2014 häuften, sich auch oder sogar vollständig auf in früheren Zeiträumen von der Klägerin entrichtete Händlerentgelte bezogen. Dafür spricht nebenbei auch, dass die Gutschriften in den Abrechnungen auch in der Zeit ab November 2014 noch als „Anpassung all-in ec cash minimum 0,08 EUR“ und „Anpassung all-in ec cash 0,30 %“ bezeichnet wurden, obwohl der Klägerin in dieser Zeit Entgelte nach einem Tarif von 0,0665 € einerseits und 0,26 % des Transaktionsvolumens andererseits berechnet wurden.

(c) Die Kammer kann daher im Ergebnis aufgrund des nicht glaubhaften Vortrags der Klägerin zur Höhe der von ihr gezahlten Entgelte einen Schaden nicht schätzen.

Das gilt nicht allein für die von der Kammer bevorzugte Methode der Schadensschätzung, sondern für alle denkbaren Arten einschließlich der von der Klägerin selbst angewandten Simulationsmethode. Denn ohne Kenntnis des tatsächlich gezahlten Händlerentgelts fehlt es an dem unverzichtbaren Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Schadens.

gg) Es kommt deshalb gar nicht mehr darauf an, dass die Schadensschätzung, die die Klägerin unter Zuhilfenahme von wettbewerbsökonomischen Gutachten präsentiert hat, nicht plausibel ist und nicht zur Bestimmung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin herangezogen werden kann.

hh) Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur weiteren Tatsachenfeststellung ist nicht erforderlich, die Kammer sieht davon ab. Die Parteien haben umfangreiche Privatgutachten vorgelegt. Die Kammer verspricht sich von der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens keine weitergehenden Erkenntnisse.

e) Etwaige der Klägerin zustehende Schadensersatzansprüche wären außerdem, soweit sie auf im Zeitraum bis einschließlich Dezember 2009 durchgeführte Transaktionen gestützt werden, auch unter Berücksichtigung einer Hemmung durch kartellrechtliche Verwaltungsverfahren gemäß § 33 Abs. 5 GWB 2005 verjährt, so dass sich die Beklagten insoweit auch erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen können.

aa) Folgende Verjährungsregeln sind anzuwenden:

aaa) Vor Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle im Juni 2017 waren für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche mangels des Bestehens spezialrechtlicher Regelungen die allgemeinen Verjährungsregeln anwendbar (Makatsch/Mir, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 33h GWB Rn. 1).

Für die ab dem 1. Januar 2002 – also nach Geltung der Schuldrechtsreform – entstandenen Schadensansprüche galt daher zunächst die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, die gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres zu laufen begann, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

bbb) Mit der 9. GWB-Novelle wurde dann mit § 33h GWB ein neues Verjährungsregime speziell für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche eingeführt. Danach gilt nun eine kenntnisabhängige fünfjährige Verjährungsfrist (§ 33h Abs. 1 GWB), die mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 33h Abs. 2 Nr. 1 GWB), der Anspruchsberechtigte von den Umständen, die den Anspruch begründen sowie davon, dass sich daraus ein Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB ergibt, und von der Identität des Rechtsverletzers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 33h Abs. 2 Nr. 2 lit. a und b GWB) und der den Anspruch begründende Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB beendet worden ist (§ 33h Abs. 2 Nr. 3 GWB). Daneben gilt eine kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist (§ 33h Abs. 3 GWB) sowie eine kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungshöchstfrist.

ccc) Die intertemporale Anwendbarkeit der Verjährungsregelungen ergibt sich aus § 187 Abs. 3 GWB (entspricht § 186 Abs. 3 GWB 2017).

Danach gilt § 33h GWB für Ansprüche, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind, und für Altansprüche, d.h. für solche, die vor dem 27. Dezember 2016 entstanden sind, falls diese am Tag des Inkrafttretens der 9. GWB-Novelle am 9. Juni 2017 noch nicht verjährt waren, wobei bis zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich des Beginns, der Hemmung, der Ablaufhemmung und des Neubeginns der Verjährungsfrist die Altregelungen gelten (Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 5).

bb) Die Verjährungsfrist für die auf die Zahlung kartellbedingt überhöhten Entgelts gestützten Schadensersatzansprüche, die im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 26. Dezember 2016 entstanden sind, hat jeweils mit dem Schluss des Jahres begonnen, in dem die schadensauslösende Transaktion durchgeführt worden ist.

Die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen (Anspruchsentstehung, Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners) lagen zu diesem Zeitpunkt vor. Ferner ist die Erhebung einer Klage zumutbar gewesen. Schließlich erfordert der europarechtliche Grundsatz der Effektivität keine abweichende Beurteilung.

aaa) Die von der Klägerin auf die Zahlung des kartellbedingt überhöhten Händlerentgelts gestützten Schadensersatzansprüche sind mit der Durchführung der jeweiligen Transaktion entstanden, für die das Händlerentgelt geschuldet wurde.

(1.) Ein Anspruch ist entstanden, wenn er erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (BGH, Urteil vom 17. Februar 1971 – VIII ZR 4/70 –, Rn. 5, juris). Schadensersatzansprüche entstehen somit mit der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands und dem Eintritt eines Schadens (Ollerdißen, in: LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 14; Grothe, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2021, § 199 BGB Rn. 9).

Ein Vermögenschaden – um den es vorliegend geht – entsteht, sobald sich die Vermögenslage des Betroffenen objektiv verschlechtert hat. Dazu reicht es aus, dass die Verschlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht bezifferbar sein. Denn trotz fehlender Bezifferbarkeit kann der Schaden dann bereits im Wege einer Feststellungs- oder Stufenklage gerichtlich geltend gemacht werden. Die bloße Vermögensgefährdung reicht dagegen für die Schadensentstehung nicht aus, solange bei wertender Betrachtungsweise noch offen ist, ob sich das Risiko des Schadenseintritts tatsächlich verwirklichen wird (Ollerdißen, in: LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 15).

Im Falle eines Kartells wird zumeist angenommen, dass der Schaden mit dem Abschluss eines Vertrages zu kartellbedingt verzerrten Konditionen entsteht (Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 6; Petrasincu/Richter, WuW 2018, 374 [375]; Hoch/Lesinska-Adamson/Weiss, WuW 2018, 504 [506]). Entscheidend dabei ist, dass es dann nicht mehr allein in der Hand des Geschädigten liegt, sich von der Verpflichtung zur Zahlung des kartellbedingt überhöhten Entgelts zu lösen (vgl. Klöppner/Schmidt, NZKart 2018, 449 [452]).

Nach der Rechtsprechung des BGH bestimmt sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren (BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 200/15 – Rn. 15, juris). Dies gilt für die Fälle einer Weiterentwicklung bereits eingetretener Schadensfolgen, nicht aber für die Konstellation wiederholter gleichartiger Transaktionen, etwa von Beschaffungsvorgängen innerhalb einer stehenden Geschäftsbeziehung, auch wenn deren Konditionen jeweils durch die gleiche Kartellrechtsverletzung verzerrt sind. Hier entsteht eine neue Schädigung und damit ein neuer Schadensersatzanspruch mit jedem neu geschlossenen Vertrag (Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. November 2007 – V ZR 25/07 – Rn. 16, juris).

(2.) Im vorliegenden Fall entsteht durch jede einzelne Transaktion ein eigener Schadensersatzanspruch, der seiner eigenen Verjährung unterliegt.

(a) Die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts entsteht nämlich nicht bereits mit dem verbindlichen Anschluss an das electronic-cash-System, z.B. durch das Akzeptieren der Händlerbedingungen, sondern erst mit der Durchführung der einzelnen Transaktion. Erst diese begründet die Verpflichtung zur Zahlung des in den Händlerbedingungen bestimmten Händlerentgelts. Bis zur Durchführung einer Transaktion ist es bei wertender Betrachtung noch offen, ob sich das Risiko des Schadenseintritts in Form der Verpflichtung zur Zahlung eines kartellbedingt überhöhten Entgelts tatsächlich verwirklichen wird. Bis dahin hat es der am electronic-cash-System teilnehmende Händler noch allein in der Hand, die Entstehung einer Zahlungsverpflichtung abzuwenden, indem er das System schlicht nicht nutzt.

(b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass alle Schadensersatzansprüche bereits mit der ersten durchgeführten electronic-cash-Transaktion entstanden sind. Diese Auffassung stützen die Beklagten auf den oben genannten Grundsatz der Schadenseinheit. Der hier interessierende Sachverhalt unterfällt jedoch nicht diesem Grundsatz.

Der vorliegende Fall ist nicht durch ein einheitliches Verhalten im Sinne einer abgeschlossenen Verletzungshandlung, wie etwa einer Körperverletzung, aus der sich neben einer unmittelbaren Verletzung sukzessive und aufeinander aufbauend weitere Schadensfolgen entwickeln, charakterisiert. Vielmehr ist dem Händler mit jeder Transaktion in gleicher Weise wiederkehrend ein neuer Schaden entstanden. Der durch eine spätere Transaktion entstandene Schaden ist keine Weiterentwicklung des durch eine vorherige Transaktion entstandenen Schadens. Da der Schaden in der Verpflichtung zur Zahlung des kartellbedingt überhöhten Preises liegt, ist für dessen Entstehung allein die konkrete Transaktion ursächlich, nicht jedoch eine vorhergegangene oder gar schon die erste durchgeführte Transaktion.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Besonderheit des vorliegenden Falles, dass die Beklagten zwar die kartellrechtswidrige Vereinbarung über das electronic-cash-Händlerentgelt getroffen, nicht aber die einzelnen Entgeltabrechnungen vorgenommen haben, die letztlich zu den Schäden geführt haben. Denn diese Rollenaufspaltung ist rein zufällig und unter dem Gesichtspunkt des Verjährungsrechts daher unbeachtlich.

(c) Ebenso wenig handelt es sich – wie die Klägerseite meint – bei der Abrechnung und Einziehung der electronic-cash-Händlerentgelte nach dem einheitlichen Entgeltsatz um eine andauernde, ununterbrochene Zuwiderhandlung, bei der die Verjährung erst mit Beendigung des letzten Teilakts dieser Dauerhandlung beginnen würde.

Bei Schadensersatzansprüchen, die auf Kartellrechtsverstöße gestützt werden, knüpft die Anspruchsentstehung nicht einheitlich an die Kartellabsprache und deren Fortdauer an, sondern an die auf der Kartellabsprache beruhenden einzelnen schadenverursachenden Verhaltensweisen, z.B. in Form von Vertragsschlüssen mit Kunden zu einem kartellbedingt überhöhten Preis (Ollerdißen, in: LMRKM, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 17). Nach der Rechtsprechung des BGH bewirkt der Umstand, dass die wiederholten schadensstiftenden Handlungen möglicherweise Ausfluss eines einheitlichen Entschlusses sind, nicht, dass die Verjährung erst mit der letzten unerlaubten Handlung für alle beginnt. Denn strafrechtliche Begriffe, wie der der natürlichen Handlungseinheit oder der fortgesetzten Handlung, sind für die Verjährung deliktischer Ansprüche nicht maßgebend (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2006 – III ZR 144/05 –, Rn. 37, juris). Entsprechendes hat hier in Bezug auf die einzelnen Transaktionen zu gelten, die auf der Grundlage der Kartellabsprache zur Begründung stets neuer Zahlungsverpflichtungen geführt haben.

Für die Annahme eines bis zur Beendigung des Kartells hinausgeschobenen Verjährungsbeginns spricht auch nicht § 33h Abs. 2 Nr. 3 GWB 2017. Dort ist zwar als zusätzliche Voraussetzung für den Verjährungsbeginn die Beendigung des Kartellrechtsverstoßes normiert worden. Diese Voraussetzung tritt neben die bereits zuvor für die Verjährung erforderlichen Voraussetzungen, die Anspruchsentstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen. Diese Regelung spricht aber gleichsam als argumentum e contrario dafür, dass das bisherige Recht eine solche Verschiebung des Verjährungsbeginns gerade nicht kannte (Schuler/Stübinger, in: Stancke/Weidenbach/Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, 2. Aufl. 2021, Kapitel K Rn. 12).

bbb) Die Klägerin hatte bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruchs Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.

(1.) Erforderlich für den Beginn der Verjährung ist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB die Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) der den Anspruch begründenden Umstände.

Der Gläubiger muss also die Tatsachen kennen, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen. Dazu gehört bei Schadensersatzansprüchen die Pflichtverletzung oder die gleichstehende Handlung, der Eintritt eines Schadens und die Kenntnis von der eigenen Schadensbetroffenheit (Ellenberger, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2021, § 199 BGB Rn. 27 f.).

Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der Gläubiger Kenntnis aller Einzelumstände hat, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben. Es genügt, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage – zumindest eine Feststellungsklage – erheben kann (Ellenberger, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2021, § 199 BGB Rn. 28).

(2.) Im vorliegenden Fall lag die erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen bereits vor, als sich die Klägerin dazu entschlossen hat, an dem electronic-cash-System teilzunehmen und die Händlerbedingungen zu akzeptieren.

In der Zusammenschau aller Umstände gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass ein Unternehmen, das sich mit dem Gedanken befasst hat, ob es am electronic-cash-System teilnehmen will, und diesen Entschluss schließlich umgesetzt hat, indem es die Händlerbedingungen akzeptierte, die erforderliche Kenntnis, die zur Erhebung zumindest einer Feststellungklage notwendig ist, spätestens ab diesem Zeitpunkt besaß.

(a) Von dem Zeitpunkt an, in welchem ein Unternehmen die Händlerbedingungen akzeptierte, wusste es, dass das von ihm für jede Transaktion im electronic-cash-System geschuldete Händlerentgelt auf einer Verabredung beruhte, welche typischerweise den Wettbewerb beeinträchtigt.

Das am electronic-cash-System teilnehmende Unternehmen war nämlich gegenüber jedem Kreditinstitut, das girocards ausgab, verpflichtet, dasselbe Händlerentgelt zu bezahlen. Dieses einheitliche Händlerentgelt konnte nicht anders als durch eine gemeinsame Festlegung auf Seiten der Anbieter gebildet worden sein.

Zudem konnte sogar der öffentlichen Berichterstattung entnommen werden, dass es sich bei dem Händlerentgelt um verabredete Preise handelte, wie die hier nur beispielhaft angeführte Pressemitteilung Nr. 11/1992 des HDE vom 14. Juli 1992 verdeutlicht, in der es auszugsweise heißt: „Bei den Bankpreisen für electronic cash hat die Kreditwirtschaft starr an ihren bisherigen Vorstellungen festgehalten.“ Es ist lebensnah betrachtet nicht anders vorstellbar, als dass die hier mitgeteilten Tatsachen in den Branchen, die sich mit ihrer Teilnahme am electronic-cash-System beschäftigt haben, zur Kenntnis genommen worden sind.

Insbesondere bei Unternehmen einer gewissen Größe, bei denen in nicht unerheblichem Umfang Transaktionen per electronic cash durchgeführt werden sollten und entsprechend hohe Kosten anfallen würden, muss angenommen werden, dass sich die verantwortlichen Entscheider vor dem Entschluss, am electronic-cash-System teilzunehmen, intensiv damit beschäftigt haben, zu welchen Konditionen und Preisen eine solche Teilnahme erfolgen kann. Zu diesem Zweck werden auch entsprechende Informationen eingeholt worden sein. Dabei kann nach Überzeugung der Kammer die Tatsache, dass es sich um seitens der Deutschen Kreditwirtschaft vereinbarte einheitliche Entgelte handelte, die grundsätzlich keiner Verhandlung zugänglich waren, nicht übersehen worden sein.

Dass Preisvereinbarungen unter Wettbewerbern geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, ist so offensichtlich, dass es nach Überzeugung der Kammer jedem Unternehmen bekannt ist.

(b) Darüber hinaus wusste ein am electronic-cash-System teilnehmendes Unternehmen, dass es von der Verabredung der Preise betroffen ist und ihm dadurch ein Schaden entsteht.

Denn der ökonomische Erfahrungssatz, dass Preiskartelle zu höheren Produktpreisen führen und infolgedessen ein entsprechender Schaden auf Seiten der Abnehmer entsteht, die Produkte zu kartellierten Preisen kaufen, ist jedenfalls im Kreis von unternehmerisch am Wirtschaftsleben teilnehmenden Personen als allgemein bekannt vorauszusetzen.

Dementsprechend ist auch im Schreiben des HDE vom 22. Juli 1992 an seine Hauptgeschäftsführer der Landesverbände, Regionalverbände und Bundesfachverbände darauf hingewiesen worden, dass durch Verhandlungen versucht werden müsse, geringere Preise zu erreichen, wie folgende Passage zeigt: „(…) Entgegen manchen Erwartungen hat der ZKA an den Bankpreisen von 0,3 % vom Umsatz, mindestens 0,15 DM pro Transaktion, starr festgehalten. Hier wie bei allen Kosten sind jedoch Verhandlungen mit der einzelnen Bank oder Sparkasse angezeigt, die rechtlich durchaus befugt sind, auch hierüber Vereinbarungen abzuschließen.“ Dieses Schreiben illustriert beispielhaft, dass die Problematik höherer Kosten aufgrund der einseitig verabredeten Höhe der Händlerentgelte in Wirtschaftskreisen bekannt gewesen und diskutiert worden ist.

ccc) Die Klägerin hatte bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruchs Kenntnis von der Person des Schuldners.

(1.) Der Beginn der Verjährung setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB die Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) von der Person des Schuldners voraus.

Über die Kenntnis des Namens und der Anschrift des Schuldners hinausgehend ist bei Schadensersatzansprüchen erforderlich, dass die Verantwortlichkeit soweit geklärt ist, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage gegen den Schuldner erheben kann (Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 199 BGB Rn. 35 f.).

(2.) Den am electronic-cash-System teilnehmenden Unternehmen sind die ersatzpflichtigen Personen bekannt gewesen.

Über die bereits oben erwähnten Dokumente hinaus, die auf die Deutsche Kreditwirtschaft und den ZKA hingewiesen haben, ist zum Beispiel im Bundesanzeiger Nr. 31 Seite 770 vom 14. Februar 1990 auszugsweise Folgendes veröffentlicht worden:

„Der Zentrale Kreditausschuss hat (…) am 25. Januar 1990 nach § 102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beim Bundeskartellamt für die Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft und die XXXXXXXXXXXXXXXX

- eine Vereinbarung (zwischen den Kreditinstituten) über ein (…) (electronic-cash-System)

- einen (…) („Netzbetreibervertrag“) sowie

- Bedingungen für die Teilnahme am electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft („Händlervertrag“)

angemeldet. (…)“

Die Kammer geht davon aus, dass an dem hier erwähnten Anmeldeverfahren beim Bundeskartellamt nach § 102 GWB 1990 bereits die zukünftigen Akzeptanten, zumindest auf der Ebene ihrer Branchenverbände, beteiligt gewesen sind. Denn belegt ist, dass der „Einzelhandel“ einzelne Kritikpunkte vorgebracht hat (siehe Bundeskartellamt in BT-Drs. 12/847, S. 115) und dass die „Interessenvertretungen der Tankstellenpächter“ eine Klausel angegriffen haben (vgl. Harbeke, WM Sonderbeilage Nr. 1/1994, S. 7). Zudem begleiteten „Handel“ und „Mineralölwirtschaft“ auch bereits das Vorgängerkonzept von electronic cash kritisch, welches von den kreditwirtschaftlichen Verbänden 1989 gemäß § 102 GWB 1990 beim Bundeskartellamt angemeldet worden war (vgl. Harbeke, WM Sonderbeilage Nr. 1/1994, S. 4). Dies lässt darauf schließen, dass die zukünftigen Akzeptanten bereits früh in die Etablierung des electronic-cash-Systems eingebunden gewesen sind und über dementsprechende Kenntnisse verfügten.

Ferner war die „Vereinbarung über ein institutsübergreifendes System zur bargeldlosen Zahlung an automatisierten Kassen (electronic cash)“ in der jeweils geltenden Fassung in der einschlägigen Rechtsliteratur abgedruckt und somit öffentlich zugänglich. Entsprechende Abdrucke befinden sich beispielweise in dem Bankrechts-Handbuch von Schimansky, Bunte, Lwowski sowohl in der ersten Auflage von 1997 als auch in den folgenden Auflagen von 2001, 2007 und 2011 sowie in dem Buch „Zahlungsverkehr – Handbuch zum Recht der Überweisung, Lastschrift, Kreditkarte und der elektronischen Zahlungsformen“ von Langenbucher, Gößmann und Werner aus dem Jahr 2004. Hieraus ist ersichtlich, dass die Beklagten Parteien der Vereinbarung sind, mit welcher das einheitliche Händlerentgelt vereinbart worden ist.

Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass die Parteien der hier in Rede stehenden Preisvereinbarung nicht nur – wie soeben beispielhaft gezeigt – allgemein zugänglichen Publikationen entnommen werden konnten, sondern dass unter den Unternehmen, die sich am electronic-cash-System beteiligten, allgemein bekannt gewesen ist, wer diese Preisvereinbarung getroffen hatte. Dies ergibt sich bei lebensnaher Betrachtung insbesondere unter Berücksichtigung der bereits dargestellten Überlegungen und Ermittlungen, die ein Unternehmen typischerweise anstellen wird, bevor es eine Entscheidung über die Teilnahme am electronic-cash-System fällt. Es ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen in diesem Zusammenhang auch Kenntnis von den Beteiligten der Preisvereinbarung erlangt, wenn deren Identität so offen gehandelt wird, dass sie in einer Vielzahl von Publikationen genannt werden.

ddd) Auf die Kenntnis bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen einer Freistellung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB kommt es für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht an.

(1.) Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei Art. 101 Abs. 3 AEUV um eine Einwendung handelt oder ob die Bestimmung negative Tatbestandsmerkmale eines einheitlichen Verbotstatbestandes enthält. Die Kenntnis der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV ist jedenfalls so zu behandeln, als ginge es um eine Einwendung.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH kann es zweifelhaft erscheinen, ob es sich bei Art. 101 Abs. 3 AEUV um eine Einwendung handelt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Vereinbarung nämlich nur dann nichtig, wenn sie unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt und die Vorschriften des Art. 101 Abs. 3 AEUV für sie nicht in Betracht kommen (vgl. EuGH, 10. Juli 1980 – 99/79 – Lancôme, Rn. 15, juris). Dies wird dahin interpretiert, dass es sich bei Art. 101 Abs. 3 AEUV um eine Konkretisierung bzw. Ergänzung des Verbotstatbestandes handle, dessen Voraussetzungen erst durch die Gesamtheit der Bestimmungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV vollständig bestimmt werde (Wolf, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 101 AEUV Rn. 1020).

Obwohl das Nichtvorliegen der Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV danach als negative Tatbestandsvoraussetzung des Verbotstatbestandes verstanden werden kann, bezieht sich die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hierauf nicht.

Als anspruchsbegründende Tatsachen werden nämlich grundsätzlich solche Umstände nicht angesehen, die unter die Behauptungs- und Beweislast des Beklagten fallen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 82/07 – Mecklenburger Obstbrände, Rn. 22, juris).

Während die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. des § 1 GWB bei demjenigen liegt, der einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen behauptet, liegt die Beweislast für die vier (kumulativ erforderlichen) Tatbestandsmerkmale einer Freistellung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. des § 2 GWB bei den Teilnehmern der Vereinbarung (Säcker, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 2 GWB Rn. 12). Für das europäische Recht ist dies ausdrücklich in Art. 2 VO (EG) 1/2003 geregelt.

Dementsprechend kann Art. 101 Abs. 3 GWB zumindest als eine rechtstechnische Ausnahme angesehen werden, weil die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV den sich darauf berufenden Unternehmen zugewiesen ist (vgl. Wolf, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 101 AEUV Rn. 1021). Dies rechtfertigt es nach Überzeugung der Kammer, im Hinblick auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Frage nach dem Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen genauso zu behandeln wie die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Einwendung.

(2.) Im Grundsatz schließt die unbekannte Möglichkeit von Einwendungen gegen den Klageanspruch die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis nicht aus, weil die Beweislast für das Vorliegen einer Einwendung bei dem Beklagten und nicht beim Gläubiger liegt. Eine andere Beurteilung kann jedoch geboten sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für den Anspruch ausschließende Einwendungen des Beklagten bestehen und es daher naheliegt, dass der Beklagte sich darauf berufen wird. Hat der Gläubiger trotz Vorliegens solcher konkreten Anhaltspunkte für eine mögliche Einwendung des Schuldners keine hinreichende Kenntnis über die diese Einwendung begründenden Umstände und bleiben deswegen konkrete Zweifel am Bestehen seines Anspruchs, wird der Beginn der Verjährungsfrist hinausgeschoben (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 82/07 – Mecklenburger Obstbrände, Rn. 22, juris m.w.N.).

Entsprechendes hat für das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen zu gelten.

(3.) Es lagen aus Sicht der Geschädigten hier keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freistellungsfähig gewesen sein könnte.

(a) Der Umstand allein, dass die Geschädigten nicht wussten, was die Beklagten für eine mögliche Freistellung der electronic-cash-Vereinbarung vorbringen würden, führt nicht zu einem Hinausschieben des Verjährungsbeginns.

Denn die bloße Möglichkeit, dass der Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch geltend machen wird, ist ein allgemein bestehendes Risiko, welches ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns nicht rechtfertigt. Wie bereits ausgeführt, müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für den Anspruch ausschließende Einwendungen vorliegen. Dass solche Anhaltspunkte vorlagen, wird nicht geltend gemacht.

(b) Ein vermeintlich von den Beklagten gegenüber dem Bundeskartellamt zur Täuschung vorgetragenes Argument, dass nämlich emittentenspezifische Händlerentgelte technisch nicht möglich gewesen seien, ist nicht geeignet, Zweifel des Schadensersatzberechtigten an dem Bestehen von Schadensersatzansprüche zu begründen und infolgedessen den Beginn der Verjährungsfrist hinauszuschieben.

(aa) Es kann schon nicht angenommen werden, dass die Geschädigten von dieser vermeintlichen Argumentation der Beklagten Kenntnis hatten, bevor sie die girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 kannten. Daher kann jene Argumentation auch keine Zweifel an dem Bestehen ihres Anspruchs begründet haben.

(bb) Unabhängig davon könnte auch die (vermeintliche) Behauptung der Beklagten, dass emittentenspezifische Händlerentgelte technisch nicht möglich gewesen seien, eine Freistellung des vereinbarten einheitlichen Händlerentgelts gar nicht begründen und dementsprechend auch keine Zweifel am Bestehen eines Schadensersatzanspruchs hervorrufen.

(aaa) Zunächst ist der (vermeintliche) Einwand, dass emittentenspezifische Händlerentgelte technisch nicht möglich seien, nicht plausibel und schon deshalb nicht geeignet, bei einem Geschädigten den Eindruck entstehen zu lassen, dass es sich um eine freigestellte Preisabsprache handelt. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb es technisch nicht möglich sein sollte, emittentenspezifische Händlerentgelte gegenüber den Akzeptanten abzurechnen. Selbst wenn man unterstellt, dass an dem Terminal selbst (zunächst) nicht zwischen den girocards verschiedener Emittenten unterschieden werden konnte, so ist es nicht nachvollziehbar, weshalb dies bei der im Nachhinein monatlich erfolgten Abrechnung vorgenommener Transaktionen nicht möglich gewesen sein sollte. Da die Akzeptanten den jeweiligen Emittenten gegenüber das Händlerentgelt für die mit den von diesen herausgegebenen girocards durchgeführten Transaktionen schuldeten, müssen Anzahl und Umsatz der Transaktionen, die mit der girocard eines bestimmten Emittenten durchgeführt worden sind, bekannt gewesen und festgehalten worden sein. Es ist damit nicht nachvollziehbar, weshalb es nicht möglich gewesen sein sollte, gegenüber den Akzeptanten für Transaktionen mit girocards verschiedener Emittenten unterschiedliche Tarife abzurechnen. Darüber hinaus kann die Abrechnung unterschiedlicher emittentenspezifischer Händlerentgelte – wie teilweise vor dem Kartellende bereits geschehen – auch über die Gewährung individueller Rückvergütungen erfolgen und erfordert daher nicht einmal eine individuelle Abrechnung.

(bbb) Überdies handelt es sich bei der Absprache über Preise zwischen Mitbewerbern um eine schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkung, ein sog. Hardcore-Preiskartell (Thomas, in: Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 19 Rn. 97) oder eine sog. Kernbeschränkung (Hoffmann, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 57. EL, Stand März 2020, H. I. § 2 Art. 101 AEUV Rn. 115). Der Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 3 AEUV nimmt zwar keine bestimmten Arten von Vereinbarungen aus (Wolf, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 101 AEUV Rn. 967). Gleichwohl bleibt in diesen Fällen für eine Freistellung in aller Regel kein Raum (Hoffmann, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 57. EL, Stand März 2020, H. I. § 2 Art. 101 AEUV Rn. 115; Wolf, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 101 AEUV Rn. 967; Eilmannsberger/Kruis, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 101 AEUV Rn. 158). Die Rechtfertigung einer – wie hier – horizontalen Preisabsprache wird sogar für ausgeschlossen gehalten (Lübbig, in: Wiedemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 8 nach Rn. 22).

(ccc) Dementsprechend besitzt dieses Argument auch für das Bundeskartellamt keine Bedeutung. In der girocard-Entscheidung vom 8. April 2014 setzt es sich – abgesehen von einer beiläufigen Erwähnung – mit diesem Argument nicht eigens auseinander, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, wenn es sich aus der Sicht des Bundeskartellamts um ein beachtliches Argument gehandelt hätte.

(c) Der Umstand, dass das Bundeskartellamt im Rahmen der Anmeldung des electronic-cash-Systems nach § 102 GWB 1990 in der Fassung vom 20. Februar 1990 nicht widersprochen hat und auch später lange Zeit nicht gegen das electronic-cash-System vorgegangen ist, ist nicht geeignet, konkrete Zweifel am Bestehen kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche entstehen zu lassen, die ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns rechtfertigen würden.

Aus dem Verhalten des Bundeskartellamts konnten sich angesichts der offenkundig vorliegenden schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkung im Form einer horizontalen Preisabsprache, die – wie gezeigt – nicht zu rechtfertigen ist, keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen der Freistellungsvoraussetzungen ergeben.

eee) Die Erhebung einer Klage ist auch zumutbar gewesen.

(1.) Der Beginn der Verjährung setzt voraus, dass die Erhebung einer Klage für den Gläubiger zumutbar ist.

Zwar ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 –, Rn. 35, juris).

Das bedeutet, dass die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers erst vorhanden ist, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen den Schuldner eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht hat, dass sie zumutbar ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 –, Rn. 49, juris).

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass die Verjährungsregeln mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich geschützte Forderungsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) stets einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und des Gläubigers darstellen müssen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit § 199 Abs. 1 BGB das erklärte Ziel verfolgt, dem Gläubiger eine faire Chance zur Durchsetzung seines Anspruchs zu eröffnen. Hierzu gehört nach der Gesetzesbegründung insbesondere, dass dem Gläubiger grundsätzlich hinreichend Gelegenheit gegeben werden muss, das Bestehen seiner Forderung zu erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 –, Rn. 52 f., juris). An einer solchen Erkennbarkeit kann es fehlen, wenn die Rechtslage in besonderer Weise unklar ist oder ein Anspruch nach der bisherigen (vermeintlich klaren) Rechtsprechung scheinbar ausgeschlossen ist (Piekenbrock, in: BeckOGK, Stand: 1. November 2022, § 199 BGB Rn. 138).

Diese Rechtsgrundsätze zum Hinausschieben des Verjährungsbeginns bei unklarer und zweifelhafter Rechtslage sind auf sämtliche Ansprüche anwendbar (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 –, Rn. 54, juris).

(2.) Die Erhebung einer Schadensersatzklage war den Geschädigten auch schon vor dem Vorliegen der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 zuzumuten.

(a) Eine unklare Rechtslage lag nicht vor.

Insbesondere der Umstand, dass das Bundeskartellamt dem electronic-cash-Vertragswerk nach dessen Anmeldung durch die Bankenverbände nicht widersprach und auch in der Folgezeit zunächst über mehrere Jahre hinweg nicht gegen diese eingeschritten ist, hat nicht zu einer unklaren Rechtslage geführt. Denn es handelt sich nach den obigen Ausführungen um eine Preisabsprache zwischen Wettbewerbern, die regelmäßig nicht freistellungfähig ist.

Konkrete rechtliche Gesichtspunkte, die eine andere Sichtweise auch nur vertretbar erscheinen ließen, hatten sich infolge des Verhaltens des Bundeskartellamts nicht gezeigt.

In Anbetracht dessen hätte den Geschädigten nicht verborgen bleiben dürfen, dass das Verhalten der Beklagten einen Kartellverstoß darstellte. Dagegen spricht insbesondere auch nicht, dass das Bundeskartellamt von 2011 bis zum 8. April 2014 gegen die Beklagten ein Verfahren geführt hat. Die abschließend ergangene Entscheidung lässt nicht erkennen, dass der schließlich erhobene Vorwurf einer bezweckten Wettbewerbsbeeinträchtigung auf Tatsachen gestützt worden ist, die nicht auch bereits zuvor allgemein oder jedenfalls den Geschädigten bekannt gewesen sind. Die Verfahrensdauer steht also nicht im Zusammenhang mit umfangreichen Tatsachenermittlungen des Bundeskartellamts, die den Geschädigten nicht hätten zugemutet werden können, um ihre Schadensersatzansprüche gerichtlich zu verfolgen.

(b) Die Situation ist auch nicht mit dem Vorliegen einer anspruchsfeindlichen Rechtsprechung vergleichbar gewesen. Denn eine das Gericht bindende Entscheidung über eine Freistellung des electronic-cash-Vertragswerks gab es nicht.

Das Bundeskartellamt hat nämlich keine positive Entscheidung über die Freistellungsfähigkeit des electronic-cash-Vertragswerks getroffen. Zwar galten gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 GWB 1990 angemeldete Verträge von Kreditinstituten als freigestellt, wenn das Bundeskartellamt nicht innerhalb von drei Monaten seit Eingang der Anmeldung widerspricht oder vor Ablauf dieser Frist schriftlich mitteilt, dass es nicht widersprechen wird. Eine Entscheidung darüber, ob die Vereinbarung auch nach dem – hier erkennbar anwendbaren – europäischen Recht freigestellt ist, ist damit jedoch nicht verbunden gewesen.

fff) Auch die Beachtung des europarechtlichen Effektivitätsgrundsatzes führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere erfordert dieser im vorliegenden Fall nicht, dass die Verjährungsfristen – entsprechend der neuen Vorschrift des § 33h GWB – erst dann zu laufen beginnen, wenn die kartellrechtliche Zuwiderhandlung beendet ist. Ob der Beginn der Verjährung voraussetzt, dass die Geschädigten Kenntnis von der Tatsache besitzen, dass das schädigende Verhalten als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten einzustufen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

(1.) Der Effektivitätsgrundsatz verlangt im Allgemeinen, dass die Vorschriften über die Rechtsbehelfe, die den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 50, juris; EuGH, 28. März 2019 – C-637/17 – Cogeco Communications, Rn. 43, juris). Dementsprechend haben u.a. die einschlägigen innerstaatlichen Verjährungsregeln dem Grundsatz der Effektivität Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, 28. März 2019 – C-637/17 – Cogeco Communications, Rn. 42, juris).

(2.) Speziell für den Beginn des Verjährungsfristenlaufs im Wettbewerbsrecht gebietet es der Effektivitätsgrundsatz, dass eine nationale Regelung, die den Zeitpunkt, an dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, deren Dauer und die Modalitäten ihrer Hemmung oder Unterbrechung festlegt, den wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten und den Zielen der Umsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die betroffenen Personen angepasst sein muss (vgl. EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 50, juris 53).

In wettbewerbsrechtlichen Sachen – wie hier – ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Erhebung von Schadensersatzklagen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Union grundsätzlich eine komplexe Analyse der zu Grunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erfordert (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 54, juris; EuGH, 28. März 2019 – C-637/17 – Cogeco Communications, Rn. 46, juris).

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union und gegen das nationale Wettbewerbsrecht grundsätzlich durch eine Informationsasymmetrie zum Nachteil des Geschädigten gekennzeichnet sind, was es für den Geschädigten schwieriger macht, die für die Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässlichen Informationen zu erlangen, als es für die Wettbewerbsbehörden ist, die für die Ausübung ihrer Befugnisse zur Durchführung des Wettbewerbsrechts erforderlichen Informationen zu erhalten (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 55, juris).

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die für Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Union geltenden Verjährungsfristen nicht zu laufen beginnen können, bevor die Zuwiderhandlung beendet ist und der Geschädigte davon Kenntnis erlangt hat – oder eine solche Kenntnisnahme durch ihn vernünftigerweise erwartet werden kann –, dass ihm durch diese Zuwiderhandlung ein Schaden entstanden ist sowie wer der Rechtsverletzer ist (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 61, juris).

(3.) Diese Rechtsprechung des EuGH zum Beginn der Verjährungsfrist bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu übertragen. Denn die für diese Rechtsprechung maßgeblichen Umstände liegen im zu entscheidenden Fall nicht vor.

Es ist Sache der Kammer zu prüfen, ob die Anwendung der Verjährungsregelungen unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der Sach- und Rechtslage des vorliegenden Falles dem Grundsatz der Effektivität entspricht (vgl. EuGH, 24. März 2009 – C-445/06 – Danske Slagterier, Rn. 34, juris). Insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Sachlage des vorliegenden Falles scheidet eine Übertragung der oben genannten Voraussetzungen für den Beginn des Laufs der Verjährung auf § 199 BGB aus. Der Sachverhalt des hier zu beurteilenden Falles unterscheidet sich nämlich erheblich von den Fällen, die der EuGH vor Augen hatte, als er seine Ausführungen zum Verjährungsbeginn für Schadenersatzklagen wegen Zuwiderhandlung gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen tätigte.

Denn Kartellabsprachen werden naturgemäß von den an ihnen Beteiligten geheim gehalten (Schroeder, in: Das Recht der Europäischen Union, 77. EL, Stand: September 2022, Art. 101 AEUV Rn. 770). Auch der EuGH geht, wie seine Bezugnahme auf den 47. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104 zeigt, davon aus, dass Kartelle einen „geheimen Charakter“ besitzen. Dieser geheime Charakter verstärkt die Informationsasymmetrie zum Nachteil des Geschädigten, was es für den Geschädigten schwieriger macht, die für die Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässlichen Information zu erlangen (vgl. EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 55 i.V.m. Rn. 3, juris).

Im vorliegenden Fall ist das Kartell aber niemals geheim gewesen. Die Beklagten haben ihre Vereinbarungen im Rahmen des electronic-cash-Vertragswerks öffentlich geschlossen und dieses sogar bei dem Bundeskartellamt angezeigt. Die Kammer geht wie gezeigt davon aus, dass die Unternehmen, die sich am electronic-cash-System beteiligen wollten, in diesem Zusammenhang Kenntnis davon erhielten, dass die von ihnen zu entrichtenden Entgelte seitens der Deutschen Kreditwirtschaft einheitlich festgelegt worden waren und mithin grundsätzlich nicht verhandelbar gewesen sind. Zu einer Verstärkung der Informationsasymmetrie, die über das übliche Maß zwischen Geschädigten und Schädigern hinausginge, ist es daher hier nicht gekommen.

(4.) Ungeachtet dessen sind die Ausführungen des EuGH nach Überzeugung der Kammer auch nicht dahin zu verstehen, dass nach dem Grundsatz der Effektivität für den Beginn der Verjährungsfrist stets erforderlich ist, dass der Geschädigte Kenntnis von den unerlässlichen Informationen besitzt, die notwendig sind, um eine Schadenersatzklage zu erheben, und die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beendet ist.

(a) Das zeigt sich insbesondere daran, dass der EuGH erkennbar keine Einwendungen gegen das Bestehen absoluter Verjährungsfristen erhebt und er infolgedessen die Kenntnis von den unerlässlichen Informationen nicht zur Voraussetzung für den Beginn jeder Verjährungsfrist macht.

Die Erörterungen des EuGH sind nämlich im Rahmen der unionsrechtskonformen Auslegung des im Ausgangsfall maßgeblichen Art. 1968 Abs. 2 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches erfolgt, nach dem die Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der betreffende Kläger Kenntnis von den haftungsbegründenden Umständen erlangt hat (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 51, juris). Dementsprechend hatte der EuGH keine Veranlassung, sich mit der Vereinbarkeit von Verjährungsfristen, die kenntnisunabhängig zu laufen beginnen, mit dem Effektivitätsgrundsatz zu beschäftigen. Solche Ausführungen sind in der angesprochenen Entscheidung des EuGH auch nicht enthalten. Sie wären aber zu erwarten gewesen, wenn sich der EuGH inhaltlich von den im 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104, die er anderweitig in Bezug genommen hat, hätte distanzieren wollen. Hierin wird indes ausdrücklich den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, allgemein anwendbare absolute Verjährungsfristen, mithin kenntnisunabhängige, beizubehalten oder einzuführen, sofern ihre Dauer die Ausübung des Rechts auf Schadensersatz in voller Höhe nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, sie also dem Grundsatz der Effektivität entsprechen.

(b) Auch im Fall einer kenntnisabhängig beginnenden Verjährungsfrist lässt der EuGH nicht erkennen, dass deren Beginn neben der Kenntnis des Geschädigten von den unerlässlichen Informationen zwingend zugleich die Beendigung des Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht erfordert.

Zieht man nämlich in Betracht, dass der EuGH – wie bereits ausgeführt – den Normalfall eines geheimen Kartells vor Augen hatte, so kann für diese Fälle regelmäßig angenommen werden, dass die Beendigung der Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften Voraussetzung dafür ist, dass der Geschädigte die unerlässlichen Informationen erlangt, die er benötigt, um eine Schadensersatzklage erheben zu können. Denn normalerweise muss ein Kartell erst aufgedeckt und damit beendet werden, bevor der Geschädigte überhaupt erfährt, dass es ein Kartell gab und dass er von diesem betroffen ist.

Der EuGH führt in seiner Entscheidung selbst aus, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der Geschädigte von den für die Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässlichen Angaben deutlich vor dem Zeitpunkt Kenntnis erlangen kann, zu dem die Zusammenfassung eines Beschlusses der Kommission veröffentlicht wird (vgl. EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 64). Das schließt die Möglichkeit ein, dass der Geschädigte diese Kenntnis auch schon vor Beendigung der Zuwiderhandlung erlangt.

Die Ausführungen des EuGH sind daher nach Überzeugung der Kammer dahin zu verstehen, dass die beiden Voraussetzungen für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung, die Beendigung der Zuwiderhandlung und die Erlangung der unerlässlichen Kenntnis, in der Regel nacheinander erfüllt werden. Das eine, nämlich die Beendigung der Zuwiderhandlung, führt regelmäßig zum anderen, nämlich zur Erlangung der unerlässlichen Kenntnis. Dann ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die Beendigung der Zuwiderhandlung für den Beginn der Verjährungsfrist unter dem Gesichtspunkt der Effektivität auch erforderlich sein sollte, wenn in einem besonderen Fall der Geschädigte die unerlässlichen Kenntnisse bereits zuvor erlangt hat.

(5.) Die Kammer muss nicht darüber entscheiden, ob nach der Rechtsprechung des EuGH der Effektivitätsgrundsatz voraussetzt, dass die Verjährung erst zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte Kenntnis davon erlangt hat oder diese Kenntnis vernünftigerweise erwartet werden kann, dass das anspruchsbegründende Verhalten eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellt.

Diese Voraussetzung wird in Art. 10 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2014/104 verlangt. Die Richtlinie ist indes hier nicht anzuwenden.

Der Entscheidung des EuGH vom 22. Juni 2022 kann die Kammer diese Voraussetzung ebenfalls nicht entnehmen, auch wenn der EuGH dort auf die Ausführungen des Generalanwalts Bezug nimmt, der dargestellt habe, dass die Pressemitteilung weniger detaillierte Informationen über die Umstände der betreffenden Sache und die Gründe für die Einstufung eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens als Zuwiderhandlung enthalten habe als die veröffentlichten Zusammenfassungen der Beschlüsse der Kommission 2022 (vgl. EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn. 67, juris). Denn der EuGH führt darüber hinaus weitere Argumente an, die sich auf den Inhalt der Pressemitteilung und ihre fehlende Bestimmung, Rechtswirkungen gegenüber Dritten zu erzeugen, beziehen, und folgert aus alledem („unter diesen Umständen“), dass hier nicht vernünftigerweise erwartet werden könne, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung die zur Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässliche Kenntnis erlangt worden sei (EuGH, 22. Juni 2022 – C-267/20 – Volvo und DAF, Rn 67-71, juris). Das spricht aus Sicht der Kammer eher gegen die Annahme, dass der EuGH meint, der Grundsatz der Effektivität verlange, dass der Geschädigte Kenntnis von der Einstufung des anspruchsbegründenden Verhaltens als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten besitzen müsse, bevor die Verjährungsfrist beginnen dürfe.

Darauf kommt es indes nicht an, weil die Kammer – wie schon ausgeführt – davon ausgeht, dass diese Einordnung der Klägerin nicht hat verborgen bleiben können.

(6.) Das hier gefundene Ergebnis steht auch mit den allgemeinen Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes in Übereinstimmung und führt nicht dazu, dass den Geschädigten die Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.

Denn nach Überzeugung der Kammer lagen im Zeitpunkt der Entstehung der Schadensersatzansprüche – wie oben dargestellt – die unerlässlichen Informationen für die Erhebung einer Schadensersatzklage bereits vor. Im vorliegenden Fall ist daher ausgeschlossen, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, bevor der Geschädigte Kenntnis von der Zuwiderhandlung durch die Kartellanten sowie des ihm hierdurch entstandenen Schadens hat oder eine solche Kenntnis durch ihn vernünftigerweise erwartet werden kann.

Die Länge der Verjährungsfrist von drei Jahren ist darüber hinaus ausreichend, damit der Geschädigte die im Hinblick auf eine Klage u.U. weiteren sachdienlichen Informationen zusammentragen kann.

Es ist keine derart komplexe Analyse der zu Grunde liegenden Tatsachen und wirtschaftlichen Zusammenhänge erforderlich gewesen, die nicht in zumutbarer Weise innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist hätte vorgenommen werden können. Denn das offenkundige Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeeinträchtigung im Form einer horizontalen Preisvereinbarung hat die Prüfung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeeinträchtigung entbehrlich gemacht.

Hinzu kommt, dass das Gesetz seit dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle in § 33 Abs. 5 GWB 2005 vorsieht, dass die Verjährungsfristen durch Maßnahmen einer deutschen Kartellbehörde oder der Europäischen Kommission im Hinblick auf einen Kartellverstoß gehemmt werden und erst sechs Monate nach einer rechtskräftigen Entscheidung bzw. der sonstigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens wieder zu laufen beginnen.

Schließlich ist die Erhebung einer Schadensersatzklage unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles – wie schon ausgeführt – zumutbar gewesen.

cc) Die Verjährung ist durch die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren des Bundeskartellamts B4-25/07, B4-49/10 und B4-9/11 gehemmt worden. Die Verwaltungsverfahren des Bundeskartellamts B4-95/15, B4-56/15 und B4-109/15 führten dagegen zu keiner Hemmung der Verjährung.

aaa) Die Hemmung richtet sich bezüglich dieser Verfahren nach § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005.

Es ist schon oben dargestellt worden, dass gemäß § 187 Abs. 3 GWB (entspricht § 186 Abs. 3 GWB 2017) für die Berechnung der Verjährungshemmung für vor dem 27. Dezember 2016 entstandene Ansprüche für die Zeit bis zum 8. Juni 2017 auf das bis dahin geltende Recht abzustellen ist. Dies ist für die hier interessierenden Verfahren, die bereits vor dem 9. Juni 2017 beendet worden sind, § 33 Abs. 5 GWB 2005 (vgl. Makatsch/Mir, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 33h GWB Rn. 77).

§ 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 gilt dabei auch für Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten dieser Norm begangen wurden (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 – KZR 56/16 – Grauzementkartell II, Rn. 62, juris).

bbb) Nach § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 wird die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen wettbewerbswidriger Absprachen gehemmt, wenn die nationale Kartellbehörde wegen eines Verstoßes gegen nationales oder europäisches Kartellrecht oder wenn die Europäische Kommission wegen eines Verstoßes gegen Art. 81 oder 82 EGV bzw. Art. 101 oder 102 AEUV ein Verfahren einleitet.

(1.) Eine Verfahrenseinleitung i.S.d. § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 setzt nicht die Einleitung eines förmlichen Verfahrens voraus, sondern erfordert lediglich die Durchführung von behördlichen Maßnahmen gegen ein Unternehmen, die erkennbar darauf abzielen, gegen dieses Unternehmen wegen einer Beschränkung des Wettbewerbs zu ermitteln (BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19 – Lkw-Kartell I, Rn. 79, juris).

(2.) § 33 Abs. 5 GWB 2005 gilt auch für Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamts, die mit einer für die Gerichte nicht bindenden Verpflichtungszusagenentscheidung nach § 32b GWB enden.

Ob die Verjährungsfrist bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch das Bundeskartellamt gehemmt wird, muss von Anfang an feststehen und kann nicht davon abhängen, mit welcher Art von Entscheidung das Bundeskartellamt das Verfahren abschließt.

Denn anderenfalls müsste ein Geschädigter vorsorglich trotz laufender – und sich ggf. über mehrere Jahre erstreckender – Ermittlungsmaßnahmen eine Klage einreichen, um eine Verjährung seiner Ansprüche abzuwenden. Das würde aber dem Sinn und Zweck der Verjährungshemmung widersprechen. Denn durch die Regelung nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 sollte erreicht werden, dass individuell Geschädigte tatsächlich in den Genuss der Tatbestandswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 kommen können und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach Ablauf eines langwierigen Bußgeldverfahrens nicht bereits verjährt sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2020 – KZR 35/19 – Lkw-Kartell I, Rn. 83, juris). Dies würde konterkariert, wenn man den Geschädigten wegen des für ihn nicht vorhersehbaren Abschlusses des Verfahrens dazu zwänge, seine Klage bereits zuvor zu erheben. Ausreichend, aber auch erforderlich für die Hemmung ist, dass das eingeleitete Verfahren potentiell geeignet ist, eine Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB zu bewirken (Bechtold/Bosch in: Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 33 GWB Rn. 42).

(3.) Nach § 209 BGB ist der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen.

Diese ist daher in konkreter Berechnung um die Hemmungszeit zu verlängern (Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 209 BGB Rn. 1). Dabei bemisst man den zu addierenden Zeitraum vorzugsweise in Tagen (vgl. dazu Lahme/Ruster, NZKart 2019, 544 [545]). War die Verjährungsfrist bereits bei Fristbeginn gehemmt, wird sie ab dem Tag berechnet, der auf den folgt, an dem der Hemmungsgrund weggefallen ist (Henrich, in: BeckOK BGB, 62. Edition, Stand: 1. Mai 2022, § 209 BGB Rn. 2).

Zur Hemmungszeit gehören der Tag des Beginns der Hemmung und der Tag ihrer Beendigung (BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 – XII ZR 114/06 – Rn. 41, juris).

Gemäß § 33 Abs. 5 S. 2 GWB gilt § 204 Abs. 2 BGB entsprechend. Danach endet die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen bzw. bestandskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens.

(4.) Die Verjährungshemmung des § 33 Abs. 5 GWB 2005 bezieht sich auf alle Kartellverstöße, derentwegen ein Verfahren vor den Kartellbehörden eingeleitet wird, wobei es nicht darauf ankommt, auf welchen Kartellrechtsverstoß schließlich die Entscheidung der Kartellbehörde gestützt wird (Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 33 GWB Rn. 79).

(5.) Die Vorschrift bewirkt nicht nur in Bezug auf diejenigen Kartelltäter eine Hemmung der Verjährung, gegen die sich das kartellrechtliche Verfahren richtet, sondern gegenüber allen aus dem verfahrensgegenständlichen Kartell gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2021 – VI-U (Kart) 8/19 – juris, 5. LS und Rn. 156; Makatsch/Mir, in: MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 33h GWB Rn. 67; Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 33h GWB Rn. 34).

ccc) Nach diesen Grundsätzen waren die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-25/07, B4-49/10 und B4-9/11 geeignet, eine Hemmung bereits begonnener und noch nicht abgelaufener Verjährungsfristen der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche herbeizuführen. Die Verfahren B4-95/15, B4-56/15 und B4-109/15 führten dagegen nicht zur einer Hemmung der Verjährung.

(1.) Es kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren B4-25/07 nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 in dem Zeitraum vom 28. März 2007 bis zum 29. Dezember 2007 zu einer Hemmung von insgesamt 277 Tagen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen geführt hat. Wie noch zu zeigen sein wird, hinderte dies die Verjährung der Ansprüche der Klägerin aus dem Zeitraum vor 2007 letztlich nicht.

(2.) Das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren B4-49/10 führte in dem Zeitraum vom 18. Juni 2010 bis zum 20. März 2011 zu einer Hemmung der Verjährungsfrist nach § 33 Abs. 5 GWB 2005.

Denn der von dem Bundeskartellamt in diesem Verfahren geprüfte Kartellverstoß ist mit dem in dem hiesigen Klageverfahren von der Klägerin geltend gemachten Kartellverstoß identisch. Ausweislich seines Beschlusses vom 8. April 2014 hat das Bundeskartellamt die Absenkung des Händlerentgelts im Tankstellenbereich zum Anlass für die Einleitung des kartellrechtlichen Verwaltungsverfahrens B4-49/10 genommen, weil die Spitzenverbände bis zu diesem Zeitpunkt behauptet haben sollen, dass differenzierende Preise technisch nicht möglich seien (vgl. BKartA, Beschluss vom 8. April 2014 – B4-9/11 –, Rn. 99). Die Entgeltabsenkung warf für das Bundeskartellamt die grundsätzliche Frage nach der Vereinbarkeit eines kollektiven Händlerentgelts sämtlicher Karten ausgebender Institute mit dem Kartellverbot auf. Das Bundeskartellamt hat daher in dem eingeleiteten Verfahren die Vereinbarkeit von wettbewerbsbeschränkenden Klauseln im electronic-cash-Vertragswerk mit Art. 101 AEUV und § 1 GWB geprüft (vgl. BKartA, Tätigkeitsbericht 2009/2010, BT-Drs. 17/6640, S. 90 f.).

Dieses Verfahren wurde mit dem Auskunftsverlangen des Bundeskartellamts vom 18. Juni 2010 (vgl. BKartA, Beschluss vom 8. April 2014 – B4-9/11 –, Fn. 99) eingeleitet und mit dem an die Spitzenverbände gerichteten Schreiben vom 20. September 2010 eingestellt (vgl. BKartA, Beschluss vom 8. April 2014 – B4-9/11 –, Rn. 99 mit Verweis auf die Fn. 168). Damit begann die Hemmung am 18. Juni 2010 und endete nach § 33 Abs. 5 S. 2 GWB 2005 i.V.m. § 204 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 20. März 2011.

(3.) Zu einer weiteren Hemmung führte schließlich das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren B4-9/11 in dem sich daran anschließenden Zeitraum bis zum 8. November 2014.

Gegenstand dieses Verfahrens ist u.a. die kartellrechtliche Beurteilung der auch hier in Rede stehenden einheitlichen Händlerentgelte gewesen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2011 hat das Bundeskartellamt die Spitzenverbände der Deutschen Kreditwirtschaft über die Einleitung des Verfahrens unterrichtet. Danach begann die Hemmung am 14. Januar 2011. Ob es bereits vor dem Schreiben vom 14. Januar 2011 eine Maßnahme des Bundeskartellamts gab, die geeignet war, die Hemmung zu bewirken, kann angesichts des Umstands, dass aufgrund des kartellrechtlichen Verwaltungsverfahrens B4-49/10 bereits eine vom 18. Juni 2010 bis zum 20. März 2011 dauernde Hemmung eingetreten war (vgl. oben), dahinstehen. Denn aus dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 2011/2012 (BT-Drs. 17/13675, S. 82) ergibt sich, dass das Verfahren B4-9/14 jedenfalls nicht vor Anfang 2011 und damit nicht vor dem 18. Juni 2010 eingeleitet wurde. Der durch das Verfahren B4-9/11 bewirkte Hemmungsbeginn lag damit innerhalb des durch das Verfahren B4-49/10 begründeten Hemmungszeitraums.

Das Verfahren B4-9/11 wurde mit der Verpflichtungszusagenentscheidung vom 8. April 2014 beendet. Gemäß § 33 Abs. 5 S. 2 GWB 2005 i.V.m. § 204 Abs. 2 BGB endete die Hemmung sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung des Verfahrens am 8. November 2014.

Damit führten die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-49/10 und B4-9/11 zusammen zu einer Hemmung vom 18. Juni 2010 bis zum 8. November 2014 (1.605 Tage).

(4.) Das vom Bundeskartellamt durchgeführte Verwaltungsverfahren B4-94/15 hat dagegen die Verjährung nicht nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 gehemmt.

Dieses Verfahren leitet kein Verfahren i.S.d. § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 ein, weil es nicht einmal potentiell mit einer gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindenden Entscheidung abgeschlossen wird.

Das Verfahren ist zur Überprüfung der Einhaltung der Zusagen der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände im Verfahren B4-9/11 geführt worden (vgl. BKartA, Fallbericht vom 30. März 2015 – B4-9/11). Es dient nur der Prüfung, ob ein Wiederaufnahmegrund für das bereits abgeschlossene Verfahren besteht. Wenn die Kartellbehörde im Rahmen dieser Überprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass die abgegebenen Verpflichtungszusagen nicht eingehalten werden, kann es die nach § 32b Abs. 1 GWB erlassene Verfügung aufheben und das ursprüngliche Verfahren nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 GWB wiederaufnehmen und weiterbetreiben. Zwar ist die Behörde vor der Wiederaufnahme des ursprünglichen Verfahrens nicht verpflichtet, die Parteien zunächst durch die Androhung bzw. Festsetzung von Zwangsgeldern zur Einhaltung der Verpflichtung anzuhalten. Allerdings muss sie die Nichtbefolgung der Zusage abmahnen, bevor sie das Verfahren wiederaufnimmt (Bach, in: Immenga/Mestmäcker, 6. Aufl. 2020, § 32b GWB Rn. 32). Es gibt somit eine klare Trennung zwischen dem Verfahren, das auf die Überprüfung der Einhaltung der Zusagen gerichtet ist, und dem kartellrechtlichen Verfahren, das ggf. wieder aufgenommen wird. Erst das dann u.U. wieder aufgenommene kartellrechtliche Verwaltungsverfahren ist potentiell geeignet, zu einer nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindenden Entscheidung zu führen und damit eine (erneute) Hemmung der Verjährungsfrist zu bewirken.

Dem Geschädigten ist es darüber hinaus auch ohne weiteres möglich, seine Schadensersatzansprüche ohne die Erkenntnisse aus dem Überprüfungsverfahren geltend zu machen.

(5.) Auch das Verfahren des Bundeskartellamts zum Aktenzeichen B4-56/15 hat nicht zur Hemmung der Verjährung der hier verfolgten Ansprüche geführt.

Dieses Verfahren ist ebenfalls zur Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungszusagen eingeleitet worden und daher aus denselben Gründen wie das Verwaltungsverfahren B4-94/15 kein Verfahren i.S.d. § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 (vgl. BKartA, Fallbericht vom 16. Januar 2017 – B4-56/15, B4-109/15).

(6.) Auch das vom Bundeskartellamt unter dem Aktenzeichen B4-109/15 geführte Verfahren bewirkte nicht die Hemmung der Verjährung der Schadensersatzansprüche.

Es handelt sich bei diesem Verfahren ebenfalls nicht um ein solches i.S.d. § 33 Abs. 5 S. 1 GWB, weil es nicht die Frage eines Verstoßes gegen nationales oder europäisches Kartellrecht zum Gegenstand hatte. Denn das auf Antrag der Beklagten eingeleitete Wiederaufnahmeverfahren war nur auf die Frage gerichtet, ob die Verpflichtungszusagenentscheidung neben der MIF-VO eine Doppelregulierung darstelle und daher für die Zukunft entfallen könne. Hingegen ist nicht geprüft worden, ob das in dem electronic-cash-Vertragswerk geregelte einheitliche Händlerentgelt (und die flankierenden Regelungen der Akzeptanzpflicht und des Preisaufschlagsverbots) einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB darstellen.

dd) Im vorliegenden Fall sind bis Ende des Jahres 2009 etwa entstandene Kartellschadensersatzansprüche der Klägerin spätestens am 24. Mai 2017 verjährt. Die am 20. März 2018 bei Gericht eingegangene Klage konnte ihre Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.

Die Verjährungsfristen der Schadensersatzansprüche, die auf im Jahr 2005 durchgeführte Transaktionen gestützt werden, begannen mit Ablauf des 31. Dezember 2005 zu laufen und endeten unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hemmung durch das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren B4-25/07 in dem Zeitraum vom 28. März 2007 bis zum 29. Dezember 2007 (insgesamt 277 Tage) mit Ablauf des 4. Oktober 2009.

Die Verjährungsfristen der Schadensersatzansprüche, die auf im Jahr 2006 durchgeführte Transaktionen gestützt werden, begannen mit Ablauf des 31. Dezember 2006 zu laufen und endeten unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hemmung durch das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren B4-25/07 (insgesamt 277 Tage) sowie die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-49/10 und B4-9/11 in dem Zeitraum vom 18. Juni 2010 bis zum 8. November 2014 (insgesamt 1605 Tage) mit Ablauf des 25. Februar 2015.

Die Verjährungsfristen der Schadensersatzansprüche, die auf im Jahr 2007 durchgeführte Transaktionen gestützt werden, begannen mit Ablauf des 31. Dezember 2007 zu laufen und endeten unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hemmung durch die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-49/10 und B4-9/11 (insgesamt 1605 Tage) mit Ablauf des 24. Mai 2015.

Die Verjährungsfristen der Schadensersatzansprüche, die auf die im Jahr 2008 durchgeführten Transaktionen gestützt werden, begannen mit Ablauf des 31. Dezember 2008 zu laufen und endeten unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hemmung durch die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-49/10 und B4-9/11 (insgesamt 1605 Tage) mit Ablauf des 23. Mai 2016.

Die Verjährungsfristen der Schadensersatzansprüche, die auf im Jahr 2009 durchgeführte Transaktionen gestützt werden, begannen mit Ablauf des 31. Dezember 2009 zu laufen und endeten unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Hemmung durch die kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren B4-49/10 und B4-9/11 (insgesamt 1605 Tage) mit Ablauf des 24. Mai 2017.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen und auf Ersatz von vorprozessualen Kosten der Rechtsverfolgung zu.

Da die Klägerin mit ihrer Hauptforderung unterliegt, hat sie auch keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Nebenforderungen.

B. Der Klägerin konnte der im Termin am 7. November 2022 beantragte Schriftsatznachlass im Hinblick auf die Erörterungen im Termin und auf die Schadensberechnungsmethode nicht bewilligt werden.

I. Ein Schriftsatznachlass war der Klägerin nicht gemäß § 283 ZPO zu bewilligen.

1. Gemäß § 283 ZPO kann das Gericht auf den Antrag einer Partei eine Frist bestimmen, in der sie Erklärungen in einem Schriftsatz nachbringen kann, wenn sie sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, das ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist.

Unter Vorbringen im Sinne des § 283 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, wie tatsächliche Behauptungen und neue Gegenerklärungen, nicht aber Angriffe und Verteidigung als solche, wie z.B. Klage und Widerklage, oder sonstige Sachanträge zu verstehen (vgl. Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 283 ZPO Rn. 3; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 283 ZPO Rn. 2a; Prütting, in: MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 283 ZPO Rn. 9). Auch nicht zum Vorbringen in diesem Sinne sind reine Negativerklärungen (Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 283 ZPO Rn. 2a), also bloßes Bestreiten früheren Vorbringens zu rechnen (Bacher, in: BeckOK ZPO, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2022, § 283 ZPO Rn. 3). Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der Vorschrift sind damit alle Prozesshandlungen, die zur inhaltlichen Begründung des jeweiligen Antrags bzw. zur Verteidigung gegen ihn vorgenommen werden, nicht hingegen der Antrag selbst (Bacher, in: BeckOK ZPO, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2022, § 283 ZPO Rn. 2 mit Verweis auf § 146 Rn. 2). Zudem muss das neue Vorbringen entscheidungserheblich sein (vgl. Prütting, in: MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 283 ZPO Rn. 9).

Voraussetzung für den Schriftsatznachlass ist ferner, dass sich die Partei auf das nicht rechtzeitige Vorbringen der Gegenpartei nicht erklären kann, was z.B. wegen des Umfangs überreichter Schriftsätze, wegen der Schwierigkeit der Materie oder wegen der Notwendigkeit näherer Überprüfung oder Erkundigung der Fall sein kann (vgl. Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 283 ZPO Rn. 5).

2.. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Soweit die Klägerin einen Schriftsatznachlass zur Methodik der Schadensschätzung beantragt hat, war dieser nicht zu bewilligen. Alle Parteien des Rechtsstreits haben unter Vorlage von mehreren ökonomischen Gutachten Ausführungen zur Methodik der Schadensschätzung gemacht. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagten neuen Vortrag zur Methodik der Schadensschätzung gehalten hätten, auf den die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht hätte eingehen können. Die Klägerin hat ihr Begehren auch nicht spezifiziert.

II. Der Klägerin zu 2) war auch keine Schriftsatzfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren.

1. Gemäß § 139 Abs. 5 ZPO soll das Gericht auf Antrag eine Schriftsatzfrist bestimmen, wenn einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist.

2. Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Soweit die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Erörterungen im Termin begehrt, ist diese ebenfalls nicht zu gewähren. In dem Termin wurden der Klägerin nämlich keine Hinweise erteilt, auf die sie nicht bereits im Termin Stellung genommen hat, und es wurden keine für sie neue, entscheidungserhebliche Tatsachen erörtert.

C. Die Ausführungen der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Januar 2023, der gemäß § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen ist, geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

 

1. Auf Antrag des Beklagten zu 4) wird das Urteil vom 2. März 2023 - 16 O 110/18 Kart - wie folgt berichtigt:

Auf Seite 4 f. der Urteilsabschrift, im letzten Absatz, werden in den Satz „Im Rahmen des electronic-cash-Verfahrens wird (…) an die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen Kopfstellen eine Autorisierungsanfrage gerichtet.“ die Worte „oder beauftragten“ eingefügt, sodass der Satz lautet:

„Im Rahmen des electronic-cash-Verfahrens wird (…) an die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen oder beauftragten Kopfstellen eine Autorisierungsanfrage gerichtet.“

2. Im Übrigen werden die Tatbestandsberichtigungsanträge zurückgewiesen.

- Gründe:

1. Gemäß § 320 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO kann, wenn der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragrafen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche enthält, binnen einer zweiwöchigen Frist nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils durch Einreichung eines Schriftsatzes die Berichtigung beantragt werden.

2. Auf den Antrag des Beklagten zu 4) ist das Urteil vom 2. März 2023 in seinen tatbestandlichen Feststellungen gemäß § 320 Abs. 1 ZPO entsprechend dem Beschlusstenor zu berichtigen.

Der Antrag des Beklagten zu 4) ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt worden.

Auf den Antrag des Beklagten zu 4) ist auf Seite 4 f. der Urteilsabschrift der Satz „Im Rahmen des electronic-cash-Verfahrens wird (…) an die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen Kopfstellen eine Autorisierungsanfrage gerichtet.“ wie im Tenor dargestellt dahingehend zu ergänzen, dass es sich um die von den Beklagten zu 1) bis 4) betriebenen oder beauftragten Kopfstellen handelt.

Der Tatbestand ist insofern unrichtig. Der Beklagte zu 4) hat in seiner Klageerwiderung vom 11. Dezember 2018, unter Rn. 271, dargestellt, dass er die VÖB-VZD Processing GmbH als Kopfstelle lediglich beauftragt hat.

3. Die Tatbestandsberichtigungsanträge des Beklagten zu 3) sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt worden, aber nicht begründet.

a) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 2 (vorletzter Absatz) des Urteils Auslandsbanken von der Aufzählung der Mitglieder des Beklagten zu 1) auszunehmen, ist nicht begründet.

Der Beklagte zu 1) hat in seiner Klageerwiderung vom 11. Dezember 2018, unter Rn. 27, vorgetragen, dass sich Auslandsbanken unter seinen Mitgliedern befinden.

b) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 5 im ersten Absatz des Urteils in der Aussage, dass im Fall einer Online-Autorisierung an die von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen Kopfstellen eine Autorisierungsanfrage gerichtet werde, wie folgt zu ergänzen: „im Fall einer Online-Autorisierung an die – nach streitigen Vortrag der Klägerseite – von den vier Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft, den Beklagten zu 1) bis 4), betriebenen Kopfstellen ..“ ist nicht begründet.

Dem von dem Beklagten zu 3) angeführten Vortrag unter Rn. 138 seiner Klageerwiderung vom 11. Dezember 2018, Rn. 319 seiner Duplik vom 1. April 2021 und Rn. 203 seiner Quadruplik vom 28. Oktober 2022 lässt sich ein Bestreiten des Umstands, dass die Kopfstellen von den Beklagten zu 1) bis 4) betrieben werden, nicht entnehmen.

Im Übrigen ist dem Begehren des Beklagten zu 3) mit der Tatbestandsberichtigung, die das Gericht auf Antrag des Beklagte zu 4) hinsichtlich derselben Textpassage vorgenommen hat, genüge getan.

c) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 5 (zweiter Absatz) des Urteils die Aussage, dass die vom Händler geschuldeten Händlerentgelte von den Netzbetreibern ermittelt, eingezogen und an die Kopfstellen der vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft weitergeleitet werden, wie folgt zu ergänzen: „Die vom Händler geschuldeten Händlerentgelte werden – nach streitigem Vortrag der Klägerseite – von den Netzbetreibern ermittelt, eingezogen und an die Kopfstellen der vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft weitergeleitet.“ ist nicht begründet.

Dem von dem Beklagten zu 3) angeführten Vortrag unter Rn. 138 seiner Klageerwiderung vom 11. Dezember 2018, Rn. 319 seiner Duplik vom 1. April 2021 und Rn. 203 seiner Quadruplik vom 28. Oktober 2022 lässt sich ein Bestreiten des Umstands, dass die Händlerentgelte von den Netzbetreibern ermittelt, eingezogen und an die Kopfstellen der vier Spitzenverbände der deutschen Kreditwirtschaft weitergeleitet werden, nicht entnehmen.

d) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 5 (dritter Absatz) des Urteils bei dem Verweis auf Rn. 37 ff. der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts zu ergänzen: „wobei die Ausführungen des Bundeskartellamts nicht bindend und von den Beklagten teilweise bestritten sind“, ist nicht begründet.

Der Tatbestand verhält sich nicht zur Frage der Bindungswirkung der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts und muss es auch nicht. Der Antrag des Beklagten zu 3) geht insoweit ins Leere.

Der Antrag ist auch unbegründet, soweit geltend gemacht wird, der in der girocard-Entscheidung berichtete Sachverhalt sei teilweise bestritten worden, beispielsweise in Rn. 40. Der Beklagte zu 3) legt nicht konkret dar, welche der in Rn. 40 der in Bezug genommenen girocard-Entscheidung berichteten Tatsachen von den Beklagten in Abrede gestellt worden seien.

e) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 5 f. des Urteils die Aussage, dass es auch ELV-Angebote gibt, die die Übernahme des Ausfallrisikos vorsehen, wie folgt zu ergänzen: „Es gibt auch ELV-Angebote, die die teilweise Übernahme des Ausfallrisikos vorsehen…“ und bei dem hier enthaltenen Verweis auf Rn. 44 ff. der girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts erneut zu ergänzen: „wobei die Ausführungen des Bundeskartellamts nicht bindend und von den Beklagten teilweise bestritten sind“, ist nicht begründet.

Er geht ins Leere, soweit begehrt wird, eine fehlende Bindungswirkung der girocard-Entscheidung in den Tatbestand aufzunehmen (vgl. o.). Im Übrigen ist die Formulierung im Urteilstatbestand nicht unzutreffend. Sie enthält nicht die Aussage, dass es ELV-Angebote gibt, die die vollständige Übernahme des Ausfallrisikos vorsehen.

f) Der Antrag des Beklagten zu 3), auf Seite 6 (zweiter Absatz) des Urteils wiederum bei dem Verweis auf die girocard-Entscheidung des Bundeskartellamts zu ergänzen: „wobei die Ausführungen des Bundeskartellamts nicht bindend und von den Beklagten teilweise bestritten sind“, ist nicht begründet.

Der Antrag geht ins Leere, soweit begehrt wird, eine fehlende Bindungswirkung der girocard-Entscheidung in den Tatbestand aufzunehmen (vgl. o.). Er geht auch im Übrigen ins Leere, weil der Tatbestand an diese Stelle nicht eine Darstellung aus der girocard-Entscheidung übernimmt, die möglicherweise einem Tatsachenvortrag einer Partei entgegenstehen könnte, sondern im Wesentlichen nur den Inhalt der girocard-Entscheidung selbst referiert. Die ergänzende Bezugnahme auf diese girocard-Entscheidung kann insoweit überhaupt nicht im Gegensatz zum Parteivortrag stehen, weshalb auch keine entsprechende Ergänzung angezeigt ist.

 

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