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BB 2010, 1
von Rosen, Rüdiger 

Globale Finanzmarktsteuer: Debatte bekommt neuen Schwung

Dass die globale Finanz- und Wirtschaftskrise Änderungen für die Weltfinanzordnung zur Folge haben wird, steht außer Zweifel. Seit geraumer Zeit wird fieberhaft an einem neuen Regulierungsrahmen gearbeitet. Allerdings ist noch nicht abzusehen, wie er am Ende in seinen Details aussehen wird. Auch ob er tatsächlich die Krisenprävention nachhaltig stärken wird, bleibt abzuwarten. Neben vielen anderen Maßnahmen ist spätestens seit dem Gipfel der G-20-Staaten in Pittsburgh Ende September 2009 die globale Finanzmarktsteuer Dauerthema der globalen Regulierungsdebatte.

Nach diesem Konzept soll der Handel mit Finanzprodukten besteuert werden, um kurzfristige Transaktionen zu verteuern und dadurch die Finanzmarktstabilität zu erhöhen. Neben den englischen und dem französischen Regierungschefs zeigt auch Bundeskanzlerin Merkel offen Sympathie hierfür. Und auch der Dezember-Gipfel der EU hat sich jetzt für die Prüfung einer globalen Finanzmarktsteuer ausgesprochen. Neu ist die Idee nicht. Schon 1972 hat der Ökonomie-Nobelpreisträger James Tobin zur Eindämmung von Währungsspekulationen eine Steuer auf internationale Devisengeschäfte vorgeschlagen. Beinahe jede krisenhafte Erscheinung im Finanzwesen bietet seitdem ihren Befürwortern Anlass, die Tobin-Steuer in immer neuen Varianten als Wunderwaffe der Krisenprävention aus der Versenkung zu holen. Bisher glücklicherweise erfolglos.

Doch die globale Finanzkrise und ihre Folgekosten sind derart ausgeprägt, dass in der Diskussion über die Konsequenzen und die künftige Krisenvermeidung die alte Idee zwangsläufig wiederbelebt wird. Der öffentliche Druck einer Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise fordert dies geradezu heraus. Zudem hat man mit den Kosten des Klimaschutzes eine angeblich sinnvolle Verwendungsmöglichkeit für die Einnahmen entdeckt - auch dies übrigens kein neues Argument.

Nur weil plötzlich die Einigungsbereitschaft wächst, ist die Finanzmarktsteuer aber noch keine sinnvolle Maßnahme. Im Gegenteil: Die Argumente der Befürworter überzeugen nicht. Diese argumentieren, dass die Erhöhung der Transaktionskosten den An- und Verkauf von Wertpapieren verteuern würde, was zu einer Verringerung der Volatilität der Kursschwankungen auf den Kapitalmärkten und einer höheren Stabilität des Finanzsystems führen soll. Bei langfristig angelegten Transaktionen würde eine solche Steuer hingegen kaum ins Gewicht fallen. Dahinter steckt die theoretisch irrige Annahme, dass kurzfristige Engagements ökonomisch weniger wertvoll sind als langfristige. Kurzfristig ausgerichtete Transaktionen sind aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es jederzeit einen Markt für Wertpapiere und/oder Devisen - also ausreichend Liquidität - gibt, was die Chance aller Marktteilnehmer erhöht, gemäß ihren individuellen Preisvorstellungen einen Käufer bzw. Verkäufer eines Finanzproduktes bzw. Wertpapiers zu finden. Die Transaktionssteuer würde dem Kapitalmarkt dringend benötigte Liquidität entziehen, seine Schwankungsanfälligkeit erhöhen statt vermindern und damit seine Effizienz deutlich beeinträchtigen. Der Krisenfestigkeit würde dies nicht dienen.

Hinzu kommen unerwünschte Nebeneffekte: Eine Volatilitätserhöhung bedeutet zuallererst höhere Risiken für die Investoren. Diese werden sich die Risiken entweder in Form höherer Kapital-, insbesondere Eigenkapitalkosten bezahlen lassen oder sie werden höhere Absicherungskosten tragen müssen, um ihre Portfolios gegen Schwankungen zu immunisieren. Damit träfe eine Finanzmarktsteuer indirekt diejenigen, die nicht getroffen werden sollen - nämlich Unternehmen, die dringend Eigenkapital benötigen, und langfristige Anleger.

Zu guter Letzt ist auch der von den Befürwortern gewählte Bezugspunkt zur aktuellen Finanzkrise nur ein geschicktes Tarnargument, denn die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer würde nicht an den wahren Ursachen der Misere ansetzen. Diese liegen eben nicht zuvorderst in kurzfristig motivierten Finanztransaktionen, sondern u. a. in einer durch übermäßige bzw. zu günstige Kreditversorgung befeuerten Immobilienblase und weitverbreiteten Fehleinschätzungen der Risiken heutiger Finanzinstrumente unter den privaten und staatlichen Akteuren des Finanzmarktes - auch in Deutschland. Genau an diesen Ursachen muss durch eine mit Augenmaß vorgenommene adäquate Regulierung angesetzt werden.

Eine Finanzmarktsteuer ist hingegen nicht ursachengerecht. Sie hätte - was nicht jedem bewusst ist und von manchen, die es besser wissen müssten, bewusst verschwiegen wird - die jetzige Krise nicht verhindert. Damit ist sie aber noch lange nicht vom Tisch, denn die fiskalischen Verlockungen werden bleiben. Der ehemalige Finanzminister Steinbrück schätzte diese auf weltweit fast 700 Mrd. US-Dollar im Jahr. Welcher Fiskalpolitiker würde bei solchen Summen nicht ins Grübeln kommen? Da ist es auch egal, ob die Schätzungen realistisch sind, denn es ist mit Ausweichreaktionen auf eine solche Steuer zu rechnen, die die Einnahmeseite schnell schmälern werden. So lehrt es das Beispiel Schwedens; es liegt aber auch in der Natur der Steuer, die als Lenkungssteuer immer dann unergiebig ist, wenn sie ihren Zweck erfüllt.

An "guten" Argumenten für eine Finanztransaktionssteuer wird es ihren Befürwortern sicher auch weiterhin nicht fehlen. Daran erinnert uns die "unglückliche" Sektsteuer, die vor rund 100 Jahren in Deutschland eingeführt wurde, um den Aufbau der kaiserlichen Marine zu finanzieren. Mindestens ebenso lose ist die Verbindung der Finanzkrise mit dem Klimaschutz.

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts e. V. in Frankfurt
 
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