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Schalast 

Commerzbank, Lufthansa und jetzt Meyer-Werft – Staats-M&A als generelle Krisen-Antwort?

Abbildung 1

Die Voraussetzungen für eine Intervention müssen genau definiert werden.

Wie sich die Bilder gleichen! Olaf Scholz lässt sich in der Meyer-Werft mit Schutzhelm als Retter feiern. Viele werden dabei 25 Jahre zurückdenken und sich an Gerhard Schröder, den (später gescheiterten) Philipp-Holzmann-Retter erinnern. Doch die Übernahme “strauchelnder” Unternehmen durch den Bund, Bundesländer oder andere staatliche Organe und Institutionen ist keine Spezialität sozialdemokratischer Kanzler. Während der Finanzkrise und bei Beginn der Corona-Pandemie hat die Merkel-Regierung genauso massiv mit finanziellen Hilfen und auch Beteiligungen eingegriffen. Manchmal hat dies ganz gut funktioniert, etwa bei der Lufthansa, genauso oft sind die Unternehmen aber dann – nach einer künstlichen Überbrückungszeit – untergegangen, wie Philipp Holzmann.

Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass in Deutschland traditionell zahlreiche Wirtschaftssektoren vom Staat dominiert werden. Zu nennen sind hier die Kommunalwirtschaft mit ihren Stadtwerken und Energieversorgern, die Wasserwirtschaft mit allein ca. 6 000 Betrieben, die Wohnungswirtschaft sowie im Banken- und Finanzmarkt die Sparkassen im Verbund mit den Landesbanken. Die meisten – nicht alle – dieser Beteiligungen gehören zur Daseinsfürsorge und werden nicht ernsthaft hinterfragt – anders dagegen etwa bei der Wohnungswirtschaft sowie punktuell der Wasserversorgung, wo es in der Vergangenheit einige Privatisierungen gab, die aber zuletzt zunehmend in Frage gestellt und teilweise zurückabgewickelt wurden.

Doch so sehr das staatliche Engagement bei der Daseinsvorsorge akzeptiert wird, so sehr werden im Übrigen Eingriffe in die freie Marktwirtschaft regelmäßig hinterfragt und nur in außergewöhnlichen Krisenzeiten akzeptiert, ja verlangt. Dafür stehen etwa die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank in der Finanzmarktkrise 2008 oder die an Lufthansa während der Corona-Pandemie.

Was ist aber nun der Unterschied zwischen diesen Rettungsmaßnahmen und der Übernahme der Meyer-Werft? Der erste Unterschied ist, dass die aktuelle Krise der Meyer-Werft nichts mit dem Ukraine-Krieg oder Corona etc. zu tun hat. Die Kreuzfahrtindustrie – und in Papenburg werden Kreuzfahrtschiffe gebaut – boomt schon wieder seit einiger Zeit. Nein, Hintergrund der aktuellen Krise ist ein spezifisches Geschäftsmodell und ein damit verbundenes Liquiditätsproblem, das für die gesamte Werftenindustrie typisch ist: Der Käufer zahlt i. d. R. nur ca. 20 % des vereinbarten Abnahmepreises vorab, und die Werften müssen dann für die Zwischenfinanzierung durch Kreditinstitute auch Eigenkapital zur Verfügung stellen. Dies ist einer der Gründe, warum der Bund schon immer zur Stelle war, wenn große Werften an Nord- und Ostsee bedroht waren. Dabei geht es im Ergebnis aber um Infrastrukturpolitik und den Erhalt von regionalen Arbeitsplätzen. Doch mit dieser Begründung könnte jeder Großbetrieb mit über 10 000 Arbeitnehmern in Zukunft seine Rettung einfordern. Damit tritt dann genau das ein, was man nach den Erfahrungen der Finanzkrise zukünftig verhindern wollte: Der Steuerzahler wird in Geiselhaft genommen, und der finanzielle Ausgang ist ungewiss; gut ging es meistens nur, wenn der Bund eine strategische Minderheit übernahm.

Des Weiteren stellt sich die eng damit verbundene Frage, wie sich Bund und Länder als Gesellschafter zu verhalten haben. Ein Beispiel dafür ist VW, wo jetzt eine schmerzhafte Umstrukturierung ansteht, die genau den politischen Zielen widerspricht, mit denen die Meyer-Werft-Übernahme begründet wird. Entsprechend der Logik bei der Übernahme der Meyer-Werft müsste der Bund als Aktionär primär das Ziel Arbeitsplatzerhalt verfolgen.

Auch die weitere Exit-Strategie, etwa bei der Commerzbank, müsste primär infrastrukturpolitisch und nicht gewinnorientiert ausgerichtet werden.

Um zu verhindern, dass der Bund und die Länder sich in Zukunft damit in eine ungünstige Verhandlungsposition bringen, müssen die Voraussetzungen für eine staatliche Intervention genau definiert werden: Ausgangspunkt dürfen nur eine Krise oder ein strategisches Infrastrukturinteresse i. S. d. Außenwirtschaftsgesetzes sein, und ein konkretes Exit-Szenario muss bereits beim Einstieg professionell erarbeitet werden.

Des Weiteren müssen die Rahmenbedingungen des EU-Rechts (Stichwort Beihilfenverbot) und auch das Wettbewerbsrecht beachtet werden. Dabei ist die Angst vor einer Insolvenz kein sinnvoller Handlungsantrieb, insbesondere da das deutsche Insolvenzrecht bereits seit Jahren sowohl eine Sanierung wie auch eine Fortführungsperspektive, etwa durch Verkauf, sehr viel stärker als früher ermöglicht.

Prof. Dr. Christoph Schalast, RA, Notar, ist Managing Partner der Kanzlei Schalast LAW | TAX in Frankfurt a. M. Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Anwalt und Notar sind M&A, Real Estate sowie das Bank- und Finanzmarktrecht. An der Frankfurt School of Finance & Management leitet er den Master-Studiengang M&A.

 
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