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BB 2020, I
Zumkeller 

Das Kurzarbeitergeld – ein gutes und bewährtes Instrument in Krisenzeiten

Abbildung 1

Es sind ungewohnte Zeiten. Covid 19 hat uns erfasst und überrollt und zeitigt Folgen, die niemand zu vertreten hat. Und ungewohnte Zeiten erfordern auch ungewohnte Maßnahmen.

Ein in Deutschland bewährtes Arbeitsförderungsmittel – übrigens ein echter “Export-Schlager”, der sich mittlerweile in vielen Ländern dieser Erde, meist jedoch modifiziert, findet – ist das Kurzarbeitergeld. Einst konzipiert, um wirtschaftliche Dellen auszubügeln, die vorübergehend sind, einige Monate, vielleicht einmal ein Jahr, ist es ein probates Mittel auch in der jetzigen Situation. Schlagartig mussten im Frühjahr Hotels und Restaurants sowie der Einzelhandel dicht machen, es folgte das verarbeitende Gewerbe. Glücklich, wer weiterarbeiten konnte, ohne sich gesundheitlich zu gefährden. Es ist eigentlich wie bei jeder gesamtwirtschaftlichen Delle. Fast, denn eines ist schon anders: Es ist nicht wirklich vorhersehbar, wann Covid 19 uns wieder aus dem Würgegriff entlässt. Und, anders als in vielen anderen wirtschaftlichen Krisen, scheint das wirtschaftliche Ungemach zum einen einzelne Betriebe deutlich länger im Griff zu haben und zum anderen zeitversetzt zu kommen.

Das hat die Bundesregierung gesehen und schnell gehandelt. Es wurde zunächst außer Frage gestellt, dass Covid 19-bedingte Betriebsausfälle kurzarbeitergeldfähig sind. Heute haben wir, nach der Anpassung und Verlängerung der Regelungen zur Kurzarbeit – sehr verkürzt dargestellt – die Situation, dass Kurzarbeitergeld bis 24 Monate bezahlt wird, ab dem vierten bzw. siebten Monat das KuG 70/77 % bzw. 80/87 % statt 60/67 % beträgt und der Arbeitgeber derzeit 100 %, ab 1.7.2021 noch 50 % der Sozialversicherungsbeiträge, die auf das KuG fallen, erstattet bekommt.

Kurzarbeit ist ein Instrument, das die Wirtschaft kennt. Es hat schon mehrfach in den letzten Jahrzehnten geholfen, Kündigungen zu vermeiden. Hoffen wir, dass es diesmal auch so ist. Obwohl nicht ganz vermieden werden kann, dass es auch missbraucht wird. Denn z. B. die Automobil- und Zulieferindustrie steckt in einer eigenen, Covid 19-unabhängigen Krise: Viel zu spät die Entwicklung von Elektro- und Brennstoffzellenautos vorangetrieben, dürften Absatzprobleme eben auch gerade damit zu tun haben – und zumindest nicht nur Covid 19-bedingt sein. Oder die Luftfahrtindustrie – zeitgleich mit einem erstarkenden Umweltschutzgedanken dahingehend, dass es eben nicht sinnvoll ist, unbegrenzt CO2 zu emittieren, nur um in den Urlaub zu kommen, kam Covid 19. Ich möchte mich nicht falsch ausdrücken: Auch diese Ereignisse sind für mich ohne Frage wirtschaftliche Dellen, die wieder ausgeglichen werden können – aber es bedarf eines “Plus” zur Kurzarbeit; sie alleine wird es nicht sein, die Münchhausengleich vor dem Sumpf rettet.

Woran fehlt es? Selbstständige. Sie sind besonders “gebeutelt”, insbesondere Kleinstbetriebe. Oft verfügen sie über geringe finanzielle Reserven. Ich weiß: Leistungen der Bundesagentur können eben nur Beschäftigte erhalten, die SV-Beiträge in die Bundesagentur bezahlt haben. Aber kommt wirklich nur die Bundesagentur für die Mittel auf? Wissen wir nicht mittlerweile alle, dass hier auch der Steuerzahler mitfinanziert.

Beitragsbemessungsgrenze: Leistungen der Bundesagentur können eben nur Beschäftigte erhalten, die SV-Beiträge in die Bundesagentur bezahlt haben. Aber auch dieser Personenkreis erhält trotz seiner Beitragszahlungen kein KUG, wenn er in Kurzarbeit noch oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze vergütet wird. Und auch hier gilt: Mit seinen Steuern refinanziert er das KuG der Kollegen.

Schrittweise Anhebung des KuG: Für die Beschäftigten ist es sicher nicht unattraktiv, nach entsprechenden Zeiträumen ein erhöhtes KuG zu bekommen. 87 % – das reicht unter Abzug der Ersparnisse, wie z. B. Fahrkosten zum Betrieb, schon ziemlich an das bisherige Entgelt ran. Eine zu hohe Absicherung? Nun, zumindest ist das risikobehaftet und missbrauchsgeneigt: Ein Unternehmer, der z. B. 33 % Arbeitsausfall hat, kann entweder alle Beschäftigten in Kurzarbeit mit 67 % Restarbeitszeit schicken mit der Folge des Bezugs von 60/67 % KuG, oder aber nur ein Drittel der Belegschaft mit der Folge Null zu 80/87 % KUG (denn die erhöhten Sätze gelten ersten ab Kurzarbeit von 50 %). Das kann sich für die Unternehmen rechnen.

Progressionsfalle: Bei der Steuererklärung kann es zu bösen Überraschungen kommen. Denn das KuG steht – ebenso wie z. B. das Krankengeld – unter Progressionsvorbehalt; d. h., statt einer Steuererstattung kann eine dicke Steuernachzahlung drohen.

Zuschüsse des Arbeitgebers: Die Tarifverträge etlicher Branchen sehen Zuschussleistungen zum KuG vor. D. h. nicht nur, dass Kurzarbeit kein wirklich preisgünstiges Instrument ist, sondern dass ein großer Verwaltungsaufwand besteht. Der Abgleich der neuen Regelungen mit den bestehenden Abrechnungsprogrammen dürfte aber viele Mittelständler überfordern.

Ich will das KuG nicht schlecht reden – im Gegenteil. Es ist ein bewährtes, gutes Instrument. Die Bundesagentur und alle ihre Mitarbeiter haben sehr schnell und effizient Wege gefunden, jedem Betroffenen zu helfen und Unternehmen zu unterstützen. Die Gewerkschaften haben (bis dato zumindest) dazu beigetragen, den wirtschaftlichen Schaden geringstmöglich ausfallen zu lassen. Die Betriebsräte haben in aller Regel schnell und unkompliziert die erforderlichen Betriebsvereinbarungen mit ausgehandelt und mitgetragen. Man wünscht sich häufiger solche “konzertierte Aktionen” – in “Gänsefüßchen”, weil es keine konzertierte Aktion war, sondern jeder für sich – Bundesregierung, Parlament, Gewerkschaften, Unternehmen, Betriebsräte, Mitarbeiter – seinen Teil beigetragen hat.

Es sind ungewohnte Zeiten. Covid 19 hat uns erfasst und überrollt und zeitigt Folgen, die niemand zu vertreten hat. Nein, das stimmt nicht ganz: Wer nach wie vor leichtsinnig und ohne Vorkehrungen sich an manchem Strand wie in der Ölsardinenbüchse räkelt, wer ungeschützt auf sog. “Demos” geht, wer sich also schlicht rücksichtslos verhält – der möchte auch noch Krankengeld oder Lohnersatzleistung vom Gesundheitsamt, wenn er in Quarantäne muss. Ungewohnte Zeiten erfordern auch ungewohnte Maßnahmen: Keine Leistungen für diesen Personenkreis bitte!

Dr. Alexander R. Zumkeller, MBA, RA, Wirtschaftsmediator, ist Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (www.bvau.de), der branchenübergreifenden, personenbezogenen und bundesweit tätigen Vereinigung für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Nach 20 Jahren in Arbeitgeberverbänden, zuletzt als Geschäftsführer tätig, ist er seit 2007 bei ABB und heute dort Head of HR Policies ABB Deutschland, Head of Global Business Services Labour Relations sowie Global Lead CoE Labour Law.

 
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