OLG Dresden: Zur Darlegungs- und Beweislast beim Kartenmissbrauch
OLG Dresden, Urteil vom 13.3.2024 – 5 U 589/23
ECLI: DE:OLGDRES:2024:0313.5U589.23.00
Volltext des Urteils: RdZL2024-205-1
Aus den Gründen
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse auf Erstattung wegen unautorisierter Verfügungen mit einer Zahlungskarte in Anspruch.
Die Klägerin unterhält ihr Girokonto bei der Beklagten, die der Klägerin eine Zahlungskarte (Debitkarte) zur Verfügung gestellt hat. Die Beklagte hat das Konto der Klägerin mit 10.456,56 € belastet, die aus Kartenverfügungen stammen. Die Klägerin meint, die Belastungen seien zu Unrecht vorgenommen worden. Die Beklagte hat der Klägerin 43,83 € erstattet und lehnt eine weitere Gutschrift ab.
Die Klägerin behauptet, sie habe die zur Karte gehörige PIN auswendig gelernt und von der PIN keine Notizen oder Aufzeichnungen gemacht. Sie habe die Zahlungskarte in einem Portemonnaie bei sich geführt, das sie in der Handtasche verwahrt habe. Sie habe die Zahlungskarte zuletzt am 09.07.2020 eingesetzt gehabt. Am 13.07.2020 habe sie verschiedene Einkäufe getätigt, die sie bar bezahlt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Geldbörse noch vorhanden gewesen. Am Mittag des 14.07.2020 habe die Klägerin, als sie einkaufen gehen wollte, gemerkt, dass ihre Geldbörse fehlte. Nach erfolgloser Suche habe sie im Online-Banking gesehen, dass im Zeitraum vom 13.07.2020,14:25 Uhr, bis 14.07.2020, 12:19 Uhr, über mehrere tausend Euro missbräuchlich verfügt worden sei, woraufhin sie sofort sämtliche Karten habe sperren lassen. Die Karte sei in 40 Fällen missbräuchlich verwendet worden, und zwar überwiegend als Zahlungsmittel bei Einkäufen, und einmal zur Bargeldabhebung an einem Sparkassenautomaten. Dabei sei ein Schaden von 10.456,56 € entstanden, den die Beklagte dem Girokonto der Klägerin belastet habe.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe die streitigen Zahlungsvorgänge nicht ordnungsgemäß authentifiziert und dokumentiert, so dass nicht geprüft werden könne, ob die Beklagte ein ordnungsgemäß und fehlerfrei funktionierendes Sicherheitssystem angewendet habe. Die Beklagte habe den Schaden zu ersetzen, weil die Klägerin die missbräuchlichen Verfügungen nicht durch grobe Fahrlässigkeit ermöglicht habe. Da Verfügungen teilweise in kurzen Zeitabständen an unterschiedlichen Orten vorgenommen worden seien, müsste eine Kartendoublette eingesetzt worden sein. Ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass die Klägerin durch einen pflichtwidrigen Umgang mit der PIN die missbräuchlichen Verfügungen ermöglicht habe, sei hier nicht anzuwenden. Bargeldabhebungen oder Zahlungen an automatisierten Kassen könnten nicht nur durch das online-Auslesen des EMV-Chips erfolgen, sondern auch durch Auslesen des Magnetstreifens. Die Magnetstreifen seien nicht fälschungssicher. Nach den Unterlagen der Beklagten seien die meisten Zahlungsvorgänge ‚offline‘ erfolgt. Die Beklagte habe die für einen Zahlungsvorgang erforderliche starke Kundenauthentifizierung nicht ordnungsgemäß angewendet.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem bei der Beklagten unterhaltenen Konto der Klägerin mit der IBAN xxx den Betrag in Höhe von insgesamt € 10.412,72 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2020 gutzuschreiben;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.074,16 freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat erstinstanzlich die Meinung vertreten, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Wiedergutschrift der abgebuchten Beträge zu. Es greife der Anscheinsbeweis ein, dass die Abbuchungen entweder durch die Klägerin selbst oder durch eine grob fahrlässige gemeinsame Verwahrung der Karte und der PIN ermöglicht worden seien. Die Kartenzahlungen sowie die Abhebung seien unter Verwendung der EC-Karte der Klägerin und der Eingabe der PIN erfolgt. In dem einzigen Fall einer Zahlung per Magnetstreifen habe die Beklagte die Zahlung erstattet. Es treffe nicht zu, dass die Täter die auf dem Chip befindliche PIN auslesen hätten können. Im deutschen Geldautomaten-System würden nur noch chipgestützte Transaktionen verarbeitet, die auf dem EMV-Standard beruhten. Ein erfolgreicher Angriff auf den verschlüsselten Code sei bis heute ausgeschlossen. Die PIN werde nach kryptografischer Sicherung zu Rechenzentren übertragen und dort überprüft. Die Zahlungsvorgänge seien unter dem Einsatz der Originalkarte und Eingabe der PIN in Gang gesetzt und wirksam autorisiert worden, sodass der Beklagten ein Aufwendungsersatzanspruch zustehe. Die Klägerin habe ihre PIN durch einen sorgfaltswidrigen Umgang einem Dritten zugänglich gemacht. Es greife zulasten der Klägerin der Anscheinsbeweis ein, dass bei Verwendung der Originalkarte und einem störungsfreien Auszahlungsvorgang der Dritte die Kenntnis von der PIN infolge gemeinsamer Verwahrung der PIN mit der Karte erlangt habe.
Die 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. SV1. Der Sachverständige hat unter dem 07.05.2022 sein Gutachten erstattet und unter dem 30.07.2022 ein Ergänzungsgutachten vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Daran anschließend hat die 9. Zivilkammer die Klage mit Urteil vom 01.03.2023 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Wiedergutschrift des geltend gemachten Betrags von 10.412 ‚72 € zu. Vielmehr habe die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c Abs. 1, 675, 670 BGB. Das Gericht sei aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass die streitgegenständlichen Zahlungsvorgänge vom 13. und 14.07.2020 unter Verwendung der Originalkarte und dazugehöriger PIN erfolgt seien. Der Sachverständige sei außerdem zu dem Ergebnis gelangt, dass die PIN weder aus dem EMV-Chip noch aus dem Magnetstreifen der Karte der Klägerin ausgelesen oder errechnet werden konnte. Es sei auch nicht möglich, dass einer oder mehrere Zahlungsvorgänge durch eine Kartendoublette erfolgt seien. Den streitgegenständlichen Verfügungen habe nach den Ausführungen des Sachverständigen ein allgemein praktisch nicht zu überwindendes und im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendetes und fehlerfrei funktionierendes Sicherheitssystem zugrunde gelegen. Dies sei durch technische Vorgaben und Standards, regulatorische Anforderungen, permanente Audits und Penetrationstests sichergestellt. Für die Einholung eines neuen Gutachtens seien keine Anhaltspunkte vorhanden. Der Sachverständige habe die Beweisfragen vollständig und widerspruchsfrei beantwortet. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche es dem typischen Geschehensablauf, dass bei der Abhebung durch einen Dritten mit der Originalkarte die Verwahrung der PIN gemeinsam mit der Karte Ursache dafür ist, dass dem Dritten die Autorisierung des Auszahlungsvorgangs überhaupt möglich war.
Gegen das ihr am 10.03.2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 03.04.2023 eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Fristverlängerung mit am 06.06.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Mit der Berufung rügt die Klägerin, das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden beruhe auf einem Verfahrensfehler und auf einer Rechtsverletzung, weil es allein aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Dokumentation der streitigen Zahlungsvorgänge ausreichend war, die Zahlungen autorisiert und mit der Originalkarte der Klägerin und zugehöriger PIN vorgenommen worden sind, und dass das Sicherheitssystem der Beklagten im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden ist und funktioniert hat. Das für die
Überzeugungsbildung des Gerichts beigezogene Gutachten sei nicht geeignet, zu einer solchen Würdigung zu gelangen. Das Gutachten sei in einzelnen Passagen widersprüchlich, fehlerhaft und unsubstantiiert. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung am 01.03.2023 Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens gestellt, dessen Ablehnung fehlerhaft gewesen sei. Ferner genüge die Beweiswürdigung im Urteil des Landgerichts Dresden nicht den Anforderungen der Rechtsprechung zu §§ 286, 287 ZPO.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 01.03.2023, Az. 9 O 9/21, die Beklagte zu verurteilen, dem bei der Beklagten unterhaltenen Konto der Klägerin mit der IBAN xxx den Betrag in Höhe von insgesamt € 10.412,72 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2020 gutzuschreiben.
2. Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.074,16 freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil und trägt ergänzend vor.
Zum weiteren Vortrag der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil die Klage unbegründet ist. Die Entscheidung der 9. Zivilkammer des Landgerichtes Dresden enthält insoweit keinen Rechtsfehler.
Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil zwar die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedergutschrift des Klagebetrags aus § 675u S. 2 BGB hat, dem aber die Beklagte im Wege der dolo-agit-Einrede (§ 242 BGB) einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aus § 675v Abs.1 und 3 BGB in gleicher Höhe entgegenhalten kann.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch auf Wiedergutschrift aus § 675u S. 2 BGB, weil nicht-autorisierte (§ 675j Abs. 1 S. 1 BGB) Zahlungsvorgänge (§ 675f Abs. 4 S. 1 BGB) vorgenommen worden sind.
Die Zahlungsvorgänge, also die Zugriffe auf das Zahlungskonto (BeckOGK/Foerster BGB § 675f Rn. 63) der Klägerin, aus denen die Klagesumme resultieren, sind unstreitig.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Zahlungsvorgänge ohne ihre Zustimmung (Autorisierung, § 675j Abs. 1 S. 1 BGB) erfolgt seien. Vielmehr sei ihre Bankkarte gestohlen worden, und sodann Kartenverfügungen durch Missbrauchstäter vorgenommen worden. Die Beklagte bestreitet dies zulässig mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO).
Die Verteilung der Beweislast für die Autorisierung (§§ 675c Abs. 1, 670 BGB) bzw. die fehlende Autorisierung (§ 675u S. 2 BGB) ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht eindeutig geklärt. Der BGH hat in einem Fall des Online-Banking und nach Beendigung der Geschäftsverbindung entschieden, dass ein Aufwendungsersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsdienstnutzer (§§ 675 c Abs. 1, 670 BGB) auf Zahlung des nach Kündigung des Geschäftsgirovertrags vorhandenen Sollsaldos den vom Zahlungsdienstleister zu erbringenden Nachweis einer Zustimmung des Zahlers (Autorisierung) zu der streitigen Überweisung nach § 675j Abs. 1 S. 1 BGB voraussetze (Urt. v. 26.01.2016 – XI ZR 91/14, Rn. 14). § 675u S. 2 BGB und die abweichende Beweislastverteilung in dieser Norm zieht der BGH dabei nicht in Betracht. Demnach liegt die Beweislast für die Autorisierung bei der Beklagten.
Nach anderer Ansicht liegt die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Autorisierung beim Zahlungsdienstnutzer, der den Erstattungsanspruch aus § 675u S. 2 BGB geltend macht und sich zu seinem Vorteil auf diese Norm beruft (AG Köln v. 12.03.2019 – 112 C 325/17; Haertlein, ZZP 130 (2017), 357, 366 ff.; MünchKommHGB/Haertlein, 5. Aufl. 2023, Bankkartenverfahren Rn. 145; BeckOGK/M. Zimmermann BGB § 675u Rn. 24). Folglich wäre die Klägerin mit dem Beweis fehlender Autorisierung belastet.
Diese Frage braucht hier jedoch ebenso wenig entschieden zu werden wie der hiermit im Zusammenhang stehende Einfluss von § 675w S. 1 BGB auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beim Erstattungsanspruch aus § 675u S. 2 BGB (dazu BeckOGK/Hofmann BGB § 675w Rn. 14; MüKoBGB/Zetzsche BGB § 675w Rn. 1, 2). Denn der Senat ist unter Berücksichtigung des Prozessstoffes nach § 286 Abs. 1 ZPO zu der Überzeugung gelangt, dass nicht die Klägerin, sondern wie vorgetragen ein Missbrauchstäter die streitgegenständlichen Kartenverfügungen vorgenommen hat. Es wurde vorgetragen und zugestanden, dass mit der Karte innerhalb kürzester Zeit und im engen räumlichen Zusammenhang innerhalb Dresdens 40 Verfügungen vorgenommen wurden, darunter Käufe einer Vielzahl von Nahverkehrs-Monatsfahrkarten in ununterbrochener Abfolge. Dies weicht völlig vom bisherigen Nutzerverhalten der Klägerin ab, und die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erklärt, dass die Fahrkartenkäufe für sie nicht nachvollziehbar seien. Ferner hat die Beklagte erklärt, dass sie ihr Bestreiten einzig aus prozesstaktischen Gründen aufrechterhalte. Angesichts der Einzelfallumstände kann daher eine Kartennutzung durch die Klägerin in den streitgegenständlichen Fällen praktisch ausgeschlossen werden, so dass der Vortrag des Kartendiebstahls und -missbrauchs als wahr zu erachten war.
2. Die Beklagte hat jedoch gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus § 675v Abs. 1, 3 BGB, den sie dem Klageanspruch im Wege der „dolo agit“-Einrede entgegenhalten kann. Würde die Beklagte den Erstattungsanspruch erfüllen, dann könnte sie sofort Schadensersatz von der Klägerin in gleicher Höhe verlangen. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs wäre daher eine missbräuchliche Rechtsausübung (§ 242 BGB).
a) Die Beklagte hat gegen die Klägerin zum einen den auf € 50 beschränkten verschuldensunabhängigen Anspruch aus § 675v Abs. 1 BGB. Gemäß § 675v Abs. 1 BGB kann der Zahlungsdienstleister vom Zahler – gemeint ist hier der Zahlungsdienstnutzer (MünchKommHGB/Haertlein, 5. Aufl. 2023, Bankkartenverfahren Rn. 108) – Schadensersatz von bis zu € 50 verlangen, wenn nicht-autorisierte Zahlungsvorgänge auf der Nutzung eines verloren gegangenen, gestohlenen oder sonst abhandengekommenen Zahlungsinstruments oder auf der sonstigen missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsinstruments beruhen. Die Bankkarte der Klägerin wurde zur Überzeugung des Senates (s.o.) gestohlen und anschließend missbräuchlich verwendet. Damit sind die Voraussetzungen des verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs von bis zu € 50 erfüllt. Zu den Ausnahmen von dieser Haftung (§ 675v Abs. 2 BGB), für die der Zahlungsdienstnutzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, ist nichts vorgetragen.
b) Die Beklagte hat zum anderen einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch in Höhe des Klagebetrags aus § 675v Abs. 3 BGB gegen die Klägerin.
aa) Gemäß § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB ist der Kunde seinem Zahlungsdienstleister zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn der Kunde den Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung gesetzlicher (§ 675l Abs. 1 BGB) oder vertraglicher Pflichten im Umgang mit dem Zahlungsinstrument herbeigeführt hat. Grob fahrlässig ist es, eine Bankkarte und eine Notiz der zugehörigen PIN gemeinsam aufzubewahren (MüKoBGB/Zetzsche BGB § 675v Rn. 47 mwN., ebenso A II Nr. 14.1 Abs. 6 S. 2 Sonderbedingungen Sparkassen).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich die grobe Fahrlässigkeit ergibt, trägt der Zahlungsdienstleister, der den Schadensersatzanspruch geltend macht (MünchKommHGB/Haertlein, 5. Aufl. 2023, Bankkartenverfahren Rn. 156).
Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie die PIN auswendig gelernt und keine Notizen oder Aufzeichnungen von der PIN gemacht hatte. Die Beklagte kann dazu naturgemäß nichts vorbringen, weil die maßgeblichen Umstände außerhalb ihres Wahrnehmungsbereichs liegen. Jedoch kann zugunsten des Zahlungsdienstleisters ein Anscheinsbeweis für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Kunden gelten, wenn wie hier eine Bankkarte zeitnah nach dem Diebstahl unter Eingabe der richtigen PIN verwendet wird (BGH, Urt. v. 26.01.2016 – XI ZR 91/14; OLG Stuttgart, Urt. v. 08.02.2023 – 9 U 200/22; OLG Dresden, Urt. v. 06.02.2014 – 8 U 1218/13).
Danach hat die Beklagte gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch aus § 675v Abs. 3 BGB, wenn sie beweist, dass die streitgegenständlichen Zahlungsvorgänge, die hier unstreitig sind, mit der Originalkarte und zutreffender PIN (BGH, Urt. v. 29.11.2011 – XI ZR 370/10, Rn. 18) ausgelöst worden sind (§ 675w BGB), und der Kartenmissbrauch durch grobe Fahrlässigkeit der Klägerin herbeigeführt wurde. Bei der groben Fahrlässigkeit gilt der Anscheinsbeweis, dass ein Dritter nach der Entwendung der Karte von der PIN nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte, sofern die Bank beweist, dass bei der Nutzung des Zahlungsinstruments ein Sicherheitssystem angewendet wurde, das allgemein praktisch nicht zu überwinden war, im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat (BGH, Urt. v. 26.01.2016 – XI ZR 91/14).
bb) Diese Beweise sind der Beklagten gelungen.
aaa) Die 9. Zivilkammer hat Beweis durch Sachverständigen erhoben und im Anschluss an die gutachterlichen Ausführungen das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen bejaht. An diese Feststellungen ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Diese Bindung entfällt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urt. v. 04.09.2019 – VII ZR 69/17 und Urt. v. 16.08.2016 – X ZR 96/14).
Das ursprüngliche Gutachten bejaht alle Beweisfragen einschränkungslos, das Ergänzungsgutachten machte die Einschränkung, dass Verfahrensfehler möglich seien, aber eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit haben. Das Landgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei seine Überzeugung von den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises auf die Reputation des Sachverständigen und darauf gestützt, dass das Gutachten überzeugend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar sei.
bbb) Ohne Erfolg rügt die Klägerin die Unzulänglichkeit des Gutachtens und Mängel bei der Überzeugungsfindung durch die 9. Zivilkammer.
(1) Die Klägerin meint, die Beweiswürdigung im Urteil des Landgerichts Dresden genüge den Anforderungen nicht, die von der Rechtsprechung zu §§ 286, 287 ZPO entwickelt worden sind. Dies sei der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Hiervon sei unter anderem dann auszugehen, wenn das erstinstanzliche Gericht Widersprüche oder Unklarheiten eines bei der Entscheidung verwerteten Sachverständigengutachtens nicht aufgeklärt hat. Erkennbar widersprüchliche oder unklare Gutachten seien keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts.
An diesem Maßstab gemessen ist kein Verfahrensfehler festzustellen. Die Beweiswürdigung ist weder unvollständig noch widersprüchlich, und sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze. Die Zivilkammer hat die Einwände der Klägerin gegen das Gutachten durch Übermittlung eines Fragenkatalogs an den Gutachter und durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens berücksichtigt und damit Aufklärung möglicher Unklarheiten und Widersprüche betrieben, und das Gutachten ist schließlich auch nicht erkennbar widersprüchlich oder unklar.
(2) Es liegt auch kein ungenügendes Gutachten im Sinne des § 412 Abs. 1 ZPO vor, so dass kein Ergänzungsgutachten einzuholen war. Ein Gutachten ist ungenügend, wenn es mangelhaft – also unvollständig, widersprüchlich bzw. nicht überzeugend - ist, wenn es von unzutreffenden Anschlusstatsachen ausgeht, wenn der Sachverständige nicht die erforderliche Sachkunde hat, wenn die Anschlusstatsachen sich durch neuen Parteivortrag geändert haben oder wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Lösung der Frage gibt (MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 412 Rn. 2). Dabei darf das Gericht nicht die Verwertung eines Gutachtens davon abhängig machen, ob es selbst imstande ist, die Richtigkeit der wissenschaftlichen Lehre und deren Anwendung auf den Einzelfall nachzuprüfen (BGH, Urteil v. 12.04.1951 – IV ZR 151/50; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl. 2015, § 412 Rn. 4). Es reicht aus, wenn das Gutachten für das Gericht nur im Gedankengang nachvollziehbar ist (BGH, Urt. v. 17.02.1970 - III ZR 139/67).
Daran gemessen dringt die Klägerin mit ihren Angriffen gegen das Gutachten nicht durch.
Soweit die Klägerin die Unvollständigkeit der von der Beklagten vorgelegten Protokolle rügt, hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten vom 30.07.2022 zu den Protokollen und deren Umfang und Aussagekraft hinreichend und nachvollziehbar ausgeführt und insbesondere zu den Signaturen und dem „gekürzten“ Protokollinhalt plausibel dargelegt, warum die Protokolle eine tragfähige Grundlage für seine Schlussfolgerungen darstellen. Dies ist nicht zu beanstanden. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin sind hingegen bloß spekulativ und theoretisch.
Weiter rügt die Klägerin mit der Berufung, dass der Sachverständige das Vorliegen von Verfahrensfehlern offengelassen und nicht retrospektiv geprüft habe.
Auch dies führt nicht dazu, dass das Gutachten ungenügend (§ 412 Abs. 1 ZPO) ist. Der Sachverständige hat eine klare und nachvollziehbare Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit von Verfahrensfehlern gegeben („verschwindend gering“). Es ist nicht selten, dass Sachverständige die Wahrheit nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit festzustellen vermögen; dies ist kein Hinweis auf ein mangelhaftes Gutachten, sondern kann im Gegenteil auf besondere Sorgfalt des Sachverständigen hindeuten. Ferner darf ein Gericht seine Überzeugung auf eine nachvollziehbare Prognose des Grades „verschwindend gering“, wie hier, stützen. Denn das Gericht darf und muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urt. v. 17.02.1970 - III ZR 139/67).
Zum Einsatz einer Originalkarte statt einer Doublette und dem Einsatz und dem Auslesen des Magnetstreifens hat der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar erklärt, dass die Magnetstreifen nur bei Notfallbetrieb eingesetzt würden, es zu einem solchen Notfallbetrieb aber nie gekommen sei. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin sind wiederum nur pauschaler Natur und lassen die Überzeugungskraft der gutachterlichen Ausführungen unberührt. Dies gilt umso mehr, als der Sachverständige aufgrund der vorliegenden Protokolle den Schluss gezogen hat, dass sämtliche Zahlungsvorgänge mittels EMV-Chip durchgeführt wurden. Der EMV-Chip sei nach aktuellem Erkenntnisstand nicht fälschbar. Der Hinweis der Klägerin auf einen anderslautenden Bericht des LKA Berlin v. 28.09.2020 vermag dagegen nichts auszurichten. Dieser Bericht verbrieft keine neue wissenschaftliche Erkenntnis, wie dies aber erforderlich wäre, damit das Gutachten als ungenügend zu bewerten wäre.
Ebenfalls ohne Erfolg ist der Einwand der Berufung, zwei der streitgegenständlichen Zahlungen seien in einer räumlichen Entfernung und in einem so engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden, dass sie nicht mit einund derselben Karte vorgenommen sein können. Diesen Einwand hat der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise durch den Hinweis entkräftet, dass der Zeitstempel der Händlergeräte nur die jeweils eingestellte und damit geräteabhängige Systemuhrzeit wiedergebe, nicht aber eine richtige Uhrzeit. Die interne Uhr eines Terminals könne Abweichungen von anderen Systemuhren aufweisen. Dies ist eine schlüssige und nachvollziehbare Erklärung, bei der der Sachverständige aus sachkundiger Erfahrung spricht.
(3) Ohne Rechtsfehler hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden schließlich annehmen dürfen, dass ein Sicherheitssystem vorgelegen habe, das allgemein praktisch nicht überwindbar war, im konkreten Fall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat (BGH, Urt. v. 26.01.2016 – XI ZR 91/14). Demgegenüber ist das Berufungsvorbringen unzutreffend, die Beklagte sei im Hinblick auf die Funktionsweise des Sicherheitssystems nicht der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen.
Der Sachverständige hat, wie dies auch die Berufung nicht verkennt, festgestellt, dass das Sicherheitssystem der Banken im Allgemeinen regelmäßig überprüft wird und regulatorischen Anforderungen entsprechen muss. So sei für Kartentransaktionen ein PCI-DSS Standard mit 12 Themen verbindlich umzusetzen, unter anderem eine Firewall-Konfiguration, die Verwendung einer Antivirensoftware mit einer ständigen Aktualisierung, die Entwicklung und Pflege von sicheren Systemen und Anwendungen, die regelmäßige Überprüfung von Sicherheitssystemen und -prozessen und interne Verfahren. Diese technischen Abläufe sowie die internen Verfahren würden mehrfach im Jahr mittels Audits überprüft.
Der Sachverständige ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Sicherheitslücke zwar niemals ausgeschlossen werden könne, aber doch sehr unwahrscheinlich sei und zudem zu einem Schaden in Millionenhöhe führen würde, von dem nichts bekannt sei. Ferner gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Sicherheitssystem der Beklagten bzw. ihres Dienstleisters fehlerhaft gewesen sei.
Damit hat der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar dargetan, dass bei der Beklagten ein Sicherheitssystem vorgelegen hat, und dessen Überwindung nur theoretisch in Betracht kommt. Zur ordnungsgemäßen Anwendung im Einzelfall und dem fehlerfreien Funktionieren dieses Sicherheitssystems jeweils im Einzelfall hat der Sachverständige keine konkreteren Ausführungen gemacht, wie die Berufung dies zutreffend rügt, sondern dies in eher allgemein gehaltener Weise bejaht. Jedoch steht dies der Anwendung des Anscheinsbeweises zugunsten der Beklagten nicht entgegen, dass der Missbrauchstäter nach der Entwendung der Karte von der PIN nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte, dass die Klägerin mithin grob fahrlässig ihre Vertragspflichten im Umgang mit dem Zahlungsinstrument verletzt hat.
Bei diesem Anscheinsbeweis müssen dessen Anknüpfungstatsachen, für die der Zahlungsdienstleister die Darlegungs- und Beweislast trägt, und die Erschütterungstatsachen bei Anwendung des Anscheinsbeweises, für die der Zahlungsdienstnutzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, voneinander abgegrenzt und zugeordnet werden. Daraus ergibt sich jedenfalls im vorliegenden Einzelfall, dass die eher allgemein gehaltenen Angaben des Sachverständigen zum Vorliegen eines auch im konkreten Fall verwendeten Sicherheitssystems hinreichend waren, während die Klägerin zur Erschütterung des Anscheinsbeweises konkrete Anhaltspunkte dafür vorzutragen gehabt hätte, dass das verwendete System im Streitfall relevante Sicherheitslücken aufgewiesen habe, die eine ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit einer anderen Ursache als die Verwahrung der PIN in räumlicher Nähe zur EC-Karte nahelegen.
Zwar hat der BGH im Urteil v. 26.01.2016 – XI ZR 91/14 festgelegt, dass es bei dem Nachweis der Autorisierung eines Zahlungsvorgangs mittels eines Zahlungsinstruments nach § 675w Satz 3 BGB Voraussetzung einer Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises ist, dass auf Grundlage aktueller Erkenntnisse die allgemeine praktische Unüberwindbarkeit des eingesetzten Sicherungsverfahrens sowie dessen ordnungsgemäße Anwendung und fehlerfreie Funktion im konkreten Einzelfall feststehen. Darüber hinaus dürfe vom Zahlungsdienstnutzer zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht Vortrag und ggf. Nachweis verlangt werden, auf welche Weise die Schutzvorkehrungen des Authentifizierungsverfahrens überwunden worden oder weshalb sie wirkungslos geblieben sind. Dabei ist aber zu beachten, dass der BGH diese Grundsätze zu einem Fall des Online-Banking aufgestellt hat, dessen rein elektronisches Verfahren stärker von technischen Sicherheitsaspekten geprägt ist, und bei dem die Möglichkeiten struktureller oder situativer Sicherheitslücken ex ante stärker in Betracht kommt als beim physischen Bankkartenverfahren. Auf Bezahlvorgänge mit Bankkarten lassen sich die Anforderungen des BGH aus dem Urteil v. 26.01.2016 daher jedenfalls in solchen Konstellationen nicht völlig unmodifiziert übertragen, in denen, wie hier, die Karte kurz nach dem Abhandenkommen hochfrequent mit engem lokalen Bezug zum Einsatz kam, und daher ein Sorgfaltspflichtverstoß des Zahlungsdienstnutzers beim Umgang mit der PIN grundsätzlich naheliegt. Es handelt sich dabei um einen typischen Geschehensablauf, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist und bei dem das Ausnutzen von etwaigen Mängeln des Sicherheitsverfahrens fernliegt. Dies ist für die Anwendung eines Anscheinsbeweises erforderlich, aber grundsätzlich auch hinreichend.
Folglich zählt die konkrete Möglichkeit eines Versagens des Sicherheitssystems im Einzelfall in Fällen wie dem streitgegenständlichen nicht zu den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises, sondern zu den Erschütterungstatsachen. Diese Modifizierung der Grundsätze aus dem Online-Banking-Urteil des BGH v. 26.01.2016 für gewisse Fälle des Bankkartenmissbrauchs steht auch nicht im Widerspruch mit dieser Entscheidung. Der BGH hat dort zutreffend ausgeführt, dass vom Zahlungsdienstnutzer zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht Vortrag und ggf. Nachweis verlangt werden darf, auf welche Weise die Schutzvorkehrungen des Authentifizierungsverfahrens überwunden worden oder weshalb sie wirkungslos geblieben sind. Dies wäre ein Gegenbeweis, der mit den Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht vereinbar wäre, die nur eine Erschütterung vorsehen (BGH, Urt. v. 05.10.2004 – XI ZR 210/03). Mit den Regeln des Anscheinsbeweises steht es aber im Einklang, wenn wie hier dem Zahlungsdienstnutzer auferlegt wird, dass er nicht nur die theoretisch-abstrakt denkbare Möglichkeit der Überwindung im Einzelfall vorträgt, sondern gewisse konkrete Tatsachen, die die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs – also hier einer Sicherheitslücke – wenigstens nahelegen (OLG Dresden, Urt. v. 06.02.2014 – 8 U 1218/13; AG Köln v. 12.03.2019 – 112 C 325/17; Kirchner, BKR 2023, 703, 708).
Der Zahlungsdienstleister hat in Fällen des Bankkartenmissbrauchs mit richtiger PIN kurz nach dem Kartendiebstahl folglich darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er ein grundsätzlich praktisch unüberwindliches Sicherheitssystem anwendet, und dass es im maßgeblichen Zeitraum zu keinem Generalversagen dieses Systems gekommen ist, damit der Anscheinsbeweis für einen groben Sorgfaltspflichtverstoß des Zahlungsdienstnutzers zur Anwendung kommt. Dies ist der Beklagten mithilfe des Sachverständigengutachtens gelungen. Sodann obliegt es dem Zahlungsdienstnutzer, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und ggf. beweist, die die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs konkret nahelegen. Dies ist die Klägerin schuldig geblieben. Erst in einem dritten Schritt – nach gelungener Erschütterung – obliegen dem Zahlungsdienstleister Darlegung und Beweis, dass das Sicherheitssystem im konkreten Fall ordnungsgemäß angewendet worden ist und fehlerfrei funktioniert hat. Die Angemessenheit dieser abgestuften, der Dogmatik des Anscheinsbeweises entsprechenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast wird durch folgende Erwägung bestätigt. Die Einzelheiten der Sicherheitssysteme der Banken für den Zahlungsverkehr und ihre konkrete Anwendung dürfen nicht allgemein bekannt sein, wenn sie dauerhaft funktionieren sollen. Wären die Banken in Missbrauchsfällen stets ohne konkrete Anknüpfungstatsachen angehalten, die ordnungsgemäße Anwendung und Funktionsweise im Einzelfall darzulegen, dann würde dies eine weitreichende, umfassende und unvertretbare Schwächung der Sicherheitssysteme nach sich ziehen, die das Zahlungsdiensterecht nicht wollen kann.
Da die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen hat, die einen atypischen Geschehensablauf konkret möglich erscheinen lassen, hat sie den anzuwendenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Folglich war nach Maßgabe des Anscheinsbeweises der Entscheidung zugrunde zu legen, dass die Klägerin grob fahrlässig mit der Bankkarte und der PIN zum Kartenmissbrauch beigetragen hat.
3. Die Berufung ist auch im Antrag zu 2. unbegründet. Der Antrag auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist ein Nebenanspruch zum Hauptanspruch aus dem Antrag zu 1. Da dieser Antrag unbegründet ist, ist auch der Nebenanspruch unbegründet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorliegt. Der Senat hat auf der Grundlage der Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofes einen Einzelfall entschieden.