Einführung des FüPoG II: Der Gesetzgeber macht ernst mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau
Wer Landesquoten akzeptiert, sollte auch mit Geschlechterquoten kein Problem haben.
Dass Diversity den Unternehmen guttut, dass gemischte Teams tendenziell bessere Ergebnisse erzielen und dass es aus demographischen Gründen wichtig ist, die Berufstätigkeit von Frauen zu fördern, ist mittlerweile Allgemeingut. Über den Weg dahin gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die einen setzen weiterhin auf Appelle und bessere Einsicht. Die anderen bezweifeln, dass dieser Weg in absehbarerer Zeit zu Veränderungen führt. Und danach sieht es (leider) aus. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber wieder aktiv geworden: Am 12. August 2021 ist das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) in Kraft getreten, gewissermaßen als Weiterentwicklung des FüPoG aus dem Jahr 2015. Ziel war und ist, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, nachdem jahrelange Appelle und Selbstverpflichtungen letztlich nichts gebracht haben. 2015 wurden zunächst nur die Aufsichtsräte ins Visier genommen – und auch nur die börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Sie müssen seither zu mindestens 30 % mit Frauen (und Männern) besetzt sein. Bei den Aufsichtsräten, Leitungsorganen und den obersten beiden Führungsebenen börsennotierter oder mitbestimmter Unternehmen glaubte man 2015 noch, auf eine feste Quote verzichten zu können. Diese Unternehmen wurden lediglich zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil verpflichtet (sog. flexible Quote). Leider ohne den gewünschten Erfolg.
Die fixe Quote funktioniert, die flexible Quote nicht. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der betroffenen Unternehmen stieg von 21,3 % im Jahr 2015 auf 35,9 % Anfang 2021; 99 der 106 Unternehmen erfüllten die vorgeschriebene 30 %-Quote, ohne dass dies zu wirtschaftlichen Nachteilen geführt hätte und ohne dass nur ein kleiner Kreis von privilegierten “Goldröckchen” in die Aufsichtsräte eingerückt wäre. Im Gegenteil hat die Quotenregelung weit über den Kreis der betroffenen Unternehmen hinaus zu einem Umdenken geführt: Bei der Neubesetzung von Aufsichtsratspositionen wird seither ganz bewusst nach weiblichen Kandidaten Ausschau gehalten, und zwar mit Erfolg. Nicht erfüllt wurden hingegen die Erwartungen an die flexible Quote. Viele Unternehmen, die seit 2015 zur Festlegung von Zielgrößen verpflichtet sind, geben für den Vorstand bislang die Zielgröße Null aus. Weder die größere Zahl von Frauen in den Aufsichtsräten noch die Pflicht, die geschlechterbezogenen Ziele zu veröffentlichen, haben zu einem Umdenken bei der Besetzung der Leitungsebenen geführt. Diese Lücke soll jetzt durch das FüPoG II geschlossen werden.
Besteht der Vorstand einer börsennotierten, paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft aus mehr als drei Personen, müssen künftig mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein. Das gilt nicht sofort, aber vom 1. August 2022 an bei der Bestellung neuer Vorstandsmitglieder. Erfolgt die Bestellung eines neuen Vorstandsmitglieds unter Missachtung dieses Mindestbeteiligungsgebots, ist die Bestellung nichtig. Der Vorstandsposten bleibt entweder unbesetzt, oder es erfolgt in dringenden Fällen auf Antrag eine gerichtliche Bestellung.
Das ist zweifellos ein erheblicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit der betroffenen Unternehmen. Aber er ist gerechtfertigt, nachdem jahrelange Appelle nicht viel verändert haben. Zudem ist die Zahl der betroffenen Unternehmen überschaubar: Nur 24 von 66 betroffenen Unternehmen hatten im Januar 2021 keine Frau im Vorstand. Unternehmen, die bislang die Zielgröße Null ausgegeben haben, werden erleben, dass die Berufung einer Frau in den Vorstand eine Bereicherung darstellt und die Attraktivität des Unternehmens für weibliche Talente erhöht. Frauen, die sich sorgen, dass ihnen das Stigma der “Quotenfrau” anhaftet, können beruhigt werden: Frauen in Vorstandspositionen werden genauso wie Frauen in Aufsichtsräten irgendwann zur Normalität werden. Und welcher Mann hat sich schon mal davor gescheut, eine Berufung zum Bundesverfassungsgericht anzunehmen, nur weil er als Repräsentant “seines” Bundeslandes ausgewählt wurde? Wer Landesquoten akzeptiert, sollte auch mit Geschlechterquoten kein Problem haben.
Für Unternehmen, die (nur) börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, gilt die Frauenquote im Vorstand nicht. Die Unternehmen müssen nach dem FüPoG II nur die Festlegung der Zielgröße Null für Aufsichtsrat, Vorstand und die beiden darunter liegenden Führungsebenen im Einzelnen begründen.
Schließlich wurde mit dem FüPoG II eine Forderung der Initiative #stayonboard aufgegriffen: Mitglieder eines Vorstands, der aus mehreren Personen besteht, können künftig in den Fällen Mutterschutz, Elternzeit, Pflege eines Familienangehörigen und Krankheit eine Auszeit nehmen, ohne ihr Amt niederlegen zu müssen oder während der Auszeit ein Haftungsrisiko zu tragen (s. dazu Mayer, BB 39/2020, “Die Erste Seite”). Der Gesetzgeber hat dafür das Recht geschaffen, den Aufsichtsrat um den (befristeten) Widerruf der Bestellung und die Zusicherung der Wiederbestellung nach der Auszeit zu ersuchen. Im Falle des Mutterschutzes muss der Aufsichtsrat die Auszeit gewähren. In allen anderen Fällen kann der Aufsichtsrat die Auszeit verweigern, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Fazit: Mit der Einführung des FüPoG II zeigt der Gesetzgeber, dass er es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau ernst meint, ohne dabei die berechtigten Interessen der Unternehmen aus dem Auge zu verlieren. Bleibt zu hoffen, dass der vergleichsweise enge Anwendungsbereich der Frauenquote in Vorständen auch über die betroffenen Unternehmen hinaus Signalwirkung hat.
Dr. Barbara Mayer, RAin/FAinHaGesR, ist Geschäftsführende Partnerin der Sozietät Friedrich Graf von Westphalen & Partner. Sie ist u. a. Herausgeberin eines Handbuchs zur Aktiengesellschaft sowie eines Kommentars zur SE und berät Unternehmen zu allen Fragen des Aktienrechts sowie im Rahmen von M&A-Transaktionen.