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BB 2023, I
von Walter 

Datenschutz-Durchsetzung: Kommen nach den Behörden und den Verbänden jetzt auch die Mitbewerber zum Zuge?

Abbildung 1

Hat der Datenschutz überhaupt Marktbezug? In dieser Frage kann der EuGH nicht helfen.

Kommt sie nun doch noch, die anwaltliche Abmahnwelle im Datenschutzrecht? Nein, es soll hier nicht um die fragwürdige Abmahnpraxis rund um Google-Fonts gehen. Auch im Jahr sechs der DSGVO ist noch immer ungeklärt, ob Mitbewerber Datenschutzverstöße der Konkurrenz mit den lauterkeitsrechtlichen Mitteln des UWG unterbinden dürfen oder nicht. Mit Beschlüssen vom 12.1.2023 hat der I. Zivilsenat des BGH dem EuGH erneut genau diese Frage gestellt (I ZR 222/19, I ZR 223/19, BB 2023, 194, Ls.). Dürfen Mitbewerber Datenschutzverstöße über das UWG unterbinden?

Einer der Gründe für die Ablösung der Datenschutz-RL 95/46/EG durch die DSGVO soll das Vollzugsdefizit für den Schutz personenbezogener Daten in den nationalen Rechtsordnungen gewesen sein. Die DSGVO betraut zunächst die Datenschutzaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten sowie die betroffenen Personen selbst mit der Durchsetzung der Datenschutzregeln. In einer Mischung aus Verwaltungsrecht mit Bußgeldkompetenz für die Aufsichtsbehörden einerseits und deliktsrechtlichen Ansprüchen auf Schadensersatz für die betroffenen Personen andererseits gestaltet die DSGVO zwei Säulen der Rechtsdurchsetzung selbst. Eine dritte Säule für die Rechtsdurchsetzung durch Verbände ist in Art. 80 DSGVO zusätzlich ausdrücklich angelegt, ohne sie jedoch explizit in der DSGVO selbst auszugestalten. Die Mitgliedstaaten sollen das richten, sagt die DSGVO mit Art. 80 Abs. 2. Deutschland hat eine ausgeprägte Tradition in Verbandsklagen gestützt auf das Verbraucherschutzrecht (UKlaG) und das Lauterkeitsrecht (UWG). Es war daher nur konsequent, dass der BGH dem EuGH die Frage vorlegte, ob Verbände unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter den Gesichtspunkten des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken oder des Verstoßes gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder des Verbots der Verwendung unwirksamer AGB vorgehen können (BGH, 28.5.2020 – I ZR 186/17, BB 2020, 1602, Ls. – App-Zentrum I). Die Antwort aus Luxemburg war die, dass die DSGVO der Verbandsklage eines Verbandes zur Wahrung von Verbraucherinteressen nicht entgegensteht (EuGH, Urteil vom 28.4.2022 – C-319/20, WRP 2022, 684 – Meta Platforms Ireland/Verbraucherzentrale Bundesverband). Damit war der Weg für Verbraucherschutzverbände für Datenschutzklagen frei. Zahlreiche Klagen der Verbraucherzentralen in Datenschutzfragen sind überliefert. Neben den betroffenen Personen und den Aufsichtsbehörden haben sich die Verbraucherzentralen als Datenschutz-Wächter etabliert und verhelfen mittlerweile den Zivilgerichten mit ihren Entscheidungen in Datenschutzsachen zur Autorität neben den Aufsichtsbehörden. Es sind nun spätestens seit dem letzten Jahr drei Player auf dem Feld der Datenschutzdurchsetzung.

Kommt nun der Mitbewerber mit der Mitbewerberabmahnung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchtatbestands § 3a UWG als vierter Player auf das Feld? Diese Frage ist komplizierter und vielschichtiger. Vorab geht die Frage wieder an das Europarecht und damit an den EuGH: Ist die DSGVO abschließend? Die Verbandsklage ist in Art. 80 DSGVO noch erwähnt. Die Mitbewerberklage ist es nicht. Sperrt die DSGVO nationale Regelungen, die Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen? Das fragt der BGH eben in seinem neuen Vorlagebeschluss vom 12.1.2023 den EuGH. Zur verwaltungsrechtlichen und deliktsrechtlichen Dimension einerseits und dem Verbandsklagrecht andererseits käme mit der Mitbewerberklage das Sonderdeliktsrecht aus dem UWG hinzu.

Die Frage, ob Mitbewerber sich auf das UWG zur Ahndung von Datenschutzverstößen stützen können, ist allerdings komplizierter. Denn hinter der europarechtlichen Dimension, ob die DSGVO gegenüber dem nationalen Wettbewerbsrecht Sperrwirkung entfaltet, gibt es noch eine weitere ungeklärte Abgrenzungsfrage im nationalen Wettbewerbsrecht: Hat der Datenschutz überhaupt Marktbezug? In dieser Frage kann der EuGH nicht helfen. Der Marktbezug ist ein Merkmal, das nicht auf Europarecht beruht. Sollte der EuGH auf die Vorlagefrage antworten, dass die DSGVO einer Durchsetzung von Datenschutznormen über das deutsche Wettbewerbsrecht nicht entgegensteht, wird der BGH zu entscheiden haben, ob das deutsche Wettbewerbsrecht sich überhaupt für die Rechtsdurchsetzung von Datenschutzvorschriften zuständig fühlt. Das hängt an der Frage, ob das Datenschutzrecht Marktverhalten zum Schutz von Marktteilnehmern in der Rolle als Marktteilnehmer schützt. Die Debatte wird in Rechtsprechung und Literatur leidenschaftlich geführt. Die jeweiligen Argumente sind ausgeschrieben. Es kommt am Ende darauf an, ob der BGH im Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des Datenschutzes eine Schutzfunktion zugunsten von Marktteilnehmern in ihrer Rolle als Marktteilnehmer erkennt. Anders gewendet: Nur weil eine Norm Personen schützt, die auch Marktteilnehmer sein können, hat die Norm selbst nicht zwingend einen marktbezogenen Schutzzweck. Umweltschutzvorschriften schützen beispielsweise die Gesundheit von Menschen, die Verbraucher sein können. Sie schützen die Menschen aber nicht zwingend als Marktteilnehmer. Im Datenschutz sehe ich das ähnlich.

Bevor also die nächste Datenschutzabmahnwelle läuft, muss zunächst der EuGH entscheiden, ob die DSGVO abschließend ist. Erst dann kann der BGH entscheiden, ob der Datenschutz zumindest auch eine Schutzfunktion zugunsten von Verbrauchern als Marktteilnehmer hat. Erst wenn beide Fragen geklärt sind, wissen wir, ob Wettbewerber neben den betroffenen Personen, den Behörden und den Verbänden zusätzlich Rechtsdurchsetzung im Datenschutz betreiben können. Bis dahin wird Zeit vergehen. Im Jahr sieben der DSGVO (2024) kann diese Klärung vorliegen. Bis dahin bleibt weiter Rechtsunsicherheit bei der anwaltlichen Abmahnung von Datenschutzverstößen im Auftrag von Mitbewerbern.

Dr. Axel von Walter, RA, ist Partner bei GvW Graf von Westphalen in München, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie für IT-Recht, 2007 Promotion an der LMU München bei Prof. Dr. Helmut Köhler. Lehrbeauftragter an der juristischen Fakultät der LMU München, Schwerpunktbereiche: UWG und IT-/Datenschutzrecht.

 
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