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23.02.2023
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OLG Karlsruhe: Zur Darlegungs- und Beweislast nach § 675w BGB

OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.4.2022 – 17 U 823/20, ev. eingelegt (Az. BGH XI ZR 107/22)

Volltext des Urteils: RdZL2023-64-1

Leitsätze

1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs außerhalb des Anwendungsbereichs des § 675w BGB trifft den Zahlungsdienstleister; dies gilt unabhängig davon, ob der Zahlungsdienstleister einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 675u Satz 1 BGB) oder der Zahler einen Erstattungsanspruch (§ 675u Satz 2 BGB) geltend macht.

2. § 675v Abs. 2 BGB in der bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung vom 29. Juli 2009 erfasst auch eine Autorisierung per E-Mail und regelt die Haftung des Zahlers insoweit abschließend.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche wegen mutmaßlich nicht autorisierter Überweisungen.

Die Klägerin, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, schloss am 14. November 2007 mit der Beklagten einen Kundenstamm-Vertrag (Anlage B3). Darin wurde die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Fassung April 2002) der Beklagten (Anlage B16) und der Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr (Anlage B17) vereinbart. Diese wurden der Klägerin bei Vertragsschluss nicht ausgehändigt, wären ihr nach dem Wortlaut des Vertrags aber auf Verlangen ausgehändigt worden.

Dem Vertragsschluss ging ein Gespräch zwischen der Klägerin und einem Mitarbeiter der Beklagten in den Geschäftsräumen der Beklagten in B.. voraus, das in deutscher Sprache geführt und vom ehemaligen Geschäftspartner der Klägerin, A. S., der diese bei dem Gespräch begleitet hat, für die Klägerin übersetzt wurde.

Auf Grundlage des Stammvertrags eröffnete die Klägerin am 15. November 2007 das Girokonto Nr. … und am 20. Mai 2010 ein Tagesgeldkonto Nr. … bei der Beklagten.

In § 7 der in den Kunden-Stammvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Fassung April 2002) heißt es:

„(1) Erteilung der Rechnungsabschlüsse

Die Bank erteilt bei einem Kontokorrentkonto, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluss; dabei werden die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche (einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank) verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, nach Nr. 12 dieser Geschäftsbedingungen oder nach der mit dem Kunden anderweitig getroffenen Vereinbarung Zinsen berechnen.

(2) Frist für Einwendungen; Genehmigung durch Schweigen

Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben; macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. Der Kunde kann auch nach Fristablauf eine Berichtigung des Rechnungsabschlusses verlangen, muss dann aber beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde."

In § 11 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es weiter:

„Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank

Der Kunde hat Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Abrechnungen, Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen und Überweisungen sowie Informationen über erwartete Zahlungen und Sendungen (Avise) auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben.“

Ab 2009 war der Mitarbeiter der Beklagten R. K. der für die Klägerin zuständige Kundenbetreuer. Die Kommunikation zwischen ihm und der Klägerin fand überwiegend per E-Mail und in englischer Sprache statt. Die Klägerin erteilte ab 2010 in unregelmäßigen Abständen Überweisungsaufträge. Sie schrieb dabei jeweils eine E-Mail von der Adresse „...@g....com" an Herrn R. K. und nannte ihm darin den zu überweisenden Betrag und den Zahlungsempfänger. Teilweise waren den E-Mails auch die zu bezahlenden Rechnungen angehängt. Herr R. K. veranlasste die Zahlungen jeweils und bestätigte die Ausführung per E-Mail.

Am 17. Oktober 2011 teilte Herr R. K. der Klägerin mit, dass ihr Online-Banking-Zugang wegen Inaktivität geschlossen worden sei. Sofern sie einen neuen benötige, möge sie ihm dies mitteilen und er werde ihr die Unterlagen zusenden. Die Klägerin antwortete am selben Tag, dass sie die Schließung des Online-Banking-Zugangs begrüße (Anlage K8, beglaubigte Übersetzung im Sonderband).

Am 13. Oktober 2015 wurden auf dem Girokonto der Klägerin 251.000 EUR aus einer Überweisung des ehemaligen Geschäftspartners der Klägerin, A. S., gutgeschrieben.

Am 4. Mai 2016 trafen sich die Klägerin und Herr R. K. in B.... Dabei wurde unter anderem über den Erwerb einer Eigentumswohnung in L. gesprochen. Von den zu diesem Zeitpunkt auf dem Girokonto befindlichen 230.000 EUR sollten 195.000 EUR auf das Tagesgeldkonto übertragen werden und 35.000 EUR an die A. L. sowie 204 EUR an das Notariat S. überwiesen werden. Der Übertrag und die Überweisungen wurden an den folgenden Tagen von Herrn R. K. veranlasst.

Am 26. Mai 2016 bat die Klägerin Herrn R. K. per E-Mail, eine Zahlung von 4.250 EUR an ihren Freund J. S. auf ein Konto in B. zu veranlassen. In der E-Mail nahm sie zudem Bezug auf das Treffen mit Herrn K. und bedankte sich für die Zeit, die dieser sich genommen habe. Herr R. K. führte die Zahlung aus und bestätigte der Klägerin gegenüber die Ausführung am 27. Mai 2016. Die Klägerin bedankte sich am selben Tag dafür (Anlage K14, beglaubigte Übersetzung im Sonderband).

Im Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 gingen bei Herrn R. K. insgesamt 13 E-Mails mit Zahlungsanweisungen in englischer Sprache ein, die laut Absender von der E-Mail-Adresse "...@g...com" versandt worden sind. Außerdem war jeder E-Mail eine Rechnung mit dem Überweisungsbetrag und den Daten des Empfängers beigefügt. Wegen des Wortlauts der einzelnen E-Mails und des optischen Erscheinungsbilds der angehängten Rechnungen wird auf das Anlagenkonvolut K32/1-K32/14 Bezug genommen. Sämtliche Rechnungen sind gefälscht, die Unternehmen, die als Rechnungssteller ausgewiesen sind, existieren nicht.

Auf Basis der genannten Zahlungsanweisungen nahm der Mitarbeiter der Beklagten R. K., nach vorheriger Umbuchung vom Tagesgeldkonto auf das Girokonto, insgesamt 13 manuelle Überweisungen vom Girokonto der Klägerin an die jeweiligen Rechnungssteller im Ausland (U., D., G.) vor. Eine nähere Überprüfung der Zahlungsaufträge und eine Rücksprache mit der Klägerin fanden seitens der Beklagten - wie in der Vergangenheit - nicht statt. Allerdings bestätigte Herr K. die Ausführung der Überweisungen jeweils per E-Mail an die Adresse "...@g....com".

Dabei wurden folgende 12 Überweisungen in Auftrag gegeben und erfolgreich ausgeführt:

 

 

Nr.

Datum

Auftrag

Datum

Ausführung

Betrag

in EUR

Gebühren

in EUR

Empfänger

Anlage

1

11.05.2016

11.05.2016

14.070,00

keine

K. U., U.

K32/1

2

16.05.2016

17.05.2016

19.400,00

keine

K. U., U.

K32/2

3

07.06.2016

07.06.2016

19.625,10

keine

K. D., U.

K32/3

4

14.06.2016

14.06.2016

19.280,00

keine

K. D., U.

K32/4

5

22.06.2016

22.06.2016

18.950,00

keine

K. D., U.

K32/5

6

28.06.2016

28.06.2016

7.562,00

keine

K. D., U.

K32/6

7

12.07.2016

12.07.2016

42.360,00

83,34

Y. H. A., D.

K32/7

8

05.08.2016

05.08.2016

29.592,80

73,09

O. O., L.

K32/10

9

23.08.2016

24.08.2016

24.705,88

64,54

O. O., L.

K32/11

10

26.09.2016

27.09.2016

22.863,74

61,32

O. O., L.

K32/12

11

25.01.2017

25.01.2017

18.000,00

keine

K. K., U.

K32/13

12

01.02.2017

01.02.2017

19.540,00

keine

K. K., U.

K32/14

Weiter veranlasste Herr R. K. auf eine E-Mail vom 19. Juli 2016 am 20. Juli 2016 eine Überweisung in Höhe von 35.073.80 EUR an „Y. H. A.“ in D.... Der Betrag wurde am 4. August 2016 zurückgebucht. Für die Ausführung der Überweisung und die Rückbuchung sind Kosten in Höhe von 143,80 EUR und 20 EUR entstanden, mit denen das Konto der Klägerin belastet wurde. Insgesamt wurden vom Konto der Klägerin infolge der Ausführung der vorgenannten Zahlungsaufträge (inklusive Gebühren) 255.395,61 EUR abgebucht.

Die Beklagte erstellte für das Girokonto der Klägerin monatlich Kontoauszüge und übermittelte sie der Klägerin. Wegen deren Inhalts wird auf die Anlagen B11 bis B14 sowie die Anlagen K13 und K34 Bezug genommen. Die Klägerin erhielt die Kontoauszüge und nahm sie zur Kenntnis. Wegen der Umstände im Einzelnen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2022 (II 75 ff.) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin Anfang Februar 2017 von der Beklagten den Kontoauszug 1/2017 vom 1. Februar 2017 und ein auszufüllendes Formblatt zur Einwilligung in die Kommunikation per E-Mail erhalten hatte, teilte sie mit E-Mail an Herrn R. K. vom 11. Februar 2017 mit, dass sie die gebuchten Überweisungen vom 25. Januar 2017 und 1. Februar 2017 nicht nachvollziehen könne, und bat um Aufklärung (Anlage K15, beglaubigte Übersetzung im Sonderband). Mit E-Mail vom 12. Februar 2017 teilte die Klägerin Herrn R. K. mit, dass sie auch die gebuchten Überweisungen vom 11. Mai 2016, 7. Juni 2016, 14. Juni 2016, 22. Juni 2016, 28. Juni 2016, 12. Juli 2016, 20. Juli 2016, 4. August 2016, 5. August und 24. August 2016 nicht zuordnen könne (Anlage K16, beglaubigte Übersetzung im Sonderband).

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. September 2017 (Anlage K30) forderte die Klägerin die Beklagte zur Gutschrift der abgebuchten 255.395,61 EUR auf ihrem Girokonto bis zum 16. Oktober 2017 auf.

Der Laptop, den die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 für ihren E-Mail-Verkehr genutzt hatte, wurde ihr von ihrem Arbeitgeber gestellt, Daten speicherte sie zusätzlich auf einer externen Festplatte. Als der Laptop im Jahr 2018 nicht mehr „funktionierte“, setzte ein Kollege auf die Bitte der Klägerin, sich um das Problem zu kümmern, den Rechner neu auf.

Das Girokonto Nr. … der Klägerin besteht bei der Beklagten nach wie vor und weist einen positiven Saldo auf.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, bei Abschluss des Kundenstamm-Vertrags sei in englischer Sprache verhandelt worden. Die in deutscher Sprache verfassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien demnach nicht Vertragsbestandteil geworden.

Sie habe die 13 genannten Zahlungen vom ihrem Girokonto in Höhe von 255.395,61 EUR nicht autorisiert. Die E-Mails nebst Rechnungsunterlagen (Anlagenkonvolut K32/1-K32/14) seien nicht von ihr versandt worden. Stattdessen sei davon auszugehen, dass die E-Mails durch unbekannte Dritte manipuliert worden seien.

Zwischen ihr und dem Bankmitarbeiter R. K. habe ein vertrauensvolles Verhältnis bestanden, deshalb habe sie darauf vertrauen dürfen, dass er den Zahlungsverkehr kontrolliere. Angesichts des auffälligen Inhalts der E-Mails nebst Rechnungsunterlagen habe sich der Verdacht einer Manipulation der Überweisungsaufträge aufdrängen müssen, so dass Anlass zu einer weitergehenden Prüfung und einer Rücksprache mit ihr bestanden habe.

Die Klägerin hat mit ihrer am 17. April 2018 zugestellten Klage erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 255.395,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Oktober 2017 zu bezahlen.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Vertragsverhandlungen bei Abschluss des Kundenstamm-Vertrags seien in Deutsch geführt und der Klägerin übersetzt worden. Die 14 Zahlungen vom klägerischen Girokonto im Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 in einem Gesamtvolumen in Höhe von 255.395,61 EUR seien von der Klägerin autorisiert worden. Bei dem Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Bankmitarbeiter R. K. habe es sich um eine normale Geschäftsbeziehung gehandelt. Die E-Mails nebst Rechnungsunterlagen (Anlagenkonvolut K32/1-K32/14) hätten keinen Anlass für Rückfragen gegeben.

Weiter hat die Beklagte geltend gemacht, Rückzahlungsansprüche seien bereits aufgrund des wirksamen Saldoanerkenntnisses ausgeschlossen, nachdem die Klägerin keine rechtzeitigen Einwendungen gegen die Rechnungsabschlüsse erhoben habe. In jedem Fall sei der Klägerin mit Blick auf die unterlassene Überprüfung ihrer Kontounterlagen ein erhebliches Mitverschulden anzulasten, da der Schaden bei einer regelmäßigen Kontrolle der Kontostände deutlich reduziert worden wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, die Klägerin trage die Beweislast dafür, dass sie die Zahlungen nicht autorisiert hat. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat es den Beweis als nicht geführt angesehen, weil das sich daraus ergebende Indiz, dass bei der überwiegenden Zahl der E-Mails, deren Urheberschaft im Streit steht, der Header unter der Bezeichnung „Date" die Zeitzone „+800" (China Standard Time, West-Australien, Irkutsk) beinhalte, für sich genommen nicht ausreichend sei, um eine fehlende Autorisierung durch die Klägerin zu belegen. Es sei durchaus möglich, aber nicht nachgewiesen, dass die Klägerin nicht Verfasserin dieser E-Mails sei. Schadenersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil - unter Berücksichtigung der konkreten Kundenbeziehung - keine Warn- und Hinweispflicht des Mitarbeiters der Beklagten R. K. gegenüber der Klägerin bestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Sie macht geltend, dass das Landgericht die besonders enge Kundenbeziehung zwischen ihr und Herrn K. nicht hinreichend gewürdigt und diesen nicht als Zeugen vernommen habe. Die Klägerin sei nicht als Partei zu der Kundenbeziehung vernommen worden.

Weiter habe das Landgericht jedenfalls hinsichtlich der beiden letzten Überweisungen von ihrem Konto die Beweislast verkannt, und die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.

Zudem beanstandet die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts. Die Schwierigkeit der Beweisführung und die wirtschaftlichen Folgen eines Unterliegens für die Klägerin seien nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Schließlich habe das Landgericht einen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Ausführung der Überweisungsaufträge per E-Mail, obwohl dies so nicht vereinbart gewesen sei, nicht geprüft.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.         Die Berufung der Klägerin ist zulässig und mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der Zinsforderung begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 255.395,61 EUR aus § 675u Satz 2 Hs. 1, § 675f BGB (in der bis 12. Januar 2018 gültigen Fassung, im folgenden aF) (1.). Schadenersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin bestehen nicht (2.). Der Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen aus § 286 BGB besteht seit dem 17. Oktober 2017 (3.).

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von 255.395,61 EUR aus § 675u Satz 2 Hs. 1, § 675f BGB aF. Die Normen sind auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar (a)) und begründen einen Anspruch auf Auszahlung der vom Konto eingezogenen 255.395,61 EUR (b)). Die vom Mitarbeiter der Beklagten Herr R. K. im Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 ausgeführten Zahlungen vom Konto der Klägerin, deren Autorisierung die Klägerin bestreitet, waren von dieser nach dem hier zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand nicht autorisiert (c)).

a) Auf die im Streit stehenden Überweisungsaufträge, die in den Jahren 2016 und 2017 erteilt wurden, sind, auch wenn die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien vor dem 31. Oktober 2009 begonnen hat, die §§ 675c ff. BGB in der bis 12. Januar 2018 gültigen Fassung (im folgenden aF) anzuwenden, weil die Zahlungsvorgänge nach dem 31. Oktober 2009 in Auftrag gegeben worden sind (vgl. Art. 229 § 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Die Vorschriften dienen der Umsetzung der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (im Folgenden: Zahlungsdiensterichtlinie). Dagegen sind die §§ 675c ff. BGB in der seit 13. Januar 2018 gültigen Fassung, mit denen die Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (Zweite Zahlungsdiensterichtlinie) umgesetzt worden ist, gemäß Art. 229 § 45 Abs. 2 EGBGB - mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 675f Abs. 3 BGB (Art. 229 § 45 Abs. 4 EGBGB) - nicht anzuwenden.

b) § 675u Satz 2 Hs. 1 BGB aF begründet, in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Girovertrag (§ 675f Abs. 2 BGB aF), vorliegend einen Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Betrages, mit dem ihr Girokonto zu Unrecht belastet worden ist. Zwar mag der Anspruch aus § 675 u Satz 2 BGB aF bei der Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet sein. Der Zahler hat aber in Verbindung mit dem bestehenden Girovertrag einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn das Girokonto auch ohne Rückbuchung einen Habensaldo aufweist oder eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2017 - 1 U 224/15 -, juris Rn. 14; OLG Celle, Beschluss vom 17. November 2020 - 3 U 122/20 -, juris Rn. 19; MünchKommBGB/Zetzsche, 8. Aufl. 2020, § 675u Rn. 19; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl., § 675u Rn. 5). Hier besteht das Girokonto der Klägerin nach wie vor und weist einen positiven Saldo auf. Die Klägerin hat zudem aus dem Girovertrag einen Anspruch auf Auszahlung des Tagessaldos. Da sie mit der Gutschrift des zu Unrecht belasteten Betrags unmittelbar einen Anspruch auf dessen Auszahlung erwerben würde, kann sie den Zahlungsanspruch unmittelbar geltend machen und muss sich nicht auf eine Gutschrift verweisen lassen.

c) Die vom Mitarbeiter der Beklagten R. K. im Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 ausgeführten Zahlungen vom Konto der Klägerin, deren Autorisierung die Klägerin bestreitet, waren nach dem hier zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand von dieser nicht autorisiert. Für eine Autorisierung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast (aa)). Ein die Beweislast umkehrendes Saldoanerkenntnis der Klägerin liegt nicht vor (bb)). Der Klägerin ist keine Beweisvereitelung vorzuwerfen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Beweislastumkehr anzunehmen ist (cc)). Der der Beklagten damit obliegende Beweis einer Autorisierung der Zahlungen durch die Klägerin ist nicht geführt (dd)).

aa) Die Beklagte trägt für die Autorisierung der Überweisungen durch die Klägerin die Beweislast.

(1) Ob sich dies unmittelbar aus § 675w Satz 1 BGB aF ergibt, obwohl dieser wegen des Begriffs „Authentifizierung“ nach hM nur anwendbar ist, wenn die Autorisierung mittels eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments (jetzt: Zahlungsinstruments) vorgenommen worden ist (vgl. Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht 2. Aufl., § 675w Rn. 7; BeckOK BGB/Schmalenbach, 42. Ed. 1.11.2016, § 675w Rn. 4, 5; MünchKommBGB/Zetzsche, 7. Aufl. 2017, § 675w Rn. 3; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 675w Rn. 2), kann an dieser Stelle offenbleiben. Der Senat neigt zwar aus den unter 2. c) aa) genannten Gründen dazu, auch hier einen nicht personalisierten und damit nicht der Legaldefinition des Zahlungsauthentifizierungsinstruments in § 1 Abs. 5 ZAG (in der Fassung vom 28. August 2013) entsprechenden Verfahrensablauf zu erfassen.

(2) Die Beklagte trägt vorliegend jedoch, selbst wenn § 675w Satz 1 BGB aF nicht zur Anwendung käme, die Beweislast für die Autorisierung der Zahlungsvorgänge.

(a) Wer außerhalb des Anwendungsbereichs des § 675w BGB aF im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 675u Satz 2 Hs. 1 BGB aF die Beweislast für die Autorisierung der Zahlung durch den Zahler trägt, ist umstritten.

Nach einer Auffassung trägt die Beweislast, unabhängig davon, ob der Zahlungsdienstleister einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 675u Satz 1 BGB aF) oder der Zahler einen Erstattungsanspruch geltend macht (§ 675u Satz 2 BGB aF), der Zahlungsdienstleister (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2017 - 1 U 224/15, NJW-RR 2017, 1329; Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl., § 675w Rn. 8, anders jetzt aber Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 3. Aufl., § 675u Rn. 39, 44; BeckOK BGB/Schmalenbach, 61. Ed. 1.2.2022, § 675w Rn. 5).

Nach anderer Auffassung trifft den Zahler, der einen Erstattungsanspruch nach § 675u Satz 2 BGB aF geltend macht, die Beweislast für die fehlende Autorisierung der Zahlung (so OLG Dresden, Urteil vom 21. Juni 2018 - 8 U 1586/17, BeckRS 2018, 14727, Rn. 33; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 675w Rn. 5; MünchKommBGB/Zetzsche, 7. Aufl. 2017, § 675u Rn. 18), während der Zahlungsdienstleister für die Voraussetzungen seines Anspruchs aus § 675u Satz 1 BGB aF beweispflichtig sein soll.

(b) Der Senat schließt sich der ersten Auffassung an.

Gemäß § 675c Abs. 1 BGB aF sind auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Erbringung von Zahlungsdiensten zum Gegenstand hat, die §§ 663, 665 bis 670 und 672 bis 674 BGB entsprechend anzuwenden, soweit in den §§ 675c ff. BGB aF nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach dem Wortlaut des § 675c Abs. 1 BGB aF, der gesetzessystematischen Stellung des Untertitels über Zahlungsdienste und tradierter Rechtsauffassung handelt es sich bei der Erbringung von Zahlungsdiensten um Geschäftsbesorgungsverträge (BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - XI ZR 290/11 -, BGHZ 193, 238-260, Rn. 20; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl., § 675c Rn. 8). Soweit das Ergebnis nicht in Widerspruch zur Zahlungsdiensterichtlinie steht, gilt gemäß § 675c Abs. 1 BGB aF subsidiär nicht nur das kodifizierte Auftragsrecht, sondern - weiterhin - auch die hierzu ergangene Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - XI ZR 290/11 -, BGHZ 193, 238-260, Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365, Rn. 19).

Nach den vor Inkrafttreten des Zahlungsverkehrsrechts im Überweisungsverkehr geltenden Grundsätzen oblag in einem Geschäftsbesorgungsvertrag dem Beauftragten die Beweislast für die ordnungsgemäße Auftragsausführung nicht nur dann, wenn er Aufwendungsersatzansprüche nach §§ 675, 670 BGB geltend machte, sondern auch dann, wenn er Rückerstattungsansprüche des Auftraggebers nach §§ 675, 667 BGB bestritt (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - III ZR 336/89 -, NJW-RR 1991, 575; BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - XI ZR 154/94 -, BGHZ 130, 87-96). Da nur die Ausführung von autorisierten Aufträgen des Geschäftsherrn einen Aufwendungsersatzanspruch auslöste und das Fälschungsrisiko das Kreditinstitut zu tragen hatte (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 238/93 -, NJW 1994, 3344, Rn. 14; BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 - XI ZR 84/96 -, NJW 1997, 2236; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365, Rn. 19), hatte der Zahlungsdienstleister die Echtheit des Zahlungsauftrags nachzuweisen.

Diese Beweislastverteilung gilt im Anwendungsbereich des Zahlungsdiensterechts fort. Sie steht im Einklang mit den §§ 675c ff. BGB aF und insbesondere dem Rechtsgedanken des § 675w Satz 1 BGB aF sowie den Vorgaben der Zahlungsdiensterichtlinie. In der Regelung des § 675w Satz 1 BGB aF kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass der Zahlungsdienstleister für die Autorisierung die Beweislast trägt. Gründe dafür, Zahlungsvorgänge, die nicht mit einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument vorgenommen worden sind, anders zu behandeln, sind nicht erkennbar. Gerade in Fällen, in denen Zahlungen nicht mit einem vergleichsweise sicheren Zahlungsauthentifizierungsinstrument autorisiert worden sind, besteht eine erhebliche Fälschungsgefahr, weil die Authentifizierung ihre Schutzfunktion nicht entfaltet. Der Zweck des § 675w BGB aF, den Zahler vor Verlusten durch nicht autorisierte Zahlungsvorgänge zu schützen, würde verfehlt, wenn man ihm bei Autorisierungen ohne jede Sicherheitsprüfung die Beweislast für das Fehlen einer Autorisierung auferlegen würde und die Beweisschwierigkeiten bei der Verwendung unsicherer Autorisierungsverfahren zu seinen Lasten gingen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Zahler bei der Autorisierung ohne Zahlungsauthentifizierungsinstrument bewusst ein Risiko eingeht. Denn der Zahlungsdienstleister entscheidet in aller Regel im Rahmen der unbeschränkt möglichen Vereinbarung (§ 675j Abs. 1 Satz 3 BGB aF) selbst, welche Autorisierungsverfahren er akzeptiert und dominiert insoweit die Vertragsbeziehung. Zudem kann er viel besser als der Kunde die verschiedenen technischen Möglichkeiten einer Autorisierung, insbesondere im Bereich der elektronischen Kommunikation, sowie deren Risiken beurteilen und abwägen.

Eine Differenzierung hinsichtlich der Beweislast zwischen dem Aufwendungsersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters (§ 675u Satz 1 BGB aF) und dem Erstattungsanspruch des Zahlers (§ 675u Satz 2 BGB aF), die letztlich von der zufälligen Frage der Kontobelastung abhinge, ist nicht sachgerecht (so aber OLG Dresden Urteil vom 21. Juni 2018 - 8 U 1586/17, BeckRS 2018, 14727, Rn. 33; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 675w Rn. 5; MünchKommBGB/Zetzsche, 7. Aufl. 2017, § 675u Rn. 18; siehe indes Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl., § 49 Rn. 27 dazu, dass der Zahlungsdienstleister das Fälschungs- und Missbrauchsrisiko trägt). § 675w Satz 1 BGB aF nimmt ebenfalls keine Differenzierung zwischen diesen beiden Ansprüchen vor. Im Übrigen ergibt sich aus § 675j Abs. 1 BGB aF, dass die Wirksamkeit eines Zahlungsvorgangs gegenüber dem Zahler von dessen (positiv festzustellender) Autorisierung abhängt. Die Regelung dient der Umsetzung von Art. 54 Abs. 1 der Zahlungsdiensterichtlinie, der verlangt, dass ein Zahlungsvorgang nur dann als autorisiert gilt, wenn ihm der Zahler zugestimmt hat. Die Zahlungsdiensterichtlinie und das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I 2009, Nr. 49, S. 2355) differenzieren also nicht danach, wer einen Anspruch geltend macht. Abweichendes kann schließlich nicht aus dem allgemeinen Grundsatz hergeleitet werden, dass jede Partei die ihr günstigen Tatsachen vorzutragen und nachzuweisen hat (so aber OLG Dresden, Urteil vom 21. Juni 2018 - 8 U 1586/17, BeckRS 2018, 14727, Rn. 33). Denn dieser Grundsatz gilt nur, soweit nicht im Prozessrecht anderweitige Beweisregeln aufgestellt sind oder sich aus dem jeweils für das Schuldverhältnis einschlägigen materiellen Recht - wie hier aus den Vorschriften über die Geschäftsbesorgung - anderes ergibt.

bb) Ein fingiertes Saldoanerkenntnis nach § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (im Folgenden AGB), das zu einer Beweislastumkehr, nicht jedoch zu einem Erlöschen des Erstattungsanspruchs führen würde (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1994 - XI ZR 194/93 -, NJW 1995, 320), liegt nicht vor.

(1) Allerdings ist § 7 Abs. 2 der AGB in den im Jahr 2007 und damit vor Inkrafttreten der Zahlungsdiensterichtlinie zwischen den Parteien geschlossenen Kundenstamm-Vertrag einbezogen worden. Nach § 305 Abs. 2 BGB ist Voraussetzung, dass die Beklagte ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertragsschlusses auf sie hingewiesen und der Klägerin die Möglichkeit verschafft hätte, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Vertragspartner auf die zugrunde gelegten AGB rechtzeitig hingewiesen wurde, trifft denjenigen, der aus den AGB Rechte herleitet (BGH, Urteil vom 18. Juni 1986 - VIII ZR 137/85 -, juris Rn. 21; BeckOK BGB/Becker, 60. Ed. 1.11.2021, § 305 Rn. 70).

Vorliegend hat die Klägerin den Kundenstamm-Vertrag mit dem deutlichen Hinweis auf die AGB unterschrieben. Dass diese ihr nicht ausgehändigt worden sind, ist unschädlich. Denn § 305 BGB begründet keine Aushändigungspflicht. Wenn der Vertragsschluss - wie hier - in den Räumen der Bank vorgenommen wird (Präsenzgeschäft), reicht es aus, dass die AGB in den Räumen aushängen oder ausliegen (Müller-Christmann in Langenbucher/Bliesener/Spindler, 3. Aufl., 1. Kap. Kontoführung Rn. 26). Die in dem Vertragsformular enthaltene Möglichkeit, die Geschäftsbedingungen „auf Verlangen“ ausgehändigt zu bekommen, ist gleichfalls eine zumutbare Möglichkeit, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Daran ändert der Umstand nichts, dass die Klägerin der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Ausschlaggebend für die Frage, in welcher Sprache der Verwender die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verfügung stellen muss, ist, welcher Sprache sich die Parteien im Rahmen ihrer rechtsgeschäftlichen Beziehungen bedienen. Wählen sie die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache, so akzeptiert der ausländische Partner damit den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es ist ihm zuzumuten, sich vor Abschluss des Vertrages selbst die erforderliche Übersetzung zu beschaffen. Andernfalls muss er den nicht zur Kenntnis genommenen Text der Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen (BGH, Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 302/82 -, BGHZ 87, 112-121, Rn. 9 m.w.N.).

Hier wurde als Verhandlungs- und Vertragssprache zwischen den Parteien jedenfalls bei Abschluss des Vertrages die deutsche Sprache gewählt. Dafür spricht, dass das dem Vertragsschluss vorangehende Gespräch in Deutsch geführt wurde und der von der Klägerin unterzeichnete Kundenstamm-Vertrag in deutscher Sprache gefasst ist. Dass die Klägerin der deutschen Sprache nicht mächtig ist und das Gespräch für sie von Herrn A. S. übersetzt wurde, ist unschädlich, weil Herr S. auf Veranlassung der Klägerin für diese als Übersetzer tätig geworden ist.

(2) Ein fingiertes Saldoanerkenntnis der Klägerin nach § 7 Abs. 2 der AGB der Beklagten liegt indes nicht vor. Für die Überweisungen vom 25. Januar 2017 und 1. Februar 2017 kommt ein Saldoanerkenntnis schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin rechtzeitig widersprochen hat. Im Übrigen fehlt es - auch nach den eigenen Bedingungen der Beklagten - an den Voraussetzungen eines fingierten Saldoanerkenntnisses.

(a) Voraussetzung für ein fingiertes Saldoanerkenntnis ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 der AGB zunächst, dass die Beklagte einen Rechnungsabschluss im Sinne des § 7 Abs. 1 der AGB erteilt hat. Bei einem Rechnungsabschluss muss das Ziel der kontoführenden Bank, einen abschließenden Saldo für die betreffende Abrechnungsperiode festzustellen, für den Kontoinhaber klar erkennbar sein. Dies kann beispielsweise durch einen Zusatz „(Jahres-, Halbjahres-, Vierteljahres-) Abschluss" erfolgen (BGH, Urteil vom 8. November 2011 - XI ZR 158/10 -, juris Rn. 23).

Vorliegend erfüllen die von der Beklagten im Berufungsrechtszug vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Anlagen B11 bis B14) sowie die erstinstanzlich von der Klägerin vorgelegten „Kontoauszüge“ (Anlagen K13 und K34) diese Anforderungen nicht. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 15. März 2022 nach Schluss der mündlichen Verhandlung als Anlage B18 vorgelegten Unterlagen, die im Übrigen - soweit sie nicht mit den zuvor vorgelegten Unterlagen identisch sind - nach § 296a ZPO nicht berücksichtigt werden können, weil der Beklagten mit Beschluss vom 22. Februar 2022 gemäß § 283 ZPO lediglich Gelegenheit zur Erwiderung zum Sachvortrag der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung eingeräumt worden war und Unterlagen, aus denen die Beklagte ein fingiertes Saldoanerkenntnis herleiten möchte, nicht Gegenstand der Anhörung waren. Einen Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO stellen sie mangels Erheblichkeit nicht dar.

Die vorgelegten Unterlagen sind jeweils mit dem Wort „Kontoauszug“ überschrieben. Auf der Rückseite befindet sich unter anderem jeweils folgender Hinweis:

„Rechnungsabschlüsse: Ist der Kontoauszug zusätzlich mit dem Hinweis „Rechnungsabschluss“ versehen, haben wir für Ihr Konto einen Rechnungsabschluss durchgeführt.“

Die mit dem Wort „Kontoauszug“ überschriebenen Unterlagen stellen danach keine Rechnungsabschlüsse dar.

(aa) Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut (BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 227/06 -, juris Rn. 23; BGH, Urteil vom 8. April 2009 - VIII ZR 233/08 -, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. April 2013 - VIII ZR 225/12 -, juris Rn. 9). Ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden sind die Klauseln dabei einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 227/06 -, juris Rn. 23; BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09 -, BGHZ 185, 310-322, Rn. 14; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13 -, juris Rn. 16). Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zulasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB zur Anwendung (BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09 -, BGHZ 185, 310-322, Rn. 14; BGH, Urteil vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11 -, juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13 -, juris Rn. 16). Hierbei bleiben allerdings solche Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten nicht ernsthaft in Betracht kommen(BGH, Urteil vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11 -, juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 337/11 -, BGHZ 194, 121-136, Rn. 16; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 - VIII ZR 246/16 -, BGHZ 217, 72-92, Rn. 33).

(bb) Nach diesen Maßstäben gibt die Beklagte als Verwenderin der AGB durch den Hinweis auf ihren Kontoauszügen „Ist der Kontoauszug zusätzlich mit dem Hinweis „Rechnungsabschluss“ versehen, haben wir für Ihr Konto einen Rechnungsabschluss durchgeführt.“ für den Kontoinhaber klar zu erkennen, dass ein Dokument nur dann das Ziel hat, einen abschließenden Saldo für die betreffende Abrechnungsperiode festzustellen, wenn es mit dem Wort „Rechnungsabschluss“ versehen ist. Dass Dokumente mit ähnlichen Formulierungen wie „Kontoabschluss“ oder „Abschluss“ ebenfalls dieses Ziel haben können, wird durch den verwendeten Hinweis ausgeschlossen, weil die Formulierung „Ist der Kontoauszug zusätzlich mit dem Hinweis „Rechnungsabschluss“ versehen“ impliziert, dass das in Anführungsstriche gesetzte Wort „Rechnungsabschluss“ zur Kennzeichnung eines Rechnungsabschlusses wörtlich verwendet wird. Damit sind auch Anlagen zu Kontoauszügen, die mit den Worten „Abschluss“ oder „Kontoabschluss“ versehen sind, nicht als „Rechnungsabschluss“ anzusehen. Die vorgelegten Kontoauszüge vom 4. Oktober 2016, 2. Januar 2017 und 3. April 2017 sowie deren Anlagen enthalten das Wort „Rechnungsabschluss“ nicht und stellen deshalb keine Rechnungsabschlüsse dar.

„Da der verständige und redliche Kontoinhaber an keiner Stelle auf den (ungeachtet einer möglichen Präklusion) erstmals im Schriftsatz vom 14. März 2022, und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand, dass das die Kontoauszüge erstellende Rechenzentrum der A. AG manchmal anstelle des Begriffes „Rechnungsabschluss" die Worte „Abschluss" oder „Kontoabschluss" verwendet, hingewiesen wird, fehlt es jedenfalls insoweit an einem korrekten Hinweis auf die Rechtsfolgen des Schweigens, so dass die Anerkenntnisfiktion nicht eingetreten ist.

(cc) Zudem ist der Hinweis auf der Rückseite der Kontoauszüge seinem Wortlaut nach für den verständigen und redlichen Kontoinhaber dahin zu verstehen, dass der Kontoauszug mit dem Hinweis „Rechnungsabschluss‘“ in einer Weise versehen sein muss, dass das Dokument selbst als Rechnungsabschluss bezeichnet wird. Denn mit einem „Hinweis“ ist „der Kontoauszug“ nach allgemeinem Sprachverständnis nur dann versehen, wenn dieser so auf dem Dokument platziert und ggf. drucktechnisch hervorgehoben ist, dass dem Kontoinhaber durch den Hinweis die doppelte Funktion des Kontoauszugs einerseits als Übersicht der Buchungen, andererseits als darin dokumentierter Rechnungsabschluss deutlich wird.

Deshalb sind die im Kontoauszug vom 1. Juli 2016 enthaltenen letzten Zeilen

„30.06. 30.06. Abschluss lt. Anlage          30,00 S

Saldo Rechnungsabschluss per 29.06.16

inkl. Abrechnungsbetrag          5.348.03 H“,

obwohl sie die generellen inhaltlichen Anforderungen eines Rechnungsabschlusses erfüllen, nicht geeignet, den von der Beklagten selbst in ihrem Hinweis aufgestellten Voraussetzungen eines Rechnungsabschlusses zu genügen. Denn die beiden nicht hervorgehobenen Zeilen sind - wie die zu anderen Buchungspositionen aufgenommenen näheren Erläuterungen z.B. zum Empfänger und dessen Kontonummer - allein der Zeile „Abschluss lt. Anlage“ mit den dafür ausgewiesenen Kosten von 30 EUR zugeordnet. Der in der Buchungsposition enthaltenen Zusatz „Saldo Rechnungsabschluss per 29.06.16 inkl. Abrechnungsbetrag 5.348.03 H“ wirkt drucktechnisch wie eine Erläuterung dieser Buchungsposition. Schon deshalb ist nicht der Kontoauszug mit diesem Hinweis versehen. Zudem fallen die Zeilen weder ins Auge noch rechnet der verständige und redliche Bankkunde an dieser Stelle mit der im Hinweis der Beklagten geforderten Bezeichnung des Kontoauszugs als Rechnungsabschluss. Damit ist das Ziel der Beklagten als kontoführender Bank, einen abschließenden Saldo für die betreffende Abrechnungsperiode festzustellen, für den Kontoinhaber nicht mehr klar erkennbar, weil der erforderliche „Hinweis“ derart versteckt und wenig auffällig ist, dass er leicht übersehen werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 - XI ZR 424/12 -, BGHZ 200, 121-133; BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - III ZR 119/83, WM 1985, 8, 10).

An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte in der Buchungsposition auf den „Abschluss lt. Anlage 1“ verweist, die dann dem Kontoauszug beigefügt und mit dem Wort „Kontoabschluss“ bezeichnet ist. Denn in dieser Anlage ist nicht der Rechnungsabschluss durchgeführt, der auf dem Kontoauszug erwähnt ist, sondern nur der Abschluss hinsichtlich der aufgelaufenen Kosten.

(b) Soweit schließlich den Kontoauszügen vom, 4. Oktober 2016, 2. Januar 2017 und 3. April 2017 wie dem Auszug vom 1. Juli 2016 jeweils als Anlage ein „Kontoabschluss“ beigefügt ist, enthält dieser nur die von der Beklagten in Rechnung gestellten Gebühren und weder eine Übersicht über die Buchungsvorgänge auf dem Konto, noch ein Abschlusssaldo, so dass ein fingiertes Anerkenntnis der Klägerin allenfalls die in den jeweiligen Anlagen aufgeführten Gebührenpositionen erfassen könnte.

cc) Eine Beweisvereitelung ist der Klägerin nicht vorzuwerfen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Beweislastumkehr nicht in Betracht kommt.

(1) Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden.Eine Beweisvereitelung kann aber auch in einem fahrlässigen Unterlassen einer Aufklärung bei bereits eingetretenem Schadensereignis liegen, wenn damit die Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere Notwendigkeit einer Beweisführung dem Aufklärungspflichtigen bereits erkennbar sein musste (BGH, Urteil vom 15. November 1984 - IX ZR 157/83 -, juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 -, juris Rn. 13).

Nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten kann den mit beweisrechtlichen Nachteilen verbundenen Vorwurf der Beweisvereitelung tragen (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - III ZR 56/96 -, juris Rn. 8). Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt einen doppelten Schuldvorwurf. Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf gerichtet sein, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 380/00 -, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13 -, juris Rn. 29). Eine Beweisvereitelung ist dagegen nicht anzunehmen, wenn es der beweisbelasteten Partei möglich gewesen wäre, den Beweis - etwa im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens - zu sichern (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13 -, juris Rn. 44).

(2) Nach diesen Maßstäben ist eine Beweisvereitelung hier nicht deshalb anzunehmen, weil die Klägerin ihren Laptop im Jahr 2018 hat neu installieren lassen und damit möglicherweise darauf vorhandene verwertbare Spuren beseitigt hat.

(a) Zum einen hat es die Beklagte zuvor versäumt, verwertbare Spuren auf dem Laptop selbst zu sichern oder sichern zu lassen, etwa im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens. Die Klägerin hatte die Autorisierung der Überweisungen bereits im Februar 2017 gegenüber der Beklagten bestritten und mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. September 2017 die Beklagte zur Gutschrift der abgebuchten Beträge aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte, dass die mutmaßlich per E-Mail erfolgte Autorisierung der Zahlungen streitig war und musste damit rechnen, dass in einem Rechtsstreit eine Beweisaufnahme zur Autorisierung der Zahlungen erforderlich werden könnte. Dass dabei eine sachverständige Untersuchung des Laptops der Klägerin hilfreich sein könnte, war naheliegend. Zugleich war zu befürchten, dass ein sich in Gebrauch befindlicher Laptop mit der Zeit „kaputtgehen“ oder technisch veralten und deshalb ausgetauscht werden kann und als Beweismittel dadurch verloren geht. Die Sicherung der Daten auf dem Laptop der Klägerin vor 2018 wäre deshalb für die Beklagte möglich und angesichts der eventuellen Bedeutung für einen absehbaren Rechtsstreit nicht ganz fernliegend gewesen und wurde versäumt.

(b) Zudem ist der Klägerin weder im Hinblick auf die mögliche Entziehung eines Beweisobjekts, noch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass für die Klägerin erkennbar und vermeidbar war, dass bei der Neuinstallation des Laptops mögliche Spuren von gelöschten E-Mails auf dem Laptop verloren gehen könnten.

Der Laptop ist der Klägerin vom Arbeitgeber gestellt worden und sie hat im Jahr 2018 damit ein technisches Problem gehabt. Sie hat deshalb - wie sie persönlich angehört erläutert hat - einen Arbeitskollegen darum gebeten, sich um das Problem zu kümmern. Dieser hat vorgeschlagen, zur Behebung den Laptop neu aufzusetzen, was mit Zustimmung der Klägerin geschehen ist. Die Daten sind auf einer externen Festplatte gesichert gewesen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob für die Klägerin bei Erteilung ihrer Zustimmung zur Neuinstallation erkennbar und vermeidbar war, dass dabei mögliche Spuren von gelöschten E-Mails auf dem Laptop verloren gehen könnten, ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem aus ihren Angaben zu dem Vorgang gewonnenen Eindruck des Senats keine großen Kenntnisse im Umgang mit IT hat und sich deshalb nachvollziehbarerweise mit ihren technischen Problemen mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Laptop an einen Arbeitskollegen gewandt hat. Unabhängig davon, ob dessen Vorschlag zur Lösung der Probleme zielführend war, durfte die Klägerin darauf vertrauen. Dass bei einer Neuinstallation Daten verloren gehen und deshalb zuvor gesichert werden müssen, weiß zwar auch eine im Umgang mit IT weniger erfahrene Person; eine Sicherung der Daten der Klägerin auf einer externen Festplatte hat dem entsprechend stattgefunden. Dass sich auch Spuren bereits gelöschter Daten auf einer Festplatte befinden, die nicht ohne weiteres auf einer externen Festplatte gesichert werden und deshalb bei einer Neuinstallation verloren gehen, kann bei technischen Laien aber nicht ohne weiteres als bekannt unterstellt werden.

Dass die Klägerin die Möglichkeit einer Verwischung von Spuren durch die Neuinstallation für möglich gehalten hat, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil sie im Jahr 2018 noch nicht sicher davon ausgehen konnte, dass die Beklagte die Beweislast für die fehlende Autorisierung der Zahlungen zu tragen hat. Sie hätte deshalb, wenn sie in Betracht gezogen hätte, dass Spuren verwischt werden, eine mögliche Verschlechterung der eigenen Beweissituation in Kauf genommen, was angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Beweises eher fernliegt, es sei denn, die Klägerin hätte die E-Mails in betrügerischer Absicht selbst geschrieben, wofür es aber keine Anhaltspunkte gibt (siehe dazu auch die Ausführungen unter dd)).

Wenn der Klägerin nicht bekannt war, dass solche Spuren vorhanden sind und möglicherweise vernichtet werden, war für sie nicht vorhersehbar, dass sie mit ihrer Zustimmung zur Neuinstallation der Beklagten die Beweisführung ggfs. erschwert.

dd) Der der Beklagten damit obliegende Beweis einer Autorisierung der Zahlungen durch die Klägerin ist nicht geführt.

Für den nach § 286 ZPO erforderlichen Vollbeweis ist die volle richterliche Überzeugung von der streitigen Tatsache erforderlich. Diese kann nicht mit mathematischen Methoden ermittelt und darf deshalb nicht allein auf mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnungen gestützt werden (BGH, Urteil vom 28. März 1989 - VI ZR 232/88 -. juris Rn. 19). Es bedarf auch keiner absoluten Gewissheit oder „an Sicherheit grenzender“ Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10 -. juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 161/14 -. juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 255/17 -. juris Rn. 27).

Nach diesen Maßstäben steht letztlich unter Würdigung der gesamten Umstände und nach Abwägung der für und gegen die Autorisierung der Zahlungsvorgänge durch die Klägerin sprechenden Umstände (§ 286 ZPO) nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Überweisungen von der Klägerin autorisiert wurden.

(1) Für eine Autorisierung durch die Klägerin spricht im Wesentlichen der Umstand, dass die E-Mails nach dem äußeren Erscheinungsbild von der E-Mail-Adresse "...@g....com" versandt worden sind, auf die die Klägerin Zugriff hatte. Es handelt sich um den Haupt-E-Mail-Account der Klägerin, von dem sie regelmäßig mit der Beklagten und ihren Angaben zufolge (Protokoll vom 22. Februar 2022, Seite 3 = II 77) in den maßgeblichen Jahren 2016 und 2017 auch mit Dritten kommuniziert hat. Weiter hat der Sachverständige M. W. festgestellt, dass drei E-Mails, nämlich die vom 14. Juni 2016, die vom 20. Juli 2016 und die vom 27. September 2016, tatsächlich über den Account der Klägerin bei dem E-Mail-Provider G. versandt worden sind.

Allerdings hat der Sachverständige in seinem nachvollziehbaren, von vollständigen und zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehenden schriftlichen Gutachten vom 2. März 2020, gegen das die Parteien keine Einwendungen erheben, darauf hingewiesen, dass von einem Dritten auf den G.-Account der Klägerin zugegriffen worden sein kann und dieser auch gehackt worden sein könnte (GA S. 14/15).

(2) Der Sachverständige hat als Indiz dafür, dass die Klägerin die E-Mails nicht versandt hat, einen auffälligen Zeitstempel festgestellt, der darauf hindeutet, dass bei dem Computer, von dem diese E-Mail versandt wurde, die Zeitzone „+800" (China Standard Time, West-Australien, Irkutsk) eingestellt war. Der Sachverständige hat zwar darauf hingewiesen, dass diese Einstellung am Computer leicht verändert werden kann. Hätte die Klägerin die E-Mails selbst versandt, hätte sie dies jedoch wissen und bei jeder einzelnen E-Mail bedenken müssen.

(3) Der Umstand, dass den E-Mails unstreitig gefälschte Rechnungen angehängt waren, spricht gegen eine Urheberschaft der Klägerin. Denn diese hätte Rechnungen in überwiegend fünfstelliger Höhe auf Plausibilität überprüft, bevor sie eine Überweisung in Auftrag gegeben hätte. Eine Urheberschaft der Klägerin wäre damit nur plausibel, wenn man davon ausginge, dass die Klägerin die E-Mails bereits mit dem Ziel an Herrn R. K. geschickt hat, die Beklagte zu täuschen, um später Rückzahlungsansprüche geltend zu machen. Für eine solche vorsätzliche Straftat gibt es allerdings keine Anhaltspunkte.

(4) Das Vorgehen der Klägerin ab dem 11. Februar 2017 spricht ebenfalls dafür, dass sie die vorangegangenen E-Mails mit Überweisungsaufträgen nicht selbst veranlasst hat. In Ihrer E-Mail vom 11. Februar 2017 (Anlage K15) wendet sich die Klägerin zunächst an Herrn R. K., wobei sich aus dem Betreff und dem Text ergibt, dass es sich um eine Antwort auf eine E-Mail mit „wichtigen Informationen“ der Beklagten handelt. Neben der Antwort auf die Anfrage der Beklagten werden zunächst nur zwei Überweisungen beanstandet und sogar noch eine neue Überweisung in Auftrag gegeben. In den nun in kurzer Abfolge versandten E-Mails vom 12. Februar 2017 (Anlage K 16), 13. Februar 2017 (Anlage K 17), 14. Februar 2017 (Anlage K 18) und 16. Februar 2017 (Anlage K 19) zeigt die Klägerin, dass ihr das Ausmaß des Problems nach und nach bewusst wird, was zu einer steigenden Dramatik der gewählten Formulierungen führt. Dass die Klägerin dies (ausgehend davon, dass sie die Überweisungen selbst veranlasst hat) derart glaubhaft vortäuscht, erscheint eher unwahrscheinlich.

(5) Auch die vorgelegten E-Mails, mit denen die Zahlungen in Auftrag gegeben worden sind (Anlagenkonvolut K32/1-K32/14), weisen einige Auffälligkeiten auf.

Die von der Klägerin vorgelegten E-Mails können vom Senat inhaltlich gewürdigt werden. Den Inhalt der Verhandlung bildet das gesamte Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung, der Inhalt der von ihnen eingereichten und in Bezug genommenen Schriftsätze und sonstigen Unterlagen sowie ihr sonstiges Prozessverhalten. Der Inhalt einer vorgelegten Urkunde kann dabei auch insoweit berücksichtigt werden, als sich die Partei nicht darauf bezogen hat (BGH, Urteil vom 13. April 1983 - VIII ZR 320/80 -, juris Rn. 19).

Danach ist auffällig, dass die E-Mails, mit denen die streitgegenständlichen Überweisungen veranlasst worden sind, eher kurz und sprachlich nüchtern gehalten sind, während die Klägerin in den unstreitig von ihr verfassten E-Mails zuvor häufiger auch einige freundliche Worte außerhalb des konkreten Auftrags verwendet hat. Besonders die E-Mail vom 17. Mai 2016 (Anlage K 32/1) ist insofern bemerkenswert, als die E-Mail das vorangegangene Treffen zwischen der Klägerin und Herrn K. am 4. Mai 2016 mit keinem Wort erwähnt und stattdessen erst in der unstreitig von der Klägerin stammenden E-Mail vom 27. Mai 2016 (Anlage K14) auf dieses Treffen Bezug genommen wird. Diese zeitliche Abfolge erscheint, wenn die Klägerin die E-Mail vom 17. Mai 2016 verfasst haben sollte, unplausibel.

(6) Weiter ergeben sich aus dem übrigen E-Mail-Verkehr zwischen der Klägerin und Herrn R. K. keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Zahlungen autorisiert hat. Zwar hat Herr K. die Ausführung der Zahlungen, deren Autorisierung im Streit steht, wie in der Vergangenheit üblich kurz per E-Mail bestätigt. Die Klägerin hat aber in ihrer informatorischen Anhörung angegeben, dass sie diese E-Mails nicht erhalten habe. Dies wäre mit den Ausführungen des Sachverständigen in Einklang zu bringen. Danach ist es ohne weiteres denkbar, dass die Bestätigungsmails ebenso wie die E-Mails, mit denen die Zahlungen in Auftrag gegeben worden sind, von einem Dritten gelöscht wurden. Gleiches gilt für die ausführlichere Kommunikation zwischen Herrn R. K. und dem E-Mail-Account der Klägerin im Zusammenhang mit der gescheiterten Überweisung vom 16. Mai 2016 (Anlage B7).

(7) Der Umstand, dass der Laptop der Klägerin im Jahr 2018 neu installiert wurde, ist kein Indiz dafür, dass die Klägerin die Zahlungen autorisiert hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin damit die Beweisführung erschweren wollte, nachdem ihr insoweit nicht einmal Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Auf die Ausführungen unter cc) wird verwiesen.

(8) Für eine Autorisierung der Überweisungen durch die Klägerin spricht schließlich nicht, dass sie die entsprechenden Buchungen auf ihrem Girokonto nicht bereits im Juli 2016, sondern erst im Februar 2017 gegenüber der Beklagten beanstandet hat. Zwar hat die Klägerin ab Juli 2016 Kontoauszüge mit den Buchungen erhalten und diese nach eigenen Angaben gelesen, wenn auch nur schnell. Die Klägerin hat aber in ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat erläutert, warum sie die Buchungen nicht zeitnah beanstandet hat. Dieses Verhalten mag sorglos sein, lässt aber keinen zweifelsfreien Rückschluss darauf zu, dass die Klägerin die Zahlungen nicht autorisiert hat.

2. Schadenersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin, deretwegen diese eine Gutschrift nach § 675u Satz 2 BGB aF gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben verweigern könnte (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365, Rn. 25 m.w.N.), bestehen nicht.

a) Schadenersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin aus § 675v Abs. 2 BGB aF bestehen nicht. Die Beweislast für Ansprüche aus § 675v BGB aF liegt beim Zahlungsdienstleister (Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl., § 675v, Rn. 128; MünchKommBGB/Zetzsche, 7. Aufl. 2017, § 675v, Rn. 54). Weder ist ein betrügerisches Verhalten der Klägerin, noch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Pflicht aus § 675l BGB aF oder einer Bedingung für die Ausgabe und Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments vorgetragen und bewiesen. Auch wenn man die Auftragserteilung per E-Mail vorliegend als Zahlungsauthentifizierungsinstrument behandelt (siehe dazu unter c), sind Bedingungen der Beklagten für diese Art der Kommunikation und deren Verletzung durch die Klägerin weder vorgetragen noch erkennbar.

Insbesondere stellt die in § 11 Abs. 4 der AGB vereinbarte Pflicht zur Prüfung der Kontoauszüge keine Pflicht im Sinne des § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB aF gemäß § 675l BGB aF dar. Die in § 675l BGB aF geregelten Pflichten beziehen sich auf den Umgang des Nutzers mit dem Zahlungsauthentifizierungsinstrument und regeln damit im Zusammenhang stehende Sorgfalts- und Anzeigepflichten. Außerdem beinhaltet § 675l Satz 2 BGB aF lediglich eine Pflicht zur unverzüglichen Anzeige einer missbräuchlichen Verwendung oder einer sonstigen nicht autorisierten Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, nachdem der Zahler hiervon positive Kenntnis erlangt hat. Eine darüber hinausgehende Anzeigepflicht ergibt sich aus § 675l BGB aF nicht. Die in § 11 Abs. 4 der AGB geregelte allgemeine Anzeigepflicht bezogen auf Mitteilungen der Bank passt deshalb nicht in den Pflichtenkreis des § 675l BGB aF, für dessen Verletzung § 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB aF eine Haftung des Zahlers vorsieht.

Auch stellt § 11 Abs. 4 der AGB keine Bedingung für die Ausgabe und Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments im Sinne des § 675 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF dar, weil die Regelung nicht auf ein bestimmtes Zahlungsauthentifizierungsinstrument Bezug nimmt und keine konkreten Anforderungen an die Sorgfalt des Zahlers bei der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments aufstellt.

b) Ein Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin aus § 675v Abs. 1 BGB aF besteht ebenfalls nicht. § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB aF, der auf den Besitz eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments Bezug nimmt, kann sich denklogisch nur auf verkörperte Zahlungsauthentifizierungsinstrumente beziehen, sodass die Vorschrift beim Online-Banking keine Anwendung findet (Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2. Aufl., § 675v, Rn. 19; MünchKommBGB/Zetzsche, 7. Aufl.2017, § 675v Rn. 10). Nichts anderes gilt für die Durchführung von Überweisungen per Email wie hier. Die Voraussetzungen von Satz 2 sind unabhängig von seinem Anwendungsbereich nicht vorgetragen.

c) Schadenersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB scheiden, unabhängig davon, ob die Klägerin ihre Pflichten aus § 11 Abs. 4 der AGB zur Kontrolle der Kontoauszüge verletzt hat, aus. Ansprüche des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler im Falle von nicht autorisierten Zahlungsvorgängen sind in § 675v Abs. 1 und 2 BGB aF in seinem Anwendungsbereich abschließend geregelt; für eine Anwendung von § 280 Abs. 1 BGB wegen einer etwaigen Verletzung der allgemeinen rahmenvertraglichen Verpflichtung zur unverzüglichen Kontrolle der Kontoauszüge ist daneben kein Raum.

aa) Die Regelung, mit der der Gesetzgeber Art. 62 Abs. 2 der Richtlinie 2007/64/EG umgesetzt hat (BT-Drucks. 16/11643, S. 113 f.), erfasst eine Autorisierung per E-Mail.

Art. 62 der Richtlinie 2007/64/EG steht unter der Überschrift "Haftung des Zahlers bei nicht autorisierter Nutzung des Zahlungsinstruments". Dabei setzte der Unionsgesetzgeber voraus, dass der in Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64/EG definierte Begriff des Zahlungsinstruments einen nicht personalisierten Verfahrensablauf erfassen kann, der zwischen dem Nutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart und der vom Nutzer eingesetzt werden könne, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen (so EuGH, Urteil vom 9. April 2014 - C-616/11, "T-Mobile Austria", WM 2015, 813 Rn. 35). Auch eine Zahlungsanweisung per Fax erfüllt deshalb die Anforderungen des Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64/EG (BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365).

Nichts anderes kann für eine Zahlungsanweisung per E-Mail gelten (so auch MünchKommBGB/Zetzsche, 8. Aufl. 2020, BGB § 675v Rn. 17). Auch hier kann der Zahlungsdienstleister die vom Kunden hinterlegte E-Mail-Adresse mit der Adresse des Absenders der E-Mail vergleichen. Ein Unterschied in der Abwicklung der durch E-Mail autorisierten Zahlungsvorgänge im Vergleich zum Fax, insbesondere zum Computer-Fax ist nicht ersichtlich. Ob das Merkmal, das verglichen wird, eine sichere Authentifizierung zulässt, ist dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365, Rn. 35).

bb) § 675v Abs. 2 BGB aF ist gemäß den unionsrechtlichen Vorgaben dahin auszulegen, dass die Vorschrift die Haftung des Zahlungsdienstnutzers in seinem Anwendungsbereich abschließend regelt (BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365 Rn. 37 ff.). Der vom deutschen Gesetzgeber verwendete Begriff „Zahlungsauthentifizierungsinstrument“ ist unionsrechtskonform gleichbedeutend mit dem in Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64/EG verwendeten Begriff auslegen. Bei unionsrechtskonformer Lesart entfaltet die Norm in ihrem Anwendungsbereich wegen § 675z BGB aF eine Sperrwirkung für weitere vertragliche Schadensersatzansprüche des Zahlungsdienstleisters (BGH, Urteil vom 17. November 2020 - XI ZR 294/19 -, BGHZ 227, 343-365, Rn. 43 m.w.N.; Nobbe in Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Böger, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 3. Aufl., § 675v Rn. 9; Schmieder in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 5. Aufl., § 49 Rn. 125).

Dass der Bundesgerichtshof den nicht unverzüglichen Widerspruch des Kunden gegen fehlerhaft ausgeführte Lastschriften als Pflichtverletzung aus dem Kontokorrentvertrag bewertet und darauf gestützte Schadenersatzansprüche der Bank für möglich hält (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 -, BGHZ 186, 269-295, Rn. 54 m.w.N.), steht dem nicht entgegen, weil durch eine Lastschrift ausgelöste Zahlungen nicht in den Anwendungsbereich von § 675v BGB aF fallen.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Zinsen seit 17. Oktober 2017 folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Seit diesem Datum befand sich die Beklagte jedenfalls mit der Gutschrift der vom Konto eingezogenen 255.395,61 EUR im Verzug, nachdem die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. September 2017 die Beklagte zur Zahlung „im Wege der Gutschrift“ der 255.395,61 EUR auf dem Girokonto bis zum 16. Oktober 2017 aufgefordert hatte.

Auf diesen einer Geldschuld gleichwertigen Anspruch ist § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB analog anzuwenden (so zum Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Betrags (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16 -, juris). Der Regelung liegt der Grundsatz zugrunde, dass die mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten auch ohne Substanzverbrauch in aller Regel geldwerte wirtschaftliche Vorteile bieten, deren Vorenthaltung rechtlich als Schaden anzusehen ist, der unabhängig von den Umständen des Einzelfalles mit einem Mindestzinssatz abzugelten ist. Der Gläubiger soll einen Zinsschaden oder einen sonstigen Schaden gerade nicht beweisen müssen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16 -, juris Rn. 14). Dabei macht es wertungsmäßig keinen Unterschied, ob der Anspruch des Gläubigers unmittelbar auf Zahlung gerichtet ist oder auf Herausgabe einer aufgrund eines privatrechtlichen Verwahrvertrags deponierten "Menge Geldes" (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 267/16 -, juris Rn. 15). Wenn - wie vorliegend - die begehrte Zahlung „im Wege der Gutschrift“ zu einer freien Verfügbarkeit des Betrages für den Gläubiger führt, so dass dieser ihn ohne Mitwirkung des Schuldners nutzen kann, steht dies wertungsmäßig einem Zahlungsanspruch gleich. Hinsichtlich der gegen die Analogie vorgebrachten Bedenken der Literatur schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) an.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zu Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Der Senat weicht hinsichtlich der Beweislast für die Autorisierung der Zahlung von der Entscheidung des OLG Dresden vom 21. Juni 2018 (Az. 8 U 1586/17) ab, und die Entscheidung beruht auf dieser Abweichung. Zudem hat die Frage, wer die Beweislast für die Autorisierung von Zahlungen innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs des § 675u BGB trägt, grundsätzliche Bedeutung.

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