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RdZ-News
26.10.2023
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AG Weiden: Online-Glücksspiel und Zahlungsauslösedienst

AG Weiden, Endurteil vom 21.7.2021 – 2 C 22/21

Volltext des Urteils: RdZL2022-132-1

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Grund eines Zahlungsdiensterahmenvertrages.

Die S. Limited ist ein in England eingetragenes E-Geld- und Zahlungsinstitut und betreibt über ihre Website ein Online-Bezahlsystem. Sie ist bei der britischen Financial Conduct Authority als Zahlungsdienstleister registriert und war bis zum Brexit befugt, ihre Leistungen in Deutschland anzubieten. Die Klägerin ist ein in Irland eingetragenes E-Geld- und Zahlungsinstitut, das ebenfalls unter der Marke „S.“ weltweit auftritt. Sie ist bei der C. Bank of Ireland zugelassen und registriert. Am 04.08.2020 hat die S. Ltd. alle ihre Ansprüche gegen deutsche Zahlungsdienstnutzer an die Klägerin abgetreten.

Der Beklagte eröffnete am 23.04.2016 das hier streitgegenständliche Konto mit der Kunden-Nr. … und der Konto-Nr. … und hinterlegte als Referenzkonto ein Konto bei der U.-Bank. Mit Eröffnung des S.-Kontos akzeptierte der Beklagte deren AGB. Nach 8.6 besteht die Verpflichtung, einen negativen Saldo unverzüglich auszugleichen.

Am 19.06.2017 und 23.06.2017 tätigte der Beklagte insgesamt vier Aufladungen seines SkriII-Kontos in Höhe von insgesamt 311,40 € bei einem bestehenden Saldo von 0,96 €. Die hierfür erforderliche Überweisung des Geldes von seinem Referenzkoto erfolgte über die Nutzung eines Zahlungsauslösedienstes, der Londoner Rapid Transfer, mittels vier individueller TANs. Nach Eingabe der TAN leitete der Zahlungsauslösedienst an die S. Ltd. unmittelbar die Nachricht weiter, dass der Kunde eine Zahlungsanweisung an seine Bank übermittelt hat. Daraufhin schrieb die S. Ltd. Diesen Betrag direkt gut. Der tatsächliche Transfer des Geldes von der Referenzbank auf das Konto der S. Ltd. braucht i.d.R. einige Bankwerktage. Nach Erhalt der Gutschrift auf seinem S.-Konto wies der Beklagte diese an, das Guthaben an das Unternehmen Mr. Gr. weiterzuleiten, was diese auch sofort tat. Allerdings kam der durch den Zahlungsauslösedienstleister in Auftrag gegebene Überweisungsbetrag nie auf dem Konto bei der S. Ltd. an. Die Referenzbank verweigerte die Ausführung der Überweisung mangels Deckung. Das S.-Konto wies in der Folge am 30.06.2017 ein Negativ-Saldo von 310,44 € auf.

Nachdem der Beklagte auf eine Aufforderung der S., das Negativsaldo auszugleichen, nicht reagierte, beauftragte diese das Inkassounternehmen … GmbH mit der Beitreibung der Forderung. Diese forderte mit Schreiben vom 21.09.2017 den Beklagten zur Zahlung bis 05.10.2017 auf. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, den die Klägerin anschließend einschaltete, vom 02.07.2019 wurde der Beklagte erneut zur Zahlung bis 16.07.2019 aufgefordert.

Am 06.12.20 wurde eine Bonitätsermittlung durchgeführt.

Die Klägerin beantragt nach einer Klageerweiterung hinsichtlich des Klageantrags zu 2):

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin insgesamt 473,03 € nebst Zinsen in Höhe von je 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 310,44 € seit 01.07.2017, aus 10,00 € seit 06.10.2017, aus 81,00 € seit 06.10.2017, aus 70,20 € seit 17.07.2019 sowie aus weiteren 1,39 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. 2. Es wird festgestellt, dass die Hauptforderung auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlungberuhte.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die beauftragten Zahlungen seien zum Zwecke des Online-Glücksspiels verwendet worden. Dies sei der S. Ltd. bekannt gewesen, ebenso wie, dass der Beklagte die Zahlung von seinem Standort in Weiden aus in Auftrag gab. Diese sei sogar auf Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit verbotenen Online-Glücksspielen spezialisiert. Der Beklagte ist der Ansicht, dass dadurch, dass nach dem derzeit geltenden Glücksspielstaatsvertrag die Veranstaltung von Online-Glücksspielen in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein verboten und gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit Glücksspiel verboten ist, der S. Ltd. kein Aufwendungsersatz zustehe.

Des Weiteren sei die S. Ltd. nicht in der Unternehmensdatenbank der BaFin eingetragen, sodass ihre Zahlungsdienste für deutsche Kunden als unzulässig einzustufen seien. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 23.06.2021 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Das Amtsgericht Weiden i.d. OPf. ist nach Art. 18 Abs. 2 EuGWO i.V.m. § 13 ZPO örtlich zuständig.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 310,44 € gemäß §§ 675 c Abs. 1, 675 f Abs. 1, 670 BGB zu. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die Ansprüche der S. Ltd. gegen den Beklagten an sie abgetreten wurden.Zwischen den Parteien ist ein Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f Abs. 1 BGB zustande gekommen. Der Zedentin sind Aufwendungen zum Zwecke der Ausführung dieses Vertrages entstanden, indem sie auf Grundlage der vom Beklagten gemäß § 675j Abs. 1 S. BGB autorisierten Zahlungsanweisungen dessen S.-Konto auf Grund von vier Aufladungen zunächst einen Betrag von 311,40 € gutschrieb und diesen Betrag dann an das Unternehmen Mr. Gr. weiterleitete.

Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist nicht nach § 134 BGB nichtig, da ein Verbotsgesetz im Hinblick auf das Anweisungsverhältnis zwischen der Zedentin und dem Beklagten nicht vorliegt. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 1, 4 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten, es ist allerdings nicht Aufgabe des Zahlungsinstituts die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen (BGH, Urteil vom 24.04. 2012 - XI ZR 96/11). Vielmehr ist dies nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Erst wenn die Glückspielaufsicht das Zahlungsinstitut auf die unerlaubte Mitwirkung an einem verbotenen Glücksspiel hingewiesen hat, kann auch dem Zahlungsinstitut die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden (OLG München, Verfügung vom 06.02.2019 - 19 U 793/18). Eine derartige Bekanntgabe der Glücksspielaufsicht an die Zedentin in Bezug auf Mr. Gr. ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, sodass die Überweisungen der Zedentin an Mr. Gr. nicht gegen § 4 Abs. 1, 4 GlüStV verstießen und somit der Zahlungsdiensterahmenvertrag nicht nach § 134 BGB nichtig war.

Die Annahme der Nichtigkeit des ZahIungsdiensterahmenvertrages würde zudem dem Schutzzweck des § 1 des GlüStV zuwiderlaufen, wonach das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindert und der natürliche Spieltrieb in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt werden soll, um sicherzustellen, dass auch die mit Glücksspielen verbundene Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel würde aber gerade in sein Gegenteil verkehrt werden, wenn die Autorisierung von Zahlungsvorgängen auf Grund des GlüStV für nichtig erklärt werden würde. Denn durch das Überweisen der Beträge an das Glücksspielunternehmen, ohne dass diese Aufwendungen dem Zahlungsinstitut erstattet würden, könnte der Spieler ohne eigene Mittel hierzu aufzuwenden Einsätze beim Glücksspielunternehmen tätigen und so das Glücksspiel ohne jegliches fnanzielle Risiko ausführen. Dadurch würde der Anreiz an Glücksspielen teilzunehmen sogar noch gesteigert, ebenso wie der Anreiz hinzukommen würde, das Zahlungsinstitut vorsätzlich und regelmäßig ohne den Einsatz eigener Mittel zu einer Zahlung an das Glücksspielunternehmen zu bewegen und sich auf diese Weise strafbar zu machen (LG München, Urteil vom 28.02.2018 - 27 O 11716/17).

Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist auch nicht etwa mangels Anmeldung der Zedentin bei der BaFin unwirksam. Die Zedentin ist ein in England eingetragenes und zugelassenes Zahlungsinstitut, das berechtigt ist, im EU-Raum seine Dienste anzubieten, ohne bei der BaFin gelistet sein zu müssen.

Die durch die Überweisungen an Mr. Gr. angefallenen Aufwendungen durfte die Zedentin auch für erforderlich halten. Diese hätte die Aufwendungen nur dann nicht für erforderlich halten dürfen, wenn ihr bekannt wäre, dass sie rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen wurde, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn offensichtlich und liquide beweisbar ist oder sich der Verdacht aufdrängen muss, dass dem Empfänger der überwiesenen Beträge eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Beklagten wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nicht zusteht (BGH NJW 2002, 3698).Dass es sich hier um Forderungen aus illegalem Glücksspiel gehandelt hat, war für die Zedentin nicht offenkundig erkennbar, da es in Deutschland auch legale Glücksspielanbieter gibt und von ihr nicht erwartet werden kann, die Empfänger ihrer Überweisungen stets mit der White-List der deutschen Bundesländer abzugleichen, um sich zu vergewissern, dass sie Geld nicht an illegale Glücksspielanbieter überweist. Ein solcher Prüfaufwand würde über die normale Bearbeitung von Zahlungsvorgänge hinausgehen. Die Zedentin konnte vielmehr von einem rechtstreuen Verhalten ihres Kunden ausgehen. Auch ist es für das Zahlungsinstitut nicht erkennbar, ob jedes einzelne vom ihrem Kunden wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt (LG München, Urteil vom 28.02.2018 - 27 O 11716/17).

Die Enıveiterung der Klage auf den Feststellungsantrag war nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem berechtigten Interesse der Klägerin, dass mit Blick auf § 184 Abs. 2 InsO und eine mögliche Verbraucherinsolvenz des Beklagten festgestellt wird, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Der Feststellungsantrag ist allerdings unbegründet. Einen Vorsatz des Beklagten hinsichtlich der Begehung eines Eingehungsbetrugs bzw. einer sittenwidrigen Schädigung hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Allein aus der Tatsache, dass die Überweisung seitens der Bank des Beklagten an die Zedentin mangels Kontodeckung nicht klappte, lässt nicht auf eine Kenntnis des Beklagten von seiner mangelnden Kontodeckung und damit auf einen Vorsatz des Beklagten schließen.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Verzug hinsichtlich der Hauptforderung ist mit Ablauf der im Schreiben des lnkassodienstleisters vom 21.09.2017 zum 05.10.2017 gesetzten Frist am 06.10.2017 eingetreten. Die Voraussetzungen einer Selbstmahnung sind weder schlüssig vorgetragen noch ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht mit der Vornahme einer Rückbuchung vor, zumal die Klägerin nicht von einer Rückbuchung, sondern von einer fehlenden Überweisung durch die Bank des Beklagten mangels Deckung ausgeht.

Die Klägerin hat weiter aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher lnkassokosten in Höhe von 81,00 E sowie der Kosten von 1,39 € für die Einholung einer Bonitätsauskunft. Die diesbezüglichen Zinsforderungen folgen aus §§ 288 Abs. 1, 286, 291 BGB.

Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € steht der Klägerin kein Erstattungsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu, weil sie nach erfolgloser Beauftragung eines Inkassodienstleisters die Beauftragung eines Rechtsanwalts für eine weitere vorgerichtliche Tätigkeit nicht mehr für erforderlich halten durfte.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von 10,00 € Rückbuchungsgebühr aus Ziffer 8.3 ihrer AGB, weil nach ihrem eigenen Vortrag keine Rückbuchung erfolgt ist, sondern davon auszugehen ist, dass die Bank des Beklagten die Ausführung der Überweisung hinsichtlich des streitgegenständlichen Aufladungsbetrages mangels Deckung des Kontos des Beklagten verweigerte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil war nicht nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache weder über eine grundsätzliche Bedeutung verfügt, noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Entscheidung eines Berufungsgerichts erforderlich ist.

Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO auf 325,96 € festgesetzt. Hierbei hat der Feststellungsantrag zu einer Erhöhung um 5% geführt.

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