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BB 2022, I
Schmittmann 

Elektronisches Steuerberaterpostfach ante portas

Abbildung 1

Steuerberaterplattform ist zwar nachhaltig, für Berufsträger aber voller Risiken.

Zu den Aufgaben der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) gehört gem. § 86 Abs. 2 Nr. 10 Steuerberatungsgesetz (StBerG), eine Steuerberaterplattform einzurichten, die der elektronischen Kommunikation und der elektronischen Zusammenarbeit dient und die einen sicheren Austausch von Daten und Dokumenten ermöglicht. Weiterhin hat die BStBK gem. § 86 Abs. 2 Nr. 11 StBerG die besonderen elektronischen Steuerberaterpostfächer einzurichten. Wer das Berufsrecht der Rechtsanwälte aufmerksam verfolgt hat, wird hier erhebliche Parallelen zum besonderen elektronischen _Anwaltspostfach (beA) feststellen, das zwar bereits vor einigen Jahren eingerichtet worden ist, aber erst seit 1.1.2022 verpflichtend für die Kommunikation mit Gerichten zu nutzen ist. Die Mitglieder der Steuerberaterkammern sind gem. § 86c StBerG verpflichtet, sich bei der Steuerberaterplattform mit dem für sie eingerichteten Nutzerkonto zu registrieren. Der BStBK obliegt gem. § 86c Abs. 2 StBerG die Prüfung der Identität des Berufsträgers. Die BStBK richtet über die Steuerberaterplattform gem. § 86d Abs. 1 S. 1 StBerG für jeden Steuerberater ein besonderes elektronisches Postfach empfangsbereit ein. Hinsichtlich der Einzelheiten enthält § 86f StBerG eine Verordnungsermächtigung zu Gunsten des Bundesministeriums der Finanzen. Nachdem am 17.8.2022 der Referentenentwurf einer Verordnung über die Steuerberaterplattform und die besonderen elektronischen Steuerberaterpostfächer (StBPPV) vorgelegt worden ist, ist die Verordnung am 30.11.2022, immerhin einen Monat vor ihrem Inkrafttreten, bekannt gemacht worden (BGBl. I 2022, 2105 ff.).

Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach ist Gegenstand der §§ 11 ff. StBPPV. Explizit regelt der Verordnungsgeber, dass das besondere elektronische Steuerberaterpostfach gem. § 11 Abs. 1 StBPPV der elektronischen Kommunikation der Berufsträger, der Steuerberaterkammern und der BStBK mit den Gerichten dient. Gem. § 11 Abs. 2 S. 2 StBPPV ist mit der Finanzverwaltung nicht über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zu kommunizieren, soweit diese ein anderes elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Nachrichten und Dokumenten zur Verfügung stellt. Dies ist bei der Plattform “Elster” ohne Weiteres gegeben. Für den Berufsträger wichtig ist die Regelung in § 20 Abs. 1 StBPPV, wonach der Postfachinhaber den von ihm erzeugten privaten Schlüssel keiner unbefugten Person weitergeben darf und verpflichtet ist, das dem privaten Schlüssel zugehörige Zertifikats-Passwort geheim zu halten. Berufsangehörige, die nunmehr mit dem Finanzgericht oder dem BFH elektronisch kommunizieren, sollten sich stets der Anforderungen vergegenwärtigen, die der BFH sowie die sonstigen Gerichte bislang gestellt haben und die für Steuerberater anwendbar sein dürften. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ergibt sich aus § 52d S. 1 FGO. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.

Eine beim BFH innerhalb der Beschwerdefrist als Telefaxschreiben eingegangene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater eingelegt wurde, der gegenüber dem Gericht als “Rechtsanwalt” handelt, entspricht nicht den Anforderungen des § 52d S. 1 FGO, so dass eine nach dem 31.12.2021 eingelegte Beschwerde unwirksam ist und nicht beachtet wird (so BFH, 27.4.2022 – XI B 8/22, BB 2022, 2082 m. BB-Komm. Wackerbeck). Dies gilt auch bei einem sich selbst vertretenden Rechtsanwalt in einem Verfahren ohne Anwaltszwang (so LG Düsseldorf, 4.10.2022 – 25 T 353/22, AnwBl 2022, 689).

Steuerberater müssen jetzt ihre Büroorganisation unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zum beA anpassen. Für die Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs bei fristgebundenen Schriftsätzen genügt nach der Rechtsprechung des BGH (17.3.2020 – VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809) nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist, sondern es ist anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war. _Zudem ist Vorsicht geboten bei der Annahme einer technischen Unmöglichkeit, um ein alternatives Kommunikationsmittel zu verwenden. Der Berufsträger muss darlegen und glaubhaft machen, dass die technische Übermittlung im Zeitpunkt der beabsichtigten Einreichung aus technischen Gründen unmöglich war. Gleiches gilt für die vorübergehende Natur des technischen Defektes, wozu eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt (so OLG Braunschweig, 28.10.2022 – 4 U 76/22, juris). Die Annahme, dass ein solcher Defekt nicht sogleich behoben werden kann, setzt allerdings voraus, dass der Berufsträger sich um Alternativen bemüht hat. So nimmt z. B. das OVG Nordrhein-Westfalen (6.7.2022 – 16 B 413/22, MDR 2022, 1368, Rn. 11) an, dass ein defektes WLAN in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten, insbesondere wenn dieser Mangel schon länger vorliegt, z. B. durch die Beschaffung und Verwendung eines mobilen Hotspots ausgeglichen werden kann. Zudem sollte der Berufsträger sein Personal hinreichend schulen: Die Weisung eines Rechtsanwalts an sein Büropersonal, eine nicht qualifiziert elektronisch signierte Antragsschrift eigenständig per beA an das Gericht zu versenden, ist grob sorgfaltswidrig (so VG Freiburg (Breisgau), 28.9.2022 – 13 K 2458/22, juris).

Die elektronische Steuerberaterplattform steht vor der Tür. Die Verordnung tritt zum 1.1.2023 in Kraft, gleichwohl besteht die Verpflichtung der Nutzung für die Berufsträger erst nachdem die Postfächer freigeschaltet worden sind. Die bis dahin verbleibende Zeit sollte nicht nur dafür genutzt werden, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, sondern auch die organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei zu schaffen.

Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, RA/FAHaGesR/FAInsSanR/FAStR/StB, lehrt an der FOM Hochschule für Oekonomie und Ma_nagement Essen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht und ist Mitglied des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs.

 
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