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BB 2019, I
Storck 

Die schöne, neue Welt der Token – ohne Regulierung und Compliance?

Abbildung 1

Bitcoin, Ether, Ripple, Blockchain, Initial Coin Offerings (ICO), Krypto-Assets und Distributed Ledger Technology (DLT) – alles Schlagwörter aus dieser neuen Welt (s. dazu u. a. Omlor, ZHR 183 [2019], 294; Veil, ZHR 183 [2019], 346; Hanten/Sacarcelitz, RdF 2019, 124). Sicher geht Aldous Huxley in seinem Roman “Schöne Neue Welt” bedeutend weiter, in dem er eine Gesellschaft beschreibt, in der scheinbar Stabilität, Frieden und Freiheit gewährleistet sind. Doch angesichts der rasanten Entwicklung der Digitalisierung ist die Frage zu stellen, inwieweit die neue Welt der Token reguliert werden sollte. Die Krypto-Gemeinde hat die Antwort bereits und vertraut dem technologischen Versprechen, dass Dezentralisierung und die Macht des Netzwerkes besser als jede staatliche Regulierung ist.

Aber was ist ein Token überhaupt? Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet Münze oder Wertmarke. Doch ein Krypto-Token ist gerade kein physisches Objekt, sondern vielmehr das Gegenteil davon: Ein Token ist ein digitaler Wert (ein Kryptowert), der in elektronischer Form einen Vermögenswert repräsentiert bzw. selbst darstellt. Das geltende Recht (und insbesondere die Regulierung) versucht Tokens nun zu kategorisieren und einzuordnen. Und wie so oft, ringt die Regulierung um einen sachgerechten Ausgleich der Interessen – auf der einen Seite Anleger- und Systemschutz und auf der anderen Seite die wirtschaftliche Freiheit.

In der derzeitigen Diskussion wird man grundsätzlich drei Arten von Token unterscheiden können, welche jeweils unterschiedlich reguliert werden und aus Compliance-Sicht entsprechend zu behandeln sind. Auf der einen Seite finden sich die sogenannten Utility-Token. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Gutscheine, Coupons oder Vergünstigungen. Diese Art von Token gibt dem Inhaber das Recht, eine bestimmte Dienstleistung zu erhalten (z. B. die Nutzung eines Streaming-Dienstes) oder eine Vergünstigung (z. B. eine Preisreduktion bei einem Buchkauf) in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen wird man zumeist eine Regulierung für nicht angebracht halten. Auch wenn über diese Token-Art ein Geschäftsmodell vorfinanziert werden kann, so fehlt es doch vielfach an einer Art Gewinnbeteiligung oder finanziellen Kompensation. Im Vordergrund steht die Dienstleistung; sofern diese unreguliert erbracht werden kann, so wird man den Erwerb eines Anspruchs auf diese Dienstleistung wohl ebenfalls als unreguliertes Geschäft bewerten können, oder zugespitzt formuliert: Nur weil ein Buchgutschein plötzlich elektronisch verfügbar ist, wäre es unverständlich, dessen Ausgabe nun der Finanzmarktregulierung zu unterziehen.

Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich die sogenannten Security-Token, welche in ihrer Art einem Wertpapier vergleichbar sind. In diesen Fällen hat der Token-Inhaber gegen den Ausgeber des Tokens beispielsweise einen Anspruch auf Rückzahlung, auf eine Beteiligung am Gewinn oder auf entsprechende Gesellschaftsanteile des Unternehmens. Entscheidend ist hierbei die funktionale Vergleichbarkeit zu einem Wertpapier. Und obwohl es sich um einen Token handelt, findet die Regulierung bereits jetzt in Form der Wertpapierregulierung eine umfassende Antwort (Prospektpflicht, Lizenzpflicht, Anlegerschutz etc.). Darüber hinaus nimmt die Bundesregierung die Entwicklung in einem Eckpunktepapier auf (welches wohl zeitnah in einen Gesetzentwurf gegossen wird). Demnach soll es zukünftig möglich sein, elektronisch Schuldverschreibungen auszugeben, ohne dass eine Wertpapierurkunde ausgegeben wird. Denn nach wie vor verlangt das deutsche Wertpapierrecht auch im 21. Jahrhundert die zwingende urkundliche Verkörperung von Wertpapieren. Eine überfällige Reform!

Und dann bleibt da noch der Bereich der Krypto-Währungen (Bitcoin, Ripple und Co.). Diese stellen eine Besonderheit dar, da sie keinen Anspruch repräsentieren, anders als dies beispielsweise bei E-Geld (wie der Geldkarte) der Fall ist. Auch werden Krypto-Währungen nicht von einer Zentralbank gestützt. Vielmehr erhalten Krypto-Währungen allein dadurch einen Wert, dass ihnen beim Handel ein entsprechender Wert zugemessen wird. Einen Anspruch gegen einen Dritten (insbesondere auf Umtausch in eine Fiat-Währung) stellen Krypto-Währungen nicht dar. Trotz dieser Besonderheit erlaubt das geltende Recht eine Einordnung dieser Krypto-Währungen. So hat die deutsche Regulierung (in Form der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) Krypto-Währungen als Rechnungseinheiten eingestuft (a. A. KG Berlin, 25.9.2018 – [4] 161 Ss 28/18 [35/18], BB 2018, 2705 mit BB-Komm. Conreder) und wendet die entsprechenden Vorschriften an. Dies wird in einigen europäischen Ländern anders gesehen, so dass sich ein heterogenes Bild zeigt. Der Bereich der Krypto-Währungen ist dabei in vielen Ländern unreguliert. Der deutsche Gesetzgeber steuert dagegen, indem er im Referentenentwurf des deutschen Umsetzungsgesetzes zur 5. Geldwäscherichtlinie vom 20.5.2019 die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten (insbesondere von Krypto-Währungen) als lizenzpflichtiges Geschäft definiert.

Im Ergebnis zeigt sich sehr deutlich, dass die Regulierung (und damit auch Compliance) derzeit die Linie zwischen freiem und reguliertem Token-Geschäft sucht und in einzelnen Bereichen bereits zieht. Der Traum einer sich selbstregulierenden Token-Welt, die unabhängig und parallel zur klassischen Finanzwelt existiert, wird dabei wohl weitgehend ein Traum bleiben. Mit Blick auf bereits erlebte Finanzkrisen (wie der Dotcom-Bubble) ist dies ein wenig überraschendes Ergebnis der Entwicklung.

Dr. Christian Storck, LL.M. (London School of Economics), ist Rechtsanwalt und englischer Solicitor bei Linklaters LLP. Neben der Beratung zu kapitalmarktrechtlichen Themen ist er Global Co-Head of Innovation und berät im Bereich der Digitalisierung von Unternehmen, insbesondere in der Finanzbranche.

 
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