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RdZ-News
25.02.2021
RdZ-News
FG Nürnberg: Steuerliche Behandlung von Kryptowährungen

FG Nürnberg, Beschluss vom 8.4.2020 – 3 V 1239/19

Volltext des Beschlusses: RdZL2021-65-1

Sachverhalt

I.

Streitig ist in der Hauptsache, ob vom Antragsteller erklärte Einkünfte aus privaten Spekulationsgeschäften durch den Handel mit Kryptowährungen steuerpflichtig sind.

Der unverheiratete Antragsteller wird beim beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Kursleiter sowie aus Gewerbetrieb (Einzelhandel).

Für das Streitjahr reichte der Antragsteller seine Steuererklärung durch elektronische Übermittlung ein.

Mit Bescheid vom 19.07.2019 setzte das Finanzamt anhand der um 23.51 Uhr übermittelten Steuererklärung (Daten zu allgemeinen Angaben, zu den Einkünften aus selbständiger und gewerblicher Tätigkeit sowie zu Vorsorgeaufwendungen und außergewöhnlichen Belastungen) die Steuer für 2017 auf 8.481,- € fest. Die Festsetzung erfolgte teilweise vorläufig, § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung (AO).

Die vom Antragsteller bereits um 23.38 Uhr übermittelte Erklärung zu privaten Veräußerungsgeschäften (Gewinn i. H. v. 102.141 €; lt. Angaben „An- und Verkauf v. Kryptowährungen gem. ges. Aufst.“) blieb unberücksichtigt.

Mit Mail vom 22.07.2019 kündigte der Antragsteller zu der übermittelten Anlage SO weitere wichtige Unterlagen auf dem Postweg an und gab weiter an, zusätzliche Unterlagen einreichen zu wollen, die zur Bearbeitung der Anlage SO unerlässlich seien.

Am 23.07.2019 ging das Schreiben des Steuerpflichtigen beim Finanzamt ein, in dem er darauf hinwies, dass in der Anlage SO Trades im Zusammenhang mit einem Hackerangriff (lt. beigefügter Liste) nicht enthalten seien. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen habe der Antragsteller keinen Gewinn, sondern eher einen Verlust erzielt. Beigefügt war weiter eine Anlage SO, deren Angaben zu den Einkünften aus privaten Veräußerungserlösen denen der elektronisch übermittelten entsprechen. Weitere Dokumente zur Bearbeitung der Anlage kündigte der Antragsteller an.

Am 19.08.2019 erließ das Finanzamt einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid, mit dem die Steuer unter Einbeziehung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 102.141 € auf 50.886,- € heraufgesetzt wurde.

Mit Mail vom 21.08.2019 stellte der Antragsteller dann einen Antrag auf schlichte Änderung des Bescheides vom 22.07.2019 (Posteingang) und begehrte neben der Nachmeldung seiner Beitragsrückerstattung von Krankenkassenbeiträgen noch den zusätzlichen Ansatz von Betriebsausgaben. Mit allen anderen Punkten dieses Steuerbescheides sei der Antragsteller einverstanden.

Den ergänzenden Angaben folgend erließ das Finanzamt am 03.09.2019 einen geänderten Steuerbescheid für 2017, in dem es die Steuer auf 50.435,- € herabsetzte.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - am 06.09.2019 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung.

Zur Begründung legte der Antragsteller ausführlich dar, dass eine Steuerpflicht für Gewinne aus dem Handel mit „Kryptowährungen“ nach aktueller Rechtslage nicht existiere. Auch von der Finanzgerichtsbarkeit würde die Steuerpflicht in Zweifel gezogen werden (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 02.03.2018, 5 K 2508/17 mit Revisionszulassung).

Mit Schreiben vom 11.09.2019 teilte das Finanzamt dem Vertreter des Antragstellers mit, dass es sich bei Kryptowährungen um immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sei zu Recht erfolgt. Dem Antragsteller wurde nahegelegt, den Einspruch bis 09.10.2019 zurückzunehmen oder näher zu begründen. Nach ergebnislosem Fristablauf werde über den Einspruch ohne weitere Erinnerung entschieden.

Gleichzeitig lehnte das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung ab. Die Voraussetzungen lägen nicht vor, weder bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts noch läge eine unbillige Härte vor.

Eine Einspruchsentscheidung ist bis zum Ergehen dieses Beschlusses noch nicht erlassen worden.

Am 18.09.2019 stellte der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten sinngemäß den Antrag,

den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 03.09.2019 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als die Steuerfestsetzung auf der Besteuerung von sonstigen Einkünften in Höhe von 102.141 € beruht,

hilfsweise, die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass es an der nicht näher begründeten Rechtsauffassung des Finanzamts, dass es sich bei den Einnahmen des Antragstellers aus dem Handel mit Kryptowährungen um (steuerpflichtige) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinn des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 EStG handele, erhebliche Zweifel im Sinne des § 69 FGO gebe.

So fehle es an einer verlässlichen gesetzlichen Definition, was unter einer „Kryptowährung“ im Sinne der Steuergesetze zu verstehen sei und auch an konkreten Vorgaben, in welcher Form und welchem Umfang der Steuerpflichtige sie überhaupt erklären müsse. Es gebe derzeit fast ca. 2.300 verschiedene Kryptowährungen, deren Zahl sich täglich verändere. Ob eine Besteuerung von Einnahmen aus Geschäften mit Kryptowährungen auf Grundlage von Gesetzen, die teilweise Jahrzehnte vor dem erstmaligen Auftreten von Kryptowährungen erlassen worden seien, zu erfolgen habe sei sehr fraglich. Vielmehr fehle es an der erforderlichen spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Besteuerung solcher Erträge.

Auch eine qualifizierte Beantwortung der Frage, wie im Einzelnen eine Besteuerung von Erträgen aus Kryptowährungen zu erfolgen habe, durch die Finanzgerichtsbarkeit stehe noch aus. So habe das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 02.03.2018 (5 K 2508/17 zum Handel mit Finaltickets) sich auch zu Spekulationsgewinnen mit Kryptowährungen geäußert und habe auch insoweit ein strukturelles Vollzugsdefizit bejaht. Letztlich wären die Finanzbehörden auf die freiwilligen Angaben der (steuerehrlichen) Steuerpflichtigen angewiesen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Qualifizierung der einzelnen Kryptowährungen als Wirtschaftsgut existiere ebenfalls nicht.

Soweit sich das Finanzamt auf den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.06.2019 13 V 13100/19 berufe, übersehe es, dass sich diese Entscheidung in der Begründung vornehmlich mit der Kryptowährung „Bitcoins“ beschäftige (obwohl es sich in dem Fall konkret um die Währung Ethereum gehandelt habe). Die Argumentationen zum Bitcoin übernehme das Finanzamt für den Streitfall, ohne zu berücksichtigen, dass es sich hier fast ausschließlich um andere - weniger etablierte - Kryptowährungen handele. Dass es sich bei jeder denkbaren Kryptowährung um ein „Wirtschaftsgut“ im Sinne der BFH-Rechtsprechung handele, sei letztlich auch nur eine Behauptung „ins Blaue hinein“. Selbst eine etablierte Kryptowährung wie der Bitcoin weise eine extreme Volatilität auf, wie sich schon in der Vergangenheit und auch anhand der aktuellen Coronakrise gezeigt (Kursverlust um 45% innerhalb einer Woche) habe. Dass es sich daher bei sogar wesentlich weniger etablierten Kryptowährungen stets um „Vorteile“ handele, die sich der Kaufmann etwas kosten lasse, sei somit nicht nachvollziehbar.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist es zunächst darauf, dass es keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage bedürfe, um Erträge aus Geschäften mit Kryptowährungen zu besteuern. § 23 EStG regele die Veräußerung von Wirtschaftsgütern; ob es sich im konkreten Einzelfall tatsächlich um ein Wirtschaftsgut handele, müsse anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Der Hinweis auf das Urteil des FG Baden-Württemberg gehe fehl, da diese Entscheidung nicht zu Kryptowährungen ergangen sei, sondern diese nur am Rande erwähnt habe. Aus Sicht des Finanzamts sei vielmehr auf die Entscheidung im vorläufigen Verfahren des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.06.2019 (13 V 13100/19) zu verweisen. Diese Entscheidung sei zur Veräußerung von Bitcoins ergangen und das Gericht hätte keine Zweifel daran gehabt, dass die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei sog. Krypto-Assets gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zulässig sei. Unter Wiedergabe der Ausführungen des Finanzgerichts BerlinBrandenburg schließe sich das Finanzamt diesen Ausführungen an.

Dass die Finanzverwaltung von der Erfüllung der Mitwirkungspflichten durch die Steuerpflichtigen faktisch abhängig seien und die meisten solche Gewinne nicht angeben würden, sei möglich, aber nicht belegt. Auch von anderen privaten Veräußerungsgeschäften erfahre die Finanzverwaltung nicht automatisch; dies könne aber im Streitfall nicht dazu führen, dass dem Steuerehrlichen allein deswegen eine AdV gewährt werden müsse.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die dem Gericht vorgelegten Akten (Einkommensteuerakte 2017, Rechtsbehelfsakte) verwiesen.

Aus den Gründen

II. Der Antrag ist begründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel für den Senat für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung für das Einspruchsverfahren ausreichende ernsthafte Zweifel.

1. Der Antrag nach § 69 FGO ist zulässig. Gegen den streitigen Einkommensteuerbescheid wurde fristgerecht Einspruch eingelegt, über den nach Kenntnis des Senats noch nicht entschieden ist. Die Aussetzung der Vollziehung wurde zunächst beim Finanzamt beantragt und mit Schreiben des Finanzamts vom 11.09.2019 abgelehnt. Damit sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen und besonderen Zugangsvoraussetzungen für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht erfüllt.

2. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999 [BB 2014, 1508 m. BB-Komm. Winkelhog]). Es genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, zu § 69 Tz. 89 m. w. N.). Zweifel können sich somit aus rechtlichen wie aus tatsächlichen Gründen ergeben. Voraussetzung einer „richtigen“ Entscheidung ist die vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des Sachverhalts, über den zu entscheiden ist (§ 88 AO). Kommt die Finanzbehörde diesen Anforderungen nicht nach, können ernstliche Zweifel hinsichtlich des Sachverhalts bestehen. Solche Zweifel bestehen dann, wenn die Finanzbehörde eine Entscheidung getroffen hat, ohne den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, zu § 69 Rn. 167 m. w. N.). Rechtliche Zweifel können auch bestehen, weil der BFH zu einer Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und die Finanzgerichte unterschiedlich geurteilt haben (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 91 m. w. N.).

Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Das Finanzgericht stellt insoweit im vorläufigen Verfahren keine Ermittlungen an. Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung die Regeln über die Feststellungslast (z. B. Beschluss des BFH vom 15.01.1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994).

3. Im Streitfall sind nach den aufgeführten Grundsätzen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO zur Überzeugung des Senats im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung erfüllt.

Der Senat geht für das vorläufige Verfahren ohne nähere Prüfung davon aus, dass zwar das Finanzamt jeweils zur Änderung der Bescheide befugt war; letztlich erfolgten diese Änderungen entsprechend der Erklärung bzw. des Antrags des Steuerpflichtigen vor Eintritt der Bestandkraft. Der letzte Bescheid vom 03.09.2019 unterliegt aufgrund des rechtzeitigen Einspruchs des Antragsstellers der uneingeschränkten Überprüfung im Verfahren.

a) Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids im vom Antragsteller begehrten Umfang ist im Streitfall nach Auffassung des Senats alleine schon deshalb gerechtfertigt, weil das Finanzamt einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften besteuert, ohne den zugrundeliegenden Sachverhalt aufgeklärt zu haben. Nach Aktenlage wurde bislang überhaupt nicht geprüft, was eigentlich besteuert werden soll. Nach § 88 AO hat die Finanzbehörde den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu überprüfen. Wie im Streitfall der angegebene Gewinn aus dem „An- und Verk. von Kryptowährungen“ (so in der Erklärung) ermittelt wurde bzw. die „Kalkulation des privaten Veräußerungsgeschäfts nach der FIFO-Methode gemacht“ wurde (so im Schreiben des Antragstellers mit Eingang am 24.07.2019) erschließt sich dem Senat aus den bislang vorliegenden Unterlagen nicht. Es ist nicht bekannt, um welche von den zahlreichen Kryptowährungen (nach Angaben des Antragstellers im Wesentlichen keine Bitcoins sondern diverse andere) es sich im Streitfall handelt, welche Vorgänge der Antragsteller als An- bzw. Verkauf qualifiziert hat und wie genau er die Zeitpunkte der Vorgänge ermittelt hat. Insoweit „aufklärende“ Unterlagen wurden vom Steuerpflichtigen angekündigt aber nicht eingereicht und nach Aktenlage auch vom Finanzamt bislang nicht angefordert. Nach Ansicht des Senats hätte dies allerspätestens mit Anforderung der (ergänzenden) Einspruchsbegründung geschehen müssen. Auf Basis der bisherigen Angaben und Unterlagen kann der Senat nicht prüfen, ob im Streitfall ein steuerpflichtiger Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften vorliegt. Da es sich hierbei um einen steuerhöhenden Sachverhalt handelt, trägt die Finanzbehörde insoweit die Feststellungslast.

Aus Sicht des Senats kann dem nicht entgegengehalten werden, dass den Angaben des Steuerpflichtigen gefolgt werden konnte und er diese Angaben gegen sich gelten lassen müsse. Dies mag bei einfachen Sachverhaltsangaben gelten, nicht aber wenn es sich um eine tatsächlich und rechtlich komplexe Beurteilung geht, wie im Streitfall um die Einordnung von Erträgen aus Geschäften mit verschiedenen Kryptowährungen als steuerpflichtige private Veräußerungsgewinne im Sinne des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 EStG.

Der Senat sieht im Streitfall auch keine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Antragstellers, die zu dessen Lasten gewertet werden könnte. Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO des Steuerpflichtigen ist dabei das oberste und unentbehrlichste Mittel zur Verwirklichung der Aufklärungspflicht (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO Tz. 1). Für eine (vorwerfbare) Verletzung der Mitwirkungspflicht sieht der Senat dann keinen Raum, wenn der Steuerpflichtige überhaupt nicht zur Mitwirkung aufgefordert und herangezogen wird. Das Finanzamt selbst hat in seiner Stellungnahme festgestellt, dass im Streitfall dem Antragsteller seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat.

b) Neben den tatsächlichen Zweifeln sieht der Senat im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung nach den vorgenannten Grundsätzen auch ausreichend rechtliche Zweifel, die die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids im begehrten Umfang rechtfertigen.

So ist die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen soweit ersichtlich bisher noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen. Dem Finanzamt mag zwar zuzugeben zu sein, dass die bestehenden steuerlichen Vorschriften ausreichend sind, konkret die Besteuerung von Geschäftsvorfällen mit einer Kryptowährung zu beurteilen. So kann möglicherweise eine konkrete Kryptowährung ein Wirtschaftsgut darstellen und somit ihr An- und Verkauf nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Satz 1 EStG einen Besteuerungstatbestand erfüllen. Finanzgerichtliche Rechtsprechung in dem Sinne liegt hierzu - ebenso wenig wie Rechtsprechung des BFH - nicht vor. Lediglich das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 02.03.2018 5 K 2508/17 (EFG 2018, 1167; zu An- und Verkauf von Finaltickets) am Rande durchblicken lassen, dass es eine Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Kryptowährungen ebenso wenig für zulässig halte wie die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Geschäften mit Finaleintrittskarten. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat demgegenüber in seiner Entscheidung im Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz (Beschluss vom 20.06.2019 13 V 13100/19, BB 2020, 46) keine Zweifel gehabt, dass Spekulationen mit Kryptowährungen nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Satz 1 EStG steuerpflichtig seien. Diese Entscheidung, auf die sich das Finanzamt fast ausschließlich bezieht und deren Argumentation sich zu eigen macht, ist dem Senat nicht nachvollziehbar. So scheint es sich nach Sachverhalt dort um die Besteuerung von Geschäften mit der Währung ETH (Ethereum) zu handeln. In der Begründung der Entscheidung ist dann vielfach von Bitcoins und allgemein von Kryptowährungen die Rede. Weiter heißt es in der Begründung, dass sich aus technischen Abläufen relevante Besonderheiten ergäben, die gegen die Einordnung als Wirtschaftsgut sprechen, derzeit nicht ersichtlich seien. Weiter heißt es dann: „Eine ggf. notwendige Auseinandersetzung mit den Einzelheiten technischer Abläufe wäre - wenn man ihnen im Hinblick auf die bislang gängige Definition des Wirtschaftsgutes überhaupt Relevanz zuerkennen will - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.“ Nach Auffassung des Senats spricht dieser letzte Satz eher dafür, dass auch in dem dort entschiedenen Verfahren, die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung angezeigt gewesen wäre. Letztlich sollte bei der Qualifizierung einer „Kryptowährung“ als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein - und hier schließt sich der Kreis zum fehlenden Sachverhalt im Streitfall - worüber man eigentlich entscheidet.

Im Streitfall war daher aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Aussetzung der Vollziehung im begehrten Umfang zu gewähren.

4. Zur Aussetzung in Abhängigkeit von einer Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO) sieht der Senat keine Veranlassung. Zu einem etwaigen Sicherungsbedürfnis des Steuergläubigers ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum „Vorverfahren“ konnte vom Senat nicht erklärt werden, da ein Vorverfahren im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nur das der Klage vorausgegangene und über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch) geführte Verwaltungsverfahren ist, welches der Überprüfung des Bescheids durch die Verwaltung dient.

Diese Voraussetzung ist bei einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO im Verhältnis zum gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO regelmäßig nicht gegeben (vgl. Gräber/Stapperfend, 9. Aufl. 2019, FGO § 139 Rn 121 m. w. N.)

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