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BB 2022, I
Schmittmann 

Auswahl des Insolvenzverwalters: Liste nach Laune?

Abbildung 1

Die Ausgestaltung der Vorauswahlliste sowie die zu Grunde liegenden Kriterien sollten in der InsO kodifiziert werden.

Seit nunmehr fast 100 Jahren wird über die Maßstäbe zur Auswahl des Konkurs- und Insolvenzverwalters diskutiert. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat bereits am 11.2.1929 Richtlinien für die dortigen Konkursverwalter erlassen (JW 1929, 1633). Später kamen die Richtlinien des Reichsjustizministeriums zur Bestellung von Vergleichs- und Konkursverwaltern vom 4.11.1935 (DJ 1935, 1659) hinzu. Die seinerzeitige Regelung in § 78 KO, wonach der Konkursverwalter “von dem Gerichte” ernannt wird, war noch knapper als die heutige Regelung des § 56 InsO. Schon früh wurde die Frage der Auswahl des Verwalters durch das Gericht als “Schicksalsfrage” des Verfahrens angesehen (so Jaeger/Weber, Konkursordnung – Kommentar, 9. Aufl. 1977, § 78, Rn. 2; LG Freiburg, Beschl. v. 4.6.1987 – 8 T 67/87, ZIP 1987, 1597), woraus sogar ein gewisser “Heldenmythos” resultiert (so treffend Mönning, Beteiligung der Gläubiger bei der Auswahl des Insolvenzverwalters, in: FS Görg, 2010, S. 291, 294).

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode (https: //archiv.cdu.de/koalitionsvertrag-2018) sah vor: “Wir werden gesetzliche Rahmenbedingungen für die Berufszulassung und -ausübung von Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwaltern sowie Sachwalterinnen und Sachwaltern regeln, um im Interesse der Verfahrensbeteiligten eine qualifizierte und zuverlässige Wahrnehmung der Aufgaben sowie eine effektive Aufsicht zu gewährleisten. Zudem werden wir die Digitalisierung des Insolvenzverfahrens vorantreiben.” (Zeile 6195 ff.).

Eine Umsetzung erfolgte in der 19. Legislaturperiode nicht. Der Begriff “Insolvenzverwalter” hat es in den Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode “Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit” zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gar nicht erst geschafft. Dabei hat der deutsche Gesetzgeber allen Anlass, dieses Thema zügig aufzugreifen. Die Restrukturierungsrichtlinie der Europäischen Union vom 20.6.2019 sieht vor, dass die Verwalter “im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung angemessen ausgebildet sind, in transparenter Weise unter gebührender Berücksichtigung der Notwendigkeit effizienter Verfahren bestellt werden, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beaufsichtigt werden und dass sie ihre Aufgaben integer erfüllen.” (Erwägungsgrund 87).

Bei aller Enttäuschung darüber, dass es die Koalitionäre nicht für erforderlich erachtet haben, diese erforderliche Umsetzung im Koalitionsvertrag zumindest anzudeuten, so hat die Legislative zumindest Hilfestellung seitens der Judikative erhalten.

Das BVerfG (Beschl. v. 3.8.3004 – 1 BvR 135/00, BB 2004, 2320 ff.) hat bereits konstatiert, dass bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren jeder Bewerber eine faire Chance erhalten muss, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden, da die Betätigung als Insolvenzverwalter zu einem eigenständigen Beruf geworden sei. Das BVerfG erkennt zwar an, dass dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites Auswahlermessen zugestanden wird, dies aber nicht ohne jede Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG geschehen kann. Im Rahmen der Vorauswahl geeigneter Bewerber sei ein justiziables Vorauswahlverfahren verfassungsrechtlich geboten.

Der BGH (Beschl. v. 13.1.2022 – IX AR [VZ] 1/20, BB 2022, 403 [in diesem Heft]) billigt einem Bewerber das Recht zu, mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend zu machen, dass die Auswahlkriterien, die der Insolvenzrichter bei der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter heranzieht, rechtswidrig sind und ihn in seinen Rechten verletzen. Hierzu zählen auch Merkmale, die eine Strukturierung der Vorauswahlliste ermöglichen sollen. Zudem kann er geltend machen, dass er bei rechtsfehlerfreier Anwendung der vom Insolvenzrichter für eine Vorauswahlliste herangezogenen Kriterien in einer für ihn günstigeren Weise auf der Vorauswahlliste zu führen ist.

Der BGH liefert dem Gesetzgeber eine gelungene Vorlage, wie bei der Erstellung der Vorauswahlliste vorzugehen ist. Das Vorauswahlverfahren darf sich – so der BGH – “nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter Bewerber beschränken, vielmehr müssen die Daten über die Bewerber erhoben, verifiziert und strukturiert werden, die der jeweilige Insolvenzrichter nach eigener Einschätzung für eine sachgerechte Ermessensausübung bei der Auswahlentscheidung aus dem Kreis der Bewerber benötigt”. Weiter heißt es: “Im Vordergrund steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der persönlichen und fachlichen Eignung (. . .) Maßstab für die Vorauswahlliste sind daher die Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters (. . .)” (Rn. 27).

Klare Worte findet der BGH für die in Streit stehende Regelung: “Die Punktbewertung ist nach der Art ihrer Ausgestaltung für den angestrebten Zweck ungeeignet. Der Insolvenzrichter überschreitet damit den ihm bei der Vorauswahlliste zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum.” (Rn. 29).

Der BGH hat mit der Entscheidung dem Gesetzgeber eine Steilvorlage für eine Ergänzung von § 56 InsO geliefert, die freilich dem Antragsteller im vorliegenden Fall nicht geholfen hat, da ihm kein subjektives Recht zusteht, nach Maßgabe eines rechtlich unzulässigen Punktsystems im Rahmen einer Vorauswahlliste so behandelt zu werden, als habe er eine überdurchschnittliche Punktzahl erlangt (Rn. 51).

Der Gesetzgeber sollte § 56 InsO um einen Abs. 2a ergänzen: “Die Insolvenzgerichte führen Vorauswahllisten, die auf der Grundlage verifizierter und strukturierter Daten erstellt werden; verfahrensbezogene Merkmale wie etwa Sanierung, Insolvenzpläne, Massesteigerung, Ausschüttungsquote, Verwaltungskosten, Abweisung mangels Masse und Verfahrensdauer sind einzubeziehen.”

Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, RA/FAHaGesR/FAInsR/FAStR/StB, lehrt an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management Essen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht und ist Chefredakteur der Zeitschriften Betriebs-Berater und Der SteuerBerater.

 
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