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BB 2017, I
Pestke 

Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle: Steuerberater als Spürnasen der Finanzverwaltung?

Abbildung 1

Die Finanzministerkonferenz hat am 1.12.2016 einstimmig beschlossen, dass eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle so schnell wie möglich eingeführt werden soll. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis März 2017 einen Vorschlag erarbeiten.

Die Idee, Steuerpflichtigen und Beratern eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen aufzuerlegen, ist nicht neu. Bundestag und Bundesrat riefen sie schon bei den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008 auf. Verfassungsrechtliche Bedenken setzten sich seinerzeit durch. Aber die Zeiten haben sich geändert. Ein vom BMF beauftragtes Gutachten des Max-Planck-Instituts testierte dem Gesetzgeber, eine sanktionsbewehrte Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle sei in Deutschland verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Zudem stieg der politische Handlungsdruck: Steuersparprodukte wie Cum-Ex oder Dividendenstripping sowie Steuervermeidungskonzepte à la Apple und nicht zuletzt die Einführung einer Anzeigepflicht in Staaten wie Großbritannien und den USA drängen das Thema erneut in den Vordergrund. So erscheint vielen Kommentatoren eine Abwendung der Pflicht diesmal kaum noch vorstellbar.

Aber legitimieren die genannten Entwicklungen es wirklich, alle Steuerpflichtigen und gesamte Berufsstände unter Generalverdacht zu stellen? Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) verneint dies, denn über 99,9 % der Steuerpflichtigen und der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sind nicht in kritische Modelle involviert. Außerdem muss Folgendes beachtet werden:

Gesetzgebungsqualität ist Sache des Gesetzgebers.

Es ist Aufgabe des Steuergesetzgebers, folgerichtige Regelungen zu schaffen. Auf diese Kompetenz müssen Steuerpflichtige vertrauen können. Bewegen sie sich in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen, ist dies zunächst legal und legitim. Führen aufeinander nicht abgestimmte Steuersysteme verschiedener Staaten zu Verwerfungen, ist es grundsätzlich Sache der Staaten, dies durch verbindliche, einheitliche internationale Regeln zu vermeiden.

Bestehende Mittel zur Identifizierung von Steuergestaltungen sollten effektiver genutzt werden.

Die Finanzverwaltung verfügt bereits heute über Mittel, um unerwünschte Gestaltungen zu erkennen: Betriebsprüfungen, Nachschauen und Sonderprüfungen.

Anzeigepflichten anderer Länder sind auf Deutschland nicht 1:1 übertragbar.

Der Hinweis auf Anzeigepflichten in anderen Staaten hinkt. In den USA unterstützt die Pflicht das dort geltende Selbstveranlagungssystem. Aufgrund dieses Systems prüft die Finanzverwaltung nur einen geringen Teil der Fälle. Die Anzeigepflicht sichert dabei die Ausfilterung von besonders prüfungswürdigen Steuererklärungen. In Deutschland hingegen ist zumindest dem Grunde nach jeder Steuerfall durch die Finanzverwaltung zu prüfen. Zur Vermeidung von steuerstrafrechtlichen Risiken hat der Steuerpflichtige zudem bei der Abgabe der Steuererklärung den Sachverhalt so vollständig darzulegen, dass er umfassend geprüft werden kann. Daraus ergibt sich für die deutsche Finanzverwaltung im Vergleich zu der in anderen Staaten ein deutlicher Wissensvorsprung.

Außerdem ist es in Deutschland berufliche Aufgabe und Pflicht der Steuerberater, ihren Mandanten die beste legale Lösung aufzuzeigen. Sonst drohen ihnen Haftung und im schlimmsten Falle berufsrechtliche Konsequenzen.

Vom Gesetzgeber bewusst geschaffene Gestaltungsspielräume rechtfertigen keine Anzeigepflicht.

Eine eventuelle Anzeigepflicht darf, wenn sie denn kommt, nicht zu weit greifen. Dies zeigt ein am 2.12.2016 veröffentlichter Beitrag in der Süddeutschen Zeitung. Danach soll es etwa angezeigt werden müssen, wenn ein Unternehmen statt in München in einer Umlandgemeinde eine Niederlassung gründet, um aufgrund des dort niedrigeren Hebesatzes Gewerbesteuer zu sparen.

Eine derart weite Anzeigepflicht wäre grotesk! Man stelle sich vor: Der Gesetzgeber stärkt verfassungsrechtlich mit unterschiedlichen Hebesätzen die Finanzautonomie der Gemeinden und schafft damit gewollten Steuerwettbewerb – und die Steuerberater sollen es melden müssen? Würde der in der Süddeutschen Zeitung aufgezeigte Ansatz weiter gesponnen, müssten Steuerberater sich bald fragen, ob sie die Wahl des Mandanten zwischen der 1 %-Prozent- und der Fahrtenbuchmethode neben der Angabe in der Steuererklärung als Steuersparmodell melden müssen. Es wäre absurd, Berater und Steuerpflichtige hier in einen Bürokratiemehraufwand und in ein Bußgeldrisiko zu drängen.

Regelung müsste begrenzt werden.

Unangemessenes Verhalten einzelner, welches es leider gegeben hat, darf nicht einen ganzen Berufsstand lahmlegen. Was ein anzeigepflichtiges Steuergestaltungsmodell ist, muss der Gesetzgeber präzise gesetzlich festlegen. Unerwünschtheit ist kein Kriterium. Bund und Länder sollten sich ausreichend Zeit nehmen, um Risiken und Nebenwirkungen der von ihnen geplanten Regelung zu vermeiden. Ein Schnellschuss birgt die Gefahr, dass die eventuelle Regelung als unbestimmt oder unverhältnismäßig zu qualifizieren wäre. Dies ließe sie verfassungswidrig sein, worauf das Max-Planck-Institut zu Recht ebenfalls bereits hingewiesen hat.

Prof. Dr. Axel Pestke ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Steuerberaterverbands e. V., Berlin.

 
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